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  Die menschliche stimme im wandel

Die menschliche Stimme im Wandel der Geschichte         Frühzeit:   Versetzt man sich zurück in Zeiten, in denen es noch keine Siedlungen, nur vereinzelt Menschen oder Menschengruppen gab, so ist anzunehmen, dass der Gesang oder vielmehr der Ruf der Sprache vorausging. Der Wunsch, einen Menschen oder ein Tier herbeizurufen, ließ wohl als erstes die Tragfähigkeit der Stimme entdecken. Jodeln und Juchzen, ein Gesang, bei dem die Bruststimme übergangslos in die Kopfstimme umschlägt, ist heute noch ein Erkennungsruf bei Hirtenvölkern in Gebirgsgegenden. Je mehr sich die Menschen zu Stämmen und Völkern zusammenfanden, desto mehr verlor der Ruf über die Weite an Bedeutung. Die Sprache wurde nun zum Medium des Erkennens, und der Ruf entwickelte sich zum Gesang, der Arbeit, Festlichkeiten, Tanz begleitete, zu Krieg und Schlachten rief, Trauer, Leid und Gebet Ausdruck verlieh. Der Gesang der Arbeit gehörte sicher zu den frühesten Formen der Musik, sei es als rhythmisches anfeuern, wie es heute noch als „ho ruck“ zum Heben oder ziehen schwerer Lasten bekannt ist, oder als Gesangsbegleitung, der zum Teil magische Bedeutung beigemessen wurde.

  Auch frühe Stammesfeste, Geisterbeschwörungen, Zauberheilungen wurden, wie heute noch bei manchen Völkern Asiens und Afrikas, durch Stampfen, Klatschen gleichmäßiger, dauernd wiederholter Rhythmen, zum Teil von eintönigem Gesang begleitet, gefeiert. Sprache spielte in diesem Gesang noch kaum eine Rolle. Vielfach umfasste der Gesang nur ein bis zwei, höchstens drei bis vier Töne. Je eintöniger die Tonfolge, desto vielfältiger waren die Rhythmen. Sie wechselten ständig und wurden durch Gegenrhythmen begleitender Schlaginstrumente wie Trommeln und Pauken, die jedoch genauen Gesetzen folgten, noch verwirrender gestaltet. Der Gesang, wie er heute noch bei manchen Naturvölkern anzutreffen ist gibt Aufschluss darüber.

Bei vielen dieser Naturvölker ist auch eine einfache Mehrstimmigkeit von zwei Gesangstimmen oder einer Stimme mit einem Begleitinstrument, zum Beispiel der Panflöte, in Quart- oder Quintabständen zu finden.   Interessant sind die Merkmale der Vortragskunst, wie sie von Naturvölkern und orientalischen Kulturvölkern überliefert sind: primitives Portamento (ein gepflegtes Legato, das ein wenig alle Zwischenstufen eines Intervalls hören lässt, also dem Glissando ähnelt), juchzerartiges Umschlagen von Brust- in Kopfstimme, heulende und brummende Endungen, Einschieben von leeren Silben und Ausrufen. Im Jemen, in dem nach belegbaren Studien der Stand der jüdischen Musik aus der Zeit um 2000-1700 v. Chr. fast unverändert erhalten ist, kennt man die Praxis des Singens mit der Hand im Mund. Auch eine ägyptische Wandmalerei und ein babylonisches Relief Zeigen diese Pose beim Singen, wodurch ein gepresster, stark vibrierender Ton erzeugt wird.

Der Talmud Jerusalem (Schkalim, 5,9) stellt fest: “(...) und wenn er seinen Daumen in den Mund steckt, so erzeugt er verschiedene Gesangarten.“         Orientalen und Griechen:   Mehrere Stimmen sangen und spielten, ohne harmonische Abstimmung, nebeneinander, scheinbar ungeordnet, doch durch ein gedankliches Thema zusammengehalten. Diese früheste Art heterotrophen Musizierens hat sich, mit westlichen Einflüssen vermischt, bis heute fast unverändert bei den aus Indien nach Europa gelangten Stämmen erhalten.

