Uwe timm
Uwe Timm
Die Entdeckung der Currywurst
Eine Facharbeit von Florian EmrichVerfasst im Dezember 1999
Im Rahmen des Deutsch-Leistungskurses der Jahrgangsstufe 13
InhaltsverzeichnisINHALTSVERZEICHNIS 2DATEN ZU LEBEN UND WERK VON UWE TIMM 3INHALT 3AUFBAU 5BEZÜGE ZUR REALITÄT 6STILSPRACHLICHE GESTALTUNG 7PERSPEKTIVE 7SPANNUNGSBOGEN 8PERSONEN 8DIE LIEBESBEZIEHUNGEN DER LENA BRÜCKER IN DER DARSTELLUNG 12Die Beziehung zu Gary Brücker 12Die Beziehung zu Hermann Bremer 13DIE ENTDECKUNG DER CURRYWURST – EINE ALLTAGSGESCHICHTE ? 13BEWERTUNG 14QUELLENANGABEN 16ENDNOTEN 18
Daten zu Leben und Werk von Uwe TimmUwe Timm wird 1940 in Hamburg in der Nähe des dortigen Hafen geboren. Bereits als Kind wird er dort mit dem Seemannsgarn der Matrosen und den Geschichten der Kriegsheimkehrer konfrontiert, was sich später auch in seinen Werken niederschlägt. Zu Beginn besucht er die dortige Volksschule, anschließend erlernt er den Kürschnerberuf. Später besucht er das Braunschweigkolleg, wo er 1963 sein Abitur macht. Dann studiert er Germanistik und Philosophie in München und Paris, promovierte über Absurditätenproblem, schließlich auch Soziologie und Volkswirtschaftslehre. 1971 promoviert er mit einer Arbeit über Albert Camus.
Bis heute lebt Timm in München, wo 1989 den Literaturpreis der Stadt gewann.
Seine schriftstellerische Laufbahn beginnt Uwe Timm 1971 als politischer Lyriker, geprägt von den Ideen der Studentenbewegung der 60er Jahre ("Widersprüche"). Frühe Romane (v.a. "Heißer Sommer", 1974, und "Kerbels Flucht", 1980) greifen diese Thematik erneut auf. Gesellschaftliche und politische Fragestellungen spielen auch in anderen Romanen eine wichtige Rolle, so z.
B. der deutsche Kolonialkrieg 1904-1907 in Südwestafrika ("Morenga", 1978), das Engagement von deutschen Unternehmen in Südamerika ("Der Schlangenbaum", 1986) und Wirtschaftsbetrug in unserer Gesellschaft ("Kopfjäger", 1991). Daneben finden sich Geschichten wie "Der Mann auf dem Hochrad" (1984), "Die Entdeckung der Currywurst" (1993) und "Johannisnacht" (1996), in denen sich Uwe Timm als Erzähler präsentiert, der nicht politisch aufklären und zum Nachdenken anregen will, sondern der schreibt, "weil mir etwas den Atem verschlägt, (...) aus der Lust heraus, spielerisch die Wirklichkeit umzubauen, damit etwas Neues, so noch nicht Dagewesenes entsteht" (aus: "Erzählen und kein Ende", S.
79).
Ein weiterer Beleg für Uwe Timms Lust am Erzählen sind seine Kinder- und Jugendbücher, z. B. "Die Zugmaus" (1981), "Die Piratenamsel" (1983) und "Rennschwein Rudi Rüssel" (1989, ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 1990), die er seinen eigenen Kindern gewidmet hat.
InhaltDer Ich-Erzähler erzählt von einem Imbissstand im Hamburger Hafenviertel, welcher von Frau Brücker geführt wurde, und wo er von Kindesbeinen an seine Currywurst aß. Diese Tradition setzte er so lange fort, bis der Stand schloss.
Aus diesem Sachverhalt heraus überlegt sich der Erzähler, wer die Currywurst eigentlich erfunden hat. Um dies in Erfahrung zu bringen, sucht er die alte Frau Brücker auf, die, wie er herausgefunden hat, inzwischen erblindet in einem Altenheim in Harburg lebt. An sieben Nachmittagen lässt er sich nun von ihr die Geschichte der Currywurst erzählen. Zwischen den einzelnen Teilen der Geschichte nehmen Lena Brücker, welche während der ganzen Erzählung trotz ihrer Sehschwäche an einem Pullover strickt, und der Erzähler immer wieder Kaffee und Kuchen zu sich. Die Geschichte, welche Lena Brücker erzählt, gebe ich allerdings als Ganzes wieder:
An einem kühlen Apriltag 1945 entschließen sich Frau Brücker, damals ungefähr vierzig Jahre alt, und Bootsmann Bremer, ein auf Heimaturlaub gewesener deutscher Soldat Mitte zwanzig, unabhängig von einander ins Kino zu gehen. Allerdings wird ihr Kinobesuch durch einen Luftalarm gestört, und sie laufen in einen nahe gelegenen Luftschutzkeller, wo sie sich ein Stückchen näher kommen.
Nach überstandenem Alarm gehen die beiden zu Frau Brücker, deren Mann und Kinder im Krieg sind, in die Wohnung. Bremer muss am nächsten Morgen nach Harburg an die Front, wo bereits die Engländer stehen und so verbringen die beiden noch einen schönen Abend, an dem Bremer ausgiebig aus seinem Soldatenleben erzählt. Die Nacht verbringen beide im einzigen Bett der Wohnung. Als Bremer am nächsten Morgen um 4 Uhr aufbrechen will, bittet Frau Brücker ihn zu bleiben, was Bremer dann auch macht, womit er fahnenflüchtig wird. Durch diesen Umstand ist er dazu gezwungen, wochenlang in Frau Brückers Wohnung auszuharren, da er sonst, wenn er erwischt wird, mit hohen Strafen, unter Umständen der Todesstrafe, zu rechnen hat.
