Nathan der weise
Nathan der Weise Das Drama “Nathan der Weise”, bestehend aus fünf Akten, wurde 1779 von Gotthold Ephraim Lessing verfaßt. Lessing wurde am 22.1.1729 in Kamenz geboren und starb am 15.2.1981 in Braunschweig.
Bereits im Kindesalter wird Lessing von seinem Vater, einem theologisch ehrgeizigen lutherischen Pfarrer, durch Privatunterricht auf seine schulische und universitäre Laufbahn vorbereitet, die selbstverständlich zum Predigeramt führen sollte. 1737 kommt er in die Fürstenschule St. Afre in Meißen. Der Schüler übertrifft die in ihn gesetzten Erwartungen. Schon in dieser Zeit entstehen die ersten schriftstellerischen Versuche. 1748 wird sein erstes Lustspiel “Der junge Gelehrte” uraufgeführt.
Lessing zieht 1748 nach Berlin, wo er sich als Redakteur verschiedener Zeitschriften eine Existenzgrundlage schafft. Er widmet sich aber weiterhin dem Theater. 1755 wird das bürgerliche Trauerspiel “Miss Sara Sampson” uraufgeführt. Völlig überraschend geht er 1760 als Regimentssekretär nach Breslau. Die Breslauer Amtsgeschäfte lassen ihm genügend Zeit für private Studien. Es entstehen Vorarbeiten zu Laokoon (1766) und “Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück” (1767).
1772 wird Lessings Trauerspiel “Emilia Galotti” uraufgeführt. 1779 erschien das “dramatische Gedicht” “Nathan der Weise”, Lessings letzes Stück, das keinen festen Gattungsnormen mehr unterliegt. Es verdankt seine Entstehung den theologischen Auseinandersetzungen, die Lessings letzte Wolfenbütteler Jahre bestimmen, und befaßt sich mit der religiösen Toleranz.
Bevor ich auf den Inhalt eingehe, möchte ich die wichtigsten Charaktäre vorstellen. Die Hauptperson ist Nathan, ein reicher Jude aus Jerusalem. Er ist ein Bild edelster Menschlichkeit, die über die Beschränktheiten der Volks- und Religionsunterschiede erhaben ist.
Seine Ausdauer, sein Scharfsinn und seine Besonnenheit haben ihn zu dem reichen Handelsmann gemacht, den seine Geschäftsreisen bis in die entferntesten Gegenden führen. Wie er so als edler Weltbürger erscheint, so ist er auch als Familienvater ein Muster treuer Liebe und Pflichterfüllung.
Recha ist vor achtzehn Jahren dem Juden Nathan als wenige Wochen altes Kind eines christlichen Freundes ins Haus gebracht worden. Die Mutter war kurz zuvor gestorben, und der Vater mußte plötzlich in den Krieg ziehen. Nathan hat das Kind als Ersatz für sieben Söhne, die ihm Christen zuvor getötet hatten, angenommen.
Daja ist Rechas Gesellschafterin.
Sie ist eine schwärmerische Christin, die ihre Religion wie einen Beruf ansieht, auf den man sich etwas einbilden kann, aber ihrem Glauben fehlt der Verstand und die Einsicht. Sie hängt an Recha mit aller Treue und Hingebung.
Herrscher in Jerusalem ist Sultan Saladin, dem Lessing die edelsten Charakterzüge beilegt. Mit den Christen führt er nicht der Religion wegen Krieg, sondern nur, weil sie seine Länder beunruhigen. Die gegenseitige Anerkennung der Religionen verhinderte die Intoleranz der Tempelherren.
Sittah, Saladins jüngere Schwester, beurteilt die Christen weniger mild als ihr Bruder.
Eine Hauptrolle hat auch einer der Tempelherren. Nur nach Geburt und Namen erscheint der Tempelherr als Christ, er ist aber eigentlich ein Freidenker. Als Feind des abergläubischen Wesens haßt er das Volk der Juden, von denen, wie er glaubt, viel Aberglaube stammt.