Aufführungsmerkmale dieser Musik sind zahllose Verziehrungen, vibratoartige Koloraturen, Triller, Läufe, Schnörkel und Passagen in kleinsten Intervallen, die in Legato, Glissando und, vor allem am Ende der Gesänge, mit heulenden, schluchzenden Portamentis ausgeführt wurden. Dazu kamen Interjektionen, kadenzartige Ausrufe mitten im Gesang, die später zu den reichverzierten Hallelujas und Amen im abessinischen und syrischen Kirchengesang führten. Wie bis heute im Orient üblich, kannten die Sänger und Spieler ihre Weisen auswendig und überlieferten sie von Geschlecht zu Geschlecht. Eine Notenschrift gab es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Der starke Einfluss der indischen Musik gelangte (um die letzte Jahrtausendwende v. Chr.

) über Assyrer und Perser zu den westlichen Balkanvölkern und über Kleinasien nach Griechenland.   Ebenso entscheidend für die Musikentwicklung Griechenlands war die ägyptische Musik, von der allerdings Aufzeichnungen und direkte Überlieferungen fehlen, und man nur aus Darstellungen auf Wandmalereien schließen kann, wie vielfältig die Anzahl der Begleitinstrumente schon gewesen sein mag. Durch strenge Vorschriften, festgehalten in zwei der 42 Weisheitsbüchern, den Büchern des Sängers, wurde die musikalische Ausübung jedoch immer mehr eingeengt und erstarrte schließlich in sehr strengen Formen. Um so befruchtender wirkte sich auf die Musik der Juden aus. Ihr Siegessang nach dem Untergang des pharaonischen Heeres im Roten Meer zeugt von einem reichen ägyptischen Erbe. Erstmals erlangte die Sprache eine eigene Bedeutung.


Zum ersten Mal wirkten asiatische und ägyptisch-arabische Einflüsse während und nach der Eroberung Kleinasiens etwa 1500-1000 v. Chr. auf Griechenland und wurden, zusammen mit eigenen archaischen Traditionen, zu einer hohen Kunstform entwickelt.   Grundbestandteil des Musizierens war wie bei allen bisher bekannten Völkern der Glaube an die hypnotische, übernatürliche Kraft der Musik. Einzelne Töne, Tonfolgen, Rhythmen waren in ihrer Bedeutung verwoben mit dem Lauf der Planeten, mit Naturelementen und mit geheimnisvollen Kräften der Erde. Götter wurden mit bestimmten Tonarten und Instrumenten verehrt und galten oft als deren Erfinder.

Eine Sängertradition bestand schon zur Zeit der mykenischen Königsgeschlechter um 2000 v. Chr. Mit der Wandlung der Musik vom Privileg der Fürsten zum Volksgut entstanden aus der Tradition der adligen Feste und Leichenfeiern mit Musik volkstümliche Wettspiele. Mit ihnen begründete sich die Zahl berühmter griechischer Sänger, deren Namen geschichtlich belegbar sind. Bis zur Zeit des Euripides, als mehrere den Gesang begleitende Instrumente eingeführt wurden, blieb die griechische Musik reine Vokalmusik. Der Gesang war einstimmig, wobei Harfe oder Aulos die Melodie unterstützten.

Die Auluosmusik war im 8. und 7. Jh. v. Chr. stark verbreitet und wurde sogar als Solomusik vorgetragen.

Diese Belebung der Instrumentalbegleitung hatte einen neuen Aufschwung der Kitharodie, des von der Harfe begleitenden Gesanges, zur Folge. Für keinen Staat passt das Wort Platos, dass jede musikalische Umwälzung auch eine politische Veränderung im Staat bedeutete, so gut wie für Sparta, das seit der Eroberung Kretas 100 v. Chr. die kretische Form des Chorgesanges in Weihelieder zu Ehren Apollos und in Waffenlieder der Jugend umwandelte und das Jugenderziehung und Militärordnung ganz unter den Einfluss der Musik stellte. Im Verlauf des 6. Jh.

gewannen die Festspiele immer mehr an Bedeutung. Aus der Sitte die Sieger der Wettspiele bei ihrer Heimkehr mit Siegesliedern zu feiern, entwickelte sich die Kunst des für uns wohl bekanntesten Sängers der griechischen Antike, Pindars von Theben (52-448 v. Chr). Unter Sophokles (496-406 v. Chr.) begann die Entwicklung zum Virtuosentum, die in der Zeit des Euripides (um 480-407 v.