Lena Brücker und Hermann Bremer müssen von nun an sehr vorsichtig sein, da eine ständige Gefahr von ortsansässigen Nationalsozialisten, darunter Blockwart Lammers, ausgeht.
Die nächsten Tage verlaufen alle gleich: Frau Brücker arbeitet in der Kantine in Eimsbüttel, beschafft von dort immer ein paar Lebensmittel, während Bremer in der Wohnung verweilt und sich die Zeit mit Kreuzworträtseln vertreibt. Er glaubt nicht an eine Kapitulation Deutschlands und ist der Meinung, dass die Deutschen gemeinsam mit den westlichen Alliierten den Osten zurückerobern werden. Da er in der Wohnung gefangen ist er auf Frau Brückers Informationen über den Kriegsverlauf angewiesen und zeichnet anhand dieser den Frontverlauf in einem Atlas, den er im Schrank gefunden hat, nach. Eines Abends fällt Frau Brücker ein Foto aus Bremers Sachen in die Hände, auf dem er mit Frau und Kind zu sehen ist, was er aber Frau Brücker bis jetzt verschwiegen hat und auch bis zum Ende verschweigen wird. In der Nacht schläft Bremer das erste Mal mit Frau Brücker.
Am 1.
Mai 1945 kommen zwei wichtige Meldungen nach Hamburg. Adolf Hitler ist tot und Hamburg wird kampflos an die Engländer übergeben. Hitlers Tod teilt sie Bremer mit, die andere Meldung verschweigt Lena Brücker aber Bremer für längere Zeit, da sie ihn nicht verlieren möchte. Sie ist nun gezwungen über den Verlauf des tatsächlichen Geschehens Stillschweigen zu wahren und Ausreden zu erfinden, um keine Zeitung mitbringen zu müssen. Sie schiebt den Zeitpunkt, an dem sie die Wahrheit erzählen möchte, immer weiter hinaus. In den Nächten erzählen sich Lena und Bremer aus ihrem Leben, Frau Brücker hauptsächlich von ihrem Mann Gary.
Bremer wird zusehends unglücklicher mit seiner Situation, da er sich eingeengt fühlt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei der Bremer handgreiflich gegenüber Frau Brücker wird und sich selbst eine Verletzung zuzieht. Der temporäre Verlust seines Geschmacksinns trägt nicht zu einer Verbesserung seiner Lage bei. Als Lena Brücker in der Zeitung Fotos von KZ-Häftlingen sieht, und sie versucht mit Bremer darüber zu sprechen, gibt sie ihre Lüge auf, da er nicht an die Schuld des Deutschen Reiches glaubt. Nachdem sie die Wahrheit offenbart hat, macht sie einen Spaziergang. Als sie wiederkehrt ist Bremer ohne eine Nachricht zu hinterlassen für immer verschwunden.
Damit endet der erste Teil von Lena Brückers Erzählungen.
Da der Erzähler zu seiner Familie nach München zurückkehren muss, erzählt Lena Brücker die Geschichte ihres Mannes Gary um einiges knapper als den Teil zuvor. Gary kehrt aus der russischen Gefangenschaft zurück und erfährt von Frau Brückers Affäre, unternimmt aber nichts, da er selbst mehrere Affären hatte. Die beiden haben allerdings kein gutes Verhältnis mehr, und nach einer erneuten Affäre von Gary schmeißt Frau Brücker, welche inzwischen von ihrer Arbeitsstelle gefeuert wurde, ihren Mann raus. Da Frau Brücker sich nun selbst versorgen muss, mietet sie eine Bude auf dem Großneumarkt, einem florierender Schwarzmarkt, und bietet dort Würste und Eichelkaffee zum Kauf an. An die Waren kommt sie durch mehrere Tauschgeschäfte, wodurch sie auch eine Dose Currypulver kommt.
Als sie die ertauschten Flaschen Ketchup und das Currypulver die Treppe hoch trägt, stolpert sie und aus Ketchup und Currypulver wird eine Soße, welche sie ab sofort ihren Würsten beimischt. So hat sie die Currywurst erfunden, welche bald großen Ruhm in Hamburg und über die Stadtgrenzen hinaus erlangt. An einem Nachmittag kommt noch einmal Bremer, der jetzt als Vertreter für Fensterkitt arbeitet, an den Stand und isst eine Currywurst, spricht Frau Brücker allerdings nicht an. Hier endet die Erzählung von Frau Brücker.
Ein halbes Jahr nach den täglichen Sitzungen mit Frau Brücker, kehrt der Erzähler noch einmal nach Hamburg zurück, und erkundigt sich nach ihr. Diese ist allerdings in der Zwischenzeit verstorben und hat dem Erzähler den Pulli, welchen sie während der Erzählung strickte, und das Originalrezept für die Currywurst hinterlassen.