Nun aber zum Inhalt. Nathan, ein reicher Jude aus Jerusalem, kehrt von einer langen Geschäftsreise heim. Daja begrüßt ihren Herrn herzlich und erzählt, daß während seiner Abwesenheit Feuer im Haus ausgebrochen ist und Nathans Tochter Recha im letzten Moment von einem Tempelherrn gerettet wurde.
Der Tempelherr wurde von Sultan Saladin gefangengenommen, doch wegen seiner großen Ähnlichkeit mit Saladins verstorbenem Bruder von ihm begnadigt wurde. Aus der Unterhaltung zwischen Daja und Nathan hört man, daß Recha nicht die leibliche Tochter von Nathan ist, davon aber nichts ahnt. Recha hat den Tempelherren liebgewonnen, er lehnt aber jeden Dank und jede Einladung von ihr ab.
Die Ankunft des Derwischs Al Hafi, eines alten Freunds von Nathan, unterbricht das Gespräch zwischen Nathan und Daja. Zu seiner Verwunderung hört Nathan, daß Al Hafi Schatzmeister des Sultans geworden ist. Er erklärt, daß er Al Hafi bei seinem Amt aber nicht helfen will, denn bei Saladins Freigebigkeit und Großzügigkeit sind die Kassen stets leer.
Auf einem Platz unter den Palmen geht der Tempelherr auf und ab. Ein Klosterbruder versucht ihn auszufragen. Der Tempelherr meint, der Patriarch hat den Klosterbruder geschickt um genaueres über ihn zu erfahren und erzählt, er sei mit neunzehn anderen beim Sturm auf die Burg Tebnin gefangengenommen worden. Dann aber rückt der Klosterbruder endlich mit dem Auftrag des Patriarchen heraus: der Tempelherr soll einen wichtigen Brief König Philipp August überbringen und ihm die Stelle der Mauern Jerusalems bezeichnen, wo ein Angriff Erfolg versprechen würde. Der Tempelherr weist diesen Auftrag des Patriarchen sofort zurück.
Saladin leidet wieder einmal unter akuter Geldnot.
Als der Schatzmeister Al Hafi bei ihm erscheint begrüßt Saladin ihn freudig, wird jedoch enttäuscht, denn der aus Ägypten erwartete Tribut ist nicht eingegangen. Er befiehlt dem Schatzmeister, irgendwo Geld aufzunehmen. Sittah, die Schwester Saladins, macht den Vorschlag, den reichen Nathan durch seinen Freund Al Hafi um ein Darlehen bitten zu lassen.
Unter den Palmen wird der Tempelherr von Nathan höflich angesprochen. Anfangs versucht er den Juden mit barschen Worten abzuweisen, wird aber durch sein edles Wesen immer mehr gewonnen. Nathan erkennt in dem Tempelherren einen Gesinnungsgenossen und bietet ihm seine Freundschaft an, die der Tempelherr auch annimmt.
Nathan stellt fest, daß Recha auf den Tempelherrn großen Eindruck gemacht hat. Aus Furcht, er könne sein Herz an Recha verlieren, hat sich der Tempelherr ihr nicht genähert.
Da erscheint Daja und teilt Nathan mit, daß der Sultan ihn zu sich bestellt hat. Der Tempelherr erklärt daß auch er mit Saladin zusammen zu kommen wünscht, um ihm für die Begnadigung zu danken und endgültigen Bescheid über sein Schicksal zu erhalten.
Die Art und Weise, wie der Tempelherr seinen Namen, Curd von Stauffen, nennt, läßt Nathan vermuten, daß es ein angenommener ist. Auch erinnert ihn den Tempelherr in Wuchs, Gang und Stimme an seinen Freund Wolf von Filnek.
Der Tempelherr verspricht, Recha noch an diesem Tag zu besuchen und sich für sein Verhalten zu entschuldigen.
Nathan schärft Daja ein, dem Tempelherrn weder etwas von Rechas Abstammung zu verraten, noch nach seiner Vergangenheit zu fragen.