Chr.) ihren Höhepunkt erreichte und nach dem Peloponesischen Krieg (431-404 v. Chr.) langsam zur Banalisierung und zum Verfall der griechischen Musikkultur führte. Um die zweite Hälfte des 5. Jh.

forderten die von mehreren Instrumenten begleiteten Soloszenen großes musikalisches Können von Solisten, bei denen, ebenso wie bei den Chorsängern, bald die Laien den ausgebildeten Virtuosen weichen mussten. Der in Athen um 500 v. Chr. gegründete Dionysische Verein, der Schauspieler, Sänger und Musiker ausbildete, verbreitete sich bald über ganz Griechenland und über dessen Kolonien bis nach Rom, wo Kaiser Hadrian (117-138) einen Weltbund der dionysischen Gilden schloss. Auch in der Entwicklung zum Virtuosentum und selbst bei den von mehreren Instrumenten begleiteten Aufführungen des Euripides blieb die griechische und später auch die römische Musikaufführung immer einstimmig. Die Instrumente begleiteten immer einstimmig oder im Wechsel mit der Stimme.

Mit der Verflachung der Musik wandelten sich die Musikaufführungen mehr und mehr zu Massendarbietungen. Diese Massendarbietungen fanden auch bei den Römern besonderen Anklang. Es wird zu Zeiten Cäsars von einem Fest mit 12 900 Sängern und Musikern berichtet. Im Unterscheid zur griechischen Musiktradition vertonten die Dichter ihre Stücke nicht selbst, sondern ließen sie von Berufsmusikern komponieren. Die Virtuosen wurden in Virtuosenschulen ausgebildet, und man vergötterte und verwöhnte sie ebenso wie später die Kastraten und Primadonnen im 17. Jh.

    Römische Kirchenmusik bis Ende des 16.Jahrhunderts:   Christliche Gottesdienste und christlicher Kirchengesang hatten sich zunächst in den östlichen Ländern entwickelt. Die zunächst einfachen, geradlinigen Melodien wurden mit der Zeit nach islamischer Art immer mehr verziert und ausgeschmückt, vor allem in den Hallelujemelismen. Nach der Anerkennung des Christentums durch Konstantin den Großen im Jahre 325 breitete sich der christliche Gesang auch im Westen aus. Schon um 200 wurde der Kirchengesanglehrer Origines berühmt, der die priesterlichen Vorsänger ausbildete. Zur gleichen Zeit bezeichnete der römische Arzt Galen die Knorpel des Kehlkopfes, dessen Raum er wie das Mundstück einer Pfeife- der Luftröhre- ansah und Glottis nannte.

Die Bedeutung der Stimmlippen erkannte er allerdings nicht. Nachdem der Kirchengesang zunächst nur auf priesterliche Sänger begrenzt war, gründete Papst Sylvester (314-335) eine erste Gesangschule in Rom. Obwohl schon früh diese Gesangskunst der Priester gerühmt wurde, widmete sich doch erst Papst Gregor ab 600 der Schola Cantorum mit eingehendem Interesse. Die Schüler wurden vier Jahre in kirchengesanglicher Arbeit unterrichtet. Notenschrift gab es noch nicht, ebenso wenig eine schriftliche Gesangsanleitung. Melodien und gesangstechnische Anweisungen wurden von Lehrer zu Lehrer mündlich überliefert, die Weisen von den Schülern auswendig gelernt.

Die Ausbildung war äußerst sorgfältig, auf gesunde Stimmführung und schönen Klang besonderen Wert gelegt. Gregor gebot seinen Schülern als wichtigste Regel, ohne Improvisation und niemals ungleich laut zu singen oder aus dem Chor als Solist herauszutreten. Gregor bezeichnete die Töne nach dem lateinischen Alphabet. Durch aufwärts oder abwärts führende Haken und Striche wurde eine steigende oder fallende Melodie angezeigt. Aus diesen Zeichen entwickelte sich um 750 die Neumenschrift, die nach orientalischem Muster Intervalle und Melodiebewegungen notierte. Bis zum Ausgang des 11.

Jh. war der Gregorianische Gesang in fast allen christlich-westlichen Ländern eingeführt. Erschwerend war jedoch, dass, nach Vereinfachung der schwierigen textlosen Halleluja- und Kyrieverzierungen durch Textsilben unter jedem Ton, die Neumenschrift vom 10. Jh. an immer mehr horizontal geschrieben wurde und nicht mehr die Melodiebewegung anzeigte. Erst nachdem der Mönch Guido von Arezzo um 1050 die Notenschrift mit den auf vier Linien in Terzabständen geordneten Neumen und vorangestellten Schlüsselbuchstaben erfand, wurden die Anweisungen der Gesangslehrer entbehrlich.

