Fiedler, marvin
Fiedler, Marvin
Die Literatur
der Weimarer Republik
(Facharbeit in Deutsch)
Inhalt
0. Vorwort Seite 3
Einführung Seite 4
Die geschichtlichen Hintergründe Seite 5
Die Ursachen
Politik und Gesellschaft in der Weimarer Republik
Analogien in der Kultur
Die Folgen
Der Expressionismus nach dem I. Weltkrieg Seite 7
Else Lasker-Schüler: „Georg Trakl“
Die Neue Sachlichkeit Seite 8
Peter Huchel: „Späte Zeit“
Die proletarisch-revolutionäre Literatur Seite 11
Oskar Kanehl: „Der Prolet“
Die präfaschistische Literatur Seite 14
Adolf Hitler: „Mein Kampf“ S. 525ff
Der Rundfunk in der Weimarer Republik Seite 17
Die bedeutendsten Autoren und ihr Werk Seite 18
Literaturverzeichnis Seite 21
Die interpretierten Beispiel-Texte Seite 22
Else Lasker-Schüler: „Georg Trakl“
Peter Huchel: „Späte Zeit“
Oskar Kanehl: „Prolet“
Adolf Hitler: „Mein Kampf“ S. 525ff
Vorwort
Da die Weimarer Zeit ein durch geschichtliche Ereignisse gebildeter Zeitraum ist, kann man sie zwar als Epoche bezeichnen, doch es gibt mehrere verschiedene literarische Strömungen, die in dieser Zeit ineinander übergehen. Der Expressionismus begann schon vor Beginn des ersten Weltkrieges und findet sein Ende etwa im Jahr 1922.
Deshalb spielt er in der Literatur der Weimarer Republik nur eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend kurz habe ich mich bei der Erörterung der allgemeinen Merkmale gefasst. Schon zu Beginn der Weimarer Republik hatte die Strömung der Neuen Sachlichkeit ihren Anfang und löste den Expressionismus als seine Gegenbewegung im Laufe mehrerer Jahre ab. Sie erstreckt sich über fast den gesamten Zeitraum und ist so mit der proletarisch-revolutionären Literatur eine der bedeutendsten Weimarer Stilrichtungen. Die proletarisch-revolutionäre Strömung mit ihrem kommunistischen Leitgedanken entwickelte sich annähernd parallel zu dieser. Noch bedeutend langsamer entwickelte sich die faschistische Literatur.
Man kann die präfaschistische Literatur als eine Vorstufe der faschistischen Strömung zur Zeit der Weimarer Republik mit einigen spezifischen Eigenschaften ansehen. Mein Text-Beispiel, ein Auszug aus Hitlers „Mein Kampf“, ist wahrscheinlich kein besonders typischer Text der präfaschistischen Literatur, doch das Werk an sich ist das bedeutendste präfaschistische Werk überhaupt und da es sich um ein heutzutage illegales Buch handelt ist es nicht möglich ohne Sondergenehmigung das gesamte Werk einzusehen, weshalb ich zwangsweise diesen Auszug interpretieren musste.
In die geschichtlichen Hintergründe habe ich bereits die Einflüsse auf die literarischen Entwicklungen sowie die Intentionen beziehungsweise Bestrebungen eingebettet und deshalb nicht noch einmal separat aufgeführt. Ebenso sind die Themen und Bestrebungen in die einzelnen Strömungen eingegliedert, da sie unter den verschiedenen Strömungen sehr differieren. Eine entscheidende Neuerung in der Literatur der Weimarer Republik war die Medienkonkurrenz. Diese habe ich separat dargestellt, weil sie unabhängig von der Strömung auf jegliche Literatur in dieser Zeit Einfluss hatte.
Sie spielt vor allem in der weiteren Entwicklung der Literatur bis zur Gegenwart eine immer bedeutendere Rolle.
Einführung
Das Interesse an der Literatur im Zeitraum von 1918 bis 1932 – der Literatur der Weimarer Republik – ist in der jüngeren Vergangenheit stetig gewachsen. Man erhofft sich Antworten auf die Frage nach den Gründen des Untergangs dieses ersten Versuches einer Demokratie auf deutschem Boden. Sie soll vor allem Einblicke in die politischen Verhältnisse, die äußeren Lebensbedingungen sowie die weltanschauliche Position dieser Zeit geben. Noch vor einigen Jahren galt die Literatur der Weimarer Republik als weitgehend unerforscht. Dies hat einfache Gründe: nach dem Dritten Reich kam die Aufarbeitung der Literatur dieser Zeit nur zögernd in Gang.
Einige Autoren der Zeit der Weimarer Republik zogen zwar verstärkt Aufmerksamkeit auf sich, die übrigen blieben jedoch so gut wie unberücksichtigt.
Die Literatur der Weimarer Republik begrenzt sich auf einen genau definierten Zeitraum. Dieser beginnt mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und endet mit der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahr 1932. Trotz der Kürze dieser Epoche zeigte sich eine nie da gewesene Vielzahl an unterschiedlicher Literatur. Das, was Weimar ausmachte, hat auch wenig zu tun mit dem Mythos der Goldenen Zwanziger Jahre. Man hat nun erkannt, dass dieser Mythos vor allem einem Rechtfertigungsbedürfnis zu danken war, das die auf diese Zeit folgenden zwölf Jahre Nationalsozialismus am liebsten ungeschehen machen wollte und die notwendigen Anknüpfungspunkte für die Wiedergenesung des deutschen Geistes natürlicherweise am ehesten in den kulturellen Taten der Weimarer Ära fand.
Das Besondere der Weimarer Zeit – politisch wie kulturell und sozial – liegt darin, dass sie eine Ära mit sehr vielen sich widersprechenden Eigenschaften war, dass sie nicht auf ein beherrschendes Charakteristikum eingeebnet werden kann, sondern ihre Stärke (in kultureller Hinsicht) und ihre Schwäche (in politischer Hinsicht) gerade in einer ungebändigten Vielfalt sich überkreuzender Eigenschaften lag. Die Kultur der Weimarer Republik war eine Schöpfung von Außenseitern, die von der Geschichte nur für einen kurzen Augenblick in den Mittelpunkt gerückt worden waren.
Die Autoren dieser Zeit fanden es selbst nicht besonders rühmenswert, Zeitgenosse dieser Epoche zu sein. Sie waren von erschreckendem Pessimismus geprägt. Was als die lebendige Frucht der zwanziger Jahre in die Literatur- und Kunstgeschichten unserer Tage eingegangen ist, das wurde von vielen sensiblen Zeitgenossen gerade nicht als produktiv, sondern als Ausdruck krisenhafter Zuspitzung, als Symptom des Zerfalls, als Verlust des Eigentlichen, des Maßes und der Mitte angesehen. Kein Zweifel also, dass die für die Weimarer Kultur so produktive Spannung der Extreme in vieler Hinsicht ein Kind der Sorge, der Angst, des Zynismus und der Verzweiflung war, nicht ein Produkt fröhlich schaffender liberaler Konkurrenz des Geistes.
Die geschichtlichen Hintergründe
Die Ursachen
Als der erste Weltkrieg ausbrach, „vergaßen“ die Deutschen ihre gesellschaftlichen und politischen Probleme – sie waren erfüllt vom Nationalstolz. Selbst die Parteien stellten ihre Auseinandersetzungen zurück. Das beweist unter anderem die Genehmigung der Aufnahme von Kriegskrediten durch die eigentlich oppositionelle SPD. Doch als der Krieg sich immer länger hinzog, die Ernährungssituation immer schlechter wurde und sich an der Front eine „Patt-Situation“ einstellte, wachte das Volk auf.
Im Juli 1917 brachen erste Streiks aus. Es wurde mit Hilfe der SPD versucht, eine Friedensresolution zu schaffen, welche jedoch von der Obersten Heeresleitung unterbunden wurde.
Am 28. 10. 1918 verabschiedete der damalige Kanzler, Prinz Max von Baden, eine Verfassungsreform, welche die Macht des Kaisers weitgehend einschränkte. Das Militär unterstützte diese neue Regierung jedoch nicht. Das Flottenkommando befahl – ohne Wissen der Regierung – den Schiffen, nochmals auszurücken. Dadurch kam es zu dem sogenannten Kieler Matrosenaufstand, denn die Matrosen sahen diesen sinnlosen Einsatz kurz vor Ende des Krieges nicht ein.