Der Besuch des Tempelherrn versetzt Recha in große Aufregung. In der Unterhaltung zwischen Recha und dem Tempelherrn kommt dann die starke Liebe der beiden zum Ausdruck. Doch im Inneren des Tempelherrn tobt der Kampf, ob er der Liebe zu Recha Ausdruck geben soll oder nicht. Daher entfernt er sich unter dem Vorwand mit Nathan verabredet zu sein.
Inzwischen hat Sittah mit Saladin einen Plan geschmiedet, um von Nathan Geld zu bekommen. Dem ehrlichen Saladin widerstrebt das und er fühlt sich unbehaglich.
Dann tritt Nathan bei ihm ein. Saladin will gleich die Rede auf Nathans Weisheit bringen, wird aber durch unerwartete, kluge Gegenbemerkungen aufgehalten. Nathan vermutet, er soll dem Sultan etwas verkaufen oder ihm mitteilen, was er auf seiner Reise von Kriegsmaßnahmen der Tempelherren beobachtet hat. Doch dann stellt Saladin die Frage, welche von den drei Religionen in Jerusalem er für die wahre halte und aus welchem Grund.
Da Nathan nicht antwortet, nimmt Saladin an, er wolle sich seine Antwort reiflich überlegen und läßt ihn für kurze Zeit alleine. In einem Selbstgespräch drückt Nathan seine Verwunderung über die unerwartete Frage aus und beschließt, seine Anwort in ein Märchen zu kleiden. Er erzählt Saladin eine Geschichte, die darauf hinausläuft, das er nicht beurteilen kann, welche die wirklich wahre Religion sei. Saladin, durch Nathans Weisheit beschämt und von seinem edlen Wesen tief ergriffen, bittet ihn um seine Freundschaft und bringt es nicht über sich sein eigenes Anliegen vorzubringen, obwohl ihn Nathan fragt, ob er nichts weiter von ihm wünsche. Da bietet Nathan ihm freiwillig Geld für den bevorstehenden Krieg an. Geschickt bringt jetzt Nathan die Rede auf den Tempelherrn.
Saladin bittet ihn den Tempelherr zu ihm in den Palast zu bringen, damit er ihn seiner Schwester zeigen kann, sieht er doch Saladins Bruder so ähnlich.
Der Tempelherr wartet auf Nathan unter den Palmen in der Nähe des Klosters. Er ist in großer Erregung, da er sich nicht mehr verleugnen kann, daß er das Judenmädchen heiß liebt. Er versucht sich zu trösten, daß sein Gelübde ihn jetzt, da er gefangengenommen wurde, nicht mehr bindet.
Da erscheint Nathan und teilt dem Tempelherrn mit, daß Saladin ihn sprechen will. Der Tempelherr bittet ihn um Rechas Hand, muß sich aber mit einem Aufschub der Entscheidung begnügen.
Unter den Palmen will der Tempelherr auf Nathans Rückkehr warten um dann mit ihm zu Saladin zu gehen.
Zu dem einsam unter den Palmen auf und ab gehenden Tempelherrn gesellt sich Daja, die in einer Vermählung Rechas mit dem Tempelherrn das sicherste Mittel sieht, ihre Herrin zum Christentum zurückzuführen. Daher verrät sie dem Tempelherrn, daß Recha keine Jüdin und nicht Nathans leibliches Kind ist. Sie ist vielmehr Christin, weiß es aber nicht. Der Tempelherr versteht nicht, wie sich Nathan ein solches Unrecht hat zuschulden kommen lassen.
Er wendet sich mit diesem Problem an den Klosterbruder.
Der Klosterbruder will sich aber nicht mit dem Problem des Tempelherrn befassen und verweist ihn an den Patriarchen, den er gerade kommen sieht. Der Tempelherr teilt dem Patriarchen die Geschichte Rechas als angenommen Fall ohne Nennung von Namen mit und fragt ihn um Rat, was in einem solchen Fall zu tun ist. Der Geistliche antwortet, dem Juden, der so etwas wagen sollte , ist der Tod auf dem Scheiterhaufen bestimmt. Der Patriarch aber, der ahnt, daß es sich nicht bloß um einen angenommenen Fall handelt, beschließt den Frevel aufzudecken.