Jedes Kloster besaß nun eine Abschrift des Gregorianischen Werkes und nach kurzer Unterweisung konnten die Schüler die Neumenschrift selbst entziffern. Bis Ende des 14. Jh. waren alle abendländischen Gesangbücher auf die neue Tonschrift umgestellt, bis auf die Kirche des Ostens, die heute noch an der zeilenlose Neumenschrift festhält. Zu Beginn des 11. Jh.

gewann der mehrstimmige Gesang zunehmend an Bedeutung. Bereits um 850 wurde in Irland erstmals zweistimmiger Gesang erwähnt. Die seit dem 8. Jh. eingeführte Windorgel verdrängte allmählich die in den Klöstern übliche Wasserorgel. Die neuen Möglichkeiten der instrumentalen Begleitung (man kannte aus dem 10.

Jh. schon die Handpauke, die Trompete, Trommel, Laute, Gitarre, Dudelsack, Fiedel, Glockenspiel, Hackbrett, Horn und Monochord) begünstigten die vielstimmige Komposition. Durch die Entwicklung der Vielstimmigkeit wurden die Texte und Messen immer unverständlicher und verloren mehr und mehr an religiöser Bedeutung. Im Zuge der Gegenreformation strebte die katholische Kirche daher ab 1555 und vor allem durch die Beschlüsse des dritten Tridentischen Konzils (1562-1563) eine absage an die Mehrstimmigkeit und die Rückkehr zum Gregorianischen Gesang an. Dennoch gelang es Orlando di Lasso 1557-1594 in München, die Vielstimmigkeit in der Kirche zu neuer Blüte zu bringen. Ebenso gelang es Pierluigi da Palestrina (1525-1594) in Rom, mit der einfachen Strenge und sicheren Textverständlichkeit seiner A-cappella-Gesänge und –Messen, den widerstand des Klerus zu überwinden und die Vielstimmigkeit zu einem Höhepunkt zu führen.

Obwohl bis zum Ausgang des 16. Jh. die Singstimme in diesen Werken rein Instrumental eingesetzt wurde, erhöhten sich die Anforderungen an die Fähigkeiten der Sänger. Erste gedruckte Anweisungen entstanden.   Gleichzeitig mit der Bewegung vom Gregorianischen Gesang zur Vielstimmigkeit nahmen auch das höfische und das volkstümliche Lied einen neuen Aufschwung. Schon früher hatten sich römische Sänger gegen den Zwang der strengen kirchlichen Musik aufgelehnt und ihr einfaches Publikum mit fröhlichen Liedern erfreut.

Mit der Entwicklung des Ritterstandes wuchs der Drang zur persönlichen Mitteilung und Darstellung, der durch poetische und musikalische Einflüsse nach den Kreuzzügen in den Orient 1096 genährt wurde. So schufen in Südfrankreich die Troubadours, Dichter und Sänger in einer Person wie zur Zeit der Griechen, ihre Kriegs- und Liebeslieder zur Begleitung von Fiedel und Harfe. Als in der zweiten Hälfte des 12. Jh. die Kunst von den Burgen und Schlössern auch in die neu entstehenden Städte gelangte, folgten Minstrels (fahrende Sänger, die gleichzeitig Jongleurkunststücke brachten) den Troubadours. Mit der Zeit schlossen sich die Minstrels zu Sängervereinen zusammen, die Wett- und Preisveranstaltungen durchführten.

In Deutschland entstand zu dieser Zeit, stark beeinflusst von Frankreich, jedoch lyrischer der Minnesang. Der Text gewann an Bedeutung. Die Blütezeit des Minnesangs ging um 1220 zu Ende, doch führten Meister wie Oswald von Wolkenstein die Tradition bis ins 15. Jh. fort. Vom 13.

Jh. an wurde der ritterliche Minnesang vom bürgerlichen Meistersang übernommen, die zunächst wie die Minstrels durch die Städte zogen, im 14. Jh. an aber in eigenen Schulen eine neue Form des Liedes nach strengen Regeln, meist auf Bibeltexte beruhend, pflegten.   Mit den geistigen Anforderungen, die die polyphonen Werke der Kirchenmusik an die Sänger stellten, wuchs die Beschäftigung mit dem Thema der Gesangausbildung. Eine erste Gesangschule wurde um 1500 in Neapel gegründet.