Diese Revolution breitete sich schnell über ganz Deutschland aus, das kriegsmüde Volk forderte eine Beendigung des Krieges und das Abdanken des Kaisers. Dieser zögerte allerdings und so kam es am 3. November 1918 zum Ausbruch revolutionärer Bewegungen. Starken Einfluss dabei hatten die Linksradikalen mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an ihrer Spitze. Diese planten die Errichtung einer auf Arbeiter- und Soldatenräte gestützten Diktatur des Proletariats.
Der Kaiser ließ sich jedoch nicht zu einem Rücktritt bewegen, so dass Max von Baden in eigener Verantwortung verkündete, dass Wilhelm abgedankt hätte und nach Holland ins Exil ginge.
Das Amt des Kanzlers übertrug er Friedrich Ebert, dem Vorsitzenden der SPD.
Am 9. November gegen 1400 Uhr rief Phillip Scheidemann die Republik aus, zwei Stunden später verkündete Karl Liebknecht unabhängig von ihm in einer anderen Stadt die sozialistische Republik. Um den Arbeiter und Soldatenräten zuvorzukommen und die Bildung einer Räterepublik zu verhindern, bildete Ebert den Rat der Volksbeauftragten und setzte Wahlen zur Nationalversammlung an, welche am 19. Januar stattfanden.
Die SPD, das Zentrum sowie die Deutsche Demokratische Partei bildeten mit 76,1 Prozent der Wählerstimmen die Weimarer Koalition.
Die erste Sitzung fand in Weimar statt, da man sich dem Druck der Straße in Berlin entziehen wollte. Daher bekam die Republik auch ihren Namen.
Während dieser Sitzung wurde Ebert zum Reichspräsidenten gewählt und Phillip Scheidemann mit der Bildung einer Regierung beauftragt, welche sofort mit den Verfassungsberatungen begann. Am 31. Juli 1919 war es soweit: Die Verfassung wurde von der Nationalversammlung bestätigt und am 11. August durch die Unterschrift des Reichspräsidenten wirksam.
Sie enthielt alles, was Liberale und Demokraten seit je gefordert hatten: einen umfassenden Grundrechtskatalog, eine von der Reichstagsmehrheit abhängige parlamentarische Regierung und ein voll demokratisches allgemeines Wahlrecht auch für Frauen. Mit dem parlamentarischen System waren Elemente eines Präsidialsystems nach amerikanischem Muster verbunden. Der Reichspräsident wurde für sieben Jahre gewählt und war mit großen Vollmachten ausgestattet: Artikel 48, mit dem er – wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht mehr gewährleistet waren – die Verfassung außer Kraft setzten konnte und mit Hilfe von Notverordnungen die Möglichkeit hatte, ohne Zustimmung des Reichstags zu regieren. Gerade das trat später ein, und das Fehlen jeder Kontrolle über die Entscheidungen des Präsidenten war einer der Faktoren, die die Weimarer Republik zugrunde richteten.
Politik und Gesellschaft in der Weimarer Republik
Die politische Szenerie der Weimarer Republik war durch einen ungewöhnlich breiten Fächer politischer Kräfte bestimmt. Fertig werden musste die deutsche Nation zunächst mit der Tatsache eines verlorenen Krieges, mit dem Umstand, dass gerade die politischen Gruppen, die in der vorausgegangenen kaiserlichen Ära zu geächteten Opposition gehört hatten, bei der ersten Wahl zur Bildung der Nationalversammlung Anfang 1919 die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen konnte und vor allem mit der Tatsache, dass die verhassten Sozialdemokraten, die man als die ärgsten Feinde des Vaterlandes verleumdet hatte, nun die stärkste Partei des Volkes geworden waren, das einer der ihren, Friedrich Ebert, zum neuen Staatsoberhaupt aufrückte, dass Regierungen gebildet wurden, in denen Kanzler und Minister Kreisen entstammten, denen im Kaiserreich jede aktive Mitgestaltung am politischen und sozialen Leben verwehrt geblieben war.
Doch die demokratische Mehrheit der ursprünglichen Weimarer Koalition aus Mehrheitssozialdemokraten, dem katholischen Zentrum und den fortschrittlichen Liberalen geriet bereits 1920 in die Minderheit.
Mit politischen Gruppen, die ihren Staat entweder nicht recht mochten – ihn darum nur lau verteidigten und schützten – und mit oppositionellen Kräften, die ihn nicht nur verbal, sondern auch unter Einsatz von Mitteln der Gewalt, die zeitweilig Bürgerkriegsähnliche Zustände hervorriefen, bekämpften, war es in der Tat nicht leicht, einen Staat zu führen. Schon die kurze Lebensdauer der Regierungen machte es schwer, das Vertrauen des Volkes in die Effizienz und das politische Vermögen eines parlamentarischen Regierungssystems zu wecken. Die Politik schien zu einem absurden Spiel zwischen untereinander uneins gewordenen Kräften zu entarten, das letzten Endes allein den Akteuren selbst – nicht aber dem Staat und seinen Bürgern – Nutzen brachte. So machte sich in einem großen Teil der politischen Parteien und vor allem im Volke selbst ein wachsender Zweifel an der Lebensfähigkeit und Brauchbarkeit dieser Art von Demokratie breit. Eine falsche Vorstellung von der politischen Betätigungsfreiheit aller Gruppen lähmte darüber hinaus die Verteidigungsbereitschaft des Systems angesichts seiner immer akuter werdenden Krise und Bedrohung.
Die politische Krise der Weimarer Republik war eine Krise der Autorität. Die demokratischen Kräfte hatten nicht genügend Spielraum und Zeit durch eigene Erfolge Autorität zu gewinnen und Legitimität zu erringen. Die Gegner der Weimarer Republik – vor allem die von rechts – taten alles, um dem verhassten System zu schaden und es nicht Wurzeln schlagen zu lassen. Sie wurden darin vielfach durch den konservativen Beamten- und Justizapparat unterstützt.
Analogien in der Kultur
Der Vielfalt der politischen Gruppierungen stand die Vielfältigkeit, Widersprüchlichkeit der Artikulationen des geistigen und kulturellen Lebens in nichts nach, eher im Gegenteil. Auch hier gab es alles, was das 19.
und 20. Jahrhundert an denkerischen und schöpferischen Möglichkeiten entfaltet hatte. Bestimmend für die Neuartigkeit der Weimarer Situation war auch in diesem Bereich, dass die beherrschende Wilhelminische Kultur ihren Führungsanspruch hatte preisgeben müssen. So gab es mythisches Philosophieren neben positivistischem Rationalismus, Marxismus neben Organizismus, juristischen Positivismus neben politisch orientierter Jurisprudenz und so weiter. Zweifellos war die Fülle, der Reichtum, die schöpferische Breite des geistigen Lebens der Weimarer Jahre ein Ausfluss der Vielfalt an Meinungen, Strömungen, Richtungen und Tendenzen. Es lässt sich zwar nachweisen, dass fast alle neuen Stilelemente in Literatur und Kunst schon vor Beginn der Weimarer Republik auftauchten, aber erst die Kriegszeit und die Republik konnten ihnen dank des freien Raums, den sie allen geistigen Bestrebungen gab, zu vollerer Entfaltung verhelfen.
Die Lebendigkeit, der Reichtum und das überdurchschnittliche Niveau des kulturellen Lebens der Weimarer Republik erklären sich vornehmlich aus der Spannung, die aus unvereinbaren, vorübergehend gleichwohl produktiven Gegensätzen herrührt. Woran die Politik notwendig scheitern musste, weil man zum Regieren einer Nation die Zustimmung ihrer wichtigen politischen und sozialen Gruppen braucht.