AufbauRein formal ist die Novelle in sieben Kapitel unterteilt, welche in etwa gleichlang sind. Der Inhalt weicht allerdings von der äußeren Form ab, da er sich nicht so einfach in sieben Teile einteilen lässt. Das auffälligste Merkmal der Novelle ist nämlich mit Sicherheit ihre Zweigleisigkeit, es gibt eine Rahmenhandlung und eine Binnenhandlung. Zum einen gibt es den Handlungsverlauf in der Gegenwart, zum anderen die Erzählungen von Frau Brücker über die Vergangenheit, wobei die Beschreibungen über die Vergangenheit eindeutig gegenüber den Beschreibungen aus der Gegenwart überwiegen. Die Gegenwartserzählung dient als Verbindungselement zwischen den einzelnen Teilen der Erzählung über die Vergangenheit. Sie stellt im Grunde keinen eigenen Handlungsverlauf dar.
Der Aufbau der Gegenwartserzählung ist daher auch sehr knapp zu fassen: Zu Beginn sucht der Erzähler nach Frau Brücker und findet sie in einem Altenheim. Frau Brücker erzählt über die Vergangenheit, welche sich auf mehrere Nachmittage verteilt und meist im Altenheim stattfindet, jedoch teils auch an anderen Lokalitäten, zum Beispiel am Kriegsdenkmal in Hamburg. Zum Schluss der Novelle wird noch vom Ausflug zur Currywurstbude auf dem Großneumarkt berichtet.
Die Erzählung von Frau Brücker lässt sich in mehrere Teile gliedern:
Die Zeit vor dem Zusammentreffen mit Bremer
Dieser Abschnitt umfasst eigentlich Lena Brückers gesamtes Leben bis zu dem Zeitpunkt des Zusammentreffens mit Bremer. Er wird nicht zusammenhängend beschrieben, sondern zwischen dem Haupthandlungsstrang werden immer wieder Erlebnisse aus der Vergangenheit beschrieben.
Das Zusammenleben mit Bremer bis zur Kapitulation Deutschlands
Dieser Abschnitt beginnt mit der Fahnenflucht Bremers, durch die er langfristig an Lena Brücker gebunden ist.
Charakteristisch für diesen Abschnitt ist die Harmonie, die zwischen den beiden herrscht.
Das Zusammenleben mit Bremer nach der Kapitulation Deutschlands
Dieser Abschnitt ist der längste der Novelle. In diesem muss Lena Brücker ständig neue Ausflüchte erfinden, um die Lüge von Deutschlands Erfolgen im Krieg gegenüber Bremer aufrecht zu halten. Er endet mit der Aufgabe der Lüge durch Lena Brücker und dem daraus resultierenden Verschwinden von Bremer.
Die Zeit nach dem Verschwinden Bremers
Dies ist der letzte Abschnitt der Erzählung von Lena Brücker. Ihr Mann Gary kehrt für kurze Zeit in ihr Leben zurück, wird allerdings von Frau Brücker nach einer Affäre mit einer anderen Frau hinausgeworfen.
Sie macht sich selbstständig und erfindet durch einen Zufall die Currywurst.
Bezüge zur RealitätUwe Timm orientiert sich mit seiner Novelle sehr eng am realgeschichtlichen Kontext. Alle geschichtlichen Ereignisse, welche in seiner Novelle auftauchen, haben auch in der Realität stattgefunden, so zum Beispiel der Tod Hitlers oder die Eroberung Hamburgs durch die Engländer. Sehr authentisch sind auch ein Großteil der Schauplätze, welche Timm in seiner Novelle eingebaut hat, so zum Beispiel die Städte und Gemeinden, das Altersheim, sowie die Brüderstrasse, wo Frau Brückers Wohnung steht, und der Platz (Großneumarkt), auf welchem die Wurstbude von Frau Brücker steht .
Wie es sich mit dem wahren Entdecker der Currywurst verhält, ist leider sehr schwer zu recherchieren. Timm selbst gesteht, dass seine Geschichte nur auf einer „winzigen historischen Authentizität“ beruhe, er aber seine erste Currywurst 1947 in Hamburg gegessen haben will.
An eben diesem Großneumarkt, an dem in der Novelle die Würste von Lena Brücker zu erstehen sind. Gegen Timms Theorie sprechen allerdings auch einige Fakten. So ist das Patent auf das Rezept der Currywurst in Besitz von Hertha Heuwer aus Berlin, welche die Currywurst und die dazugehörige Soße im Jahre 1949 in Berlin entdeckt haben will, und es sich 1959 patentieren ließ. Eiserner Verfechter dieser Theorie ist Gerd Rüdiger, ein deutscher Schriftsteller, der die Geschichte von Hertha Heuwer in seinem Buch "Currywurst. Ein anderer Führer durch Berlin" erzählt. Aus diesen beiden Positionen bildete sich ein regelrechter Streit zwischen Rüdiger und Timm, der eigentlich nie entschieden wurde.
Die Presse allerdings sah diesen Streit eher als Marketinggag an und nicht als eine ernsthaft geführte Diskussion: "Irgendwo lagern wohl noch Restexemplare seines Werks" schreibt der Spiegel über Uwe Timm. Was nun wahr und was falsch ist, wird wohl nie herausgefunden werden.
Stilsprachliche GestaltungDer sprachliche Stil der Novelle ist recht eigenartig. Während der ganzen Erzählung tritt kein einziges mal die wörtliche Rede auf, sondern durchgehend die nacherzählte Rede: „Tja, sagte Frau Brücker, und da hat er mich gefragt, ob ich Curry im Haus habe.“ Ein weiteres Merkmal ist die Verwendung von umgangssprachlichen Wörtern. So finden sich einige Wörter in dem Text, welche in keinem Duden zu finden sind.
