Das buch "die taube" von patrick süßkind handelt von einem mann namens jonathan noel, einem außenseiter seinerzeit

DIE TAUBE     von PATRICK SÜßKIND    Das Buch „die Taube“ von Patrick Süßkind handelt von einem Mann namens Jonathan Noel, einem Außenseiter seinerzeit. Jonathan war kein ungebildeter Mann, nur sehr allein und das wollte er auch so. Während dem 2. Weltkrieg zog Jonathans Mutter von zuhause weg, weit weg in den Osten. Kurz darauf reiste auch schon sein Vater ab. Jonathan und seine Schwester blieben alleine zurück, bis sie eines Tages von einem Onkel, den sie nie zuvor zu Gesicht bekommen hatten, abgeholt und in eine kleine Stadt gebracht wurden.

Sie wurden dort bis zum Kriegsende versteckt. Später meldete sich Jonathan für 3 Jahre zum Militär. Als er nun nach diesen Jahren, in denen er die meiste Zeit im Lazarett verbracht hatte, zurückkehrte, war auch seine Schwester verschwunden. Angeblich war sie nach Kanada ausgewandert. Kurz darauf verlangte der Onkel, dass sich Jonathan vereheliche. Sie gebar ihm nach einigen Jahren einen Sohn, brannte aber später mit einem Tunesier durch.

  Jonathan wünschte sich in all den Jahren nur eins: einen völligen Zustand der Ruhe, einfach nur seinen seelischen Frieden. Eines aber lernte er in der ganzen Zeit: Das auf die Menschen kein Verlass sei, und dass man nur in Frieden leben könne, wenn man sie sich vom Leibe hielt.   Jonathan hatte nach all den Vorkommnissen zwei mal großes Glück. Er fand eine Stelle als Wachmann in einer Bank. Zweitens fand er ein Zimmer in einem Gasthof, Nummer 24 am Ende des Ganges ganz hinten. So blieb er den anderen Gästen fern und fand endlich seine lang angestrebte Ruhe.

Das Zimmer Nummer 24 war nicht sehr groß, eher sehr klein. Aber dadurch, dass er ein bescheidener Mensch war, hatte er sich von Anfang an an dieses Zimmer gewohnt, um es genau zu sagen hatte er sich darin verliebt. Er lebte sehr lange in diesem Zimmer, Jahrzehnt um Jahrzehnt. Täglich roch er schon beim Aufstehen den Geruch von Madame Lassalle, der Eigentümerin des Hauses. Alles nahm täglich seinen Gewohnten Lauf. Es änderten sich im Laufe der Zeit auch viele Dinge, wie etwa die Art der Mieter.

Dienstmädchen, Ehepaare, Rentner, Studenten und auch Menschen aus anderen Ländern lebten im Haus. Doch was kümmerte ihn das, denn er hatte seinen Frieden gefunden, ganz egal welche Läute hier wohnten. Nun wollte er aber sein geliebtes Zimmer endgültig an ihn binden. Er wollte es nämlich kaufen. Der Vertrag war bereits abgeschlossen und nur noch 8000 der 50 000 Franc waren zu zahlen.   Mittlerweile war Jonathan Noel über fünfzig Jahre alt.

Er hatte im Laufe der Zeit gelernt, welche Geräusche es außerhalb seines Zimmers gab. Er musste nur sein Ohr an die Türe legen und schon wusste er was draußen los war. Er benutzte immer noch das Etagenklo, und dafür brauchte er diese Eigenschaft, denn er wollte nicht mit jemand anderem auf dem Gang zusammenstoßen, was ihm einst einmal passierte und in unangenehmer Erinnerung blieb. Nun also, da er kein Geräusch hörte und sich hundertprozentig sicher war, dass kein Mensch auf dem Gang war, öffnete er langsam zuerst das Schloss der Türe, dann die Türe selbst. Er trat langsam auf den Gang hinaus und sah sie. Mit roten, kralligen Füßen hockte sie auf dem Boden mit bleigrauem, glatten Gefieder: die Taube.

Jonathan war regungslos. Er konnte nicht einmal erschrecken, weil er so zu Tode erstaunt war. Die Taube sah ihn an und blinzelte. Da erst durchzuckte ihn der Schreck. Er sprang zurück ins Zimmer. Jonathan schloss die Türe wieder zu und ließ sich ins Bett fallen.

Sein erster Gedanke war, dass er nun einen Herzinfarkt erleiden würde. Er glaubte dass er nun bereit sei zu Sterben. Er legte sich ins Bett, deckte sich zu und wartete auf die Schmerzen. Aber nichts dergleichen geschah, sein Herzschlag beruhigte sich. Jetzt machte er sich selbst fertig. Er fragte sich wie weit es mit ihm noch führen sollte, wenn er sich schon von einer Taube erschrecken ließ.