Die Folgen
Zwar zeichnete sich Ende 1932 durch rigorose Sparmaßnahmen der Regierung ein allmähliches Ende der Wirtschaftskrise ab, aber die Situation war emotional so aufgeheizt, dass Parolen stärker als Argumente waren. Die Rechten sahen die gesamte Schuld in den Politikern, die sich den Forderungen der Siegermächte im Versailler Vertrag gebeugt hätten. Hindenburg ließ sich von seinen Beratern überreden und ernannte am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler.
Er glaubte noch, dass Hitler durch seine konservativen Regierungspartner in Schach gehalten werden könne. Dies bewahrheitete sich nicht. Mit Hilfe des Ermächtigungsgesetzes löste Hitler alle demokratischen Parteien auf – die NSDAP wurde zur einzigen Staatspartei. Politische Gegner und „Nicht-Arier“ wurden entlassen und sehr bald verfolgt.
Der politischen Gleichschaltung erfolgte die kulturelle. Am 10.
Mai 1933 wurden öffentlich Bücher jener Autoren verbrannt, denen man „undeutschen Geist“ vorwarf. Es waren gerade die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die der deutschen Literatur internationales Ansehen verschafft hatten. Viele Künstler und Wissenschaftler emigrierten ins Ausland, um der Verfolgung zu entgehen.
Der Expressionismus nach dem I. Weltkrieg
Im Mittelpunkt der Literatur dieser Zeit stand die direkte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Krieges, mit der Revolution, dem Beginn einer neuen Epoche der Weltgeschichte und dem sich in Deutschland wieder festigenden Kapitalismus. Es fand ein Prozess der Differenzierung statt, in dem das künstlerisch Neue sich in enger Abhängigkeit von geschichtlichen Entscheidungen herausbildet.
In der Lyrik wurde versucht, das Individuum in seinem Verhältnis zum Ganzen der Menschheit und der Welt zu fassen. Sie zielte vielfach utopisch auf eine Weltwende und schien insofern darauf vorbereitet, die neue Wirklichkeit zu meistern. Die häufigsten Leitworte waren und blieben „Mensch“ und „Gott“.
Der Glaube – den viele Expressionisten hegten –, „dass aus den Trümmern durch den Willen aller sofort das Paradies erblühen müßte“1, war durch den Verlauf der deutschen Nachkriegszeit auf bittere Weise widerlegt worden. Mit dem Menschheitspathos und der Verbrüderungshoffnung verlor sich auch die bislang hymnische Redeweise. Nüchterne oder zumindest gedämpfte, elegische und von Resignation geprägte Aussagen dominierten.
Die kritisch-realistischen Ansätze lagen jedoch mit der Neigung zu pessimistischer Verabsolutierung im Streit. Der radikale Zweifel der Dichter an echter Handlungsmöglichkeit des Menschen drängte seine Literatur in die Richtung des Absurden. Die Apostrophierung Gottes – welche die Autoren früher als Gelegenheit wahrnahmen, an den Menschen hohe Forderungen zu stellen – dient jetzt überwiegend als Mittel zur Verkleinerung des Menschen und zur entschiedenen Irrationalisierung alles Lebens. Der Bezug auf das Volk äußert sich nun mehr in der Hervorhebung des einzelnen einfachen Lebens.
Eine religiöse Grundhaltung vieler Schriftsteller hatte es in der vorrevolutionären Phase des Expressionismus gestattet, in der Beziehung des Ichs zur Umwelt tröstliche Möglichkeiten zu erkennen. Deshalb durchlebten sie weniger tief die Krise des spätbürgerlichen Individuums und verarbeiteten auf religiöser Grundlage den Verlust an Weltneuerungshoffnung leichter, wobei sie sich vom politischen Engagement entfernten.
Andere dagegen sahen das eigene Ich schon seit 1912 von allen sinnvollen Bindungen weitgehend losgerissen. Das wirkte sich auch während des Krieges auf ihre politische Kritik und die Art ihrer Utopiebildung aus.
Else Lasker-Schüler: „Georg Trakl“
Das Gedicht „Georg Trakl“ von Else Lasker-Schüler gehört zur Epoche des Expressionismus. Das kennzeichnende Merkmal ist seine Kürze. Es beinhaltet nur zwanzig Worte. Wie der Titel bereits verrät, ist die Person Georg Trakl der Schwerpunkt des Gedichtes.
Georg Trakl war neben Else Lasker-Schüler und anderen Schriftstellern einer der bedeutendsten Dichter des Expressionismus. Im ersten Weltkrieg war er als Militärapotheker an der Front. Nach einigen erfolglosen Selbstmordversuchen starb er im November 1914 an einer Überdosis Kokain. Sein Tod war die Intention Lasker-Schülers ihm dieses und ein weiteres Gedicht – „Mein Lied (Meinem gefallenen, lieben Krieger Georg Trakl)“ – zu widmen.
Es scheint, als hätte Else Lasker-Schüler in kürzester Form ihre gegenwärtigen Gedanken – die jenen Sachen, welche sie gerade sehr beschäftigen – aufgeschrieben. Das Gedicht besteht aus vier Zeilen, wobei sich jede zweite jeweils auf die vorangegangene bezieht.
In dem ersten Vers wird die Grundsituation geklärt. Hier findet sich ein erstes allgemeines Merkmal dieser Literatur: die Beschäftigung mit dem ersten Weltkrieg und dessen Ergebnisse. Die zweite Zeile erläutert die Umstände des Todes. Das Fällen „von eigener Hand“ ist eine Metapher für den Selbstmord – er brachte sich mit einer Überdosis Kokain um. Der darauffolgende Vers kann als Kritik an den Umständen dieser Zeit gedeutet werden. Ein weiteres Merkmal – die Position des Individuums in der Welt – wird dargestellt.
In der letzten Zeile beschreibt Else Lasker-Schüler – als lyrisches Ich – ihre augenblickliche Situation: das Vermissen der Person Georg Trakl, womit auch die Ernüchterung, die Resignation und der kritische Realismus dieser Zeit zum Ausdruck kommen, was auch die sachlich-prägnante äußere Form zeigt.
Obwohl das Gedicht „Georg Trakl“ von Else Lasker-Schüler nur sehr kurzgefasst ist, enthält es alle grundsätzlichen Merkmale des Expressionismus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Es besticht durch seine Trefflichkeit und Bündigkeit im ganzen, sowie seine Objektivität, womit sich auch schon die Tendenz zur Neuen Sachlichkeit andeutet.
Die Neue Sachlichkeit
Die literarische Strömung der Neuen Sachlichkeit fand ihren Anfang etwa 1920 – indem sie allmählich den Expressionismus als seine Gegenbewegung ablöste – und endete formal mit der Machtergreifung Hitlers. Es ist jedoch keinesfalls so, dass die Machtübernahme der Nationalsozialisten und ihre Kulturregelung ab 1933 eine prinzipiell neue Lage schafften.
Die Neue Sachlichkeit vollzieht einen radikalen Bruch mit dem im 19.
Jahrhundert vorherrschenden Bild vom Menschen als Gefühlswesen und Individuum. Aber nicht immer bedeutete die Neue Sachlichkeit einen wirklichen Bruch mit der Tradition des Irrationalismus. Kästners Fabian zum Beispiel ist zwar vom Thema her „sachlich“ (die wirtschaftliche, politische und „moralische“ Krise wird durchleuchtet), aber in dem Maße, wie der Autor die Katastrophe als unabwendbar, dem rationalen Zugriff entzogen darstellt, steht auch dieser Roman, trotz seiner sozialkritischen Aussage, in einer Entwicklung, die dem bürgerlichen Irrationalismus verpflichtet ist. Die „Sachlichkeit“, die Abwendung vom Emotionalen und von der realitätsfeindlichen Tradition des Ästhetizismus, führte zu einer facettenreichen, ja widersprüchlichen Darstellung der Sache, der Wirklichkeit. Denn die Vorstellung von „Wirklichkeit“, der man sich nun erneut zuwandte, hatte in den letzten Jahren eine so weitgehende Veränderung erfahren (durch Freuds Psychoanalyse, Einsteins Relativitätstheorie, durch die vom bloßen „Sein“ ausgehende Existenzialphilosophie sowie durch die Verbreitung marxistischer Anschauungen), dass sich Literatur, die sich mit ihr auseinandersetzen wollte, notgedrungener Weise durch besondere Vielfältigkeit, je nach Standpunkt und Zielsetzung des Autors, auszeichnete. Die neue, vielschichtige Auffassung von Wirklichkeit zeigte sich wohl am unmittelbarsten in Döblins Berlin Alexanderplatz.
