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  Die ringparabel

Die Ringparabel (3. Aufzug, 7. Auftritt)      In dem Drama „Nathan der Weise“, von Gotthold Ephraim Lessing, welches er 1779 nach einigen Diskrepanzen, mit damaligen Hamburger Oberpastor Goeze geschrieben hat, geht es hauptsächlich um das Problem des Wahrheitsanspruchs der Religionen. Um dieses Problem aufzulösen, benutzt er als Kernstück des Dramas die Ringparabel, als Allegorie der drei Religionen. (Judentum, Christentum und Islam)   Zuerst einmal aber würde ich gerne auf die Vorgeschichte, also den Kontext kurz eingehen, damit man besser verstehen kann, worum es in dem Theaterstück überhaupt geht, und wie die Ringparabel in dieses Stück hinein passt.   Die Personen in dem Theaterstück sind: Sultan Saladin Sittah, seine Schwester Nathan, ein reicher Jude Recha, dessen angenommene Tochter Daja, eine Christin und Gesellschafterin der Recha Ein junger Tempelherr Ein Derwisch Der Patriarch von Jerusalem Ein Klosterbruder u.

a.   Ort und Zeit des dramatischen Gedichtes in fünf Aufzügen: In Jerusalem, im Hause des Nathan und an Saladins Hof, spätes Mittelalter.   Recha ist im Hause des reichen und edlen Juden Nathan aufgewachsen. Sie ahnt nicht, dass sie nicht seine Tochter, sondern eine Christin ist, die Nathan nach Verlust seiner sieben von den Christen ermordeten Söhne an Kindesstatt einst angenommen hatte. Von einer Reise zurückgekehrt, erfährt Nathan, dass Recha bei einer Feuerbrunst umgekommen wäre, hätte sie nicht ein junger Tempelherr (christlicher Kreuzfahrerritter) gerettet. Nathan sucht die Bekanntschaft des Tempelherrn, um ihm seinen Dank auszusprechen.

Doch der weicht ihm aus, bis eine spätere persönliche Begegnung sie einander näher bringt. Die aufkeimende Liebe des Tempelherrn zu Recha findet zuletzt ihre Lösung und Erklärung in der Tatsache, dass er ihr Bruder ist, den seltsame Schicksale nach Jerusalem verschlagen hatten. Mit dieser Handlung verknüpft, ist eine zweite, die an den Hof des freigiebigen Sultans Saladin und seiner klugen Schwester Sittah führt. Saladin ist in Geldschwierigkeiten, sucht und findet schließlich die Hilfe Nathans. Ausschlaggebend für ihre Freundschaft ist die von Nathan erzählte Ringparabel, auf welche ich dann später noch einmal eingehen werde. Zum Schluss des Werkes werden die Haupthandlungen kunstvoll zusammengeführt.

Neben der Enthüllung der Geschwisterschaft Rechas mit dem Tempelherrn stellt sich heraus, dass die beiden auch mit Sultan Saladin verwandt sind. Wiewohl in drei Religionen aufgewachsen, gehören sie alle einer Familie an.   Nach meinem kleinen Abstecher in den Kontext, komme ich jetzt wieder zur Ringparabel, dem - wie schon gesagt - eigentlichen Kernstück des Dramas, zurück. Selber ausgedacht hat Lessing sich die Parabel nicht. Er hat, wie er selbst schreibt, letztere aus dem Novellenzyklus „Decamerone“, welchen Giovanni Boccaccio schon im 14. Jahrhundert verfasst hat entnommen.

Im Decamerone bildet die Ringparabel die dritte Novelle des ersten Tages. Aus der dritten Novelle des zehnten Tages hat Lessing auch den Namen des Juden Nathan.   Die in dem Drama etwas veränderte Parabel, beginnt damit, dass der sich in Finanznöten befindende Saladin Nathan zu sich bittet, um sich Geld bei ihm zu leihen. Nicht ohne Hintergedanken- sowohl, um ihn kennen zulernen, als auch, um ihn in Verlegenheit zu bringen- stellt er ihm die Frage nach der wahren Religion. Nathan ist zunächst überrascht:   „Hm! hm! – wunderlich! – Wie ist Mir denn? – Was will der Sultan? Was? – Ich bin Auf Geld gefasst; und er will – Wahrheit. Wahrheit! Und will sie so, - so bar, so blank, - als ob Die Wahrheit Münze wäre!“   Mit seiner Erzählung von den drei Ringen, die nicht zu unterscheiden sind, verlagert Nathan das theoretische Problem des Wahrheitsanspruchs der Religionen auf die praktische Ebene; weder führt er Vernunftgründe an, die für die Wahrheit einer der drei Religionen sprechen würden, noch will er den Streit durch die Hinwendung zu einer Vernunftreligion beenden.