Zuerst kam ihm der Gedanke die Taube zu töten. Immerhin hatte er ja eine Dienstpistole. Er häkte die schlimmsten Gedanken aus, über jegliche Krankheiten, die die Taube mit sich haben könnte. Nun tat Jonathan etwas, was er seit seiner Kindheit nicht mehr gemacht hatte: Er betete. Doch jetzt kam erst eines seiner größten Probleme: Er musste dringend auf die Toilette! Aber er konnte nicht vor die Tür. So blieb ihm nichts anderes über, als ins Waschbecken zu urinieren.

Mit größter Abscheu tat er das, es war ein Horror für ihn. Langsam beruhigte er sich. Er überlegte, was er nun tun sollte. Er rasierte sich und machte sich bereit für die Arbeit. Aber er wollte der Taube nicht noch einmal begegnen. Jonathan dachte darüber nach, einige Nächte in einem Hotel zu verbringen.

Er holte einen Koffer hervor, den er normalerweise für die Schmutzwäsche benutzte um sie in die Wäscherei zu bringen. Er packte ihn mit den wichtigsten Sachen. Nun wappnete er sich für die Begegnung mit der Taube. Er zog sich seine Winterstiefel an, seinen Wintermantel und wickelte sich einen Schal um den Hals. In die rechte Hand nahm er einen Regenschirm. Er ging auf die Türe zu.

Langsam öffnete er wieder die Schlösser und wagte schließlich einen Blick hinaus. Die Taube sah er nicht mehr. Da wo sie gesessen war lagen nun ein grüner Klecks und eine Feder. Jonathan erschauderte vor Ekel. Er wagte jetzt einen Schritt hinaus und sah nicht bloß einen Klecks, sondern eine Vielzahl. Da erblickte er die Taube im Eck des Ganges.

Langsam schob er den Koffer aus dem Türstock, spannte den Regenschirm auf und ging zwischen den Klecksen hindurch hinaus. Da flatterte die Taube mit ihren Flügeln und vor lauter Schreck lief Jonathan davon. Endlich war er an der Treppe angelangt. Von Stufe zu Stufe wurde er ruhiger. Schließlich schaffte er es dann doch hinaus. Schnell schlüpfte er in die Halbschuhe und zog Mantel und Schal aus.

Im Hinterhof traf er auf Madame Rocard, der Concierge. Er erklärte ihr, dass sich viele Kleckse im Treppenhaus befänden. Er versuchte, dem Gespräch mit Madame Rocard, mit der er seit zehn Jahren eh nie mehr als „Guten Morgen“ und „Guten Abend“ gesprochen hatte. Dann beeilte er sich, zur Arbeit zu kommen.   Pünktlich wie immer kam Jonathan am Arbeitsplatz an und öffnete gemeinsam mit der Oberkassierin und dem stellvertretenden Direktor die Tore. Jonathan hatte seit dreißig Jahren bei seiner Arbeit nicht mehr zu tun als zu den Öffnungszeiten vor der Bank zu Wachen und beim Eintreffen des Direktors die Stahlgitter zu öffnen.

Noch nie hatte er die Limousine des Direktors Monsieur Roedels verpasst. Jonathan war als Wachmann wie eine Sphinx, glänzte nur durch körperliche Anwesenheit. Doch an diesem Tag erreichte er der völligen Ruhestand wie bei einer Sphinx nicht, denn da war alles anders. Es juckte ihn an sämtlichen Körperstellen, er schwitzte am ganzen Körper. Seine Glieder schmerzten. Er musste sich ständig kratzen.

Er suchte nach einem Fixpunkt in der Umgebung, aber immer wieder wechselte er von einem Hut zum anderen, zu einem Auto, zu einem Fahrrad und so weiter, eben typisch für diesen Tag. Er fand einfach seine Ruhe nicht. Wieder machte er sich die schlimmsten Gedanken, mit denen er so beschäftigt war, das er sogar zum fünften mal das ertönen der Hupe der Limousine von Monsieur Roedels nicht wahrnahm. Doch dann erblickte er sie, und im Schreck hastete er auch schon zum Gatter. Niemals hatte er sie verpasst, doch an jenem Tag passierte es tatsächlich. Er öffnete rasch das Tor, salutierte und schloss es wieder.

Dann kehrte er zu seinem Arbeitsplatz zurück, voll von Schamgefühl. Dann hatte er Mittagspause.   In der Mittagspause packte er seine Sachen und suchte ein Hotel auf, in dem er das billigste Zimmer verlangte. Zu Mittag kaufte er sich 2 Rosinenschnecken und eine Tüte Milch und ließ sich auf einer Parkbank nieder. Da sah er einen Clochard. Er dachte einige Zeit darüber nach, wie es denn wäre so zu leben, bis es ihm wieder durch den Kopf schoss: Er hatte die Limousine verpasst.

Dann verließ er den Park, um schon etwas früher zur Bank zurückzukehren. Er wollte nicht länger an diesem Ort bleiben. Als er schon einige Straßen weiter war, fiel ihm ein, dass er seine Milchtüte auf der Parkbank hatte stehen lassen, was ihm sehr unangenehm war. Er drehte um und ging zurück in den Park um die Tüte zu entsorgen. Als er schon Blick auf die Parkbank hatte, sah er sie zum Glück. Als er sie aufhob und sich zum Abfallkübel umdrehte, merkte er ein Zerren an seiner Hose.