Die Autoren der Neuen Sachlichkeit entwerfen „sachliche“ Typen, die zwar Gefühle haben, aber sie kaum artikulieren dürfen. So entstehen Romane, Erzählungen, Dramen und Gedichte, in denen die Wirklichkeit nüchtern und objektiv dargestellt werden – sie werden nicht dadurch verfälscht, dass sie gleichsam durch das fühlende Herz eines individuellen Helden wahrgenommen werden. Der Wald wird als Wald dargestellt und nicht als Auslöser innerer Erlebnisse (z. B. Liebe oder Selbsterkenntnis).
Die Literaten fühlen sich an ihre Zeit gebunden und beschreiben sie in ihren Texten.
Es geht ihnen um die Darstellung der wirtschaftlich-sozialen Realität und der Befindlichkeit einer ganzen Generation.
Sie schreiben über die Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges (Zweig, Roth), über die Industrie der Weimarer Republik (Jung, Reger), über „die Angestellten“ (Kracauer, Keun, Fallada, Kästner, Fleißer) und ihre Lebensweise. Sie bejahen das mechanische Zeitalter, den technischen Fortschritt und zeigen Menschen, die mit der fortschreitenden Industrialisierung in Einklang leben – oder an ihr zerbrechen.
Die Sprache der Neuen Sachlichkeit ist eine Alltagssprache, leicht verständlich und für jeden zugänglich. Es ist eine Sprache, die dem Verstehen der dargestellten (literarischen) Wirklichkeit nicht im Wege steht. Die Werke zielen auf Massenwirksamkeit und bieten den Menschen in der Weimarer Republik längst überfällige Leitbilder für ein Leben in der modernen Massen- und Mediengesellschaft.
In der Weimarer Republik hatte zum ersten mal in der deutschen Geschichte eine Regierungsform die Mehrheit einer literarischen Öffentlichkeit auf ihrer Seite. Es war eine kritische Sympathie, denn man befürchtete, dass die allzu große Kompromissbereitschaft der Regierung gegenüber dem konservativen Militär und dem nationalistischen Rechtsblock den demokratischen Prozess behindern oder gar vereiteln könnte.
Bei der Strömung der Neuen Sachlichkeit, aber auch bei anderen Gruppierungen – zum Beispiel den nationalliberal, konservativ oder christlich Denkenden –, stellt man in der ersten Hälfte der 20er Jahre eine schrittweise Aussöhnung mit westlich-parlamentarischen Vorstellungen fest, die es ermöglichten, dass sie als „Vernunftrepublikaner“ (Friedrich Meinecke) die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die der Sturz der wilhelminischen Monarchie bewirkt hatte, akzeptieren und die Republik als einen Schritt zu einer Gesellschaftsverfassung hin begriffen, wie sie der sozialen und politischen Situation im hochindustrialisierten Zeitalter angemessen war. Dass der Weg zu einer Bejahung der demokratischen Prinzipien bisweilen eher gewaltsam verlief und die Veränderung der Denkpositionen aufgesetzt blieb, lässt sich besonders deutlich an Max Webers (1864-1920) Spätschriften ablesen. Wie Hofmannsthal und Borchardt suchte Weber im Blick auf das 19. Jahrhundert nach Lösungsmöglichkeiten für die aktuellen Gesellschaftsprobleme, doch war er aufgrund seiner analytischen Fähigkeiten als Soziologe und Kulturphilosoph für eine solche Aufgabe deutlich besser ausgestattet als die Künstler des „alten“ Konservatismus.
In der Deutschen Demokratischen Partei setzte er sich für eine Begrenzung der Parlaments- und Parteienmacht und auch für Elemente einer plebiszitären Präsidialherrschaft ein.
Auch Ernst Troeltsch (1865-1923) warnte in seinem Vortragszyklus Der Historismus und seine Überwindung (geschrieben 1920, veröffentlicht 1924) vor einem Ausweichen in unzeitgemäße Totalitätsvorstellungen: „Es liegt zunächst doch klar zutage, dass in jenen sehnsüchtigen Verherrlichungen des uns fehlenden Gemeingeistes viel sentimentale Phantastik und Schwäche des Willens, viel Rückwärts- und Vorwärtsromantik enthalten ist.“ Was er unter dem Leitbegriff „Kultursynthese“ vorschlug, war der Versuch, den Widerstreit von christlichem Normaldenken und der Einsicht in die durch den historischen Wandel bedingte Relativierung des Normativen zu überwinden. In der konkreten Nachkriegssituation bedeutete dies die Bereitschaft, sich zur Republik zu bekennen (wie dies Troeltsch bereits im Dezember 1918 in seinem Aufsatz Die Deutsche Demokratie unternahm) und zugleich die nachdrückliche Forderung nach Anerkennung überzeitlicher ethischer Normen im Staat.
Vernunftrepublikanisch dachte auch Troeltsch‘ Freund Friedlich Meinecke (1862-1954): „Wir wurden Demokraten, weil wir uns klar machte, dass auf keinem anderen Wege die nationale Volksgemeinschaft und zugleich die lebensfähigen aristokratischen Werte unserer Geschichte würden erhalten werden können“ (aus Meineckes Einleitung zu den Spektator-Briefen). Darin war indirekt sein politisches Programm enthalten: Stärkung der Exekutive und Bewahrung des im Kaiserreich Bewehrten vor einem vorschnellen Aussondern.
Im vernunftrepublikanischen Denken war das Akzeptieren der sich zunehmend verfestigenden Verhältnisse nicht zu übersehen. Insofern stellte es den kulturphilosophischen Ausgangspunkt seiner Einstellung dar. Der Begriff „Neue Sachlichkeit“ war 1925 von Gustav Friedrich Hartlaub für eine Kunstausstellung „realistischer“ junger Maler in Mannheim verwendet worden und setzte sich allgemein durch zur Bezeichnung der Rückkehr zur Nüchternheit nach dem expressionistischen Sturm. Eine Reduktion der Neuen Sachlichkeit auf eine ernüchterte Gegenbewegung zum emphatischen Expressionismus greift jedoch zu kurz. Die unter dem Begriff „Neue Sachlichkeit“ zusammengefassten Tendenzen hatten durchaus verschiedene Begründungen. Die sozialistischen Künstler verstanden darunter etwas anderes als die bürgerliche Mitte.
Für die Marxisten war es mehr als nur eine wirklichkeitsnahe Beschreiben; es sollte gleichzeitig auch ein Aufdecken der bestimmenden Gesellschaftsprozesse sein. Gemeinsam war aber allen Richtungen eine gewisse Nüchternheit in der Bestandsaufnahme der Fakten.
Die nicht zu übersehenden bejahenden Züge einer Theorie der Neuen Sachlichkeit, die den Kulturbetrieb der 20er Jahre positiv als Ausdruck zunehmender gesellschaftlicher Stabilisierung begriff und sich zugleich den aus Amerika kommenden Tendenzen in der Wirtschaft (industrielle Rationalisierung und Kommerzialisierung) anpasste, sollte jedoch nicht vergessen lassen, dass die Tendenzen, die Kunst zu funktionalisieren und dabei freie Form- und Sprachexperimente des Expressionismus in eine prorepublikanische Kunst einzubinden, in den späteren 20er Jahren besonders wirksam waren.