Die Sätze sind so aufgeschrieben, wie sie gesprochen werden. Dies ist auf den hamburgerischen Dialekt zurückzuführen: „So hat sie es mir erzählt, so wird sie es auch dem fahnenflüchtigen Bremer erzählt haben, der neben ihr, in der Küche, auf den Matratzen lag, wohl kaum mit diesem dialektalen Anklang, der sich erst später, im Alter verstärken sollte, was ich übrigens auch bei meiner Mutter beobachten konnte, die, je älter sie wurde, desto stärker hamburgerte.“ Ich werde ein Beispiel zitieren, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen: „Das mit der Currywurst war n Zufall, nix weiter.“
Ein weiteres stilsprachliches Mittel der Novelle ist der recht einfach Aufbau der Sätze, eine Aneinanderreihung von Hauptsätzen: „Ja, sagte sie. Er ging auf Socken. Der Krieg in Hamburg war aus und vorbei.
“ Es gibt aber auch recht lange, stark verschachtelten Sätze, welche sich dann wieder über mehrere Zeilen verteilen, allerdings überwiegen doch die leichtern und einfach gestrickten Sätze. Dadurch und durch die umgangssprachliche Ausgestaltung, welche auch komplett auf Fremdwörter verzichtet, lässt sich die Novelle recht einfach lesen, es gibt kaum Stellen die man öfter lesen muss, um sie zu verstehen. Anspruchsvoller wird die Lektüre durch den häufigen Wechsel der Erzählperspektive, was ich im nächsten Abschnitt behandeln werde.
PerspektiveWir haben es hier mit zwei verschiedenen Perspektiven zu tun, so wie wir zwei verschiedene Handlungsstränge haben. Einmal die Gegenwart, welche aus der Sicht vom Erzähler geschildert wird, zum Anderen die Vergangenheit, welche teilweise aus der Sicht von Lena Brücker und teilweise aus der Sicht des Ich-Erzählers erzählt wird. In der Rahmenhandlung ist hierbei immer aus der Sicht des Erzählers geschrieben, die Binnenhandlung meist aus der Sicht Lena Brückers, an einigen Stellen allerdings auch aus der Sicht des Erzählers.
Zudem findet sich an manchen Stellen eine Vermischung der Perspektiven, welche das Geschrieben sehr wirr erscheinen lassen und schwer verständlich macht: „Bremer legte das Album aus der Hand, während ich später noch weiter darin herumblätterte, die Kinder von Frau Brücker betrachtete, der Junge in HJ-Uniform, zuletzt in der Uniform eines Flak-Helfers.“
SpannungsbogenSchon mit dem Titel wird eine Spannung erzeugt, der Leser wird neugierig gemacht. Eine Currywurst wird fast jeder von uns schon mal gegessen haben, doch mit seiner Entdeckung oder Erfindung dürfte sich noch niemand beschäftigt haben, geschweige denn darüber Bescheid wissen. Der Leser wartet von Beginn an auf die Auflösung der im Titel beschriebenen Problematik, welche aber erst auf den letzten Seiten beschrieben wird, es wird sogar überhaupt erst auf den letzten Seiten auf die Currywurst an sich eingegangen. Dadurch wird die Spannung das ganze Buch über aufrecht erhalten, da der Leser natürlich auf eine Aufklärung der Frage hofft. Aber auch durch die drängenden Kommentare des Erzählers, der an einem schnellen Fortgang der Erzählung interessiert ist, wird die Spannung aufrechterhalten.
Ein um das andere Mal versucht der Erzähler die Erzählung von Frau Brücker auf die Currywurst zu lenken, doch diese lässt sich nicht von ihrem Konzept abbringen: „Ich versuchte sie auf den Curry zurückzubringen.“ „Mein Mann, sagte sie, gehört auch zur Geschichte“ „Musst schon noch n büschen Geduld haben.“
Aber auch die Erzählung, die auf die eigentliche Erfindung hinführt, bietet einiges an Spannung. So erwartet man gespannt den Moment, an dem Frau Brücker Bremer ihre Lüge gesteht und wie dieser mit dieser Situation umgehen wird. Auch ihr späteres Schicksal ist dem Leser nicht gleichgültig, so ist er an ihrem späteren Schicksal interessiert, will erfahren, wie es nach dem Bruch mit Gary, ihrem Ehemann, weitergehen wird. Hinsichtlich dieser Thematik findet sich in der Novelle meiner Meinung nach ein Wendepunkt.
Und zwar ist dies der Moment, an dem Frau Brücker die zurückgelassene Uniform Bremers zerschneidet und zu einem Kittel schneidert, den sie fortan bei der Arbeit tragen will. Man muss dazu wissen, dass sie Bremers Uniform fortwährend nach seinem Weggang unverändert im Schrank ließ, wobei sie ständig mit der Ankunft ihres Mannes rechnen musste und einen Streit mit Gary wegen ihrer Affäre in Kauf nahm. Ich denke, dass sie die ganze Zeit über an Bremer hing und ihn nicht vergessen konnte bzw. auch gar nicht wollte. Der Wendepunkt tritt ein, weil sie mit ihrer Vergangenheit abschließt und ihrem Leben die entscheidende Wendung gibt, und zwar indem sie die materielle Erinnerung an Bremer zerschneidet und damit ihre Karriere beginnt: „Noch am selben Abend begann Lena Brücker damit, die Uniform von Bremer zu einem Kostüm umzuschneidern. Es war buchstäblich ein Einschnitt, auch in ihrem Leben.