Er konnte sich aber nicht zurückdrehen und da hörte er auch schon ein unangenehmes Geräusch. Jonathan senkte seinen Blick und sah einen ungefähr zwölf Zentimeter langen Riss, von der linken Hosentasche den Oberschenkel hinab. Es war ein unübersehbares Loch, bei dem ein dreieckiger Hosenfetzen herabhing. Wieder spürte Jonathan diesen Schmerz, dieses Leiden, das er an diesem Tag schon so oft spürte. Er musste dringend etwas unternehmen. Da erinnerte er sich an eine Schneiderei, die ganz nahe war.

Er lief hin und deckte dabei mit der linken Hand das Loch zu. Dann hatte Jonathan zum ersten mal Glück – oder besser gesagt kein Pech – an diesem Tag, denn die Schneiderin war nicht gerade in der Mittagspause wie er sich schon ausgemalt hatte. Die Schneiderin war ihm ganz sympathisch. Sie sah sich das Loch an und sagte: „Kein Problem“. Kein Problem – der erste positive Satz an diesem Tag. Doch als er sie darum bat, es sofort zu machen, musste sie ablehnen.

Sie schätzte die Dauer auf ungefähr drei Wochen und deutete auf einen Kleiderständer voll mit Röcken und Hosen. Jonathan konnte es nicht fassen. Seelenruhig nähte die Schneiderin weiter, und er verließ die Nähstube. Er kaufte sich eine Rolle Klebeband und klebte das dreieckige Fähnchen an die Hose. Nun kehrte er zur Arbeit zurück.   Den gesamten Nachmittag über war Jonathan wütend.

Er lehnte wie gewöhnlich an seiner Säule und rührte sich nicht. Wieder juckte es ihn am ganzen Körper, doch dieses mal wollte er sich nicht kratzen, er wollte leiden. Da plötzlich entlud er seinen Hass, er wollte irgendwohin schießen, niemand hätte ihm in diesem Moment zu nahe kommen dürfen. Jonathan rege sich über die kleinsten Dinge auf. Doch glücklicherweise tat er es nicht. Er blieb ruhig stehen und schwitzte.

Endlich bekam er den zustand seiner langersehnten Sphinx. Nun war er abermals bereit zu sterben. Er wollte gar nicht mehr weg von seinem Arbeitsplatz. Er wollte hier, auf den Stufen der Bank, sterben. Doch die Oberkassierin und der stellvertretende Direktor erweckten ihn aus seinen Gedanken. Es war Zeit, diesen Ort zu verlassen.

Dann hatte er plötzlich Lust zu gehen. Er ging die Straßen auf und ab, hin und her bis zur Dämmerung. Schließlich kaufte er sich noch ein kleines Abendessen fürs Hotel und machte sich auf den Weg. Das Hotelzimmer war noch kleiner als sein vorheriges Zimmer. Er aß nun sein Abendessen und ging anschließend zu Bett. In jener Nacht gab es ein Gewitter.

Dennoch konnte Jonathan einschlafen, wurde jedoch am Morgen durch einen heftigen Knall geweckt. Er glaubte, nun den Weltuntergang zu erleben. Doch plötzlich war es totenstill. Das Gewitter war vorbei, kein Geräusch war zu hören. Auf einmal kam es ihm vor als würde er fallen. Er hielt sich an der Matratze fest, sein einziger Punkt an dem er sich festhalten konnte war ein Licht rechts oben.

Da fiel es ihm ein – das war nicht sein Zimmer! In seinem Zimmer befand sich das Fenster über dem Fußende des Bettes. Da glaubte er plötzlich ein Kind zu sein. E glaubte, das alles nur geträumt zu haben. Doch dann wurde ihm wieder bewusst wer er war. Da fing es an zu regnen. Jonathan stand auf und kleidete sich an.

Er packte seinen Koffer und verließ das Zimmer. Langsam schlich er sich an dem schlafenden Nachtportier vorbei ins Freie. Plötzlich bekam er Lust, wie ein kleines Kind von Pfütze zu Pfütze zu springen. Er zog aber seine Schuhe nicht aus, sondern sprang wie wild hin und her. Da stand er nun wieder vor dem Haus. Vor dem Haus mit seinem Zimmer.

Er schlich durch den Hinterhof, huschte die Treppe hinauf bis es ihm wieder einfiel: Ober wartete die Taube. Er blieb mitten auf der Treppe stehen, obwohl er nur noch fünf Stufen vor sich hatte. Er stellte seinen Koffer ab. Umkehren wollte und konnte er nicht. Da stieg ihm wieder der Duft des Kaffees von Madame Lassalle in die Nase. Da hatte er auf einmal keine Angst mehr.

Er fühlte sich wieder wie zu Hause. Er betrat den Gang und erblickte sofort das geschlossene Fenster und einen Putzlappen, der zum Trocknen aufgehängt war. Der Gang war vollkommen leer. Die Kleckse auf dem Boden waren fortgewischt. Kein Federchen, kein Fläumchen mehr, das auf den Kacheln zitterte.      

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