Ein zentrales Problem in den Künsten seit der Mitte der 20er Jahre, das in der Realismus-Debatte und auch in den speziellen Realismusvorstellungen einzelner Schriftsteller (beispielsweise im „Neuen Naturalismus“ bei Döblin oder im „erweiterten Realismus“ bei Broch) immer wieder aufgegriffen wurde, war die Frage, wie man zugleich der Aufgabe als Künstler in der Massendemokratie und doch auch den Anspruch, die erfahrene komplexe Wirklichkeit in einer angemessenen, historisch richtigen Darstellung zu verarbeiten, erfüllen konnte. Massenwirksamkeit ohne harmonisierende Allgemeinheit, Einsatz für die Republik ohne kritiklose Stabilisierung des „Amerikanismus“ in Wirtschaft und Gesellschaft – diese Aufgabe beschäftigte jene Künstler, die die philosophischen, wissenschaftlichen und politischen Tendenzen in der Weimarer Republik genau beobachteten. Sie mussten freilich lernen, dass die dafür am besten geeigneten, von der bildungsbürgerlichen Tradition unbelasteten Vermittlungsformen (Film, Presse und Rundfunk) sich ihren Zielen weitgehend verschlossen, sodass sie weiterhin auf traditionelle Möglichkeiten (Buch und Theater) verwiesen blieben.
Trotzdem übernahmen die neuen Medien Hörfunk und Tonfilm unweigerlich eine wichtige Aufgabe in der Literaturvermittlung neben Buchdruck und Journalismus und veränderten langfristig das Rezeptionsverhalten.
Peter Huchel: „Späte Zeit“
Das Gedicht „Späte Zeit“ von Peter Huchel gehört zur Literatur der Weimarer Republik und ist ein typisches Gedicht der Neuen Sachlichkeit. Peter Huchel wurde 1903 geboren und erlebte somit den ersten Weltkrieg zwar sehr bewusst aber nicht an der Front. Nach dem Krieg beteiligte er sich am Kapp-Putsch (ein rechtsextremistischer gescheiterter Putschversuch gegen die Weimarer Republik) und wurde dabei verwundet. Daraufhin änderte er seine politische Haltung grundsätzlich und wandte sich vom Rechtsextremismus ab. Die meisten seiner Werke sind sehr Landschafts- und Naturbezogen, doch die Natur wird nicht romantisch dargestellt.
Peter Huchel untergliederte dieses Gedicht in vier Strophen. Die erste besteht aus vier Versen, die zweite aus drei und die letzten beiden aus je zwei Versen. In jeder Strophe wird eine beobachtete Erscheinung in der Natur angeführt. Alle Erscheinungen werden darauffolgend mit dem Krieg in Verbindung gebracht. Pro Strophe wird eine in der Natur beobachtete Begebenheit genannt und mit einer im Krieg vorkommenden assoziiert.
Die trockene Gefühllosigkeit kommt sehr deutlich zum Ausdruck.
Es werden keine Gedanken oder Empfindungen des lyrischen Ichs genau geschildert, sie werden aber auch nicht außer Acht gelassen. Zumindest werden die Assoziationen zu den wahrgenommenen Tatsachen kurz genannt. Hiermit kommt auch die differenzielle Realitäts-Wahrnehmung, mit der sich die Literatur der Neuen Sachlichkeit besonders intensiv auseinander setzt, zum Ausdruck.
Die proletarisch-revolutionäre Literatur
Am Ende der revolutionären Nachkriegskrise war kaum vorauszusehen, dass die sozialistische Literaturbewegung binnen weniger Jahre zu einem anerkannten Zentrum des literarischen Fortschritts in Deutschland werden würde. Fast alle Schriftsteller, die während und nach der Novemberrevolution mit der Arbeiterklasse sympathisierten, waren auf bürgerliche Positionen zurückgefallen oder verschrieben sich anarchistischen Ideen.
Da die relative Stabilisierung des Kapitalismus weder die Widersprüche des Imperialismus noch die Krise der bürgerlichen Kultur beseitigte und auf der anderen Seite die erfolgreich voranschreitende Sowjetunion und die sich zur leninistischen Massenpartei entwickelnde KPD Kräfte darstellten, die die reale Überwindbarkeit des Kapitalismus verkörperten, fanden die Schriftsteller bürgerlicher Herkunft und solche aus der Arbeiterklasse zu einer einheitlichen, künstlerischen Schaffensgemeinschaft zusammen, die literarisch fruchtbar wurde und allen Wechselfällen dieser bewegten Epoche standhielt.
Die KPD gewann eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung dieser Schriftsteller. In ihren Reihen oder an ihrer Seite mitzukämpfen bedeutete, einen lebendigen Begriff von der geschichtsschöpferischen Kraft der unterdrückten Masse und einen direkten Zugang zu ihrem Leben zu erhalten. Es bedeutete schließlich, teilzuhaben am kollektiven Erkenntnisprozess jener Partei, die um die Durchsetzung des Marxismus-Leninismus in der Arbeiterklasse rang.
Von Jahr zu Jahr vergrößerte sich die Zahl, die zu der kleinen Gruppe sozialistischer Autoren stießen, der um 1924 unter anderen Johannes R. Becher, Wieland Herzfelde, Edwin Hoernle, Berta Lask und Fritz Hampel angehörten. Die „Arbeiterdichter“ der Weimarer Republik wollten Sprecher der Arbeiter in einer Welt versöhnter und zu versöhnender sozialer Gegensätze, Vertreter eines „Berufsstandes“ in einer meist nationalistisch gefassten „Gemeinschaft“ sein, was ganz der Tatsache entsprach, dass die sozialdemokratische Führung die bestehende kapitalistische Gesellschaft verteidigte.
Dass viele der besten und entscheidendsten Vertreter des humanistischen Flügels der deutschen Literatur ihr Leben und ihr Schaffen fest mit dem Sozialismus verbanden, ist ein kulturhistorischer Vorgang von enormer Bedeutung: die revolutionäre Arbeiterklasse schickte sich, dem Beispiel des russischen Proletariats folgend, auch im kapitalistischen Deutschland an, bestimmenden Einfluss auf Literatur und Kunst zu nehmen.
Um 1924 gehörten zu der kleinen Schar kaum bekannter, noch am Anfang ihrer literarischen Entwicklung stehender schreibender Arbeiter, deren Wirken die revolutionären Traditionen der proletarischen Literatur fortführte: Kurt Kläber, Hans Lorbeer, Albert Daudistel, Karl Grünberg, Alexander Abusch, Kurt Huhn und Emil Ginkel. Zu ihnen stießen in den folgenden Jahren ausgeprägte Begabungen wie Willi Bredel, Hans Marchwitza, Adam Scharrer, Ludwig Turek und Wilhelm Tkaczyk. Ihren literarischen Aufstieg verdankten sie in erster Linie der KPD, deren Mitglieder und Funktionäre die meisten waren. Die Partei half ihnen, die Bindungen an die bürgerliche Ideologie, vor allem reformistische und anarchistische Einflüsse, zu überwinden, und vermittelte ihnen die Ideen des Marxismus-Leninismus. Während der Sozialreformismus mit seiner prinzipienlosen Kulturpolitik die Verbürgerlichung vieler Arbeiterdichter mitverschuldet hatte, erwies sich die KPD auch darin, dass sie bereits unter den Bedingungen der kapitalistischen Gesellschaft die reichen kultur- und kunstschöpferischen Potenzen der Klasse zur Entfaltung brachte.
Erste Triebkraft ihres Schaffens war, ihrer Partei zu helfen, die werktätigen Massen für den proletarischen Befreiungskampf zu gewinnen. Dabei konnten sie die Grenze der Agitationsliteratur überschreiten und Werke schaffen, die zu realistischen Zeugnissen vom Leben und Kampf des Proletariats in der Weimarer Republik wurde.
Der Zusammenschluss von Schriftstellern, deren soziale Erfahrungen und Schaffensvoraussetzungen zunächst sehr unterschiedlich waren, im „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Deutschlands“ vollzog sich auf der Basis eines gemeinsamen Klassenstandpunktes. Die schriftstellerischen Entwicklungen zeige Vorgänge, die es in der vorangegangenen Geschichte der sozialistischen Literatur in solcher Dynamik, Breite und Konsequenz noch niemals gab. Das betrifft sowohl den Übergang bedeutender humanistischer Schriftsteller bürgerlicher Herkunft auf die Positionen des revolutionären Proletariats als auch die Entwicklung literarischer Begabungen aus der Klasse selbst.
Der raschen Entwicklung der Literatur der Arbeiterklasse lag die bewusste, aus den gesamten gesellschaftlichen und künstlerisch-schöpferischen Erfahrungen erwachsene Entscheidung des einzelnen Schriftstellers zugrunde.