Zu Saladin, dem eben das versprochene Geld von Nathan gebracht wird, kommt Sittah mit einem Bild Assards, des frühverstorbenen Bruders. Aus ihrem Gespräch erfährt man, daß Assard eines Morgens weggeritten und nicht zurückgekehrt ist.
Saladin nimmt sich vor, das Bild mit dem Tempelherren zu vergleichen um festzustellen, wie weit sich die beiden ähnlich sehen.
Als der Tempelherr zu Saladin kommt berichtet er erzürnt über Nathans Verhalten. Saladin versucht ihn zu beruhigen und gibt ihm den Auftrag Nathan herbeizuholen. Es bestätigt sich aber die Ähnlichkeit des Tempelherrn mit Assard. Sittah vermutet, daß der Tempelherr aus einer Verbindung Assards mit einer Christin stammt. Sittah, die den rechtmäßigen Anspruch des Tempelherrn auf Recha betont, will diese sogleich Nathan wegnehmen und in ihr Haus holen lassen.
Saladin ist damit einverstanden, nur soll die Abholung nicht als Gewaltmaßnahme erscheinen.
Der Patriarch schickt den Klosterbruder aus, um den Juden, von dem der Tempelherr erzählt hat, zu finden. Als der Klosterbruder zu Nathan kommt, erzählt er, daß er selbst vor achtzehn Jahren dem Juden ein wenige Wochen altes Mädchen übergeben hat. Wolf von Filnek, so erfährt man, war der Vater, der plötzlich nach Gaza mußte, und die Mutter war kurz vorher gestorben. Nathan hat das Baby als Ersatz für sieben Söhne, die ihm die Christen nebst Gattin wenige Tage zuvor verbrannt hatten, angenommen und hängt jetzt mit ganzem Herzen an Recha. Der Klosterbruder erinnert sich plötzlich an ein Büchlein, in dem unter anderem die Angehörigen von Wolf von Filnek verzeichnet sind.
Nathan gibt dem Klosterbruder den Auftrag, es so schnell wie möglich zu holen.
Das Buch Wolfs von Filnek verschafft Nathan wichtige Aufschlüsse. Als der Tempelherr zu Nathan kommt um ihn zu Saladin zu bringen, erbittet er sich erneut Recha zur Frau. Zu seiner Verwunderung hört er jedoch von Nathan, daß sich Verwandte Rechas gefunden hätten, vor allem ein Bruder, der allein über ihre Hand zu bestimmen hätte und den sie bei Saladin treffen würden.
Inzwischen erfährt Recha von Sittah, daß Nathan nicht ihr wahrer Vater sei. Recha fleht sie darauf an, ihr auf keinen Fall den Vater zu nehmen.
Im Palast kündigt Saladin erstaunlicherweise die Rückgabe des geliehenen Geldes an. Der Tempelherr äußert seinen Unmut, daß er Recha noch nicht zur Frau bekommen hat und wird von Saladin zurechtgewiesen. Als Saladin jedoch Recha auffordern will, ihre Liebe selbst dem Tempelherrn zu gestehen, erklärt Nathan, Recha sei die Schwester der Tempelherrn und sein wahrer Name sei Leu von Filnek. Als Recha nun ihren Bruder umarmen will, tritt dieser zurück. Er ist überrascht und enttäuscht, Recha die er leidenschaftlich liebt, als seine Schwester vor sich zu sehen. Erst Saladins ernste Worte lassen ihn die Größe seines Glücks erkennen.
Doch noch eine größere Überraschung steht allen bevor. Nathan hat geäußert, daß Leus und Rechas Vater kein Deutscher war. Saladin, der die Wahrheit ahnt, befragt Nathan noch genauer. Dieser übergibt ihm das Büchlein von Wolfs von Filnek, Saladin erkennt sofort die Handschrift seines Bruders Assard und schließt nun dessen Kinder Leu und Recha gerührt in seine Arme.
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