In der Parabel lässt Nathan den Richter lediglich einen Rat aussprechen:   [...] „Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten.“ [..

.]   [...] – „Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochenen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag Zu legen! Komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf!“   Was der Richter fordert, sind Toleranz und Humanität, ist das sittliche Verhalten der Gläubigen als Gradmesser für den rechten, wahren Glauben. Dies fordert Lessing auch von Goeze, mit dem er sich zuvor verstritten hatte, auf Grund des Unfehlbarkeitsdogmas, das dieser für die christliche Kirche aufgestellt hatte.


Dem Brotherrn Lessings, der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, ging dieser Streit zu weit, so dass er Lessing die Zensurfreiheit entzog. Dies nahm Lessing zum Anlass, sich nun mehr in Form des hier besprochenen Dramas, insbesondere in der Ringparabel, mit diesem Thema auseinander zusetzten. Die Aussage der Ringparabel ist eigentlich nichts anderes, als zu verdeutlichen, dass es prinzipiell gleich ist, welchen Ring welcher Sohn besitzt – da die Ringe identisch sind – so dass man auch alle Ringe in einen Topf werfen könnte und jeder Sohn sich einen herausnähme und er nicht wüsste welcher seiner ist. Hier raus folgt, dass es nicht darum geht, woran man glaubt, sondern das man glaubt. Dies gilt auch für die drei Religionen.   Als Vertreter dieser über ideologischen Grenzen hinwegsehenden sittlichen Haltung wird der Jude Nathan dargestellt.

Obwohl seine Familie von christlichen Kreuzrittern ausgerottet wurde, nimmt er – anstatt Rache und Vergeltung zu fordern – die verwaiste Christin Recha als Tochter an. Durch sein Beispiel wird auch der Tempelritter zu vorurteilsfreier, von religiösen Differenzen unbefangener Menschlichkeit geführt. Ihnen gegenüber stehen – als Negativbeispiele – die kleinliche, engstirnige Daja und der machtbesessene, intrigante Patriarch, der Züge Goezes trägt. Die idealistische Tendenz des Stückes verurteilt ihr Handeln jedoch zur Wirkungslosigkeit.   Ganz bewusst rückte Lessing das Stück in die zeitliche und räumliche Ferne. Ort und Zeit, das mittelalterliche Jerusalem während der Kreuzzüge, und das Ende, das Christen, Juden und Mohammedaner in allseitiger Umarmung zeigt, nachdem sie ihre Verwandtschaftsbeziehungen entdeckt haben, verleihen dem Drama eine märchenhafte, utopische Atmosphäre.

  Eine Aufführung erlebte das Stück zu Lebzeiten Lessings nicht. Lessing selbst äußerte sich skeptisch über die Wirkung des Stücks und die Möglichkeit, es an der deutschen Bühne aufzuführen. An seinem Bruder Karl Gotthold schrieb er:   „Es kann wohl sein, dass Nathan im ganzen wenig Wirkung tun würde, wenn er auf das Theater käme, welches wohl nie geschehen wird. Genug, wenn er sich mit Interesse nur ließet, und unter tausend Lesern nur einer daraus an der Evidenz und Allgemeinheit seiner Religion zweifeln lernt.“   Heute gehört das Stück zum festen Repertoire deutscher Theater.   Zusammenfassend kann man jetzt wohl sagen, dass Lessing mit der Ringparabel das Problem, des Wahrheitsanspruchs der Religionen, sehr gut löst.

Er drückt mit der Parabel aus, dass man nicht einfach sagen kann, dass eine der drei Religionen besser sei, sondern, dass eine Gleichheit zwischen allen drei Religionen besteht, und man diese auch tolerieren muss. Mit dem stillen Aufruf zur Gleichheit war Lessing ein Vordenker in seiner Zeit der Aufklärung, wenn man bedenkt, dass zehn Jahre später die große Französische Revolution ausbrach, in der Gleichheit zu einem der drei Schlagwörter gehörte.

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