[...] Und dabei sang sie, was sie sonst nie tat, weil sie fürchterlich falsch sang, nie den richtigen Ton traf. Edith kam und fragte, wer singt denn da ? Du kannst ja plötzlich richtig singen.“
Personen
Im Laufe der Geschichte treten mehrer Personen auf.
Die fünf wichtigsten habe ich in einer Tabelle zusammengefasst, gehe hierbei meist nur auf ihren Lebenslauf und nur teilweise auf ihre Funktion innerhalb der Geschichte ein.
Lena Brücker
Lebenslauf:
Sie ist die Hauptperson der Geschichte, sie ist der Mittelpunkt der Geschichte, die sie selbst erzählt. Heute lebt sie im Altersheim und ist ungefähr 80 Jahre alt. In der damaligen Zeit, von der sie dem eigentlichen Erzähler berichtet, ist sie ca. 40 Jahre und arbeitet als Kantinenarbeiterin. Sie lebt alleine in ihrer Wohnung, da ihr Mann Gary, ein Barkassenführer, und ihr Sohn im Krieg dienen und ihre Tochter in Hannover in einer Waffenfabrik arbeitet.
Während der Geschichte bietet sie einem fahnenflüchtigen Soldaten Unterschlupf. Von diesem wird sie aber recht bald verlassen und ihren Mann schmeißt sie nach unzähligen Affären raus. Wegen diesem Sachverhalt und ihrer Kündigung eröffnet sie eine Würstchenbude, in der sie die Currywurst anbietet, welche sie durch ein Missgeschick erfunden hat. Ihr Geschäft läuft gut, ehe sie altersbedingt in ein Altersheim muss, wo sie nach einigen Jahren, schon erblindet, stirbt.
Charakterisierung der jungen Frau Brücker:
Frau Brücker ist pazifistisch und nicht antisemitisch eingestellt, ganz anders als der Großteil der restlichen Bevölkerung im damaligen Deutschen Reich. Sie stellt sich auch in der Öffentlich gegen den Nationalsozialismus, was in der damaligen Zeit recht mutig war.
Bespiele dafür sind archivierte Berichte der Nachbarin Frau Eckersleben: „L. Brücker hetzt nicht offen, macht aber oft zersetzende, kritische Bemerkungen. [...] Oder: Die Juden sind auch Menschen.
Oder: Das Volk liebt den Führer, wenn ich das schon höre.“
Lena Brücker redet sich selbst ein, dass sie nicht lügt, sondern nur die Wahrheit verdreht. Im Grunde ist sie also kein schlechter Mensch, der vorsätzlich lügt: „Wieso gibt es kein Papier ? Das größte Papierlager in Norddeutschland ist in Brand geraten. [...
] Das hatte sie in der Zeitung gelesen: Ein kleines Papierlager war abgebrannt.“ Sie gibt sich auch immer wieder einen Rahmen, in dem sie ihre Lüge aufdecken möchte. „In vierzehn Tagen kommt Papier aus Amerika. Ist schon unterwegs. Auf den Liberty-Schiffen. Das war die Zeit, die ich mir gegeben hatte, noch vierzehn Tage, dann wollte ich ihm die Wahrheit sagen.
“
Sie opfert sich für Bremers Wohlergehen selbst auf, indem sie ihm immer wieder Essen aus der Kantine mitbringt, dabei gewisse Risiken auf sich nimmt, und ihre Essensmarken für ihn mitverwendet. Ich denke, dass sie dies aus Ausgleich für sein „Gefangenschaft“ in der Wohnung nimmt, ihm das Leben erträglicher machen will, um ihn so bei sich zu halten.
Die Kriegsjahre und das damit verbundene Alleinsein haben Lena Brücker abgehärtet („Die Kinder schrieen, und auch Bremer hatte aufgeschrieen. Lena Brücker legte ihm den Arm um die Schulter. Hat nicht das Haus getroffen, war irgendwo nebenan.“ ) und sie zu einem Dickkopf gemacht: „Nur Lena Brücker, der man einen Schleswig-Holsteiner Dickkopf nachsagte, grüßte immer: Guten Tag.
...“
Lena Brücker ist zudem ein recht menschlicher Charakter. An einer Stelle der Novelle gibt sie dies recht deutlich zu erkennen: „Is vielleicht das Beste, was ich gemacht hab, einen verstecken, damit er nicht totgeschossen wird und auch andere nicht totschießen kann.“
Charakterisierung der alten Frau Brücker:
Die alte Frau Brücker ist eine erstaunliche Frau: Sie kommt trotz ihrer Blindheit fast ohne Hilfe aus.
Man merkt ihr an, dass sie in den ganzen Jahren gelernt hat, mit dem, was sie hat, alleine zurecht zu kommen. So will sie den Pfleger Hugo nur in Notfällen belästigen: „Hugo mag ich nicht fragen, der hat genug am Hals. Der Junge muss ja nicht noch nass werden.“
Das einzige, was ihr fehlen dürfte, ist ein wenig Gesellschaft. So verlängert sie die Geschichte, die sie erzählt, damit sie noch länger in der Gesellschaft des Erzählers ist. „ Aber übermorgen muss ich zurück nach München.
Es beklagen sich die Kinder, auch meine Frau. Und das mit Recht. Ich hatte ja nur eine Woche in Hamburg bleiben wollen und bin schon die zweite Woche hier. – Kannste die Rückreise nicht um ein, zwei Tage verschieben ?“
Erzähler
Lebenslauf:
Er lebte als kleiner Junge in demselben Viertel wie Lena Brücker und aß an ihrem Stand öfters eine Currywurst. Auf der Suche nach dem Erfinder der Currywurst stößt er so beinahe automatisch auf Lena Brücker, sucht diese auf und lässt sich von ihr die Geschichte der Currywurst erzählen. Er lebt heute in München mit einem Kind und einer Frau.