Weitere Schulen folgten in Rom und im übrigen Italien. Eine Reihe wissenschaftlicher Studien wurde im 16. Jh. durch Leonardo da Vincis Zeichnungen des Kehlkopfes und durch seine experimentellen Versuche begonnen: „ Ein Mittel, festzustellen, wie der Klang der Stimme am Ausgang der Luftröhre erzeugt wird: Man nimmt Luftröhre und Lunge des Menschen heraus; wenn die mit Luft gefüllte Lunge schnell zusammengepresst wird, kann man ohne weiteres erkennen, wie die Trachea genannte Röhre (Luftröhre) die Stimme erzeugt“ (zit. nach G. Panconcelli-Calcia).

Leonardo da Vinci erwähnte die Bedeutung der Stimmlippen nicht. Jedoch finden sich bei dem italienischen Anatomen Vesac 1543 erste Angaben darüber. Wenig später erwähnte Fabricius de Aquapendente zwei Bänder im Kehlkopf mit dazwischenliegender, die Stimme erzeugender Ritze, die er (allerdings nicht als erster), wie bis heute üblich, Glottis nannte. 1562 veröffentlichte der neapolitanische Arzt Camillo Maffei seinen Discorso della voce, in dem erstmals die Lehre des Gesangs mit ihren physiologischen Voraussetzungen behandelt wird. Die seit der Erfindung des Notendrucks um 1503 entstandene Möglichkeit der Notenvervielfältigung begünstigte technische Schriften dieser Art.   Bis zur Mitte des 16.

Jh. wurden ausschließlich Knaben- und Männerstimmen für den Kirchengesang eingesetzt. Knabenstimmen oder männliche Falsettstimmen ersetzten die fehlenden Frauenstimmen. Die Knaben hatten den Nachteil, dass vor Vollendung der Ausbildung der Stimmbruch eintrat, die Falsettisten den, dass sie niemals die volle Höhe der Sopranstimmen erreichten, und sie missfielen durch ihren leblosen Stimmklang. Zum ersten mal wirkte 1562 im päpstlichen Chor ein spanischer Kastrat mit. Der Vorgang der Kastration war im Orient stark verbreitet, im Westen jedoch noch kaum bekannt.

Erst 1599, als zwei italienische Kastraten in die sixtinische Kapelle aufgenommen wurden, sahen sich die spanischen Falsettisten ihrer bisherigen Vorherrschaft bedroht. Die Kastratenstimme behielt Umfang, Timbre und leichte Beweglichkeit der Knabenstimme, die verstärkt wurde durch die kraftvollere Lungen- und Atemtätigkeit des erwachsenen Mannes. Wurden die Kastraten zunächst als Interpreten der polyphonen Messen in den Kirchenchören eingesetzt, so sollte sich ihre volle Virtuosität erst im Gebiet der neuentstehenden barocken Oper im 17. Jh. voll entfalten.     Nouve musiche und Belcanto im 17.

und im 18. Jahrhundert:   Im Italien des 16. Jh. erwachte der Wunsch, den Menschen, das menschliche Schicksal und damit die menschliche Stimme in den Vordergrund zu stellen. Es wurden nun wieder griechische Vorbilder und Motive neu belebt. In Florenz fand sich 1590 um den Aristokraten Giovanni Bardi ein Kreis von Dichtern, Philosophen und Musikern zusammen, die die Sprache nicht mehr der Musik unterordnen, sondern nach dem Vorbild des griechischen Sänger-Dichters neu beleben wollten.

Graf Bardi schrieb: (So habe ich mich) „an die von Plato und anderen Philosophen so sehr gerühmte Methode gehalten, welche fordert: Die Musik sei in erster Linie Sprache und Rhythmus, erst in zweiter Linie Ton und nicht umgekehrt (...)“. 1600 wurde aus Anlass der Vermählung Heinrichs IV. von Frankreich mit Maria di Medici die erste erhaltene Oper Euridice (Opera in musica), komponiert von Ottavio Caccini und Jacapo Peri, dargeboten Darin brillierte zum ersten Mal eine Sängerin, die Sopranistin Vittoria Archile.