In den Jahren bis 1933 entstand – allen materiellen Schwierigkeiten zum Trotz – ein relativ umfassendes Gefüge kultureller Organisationen und Einrichtungen, deren Existenz für das Voranschreiten der sozialistischen Literaturbewegung von großer Bedeutung war. Dazu gehörten der Arbeiter-Theaterbund, die zahlreichen Agitpropgruppen und die Ensembles revolutionärer Berufsschauspieler, die Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands, der Arbeiter-Sänger-Bund, der Volksverband für Filmkunst sowie die seit 1929 bestehende Interessengemeinschaft für Arbeiterkultur (IFA) als Dachverband der proletarischen Kulturorganisationen – Vereinigungen, die teils auf Initiative der KPD gegründet, teils im Sinne kommunistischer Politik umgestaltet oder von starken Fraktionen revolutionärer Kulturschaffender beeinflusst wurden.
Die wenigen Ansätze zur organisatorischen Zusammenfassung der revolutionären literarischen Kräfte bis zur Mitte der 20er Jahre hatten die Isoliertheit ihrer Träger nicht aufheben können. Die sozialistischen Literaturschaffenden verfügten über keine ausreichenden Möglichkeiten, in gemeinsamer Diskussion die Prinzipien einer mit der Arbeiterklasse verbundenen Literatur zu erörtern, die Erfahrungen der individuellen künstlerischen Praxis auszutauschen und zu verallgemeinern und so die Grundlagen für eine kontinuierliche Entwicklung zu legen. Sie blieben noch weitgehend den Einflüssen des bürgerlichen Literaturbetriebs ausgesetzt.
Der gegen Becher geführte Hochverratsprozess trug als ein Glied in der langen Kette der Unterdrückungsmaßnahmen gegen die junge proletarisch-revolutionäre Literatur wesentlich zu der Erkenntnis bei, dass sich die sozialistischen Schriftsteller zusammenschließen mussten, um dem permanenten Druck ihrer Gegner standhalten zu können.
Die am 19. Oktober 1928 erfolgte Gründung des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS), der ersten umfassenden Organisation der mit der Arbeiterklasse verbundenen deutschen Schriftsteller, war das wichtigste Ereignis innerhalb des Formierungsprozesses der sozialistischen Literaturbewegung. Mit ihr emanzipierte sich die proletarisch-revolutionäre Literatur endgültig von der linksbürgerlichen Literatur, als deren Anhängsel sie bisher mehr oder weniger gegolten hatte. Sie konstituierte sich zu einer selbstständigen, vom bürgerlichen Kulturbetrieb unabhängigen Bewegung. Der Bund setzte sich das Ziel, „die Ansätze der proletarisch-revolutionären Literatur in Deutschland bewusst weiterzuentwickeln, ihr die führende Stellung innerhalb der Arbeiterliteratur zu verschaffen und sie zur Waffe des Proletariats in der Gesamtliteratur zu gestalten.“
Die Konstituierung des Bundes leitete eine neue Entwicklungsphase der deutschen sozialistischen Literaturbewegung ein.
Sie ist gekennzeichnet von einem raschen Aufschwung auf allen wesentlichen Gebieten des literarischen Schaffens, der theoretischen Selbstverständigung und des literaturpolitischen Wirkens.
Seine Organisation entwickelte sich schnell; 1930 erfasste sie etwa 350 und 1932 rund 500 Mitglieder, unter ihnen die hervorragenden Vertreter der proletarisch-revolutionären Literatur sowie zahlreiche schreibende Arbeiter, die erst im Kollektiv des Bundes zu profilierten Autoren heran wuchsen. Der Bund dehnte seine Organisation fast über das gesamte Gebiet der Weimarer Republik aus und überwand die lokale Zersplitterung der sozialistischen Literaturbewegung weitgehend.
Die proletarisch-revolutionäre Literatur ging führend voran bei der Eroberung neuer Wirklichkeitsbereiche, sie legte die Widersprüche der imperialistischen Gesellschaft bloß und gestaltete die Perspektive eines sozialistischen, von Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung befreiten Vaterlandes. In ihren besten Werken widerspiegelte sie auf unwiederholbare Weise die heroische Poesie des proletarischen Emanzipationskampfes in diesen entscheidenden Jahren deutscher und internationaler Geschichte. Ihre bedeutendste künstlerische Entdeckung war der neue Typ des proletarischen Revolutionärs, der, geformt durch die KPD, in den Krassenschlachten der Weimarer Republik sine erste große Bewehrungsprobe zu bestehen hatte.
In der Reihe der Versuche, diesen Typ zu gestalten und seine humane Substanz zu ergründen, gewann das sozialistische Menschenbild zunehmend klarere und reichere Konturen. Vor dem Hintergrund der Inhumanität des Imperialismus und des moralischen Verfalls der Bourgeoisie trat die historische Bedeutung der neuen menschlichen Züge und Beziehungen, die sich in der revolutionären Arbeiterklasse entfalteten, immer deutlicher hervor.
Oskar Kanehl: „Der Prolet“
Oskar Kanehl bezeichnete sich selbst als Dichter des Proletariats. Er schrieb: „...
Meine Gedichte... wollen helfen, die Selbstbewusstseinsentwicklung der Arbeiterklasse vorwärts zu treiben zu dem Ziel der Befreiung der Arbeiterklasse, die das Werk der Arbeiter selbst, als Klasse sein muss.“ Er war der Meinung, dass es nicht zeitgemäß wäre, von gewaltloser Menschenverbrüderung zu träumen. Deshalb sah er den Sinn in seinen Werken, die Klassengegensätze zwischen Bourgeoisie und Proletariat, die seiner Meinung nach eine revolutionäre Lösung forderten, zu vermitteln.
In seinem Gedicht „Der Prolet“ macht er dies auf zugespitzte Weise deutlich. Er zeigt die aktuelle Hierarchie-Ordnung auf und deutet die Macht einer Revolution an. Bewusst benutzt Kanehl keine Namen, sondern bezeichnet den Proleten nur als „Der“, um damit zu verdeutlichen, dass es jedem so geht – niemand ausgeschlossen ist – und will somit die gesamte Arbeiterschaft ansprechen. Ebenfalls verallgemeinert er die Bourgeoisie ab dem zwölften Vers mit „er“ oder „sie“ (Plural). Dabei fiel auf, dass er – bei der Bourgeoisie ebenso wie beim Proletariat – nur die Männer anspricht. Dies kann ich mir nicht als ein bewusst vom Autor eingesetztes Mittel erklären.
Die Anapher sowie der Parallelismus der ersten Verse ist nicht zu übersehen. Die trockene Aufzählung der unangenehmen Tätigkeiten (Pflichten) eines „Proleten“ soll beim Rezipienten eine immer bewusster und deutlicher werdende Zustimmung erreichen. Der Leser oder Zuhörer soll sich nach der 18. Zeile sagen: „So ist es! So geht es mir!“ Der darauf folgende Abschnitt beschreibt die Gleichgültigkeit der Bourgeoisie gegenüber den Arbeitern um die Revolutionsbereitschaft zu erhöhen und die letzten beiden Verse geben die Lösung des Konflikts.
Damit erfüllt dieses Gedicht voll und ganz die Ziele der proletarisch-revolutionären Literatur: Aufzeigen der unzulänglichen Umstände für die Arbeiterklasse und Aufforderung des Proletariats zum Kampf gegen diese Umstände.
Die präfaschistische Literatur
Ginge man vorrangig vom Verhältnis literarischer Strömungen zu den politischen Institutionen der Weimarer Republik (statt vom Verhältnis zu den Klassen) aus, so entstünde ein falsches Bild.
Demokratische Autoren, die eine geachtete Stellung einnahmen, erscheinen als Verteidiger des Bestehenden, während die faschistischen Literaten, die beständig vom „Volk“ redeten und die derzeitigen Umstände heftig angriffen, den Anstrich von Kämpfern für eine Veränderung, wenn nicht gar den von „Revolutionären“ erhalten. In Wirklichkeit lösten sich die Vertreter der Demokratie und des Humanismus in einem an Unwegen, Rückschlägen und Kompromissen allerdings reichen Prozess allmählich von der Kultur, Ideologie und gesellschaftlichen Praxis des Imperialismus und wurden zu Bündnisgefährten der Arbeiterklasse.