Der Erzähler könnte sehr gut Uwe Timm selbst sein, denn wenn man seinen Lebenslauf mit dem des Erzählers vergleicht, so lassen sich doch einige Parallelen aufzeigen, welche diesen Schluss zulassen.
Auffälligkeiten an seinem Verhalten:
Als die Geschichte der Frau Brücker sich dem Ende zuneigt, merkt man, dass es dem Erzähler auch hintergründig darum geht, etwas über seine Kindheit in Erfahrung zu bringen: „So kam mein Vater in die Geschichte ... [..
.] Ich konnte endlich meine Frage stellen: Wie war er, ich meine, wie wirkte er, damals, mein Vater?“
Weiter fällt auf, dass er für Frau Brücker eine wichtige Rolle spielt. Dies erkennt man daran, dass er den gestrickten Pullover und das Rezept für die Currywurst geschenkt bekommt, wobei zumindest der Pullover für ihren Enkel bestimmt war. Er scheint ihr also in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen zu sein, mehr noch als ihre eigene Familie.
Hermann Bremer
Lebenslauf:
Hermann Bremer ist Bootsführer im Zweiten Weltkrieg, verheiratet und Vater eines Kindes. Eigentlich ist er im Krieg Seemann und in Oslo stationiert, wurde aber aufgrund des politischen Geschehens in eine Panzereinheit abkommandiert.
Auf dem Weg vom Heimaturlaub in seiner Heimatstadt Braunschweig zurück zur Front, bleibt er in Hamburg aufgrund der Bombardierung der Stadt hängen und findet Unterschlupf bei Lena Brücker. Seinen Auftrag, an die Front zurückzukehren, erfüllt er nicht, stattdessen bleibt er bei Lena Brücker und beginnt mit dieser eine Affäre, wobei er Frau Brücker seinen wahren Familienstand verschweigt. Als er allerdings bemerkt, dass Frau Brücker ihn während der ganzen Zeit belogen hat, und er damit nicht mehr an sie und ihre Wohnung gebunden ist, verschwindet er aus Lena Brückers Leben und kehrt später dorthin zurück. Nachdem er nämlich Lena Brücker verlassen hat kehrt er nach Braunschweig zurück zu seiner Familie und arbeitet dort als Vertreter für Fensterkitt. Später kommt er zurück nach Hamburg, besucht ihren Currywurststand, kauft dort eine Wurst, und einen Kaffee, lässt sich aber nicht anmerken, ob er Frau Brücker erkennt.
Charakterisierung:
Die Figur des Hermann Bremer ist eine recht komische.
Es wirkt an einigen Stellen so, als fühle er sich in seiner Rolle nicht wohl. So ist er beispielsweise Soldat im Krieg, scheint aber nach 6 Jahren Krieg nicht an Luftangriffe gewöhnt zu sein: „Auf einem Schiff sieht man die Flugzeuge, auch, wie die Bomben fallen, sagte er entschuldigend, hier ist es ein bisschen ungewohnt.“ Zudem ist seine große Angst vor dem Tod auffallend, die er auch noch nach dem langwierigen Krieg zu haben scheint: „Die wollen mich in letzter Minute noch verheizen“ . Er ist also nicht mit ganzem Herzen Soldat, jedoch auf jeden Fall ein Patriot („Verlieren wir den Krieg, verlieren wir unsere Ehre, sagte Bremer.“ ) Aufgrund dieser Tatsache begeht er sogar eine Straftat, welche auch mit dem Tode geahndet werden kann: Er wird fahnenflüchtig. Er gibt sich der Illusion hin, dass die Deutschen mit den westlichen Alliierten eine Allianz gegen den kommunistischen Osten bildet und diesen angreifen und zurückerobern wird: „Hat Dönitz mit den Amerikanern verhandelt ? Mit den Engländern ? Geht es endlich gegen Russland ?“ Eine Schuld des Deutschen Reichs weist er von sich.
Während seiner Gefangenschaft fühlt sich Bremer eingeengt und empfindet Langeweile. Die Tage verbringt er mit der Lösung von Kreuzworträtseln, dem Putzen der Küche oder einfach nur der Beobachtung des Geschehens auf der Strasse. Er fühlt sich so, als sitze er in einer Falle: „Denn je erfolgreicher die Truppen waren, je weiter sie gen Osten vorstießen, desto länger zog sich der Krieg hin, und das hieß, um so länger saß er in dieser Wohnung, Wochen, Monate und – Schweiß brach ihm aus – Jahre.“
Hermann Bremer verschweigt Frau Brücker während seines Aufenthalts in ihrer Wohnung seine wahren Familienverhältnisse. Der Beweggrund für dieses Verhalten ist mit Sicherheit die Angst vor den SS-Offizieren, die, wie er vermutet, ihn wegen Fahnenflucht suchen. Würde er von Frau und Kind erzählen, würde Frau Brückers Interesse an ihm recht stark sinken und er würde auf der Strasse sitzen.
Dies ist vor allem deswegen verwunderlich, da er auch weiß, dass sie verheiratet ist.