Rasch gewann die neue Musikform der Monodie (Alleingesang) mit harmonischer Begleitung in ganz Italien Boden. In Rom führte Emilio del Cavalieri um 1600 mit seinem Oratorium Rappresentazione di anima e di corpo den Stile rappresentativo und die neue florentinische Gesangskunst ein. Nunmehr veränderte sich die Qualität der Sänger entscheidend. Cavalieri wie Caccini hatten ihren Werken Bemerkungen über die richtige Art des gesanglichen Vortrags vorangeschickt. Die Sänger, die nun solistisch ihr Können entfalten durften, wurden in den bereits bestehenden und neugegründeten Schulen zu einer Virtuosität ausgebildet, die bei den Hörern eine Welle der Begeisterung auslöste. 1606 wurde in Rom auf einem „Thespiskarren“ die erste Oper aufgeführt.

Der bisher noch steife Stile rappresentativo überzeugte nun durch die Verwendung neuer Harmonien und Rhythmen und durch neue Farben in der Orchesterbegleitung und durch erste rein orchestrale Stücke wie die Kampfszene in Tancredi. Es entwickelte sich die leidenschaftlichere, kurzgefasste Arie, die wiederum zur Da-capo-Arie (Arie, in der der erste Teil mit improvisierten Verzierungen wiederholt wird) erweitert wurde. In knapp hundert Jahren eroberte die neue Opernform (Opera in musica) ganz Italien. Bis zu 685 Opern wurden im 17. Jh. komponiert, von denen 1662-1680 hundert aufgeführt wurden.

Schnell hatten sich die zunächst auf höfische Kreise beschränkten Aufführungen auf ein breites Publikum ausgeweitet. König der Stunde war der Sänger, dem die Aufgabe zufiel, die vielfältigen Charaktere der neuen Bühnenhelden und ihr Schicksal glaubwürdig darzustellen. Im Laufe des 16. Jh. wurden die Gesangschulen größtenteils in Konservatorien umgewandelt, in denen vor allem arme oder verwaiste Kinder ausgebildet wurden. Die meisten altitalienischen Gesangspädagogen waren, der Tradition aus der Zeit des Kirchengesangs folgend, Kapellmeister, oft selbst Sänger und Komponisten.

Die Virtuosität der Sänger basierte um die zweite Hälfte des 17. Jh. auf unerschöpflichem Atem, sorgfältig geführtem Legato (Gebunden, Aneinanderreihung aufeinanderfolgender Töne ohne Unterbrechung des Atemstroms, Gegenteil: Staccato), einwandfreier Vokalisation, Stimmausgleich in allen Lagen.    Neue Anforderungen an die Stimme im 18. und 19. Jahrhundert:   Wie schon zur Zeit des Gregorianischen Gesangs, pilgerten nun italienisch Gesangsmeister über die Grenzen und verbreiteten die neue Kunst über alle Länder Europas.

Übersetzungen der italienischen Gesangsanweisungen kündeten von der neuen festgelegten Gesangskunst. Die Kompositionsform der Oper griff bald auf das Ausland über. In Deutschland, England, Österreich und Spanien war der italienische Einfluss zunächst besonders groß. Doch mit der Zeit missfiel das überzüchtete Virtuosentum der Italiener. In Wien riet Karl VI. dem Kastraten Farinelli, die eitlen Verziehrungen in seinem Gesang zu unterlassen und eine einfache Linie anzustreben.

In der Tat war die Bedeutung des Textes, erstes anliegen der Schöpfer der Oper, ebenso verlorengegangen wie die klare Melodieführung, die von den Verziehrungen und Kadenzen sprichwörtlich übertönt wurde. Seit 1700 wurden Forderungen laut nach bedeutungsvollen Texten, sogar nach einer Einheit der Person des Dichters und Komponisten. In Frankreich, das von Anbeginn den verzierten Stil der italienischen Oper und das unmännliche Gebaren der Kastraten abgelehnt hatte, führte Christoph Willibald Gluck (1714-1787) als erster eine neue Form der Oper ein. „Die Musen stellte er über die Sirenen“ lautet die Aufschrift auf seiner Büste in der Pariser Oper zum Dank, dass er die Vorherrschaft der Sänger beendete. Gluck, der mehrere Streichinstrumente, Klavier und Gesang beherrschte, betrachtete das Singen nur als Grundlage seines musikalischen Schaffens. Die Arie war nicht mehr Ausdruck der Kehlfertigkeit, sondern gab die Empfindung einer lebenden Gestalt wieder.