Der Begriff der faschistischen Literatur umfasst keinesfalls nur die Autoren, die der NSDAP, ihrer Ideologie und ihren politischen Zielen unmittelbar verbunden waren und nationalsozialistische Tagesparolen zum Gegenstand ihrer Dichtung machten. Als „faschistisch“ muss in dieser Phase viel mehr jene Literatur bezeichnet werden, die in Gehalt und Wirkung mehr oder weniger unmittelbar darauf abzielte, die offen terroristische Diktatur der konservativsten Kräfte des Monopolkapitals und seine Aggression vorzubereiten und durchzusetzen.
Alles, was sich zur Mobilisierung für aggressive imperialistische Ziele, zum Kampf gegen Demokratie und Sozialismus eignete, was vom Verständnis der realen gesellschaftlichen Widersprüche ablenkte und die sozialen Erfahrungen der Massen, ihr Streben nach Verbesserung ihrer Lage chauvinistisch und aggressiv umfälschte, war der faschistischen Sammlungsbewegung willkommen. Den faschistischen Charakter solcher ideologischen Elemente bestimmte ihre Funktion im Klassenkampf.
In bezug auf Thematik und literaturhistorische Herkunft war die so verstandene faschistische Literatur uneinheitlich. Je nach der sich ändernden gesellschaftlich-politischen Situation spielten dabei die verschiedenen Komponenten der faschistischen Literatur abwechselnd eine mehr oder weniger hervorstechende Rolle. Trotz der vielfältigen Querverbindungen und Überschneidungen, die es im einzelnen gab, lassen sich einige charakteristische Gruppierungen unterscheiden.
Die ideologisch profilierteste und erfahrendste kann mit den Begriffen alldeutsch, pangermanisch und konservativ umschrieben werden. Ihre literarischen Äußerungen kreisten um den Schlüsselbegriff „Reich“. Nicht selten wurde das Leitbild „Reich“ durch andere Leitbegriffe wie „Volk“ und „Rasse“ angereichert.
Gegen Ende der 20er Jahre verlor die pangermanisch-konservative Linie an unmittelbar aktueller Bedeutung (ohne deshalb aufzuhören, politisch unberatene Leser zu desorientieren).
Der Übergang von der alldeutschen und konservativen zur „völkischen“ Richtung war fließend. Diese griff auf die Heimatdichtung des aufgehenden 19. Jahrhunderts zurück. Als „Blut-und-Boden-Dichtung“ beruhte sie auf einer antithetischen Weltsicht, indem sie soziale Missstände der Klassengesellschaft in falsche Antinomien verwandelte: Gesellschaft – Gemeinschaft, Bauer – „Stadtmensch“, Land – Stadt, Scholle – Asphalt, gesund – krank.
Eine Gruppe, die „national-revolutionäre“, gewann um die Mitte der 20er Jahre innerhalb der faschistischen Literatur die stärkste Bedeutung.
Ihre Schlüsselbegriffe waren „Nation“, „Krieg“ und „Kampf“. Der erste Weltkrieg – als „Geburtsstunde der Nation“ und „nationalen Revolution“ gefeiert – lieferte das demagogische Gesellschaftsmodell einer „Volksgemeinschaft“, die der „Frontgemeinschaft“ nachgeformt war. Propagiert wurde eine Ordnung aus Führertum und Gefolgschaft, in der Klassenkampf abgeschafft ist. Der Lebensanspruch der einzelnen „erfüllt“ sich in dieser „Gemeinschaft“ durch den Opfertod im Krieg.
In der von Ernst Jünger herausgegebenen Sammelschrift „Aufmarsch des Nationalismus“ (1926) wird am deutlichsten ausgesprochen, was die „moderne“, „evolutionäre“ Nationalismus wollte: „..
.strengste Bindung, Ordnung und Unterordnung, durch Gesellschaft, Blut und Boden bedingt. Er will nicht den Sozialismus der Ansprüche, sondern den der Pflichten... Der Vater dieses Nationalismus ist der Krieg.
..“
Da der Faschismus auf Massenwirksamkeit ausging und zugleich extrem demokratiefeindlich war, arbeiteten ihm sowohl solche Literaturkonzeptionen zu, die dem Arbeiter eine angebliche „Volksgemeinschaft“ vorgaukelten als auch scheinbar völlig entgegengesetzte, die aus ihrer Verachtung der Massen und der Demokratie keinen Hehl machten. Die elitären Auffassungen waren geeignet, unzufriedene Intellektuellenschichten im Faschismus das Heil suchen zu lassen.
Die Funktion der faschistischen Literatur, Wirklichkeitszusammenhänge zu verhüllen und mittels mythisierender Konstruktionen und ideologischer Klischees Massenerfahrungen im Sinne proimperialistischer Mobilisierung oder zumindest der widerstandslosen Unterwerfung zu regulieren, führte zum bevorzugten Einsatz ganz bestimmter literarischer Verfahren und Strukturen. Auf dem Gebiet der Epik knüpfte die faschistische Literatur häufig an greifbare Oberflächenerscheinungen der gesellschaftlichen Vorgänge an und damit bis zu einem gewissen Grade an reale Erfahrungen des Lebens (Kriegs- und Nachkriegsereignisse, Arbeitslosigkeit usw.
). Zwischen diesen Erscheinungsformen realer Widersprüche wurde jedoch ein falscher Zusammenhang hergestellt, der die ihnen zugrunde liegenden realen Prozesse völlig verdeckte. Mit diesem „Pseudorealismus“ setzte die faschistische Epik auch literaturmethodisch die Tradition der „Heimatliteratur“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts fort. Mit Vorliebe pervertierte sie dabei das Modell des Entwicklungsromans und seine Methode, den Werdegang des Helden als repräsentativ für eine gesellschaftliche Entwicklung erscheinen zu lassen: indem der faschistische Roman seinen Helden innerhalb eines mythisierten Geschichtsbildes agieren lässt, suggeriert er eine historische Kontinuität, einen immanenten Sinn der Geschichte, der im Faschismus Wirklichkeit werde.
Die bekannten und wirksamen Werke der faschistischen Literatur erschienen während der Jahre 1925 bis 1933 und wurden, mit Duldung und Unterstützung offizieller Institutionen, mit großem materiellem und propagandistischem Aufwand verbreitet.
Zu nennen sind: Adolf Hitlers „Mein Kampf“ (1925), Hans F. Günthers „Rasse und Stil“ (1926), Ludwig F. Clauss‘ „Rasse und Seele“ (1926), Paul Schultze-Naumburgs „Kunst und Rasse“ (1928), Edgar Jungs „Die Herrschaft der Minderwertigen“ (1929) und Rosenbergs „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ (1930). Die Versuche, die politische Stoßrichtung dieser Literatur durch vereinfachende Parolen großen Massen verständlich zu machen, und ihre immer stärkere Ausbreitung signalisierten die wachsende Gefahr einer drohenden terroristischen Diktatur.
Mehrere konservative Schriftsteller der älteren Generation waren vor 1933 abgeneigt, sich mit Organisationen und Institutionen zu identifizieren, die sich zur NSDAP bekannten.
Da die Naziführer großen Wert darauf legten, bekannte Namen für sich zu gewinnen, trugen sie diesem Ressentiment Rechnung. Die 1927 von Rosenberg begründete „Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur“ erhielt deshalb ein Jahr später den unverfänglichen Namen „Kampfbund für deutsche Kultur“, tarnte so ihre Beziehungen zur Nazipartei und gewann damit ein reit größeres Wirkungsfeld. Gemäß seiner Satzung sollte der „Kampfbund“ „alle Abwehrkräfte gegen die heute herrschenden Mächte der Zersetzung auf kulturellem Gebiet in Deutschland „sammeln“. Ende 1932 wurden die bisher geheim gehaltenen Beziehungen zur NSDAP bekannt gegeben. 1935 ging der „Kampfbund“ in der „Nationalsozialistischen Kulturgemeinde“ auf.