Die Verhaltens werden Hermann Bremer erst bewusst, als er seinen Geschmackssinn verliert. Erst an dieser Stelle beginnt er zu überlegen, was er eigentlich tut und wie falsch er sich verhält: „Vielleicht, dachte er, kommt es vom Rauchen, du rauchst zuviel, aber dann nistete sich sogleich der Gedanke ein, es ist nicht das Rauchen, sondern dass du dich hier von einer Frau verstecken lässt. Du bist ein Schwein, dachte er.“
Die Liebesbeziehungen der Lena Brücker in der Darstellung
Die Beziehung zu Gary Brücker
Die Beziehung zu Gary lässt sich in zwei Teile aufteilen: Die Zeit vor und die Zeit nach dem Krieg. Über die Beziehung vor dem Krieg wird nicht viel erzählt, nur soviel, dass sie ihn nicht wirklich vermisst im Kriege, die guten Erinnerungen an die gemeinsame Zeit vor dem Kriege scheinbar nicht besonders groß sein können: „Vermissen sie ihn ? Sie hätte sagen können – und das wäre die Wahrheit gewesen: Nein.
“ Nach dem Krieg kann man nicht mehr von Liebe zwischen den Beiden sprechen („Ne zeitlang habe ich den einen mit dem anderen ausgetauscht, im Kopf jedenfalls“) , weil sie immer noch in Hermann Bremer verliebt ist. Die beiden führen eine alltägliche Ehe, Gary arbeitet tagsüber und abends legt er sich faul aufs Sofa und betrinkt sich. Anfänglich haben die beiden noch regelmäßig Geschlechtsverkehr, nach drei Monaten allerdings weicht Lena Brücker dem Sex durch eine Ausrede aus („Nach drei Monaten begann sie sich herauszureden, sagte, dass sie Hefepilze habe“) . Als sie ein Stück Damenunterwäsche findet, welches eindeutig nicht von Lena Brücker, sondern von einer weitaus schlankeren Frau stammen musste, redet sie mit ihm gar nicht mehr erst darüber, sondern schmeißt ihn direkt aus der Wohnung. Von diesem Punkt ist sie im Leben auf sich selbst gestellt, muss die Kinder alleine versorgen und selbst arbeiten gehen. Auf eine weitere Beziehung lässt sie sich nicht mehr ein, allerdings wird nicht deutlich gesagt, dass sie noch einmal die Chance bekam, eine weitere Beziehung zu beginnen.
Die Beziehung zu Hermann Bremer
Die Beziehung, auf welche sich Lena Brücker mit Hermann Bremer einlässt ist eher eine reine Sexbeziehung, als eine wirkliche Partnerschaft. Hierfür gibt es zwei Indizien: Zum einen reden die Beiden nicht offen über ihre Probleme und Lebensgeschichten, zum anderen haben sie eben täglich teilweise exzessiven Sex: „Dann hilft nur eins, sagte er, du musst einen Katzenbuckel machen und jetzt das Kreuz durchdrücken, den Kopf nach unten, die Beine etwas spreizen, locker, ganz locker und den Hintern hoch, noch höher, so ists gut. Und jetzt tief durchatmen. Locker ! Ausatmen ! So ists gut. Huchhh.“
Lena Brücker genießt die Zeit mit Bremer sichtlich, sie nutzt gar jede Gelegenheit, die sich bietet, die gemeinsame Zeit mit Bremer zu verlängern, sei es auch nur um ein paar Tage: „Ich lasse für ihn das Papier ein bisschen früher ankommen, also in drei Tagen, und die gönne ich mir noch.
“ Durch Bremer findet sie ihr Selbstvertrauen wieder, welches sie in den Jahren des Krieges scheinbar verloren hat. Sie hält sich für etwas Besonderes, da sie mit ihren vierzig Jahren noch einen jungen Mann bezirzen kann: „Sie zog sich aus, ohne Scham, nackt, wie sie das früher nie getan hatte, und das, obwohl sie inzwischen nicht mehr zwanzig war legte sie sich zu ihm auf das Matratzenfloß“
Dass Frau Brücker trotz des Krieges und der Einsamkeit noch mit Gary verheiratet ist hindert sie nicht direkt daran, eine Affäre mit einem jüngeren anzufangen, macht sie allerdings etwas vorsichtiger: „Aber das hätte sich für ihn wie eine Aufforderung anhören müssen.“ . Sie selbst sagt, dass sie nicht genau wisse, ob ihr Mann überhaupt noch am Leben sei oder zu ihr zurück komme.
Die Entdeckung der Currywurst – Eine Alltagsgeschichte ?
„Denn die Geschichte, seine, ihre Geschichte, konnte er niemanden erzählen, das war keine dieser Kriegsgeschichten, die überall und immer wieder die Runde machten. Das war keine Stammtischgeschichte.
Das ist eine Geschichte, die nur ich erzählen kann. Es gibt darin nämlich keine Helden.“
Dies sagt Lena Brücker in der Novelle, ziemlich direkt nach dem Verschwinden Hermann Bremers. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob sie mit dieser Äußerung recht hat.
Mit einer Äußerung hat Lena Brücker auf jeden Fall recht: Die Geschichte, zumindest die Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt, wird Hermann Bremer nie erzählen können. Zwar muss er keine Verurteilung als Fahnenflüchtiger fürchten, jedoch wird er als Feigling gelten, da er nicht als ideologischen Gründen geflüchtet ist, sondern nur um seine Haut und sein Leben zu retten.
Dies wurde in der damaligen Nachkriegszeit nicht sehr gerne gesehen, da viele Leute der Ansicht waren, dass das Deutsche Reich wegen solchen „Feiglingen“ den Krieg verlor.