Mit seiner Oper Iphigenie setzte Gluck in Paris seinen neuen Stil durch, der fortan für die Opernmusikentwicklung in Österreich, Deutschland, Russland und Frankreich Ende des 18. und im Verlauf des 19. Jh. richtungsgebend bleiben sollte. Neben den Opernaufführungen entwickelte sich auch eine neue Form der Konzertveranstaltungen: Traten die Gesangvirtuosen und Instrumentalsolisten zunächst nur in Konzerten bei Hofe auf, so entstanden im 18. Jh.

Vereinigungen für die Veranstaltungen öffentlicher Konzerte in den europäischen Städten wie zum Beispiel die Tonkünstler Societät in Wien oder die Concerts spirituels in Paris, um nur zwei zu nennen. Glucks Errungenschaften bedeuteten allerdings nicht gleichzeitig die Rettung der ins Virtuosentum abgefallenen Gesangskunst. Vielmehr wurde sie durch die größer werdenden Orchester zusätzlich bedroht. Größte Anforderungen an die Sänger stellten die neuen Rezitative mit Orchesterbegleitung. Einerseits erlaubte die vielfältige Instrumentierung kein beliebiges Transponieren in eine für den Sänger angenehme Lage mehr, andererseits konnten die Tenöre und Sopranistinnen, die gegen Ende des Jahrhunderts allmählich die Kastraten ersetzten, nicht den selben Stimmumfang bewältigen. Laute hohe Töne zu produzieren wurde fortan das Hauptziel eines jeden Tenors.

Der Tenor Duprez erregte mit seinem Bruststimme gesungenen hohen c den glühenden Neid seiner Kollegen. Eine ähnliche Entwicklung fand bei den Frauenstimmen statt. Auch hier wünschten die Komponisten immer mehr die hohen, leicht über das Orchester hinweggetragenen Töne, welche Sängerinnen mit tiefer, dramatischer Stimme nicht bewältigen konnten. Die Altstimmen wurden immer weniger wichtigen Rollen wie den Zofen, Mütter, Dienerinnen zugeteilt. Die ganze zweite Hälfte des 19. Jh.

stand im Zeichen eines Höhertreibens der Stimme und gleichzeitig immer größerer Anforderung an die dramatische Ausdruckskraft und Ausdauer der Sänger. Zahlreich sind Geschichten über Sänger, die sich mit Partien Wagners, in denen Sänger oft eine halbe stunde ohne Unterbrechung in hoher Lage zu singen hatten, ihre Stimme ruiniert haben sollen. Die Verwirrung, die durch die völlig neuen Anforderungen an die Gesangstimme entstand, begründete eine Flut von Irrlehren, mit denen man die Probleme zu bewältigen suchte. Anstelle einer klaren technischen Ausbildung wurde vielfach mit Gähn-, Lach- und Flüstermethoden gearbeitet. Auch Positives entstand, so die Sprachschule des Sprechpädagogen Julius Hey, der die bis heute gültigste Sprechlehre für die deutsche Sprache geschaffen hat. Entscheidend zur allgemeinen Konfusion im Gesangsunterricht gegen Ende des 19.

und zu Beginn des 20. Jh. hatte aber ausgerechnet der letzte große Lehrer des Belcantostils, der Spanier Manuel Garcia der Jüngere, beigetragen, der mit seiner Erfindung des Kehlkopfspiegels zum ersten Mal die physiologischen Vorgänge beim Singen sichtbar machte. Er verleitete eine Generation von Gesangslehrern dazu, neue Erkenntnisse in unklarer Terminologie als Anweisungen an ihre Schüler weiterzugeben. Er bleibt mit seiner Gesangschule wie als derjenige Meister des Belcantos, der bis ins 20. Jh.

den größten Einfluss auf den Gesang ausübte. Um die Wende vom 19. zum 20. Jh. steigerten sich die Anforderungen an die Sängerstimmen erneut. Zunächst durch die großen stimmlichen Belastungen zeitgenössischer Werke sowie durch die Tatsache, dass zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg die Sänger einzelne Partien oft in drei bis vier Sprachen beherrschen mussten.