Am 13.
März 1930 legte die nazistische Reichstagsfraktion den Entwurf eines „Gesetzes zum Schutze der Nation“ vor, das jedoch erst einige Jahre später, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, als „Notverordnung“ (siehe „Die geschichtlichen Hintergründe“: Artikel 48) angenommen wurde. Dieser Entwurf enthielt die Drohung: „Wer es unternimmt, deutsches Volkstum und deutsche Kulturgüter, insbesondere deutsche Sitten und Gebräuche zu verfälschen oder zu ersetzen oder fremdrassigen Einflüssen auszuliefern, wird wegen Kulturverrats... mit Zuchthaus bestraft.“
Damit war der Auftakt zur physischen Vernichtung bedeutender Schriftsteller und zu den Bücherverbrennungen gegeben.
Aber es trat auch klar zutage, dass der Kampf gegen den Faschismus ein Kampf zur Verteidigung der menschlichen Kultur schlechthin war und dass er gegen die gesellschaftlichen Kräfte geführt werden musste, die die Faschisten an die Macht brachten.
Adolf Hitler: „Mein Kampf“ S. 525ff
Die programmatische Schrift „Mein Kampf“ von Adolf Hitler ist wahrscheinlich das bekannteste Buch der Literatur der Weimarer Republik. Am 8. November 1923 scheiterte der Versuch Hitlers, die Macht in Bayern an sich zu reißen und dann durch einen Marsch auf Berlin die Reichsregierung zu stürzen – der Hitler-Putsch. Der Putsch wurde von der Staatsgewalt vor der Münchner Feldherrnhalle niedergeschlagen.
Die NSDAP und ihr Presseorgan, der „Völkische Beobachter“, wurden verboten. Den folgenden Hochverratsprozess (26. Februar bis 1. April 1924) verstand Hitler in einen Propagandafeldzug für sich und seine Partei zu verkehren. Das Urteil vom 1. April lautete auf fünf Jahre Festungshaft, aber bereits am 20.
Dezember 1924 wurde Hitler aus der Festung Landsberg am Lech vorzeitig wieder entlassen.
In der Haft verfasste Hitler – unter der Mithilfe von Rudolf Heß – den ersten Band seiner programmatischen Schrift „Mein Kampf“ (erschienen 1925). Bereits hier sowie im Ende 1926 konzipierten zweiten Band formulierte Hitler seine zentralen Ziele und Auffassungen: Radikaler Antisemitismus und Antibolschewismus sowie die Schaffung von Lebensraum im Osten. „Mein Kampf“ erreichte bereits vor 1933 sehr hohe Auflagen; die darin enthaltenen Zielvorstellungen Hitlers wurden jedoch von der Öffentlichkeit stark unterschätzt.
In diesem Auszug aus dem zweiten Band geht Hitler auf die Vorteile eines Redners gegenüber einem Schriftsteller ein. Hitler spricht jedoch – ohne es zu erwähnen – nur von propagandistischen Reden beziehungsweise propagandistischer Literatur.
Der einzige Grundgedanke dieses Auszuges ist die Überlegung nach der effektivsten Möglichkeit der Massenbeeinflussung.
Mit starker Allgemeinheit der Aussagen wird versucht eine größtmögliche Menge anzusprechen, wobei eben dies im vorliegenden Auszug an der Literatur kritisiert wird. Das ist ein Beispiel für die Unschlüssigkeit der nationalistischen Ideologie Hitlers, denn er meint, durch die bei der Literatur nötige Allgemeinheit verliere sie „an psychologischer Feinheit und in der Folge an Geschmeidigkeit“.
Im ersten Absatz des Auszuges werden die „Bürger“ abwertend dargestellt. Mit den „bürgerlichen Schlauköpfen“ meint er wahrscheinlich die Proletarier.
Der Rundfunk in der Weimarer Republik
„Der Rundfunk als Medium erzeugt eine neue Form der künstlerisch-literarischen Bewegung; der Rundfunk als Institution erzwingt in dieser Form und noch über diese hinausgehend eine ästhetisch-politische Anpassung; beides zusammen ergibt ein literarisches Produkt, dessen Gehalt und Wirksamkeit mit den traditionellen Mitteln der literaturwissenschaftlichen Textanalyse allein nur teilweise aufzuklären ist.
..“2. Aufgrund dessen muss die Untersuchung auf die Bedingungen der Hörspielproduktion ausgedehnt werden. Jedoch hatten die Autoren dieser Zeit noch kein vollständiges Bewusstsein über strukturelle Festlegungen einer Hörspielarbeit.
Es entwickelte sich eine Tendenz, „dass die Dichter dieser Epoche für den Funk schreiben, selbst dann, wenn sie noch glauben, für die Bühne zu schreiben“ (Arnold Bronnen, aus 2).
Viele Hörspiele gingen zurück auf frühere literarische oder dramatische Arbeiten oder waren gleichzeitig Hörspiele und Theaterstücke. Das Filmdrehbuch wurde im Gegensatz zum Hörspielmanuskript von Anfang an von seinem Autor als nichtliterarischen Text begriffen. Die Veränderung der Wahrnehmungsformen des Rezipienten war beim Film viel offensichtlicher als beim Rundfunk und zwang die Literaturproduzenten unmittelbar, sich auf die neuen technischen Mittel einzustellen.
Die Beschränkung auf die akustische Dimension, die Ein-Weg-Kommunikation sowie ein heterogenes Massenpublikum mit weitgehend individueller Rezeption und die staatlich bestimmte politische Leitung ergaben eine besonderes sperrige Grundstruktur des Rundfunks. Durch das Fehlen der optischen Dimension stellte sich die Frage, ob der Rundfunk überhaupt Kunstwerke hervorbringen kann. Zur Kompensation dieses Mangels gab es drei Möglichkeiten: 1.
Verzicht auf Sinngebung beziehungsweise Realitätsbezug, 2. Einsatz spezifischer Kunstmittel, 3. Konzentration auf das Innenleben der Menschen.
Zur Zeit der Weimarer Republik zeichnete sich der Rundfunk durch hohen Realitäts- und Aktualitätsbezug sowie kurze, verständliche und hörbare Formen und epische Kunstmittel wie Ansager, Erzähler, kommentierende Geräusche, Musik und Songs als Ausgleich der fehlenden optischen Dimension.
Mindestens ebenso nachhaltig wirkten sich die institutionellen Bedingungen auf den Rundfunk aus. Der eher auf Staatserhalt als auf den Ausbau der Demokratie ausgerichtete Rundfunk, dessen1926 bis 1932 geltenden Richtlinien eine unpolitische Neutralität forderte, erwies sich für die demokratisch-engagierten, sozialistischen und kommunistischen Autoren als eine schwere institutionelle Barriere bei der Durchsetzung ihrer Intentionen.
Es fand trotz vieler offizieller gegenteiliger Behauptungen eine ständige Zensur durch die Überwachungsgremien statt. Bei den meisten Autoren lassen sich Anpassungsvorgänge nachweisen, welche die eigentlichen Intentionen des Autors verfälschten. Zum Ende der Weimarer Republik verengte sich der Spielraum der Autoren mit zunehmender Faschisierung immer mehr. Die zunehmende Zensur beziehungsweise Ausgrenzung der Autoren und Hörspiele ab 1930 führte zweifellos zu einem literarischen Substanzverlust des Hörspiels der Weimarer Republik.
Die bedeutendsten Autoren und ihr Werk
Hermann Hesse
Hermann Hesse, auch unter dem Pseudonym Emil Sinclair bekannt, wurde am 2.7.
1877 in Calw geboren und verstarb am 9.8.1962 in Montagnola. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Der Steppenwolf“ (1927), „Narziß und Goldmund“, „Der Tod in Venedig“ und „Demian“. Hesse erhielt 1946 den Literaturnobelpreis, 1955 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und starb 9.8.
1962.
Heinrich Mann
Heinrich Mann, älterer Bruder von Thomas Mann, wurde am 27.3.18917 in Lübeck geboren. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Professor Unrat“ und „Der Untertan“, die jedoch beide vor der
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