Die einzige, die diese Geschichte erzählen kann ist wirklich Lena Brücker, da sie alle Details kennt, die zum Verständnis nötig sind. Zudem wird durch die Geschichte kein schlechtes Licht auf sie geworfen, sie tut zwar etwas Verbotenes, indem sie einen Fahnenflüchtigen Soldaten beherbergt, dies wiederum zeigt ihren Mut und ihren Einsatzwillen.
An dieser Stelle drängt sich nun die Frage auf, ob Lena Brücker ein Held in dieser Geschichte ist, die sie ja selbst erzählt. Laut Definition ist ein Held eine Person, welche im Mittelpunkt des Geschehens steht oder durch vorbildliches Verhalten Bewunderung und Anerkennung hervorruft. Lena Brücker steht in dieser Geschichte eindeutig im Mittelpunkt des Geschehens, die sie sich selbst als Erfinderin der Currywurst sieht, auch wenn sie sich bescheiden gibt und es auf einen Unfall zurückführt.
Zudem erzählt sie in der Novelle einen Großteil bzw. den wichtigsten Teil ihrer Lebensgeschichte, sie steht also eindeutig im Mittelpunkt. Auch das andere Kriterium, welches einen Helden näher identifiziert, scheint Frau Brücker zu erfüllen. Ihr Verhalten ist ziemlich klar als Vorbildlich einzustufen. Zum einen besitzt sie den Mut sich in der Zeit der Diktatur durch ein faschistisches Regime sich mit kritischen Kommentaren gegen das System zu stellen, zum Anderen beherbergt sie einen fahnenflüchtigen Soldaten, was zum Einen vom Staat als Beihilfe zur Fahnenflucht gesehen wird, zum Anderen in der Bevölkerung als Vaterlandsverrat gesehen sehen dürfte. Trotz alledem steht sie zu ihrem Entschluss und meistert die Situation mit Bravour.
In der Nachkriegszeit bringt sie sich und ihre Kinder all die Jahre durch geschickten Handel mit ihrer Wurstbude über die Runden, ohne die Hilfe eines Mannes. Dies dürfte ihr Anerkennung durch den Leser bringen. Aus diesem Grunde würde ich Lena Brücker als Heldin der Novelle bezeichnen, auch wenn sie selbst sich nicht als diese sieht.
Es bleibt also zum Schluss die Frage, ob es sich um eine Alltagsgeschichte handelt oder nicht. Ich beantworte diese Frage mit einem klaren Nein, da in dieser Geschichte eben ein Grossteil von der Lebensgeschichte Lena Brückers steckt, und eine Lebensgeschichte ist nie etwas „alltägliches“. Zudem handelt es sich hierbei um eine Kriegserzählung, eine Geschichte aus dem Krieg und man wird wohl nicht behaupten können, dass im Krieg ein Anklang von Normalität und Alltag zu finden sei, auch wenn sich die Menschen der damaligen Zeit sich auf ihre Situation eingestellt haben.
BewertungDas Buch „Die Entdeckung der Currywurst“ hat einen sehr positiven Eindruck in mir hinterlassen, obwohl ich mich mit ihm einige Zeit befassen musste und eine Facharbeit darüber schreiben musste. Es stellt sich aber die Frage, ob hier von müssen die Rede sein kann. Als ich mir das Buch vornahm, war ich sehr gespannt und hoffte auf eine unterhaltsame Geschichte, welche sich intensiv mit dem Thema der altbekannten Currywurst befasst. Umso verwunderter war ich, als nach einigen Seiten keine Rede mehr von der Currywurst war und man sich inmitten des Zweiten Weltkrieges befand, allerdings war ich nicht enttäuscht. Die Geschichte des Hermann Bremers und deren Ausgang zog mich eigentlich mehr in den Bann, als die Currywurst selbst, ja, nach einiger Zeit hätte ich die Currywurst fast vergessen, wenn da nicht der Erzähler gewesen wäre, der immer wieder anfing zu „quengeln“. Als ich dann die Lektüre beendet hatte, war ich wirklich erstaunt, dass ich, der ich eigentlich nicht eine „Leseratte“ ist, dieses Buch so schnell gelesen hatte, zumal es meinen anfänglichen Erwartungen keineswegs entsprach.
Als es dann allerdings daran ging, eine Facharbeit über das Buch zu schreiben, war meine Freude schnell gedämpft, da es einfach kein Material zu Uwe Timm gab, nicht mal im Internet. Zudem ist das Buch sehr vielschichtig, viele Aspekte fielen zwangsweise unter den Tisch, andere verstand ich gar nicht oder konnte mir nur teilweise einen Reim drauf machen. So ist mir die exakte Funktion des Pullovers, der die ganze Zeit von Frau Brücker gestrickt wird, bis heute unklar.
Trotz alledem halte ich „Die Entdeckung der Currywurst“ für ein sehr gutes Buch, und ich werde es bestimmt ein weiteres Mal lesen – und dann freiwillig. Abschließen möchte ich deswegen mit einem Zitat der FAZ, welches ich auf dem Buchrücken entdeckte und für sehr passend halte:
„ Es ist, kurz und einfach gesagt, eine wunderbare Geschichte ..
. Prallvoll mit Gefühl und Realität, süß-scharf sozusagen, immer auch etwas bedrohlich wie ein Märchen aus der nächsten Nachbarschaft.“
Quellenangaben
Als Quellen bei meiner Facharbeit dienten mir:
Das Internet (für die Biographie)
Uwe Thimm „Die Entdeckung der Currywurst“ Kiepenheuer und Witsch
Schülerduden Literatur
Endnoten
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