All dies erfordert eine noch sorgfältiger gepflegte Technik der Atemführung, der Intonation und der Vokalisation. Da nach bahnbrechenden Kompositionen von westlichen Gesangswerken auch heutige Kompositionen die Gegebenheiten der menschlichen Stimme in ihren werken berücksichtigen, andererseits auch Werke wie die Opern von Wagner und Strauss meist nicht mehr mit überanstrengter Stimme forciert, sondern mit klug disponierender Technik in großen Legatobögen gesungen werden, sind für eine Weiterentwicklung der gesunden Gesangstimme die besten Voraussetzungen gegeben. Das Instrument Stimme        Der Stimmapparat:   Das Organ, das zu jeder stimmlichen Äußerung notwendig ist, ist der im Hals gelegene Kehlkopf. Er liegt anatomisch an der Stelle, an der sich Luft- und Speiseröhre kreuzen, so dass der Kehlkopf primär ein Schutzorgan für die Lunge und in der Entwicklungsgeschichte als Ringmuskel angelegt war. Erst mit dem Erlernen der Phonation (Tonerzeugung) teilte sich dieses ringmuskuläre Organ in die einzelnen Organteile, wie wir sie als Stimmlippe mit dem Faserzug des Stimmbandes und mit dem Stimmlippenmuskel aufweisen. Da die Stimmlippe an den Stellknorpel angehängt ist, kann sie beweglich auf der Ringknorpelgelenkfläche gleiten und sowohl Schutz- als auch Phonationsfunktion wahrnehmen.

Der über dem Kehlkopf aufragende Kehldeckel ist ein weiteres Schutzorgan für die Atemwege, das den Strom der Speisen teilt und seitlich um den Kehlkopf herum in die Speiseröhre leitet. Im Bereich der Stimmlippen vollzieht sich die Tonproduktion. Der Ton wird von dem kontinuierlich anströmenden Luftstrom, der von der Lunge mit den ihr zugeordneten Organen wie Rippen, Aus- und Einatmungsmuskel, ausgeht, unterhalten. Die Klangformung des im Kehlkopf abgestrahlten primären Kehlkopftones geschieht im Bereich des Ansatzrohres. Dieses setzt sich zusammen aus dem Kehlkopflumen, dem Cavum laryngis (sind alle inneren Räume oberhalb der Stimmlippen), den unteren und mittleren Rachenräumen, dem Nasenrachenraum und den Nasenräumen. Für den Sänger wichtig sind auch die Resonatoren, die mit dem Klang mitschwingenden Körperteile.

Diese sind vor allem das Brustbein, das spürbar mit Frequenzen des Grundtones mitschwingt, sowie der Oberkiefer mit den Schneidezähnen, der seine Resonanzfrequenz im Obertonanteil des Stimmklanges besitzt, der die Tragfähigkeit der Gesangstimme ausmacht. Diese Resonatorbezirke sind für die Ausbildung des Körperempfindens beim Singen sehr wichtig. Die menschliche Stimme ist am ehesten mit einem Doppelblattinstrument vergleichbar, weil durch den kontinuierlichen Luftstrom und die Elastizität der Stimmlippen das Stimmorgan in eine periodische Bewegung versetzt wird. Wenn wir unser Stimmorgan zum Beispiel mit der Pfeife einer Orgel vergleichen, so entsprechen dem Blasebalg die Lunge, dem Windrohr die Luftröhre, dem Tongenerator (der Zunge der Pfeife) die Stimmlippen.     Der Atem beim Singen:   Die optimale Atmungsform ist die Zwerchfell-Bauch-Atmung, mit der es gelingt, die größtmögliche Atemenergie an die Stimmlippen heranzuführen. Bei der Einatmung senkt sich die Zwerchfellkuppel und vergrößert so den Brustraum auf Kosten des Bauchraumes.

Die im Bauch befindlichen Organe, die nicht komprimierbar sind und keine Ausweichmöglichkeit haben, drücken hierbei die Bauchdecke elastisch nach außen. Bei der Ausatmung – und nur bei der Ausatmung können Töne produziert werden- wird die zuerst passive Bauchmuskulatur aktiv. Sie zieht sich zusammen und gibt ihre Kraft über den Bauchinhalt auf das Zwerchfell weiter, so dass sich dieses nach oben bewegt und den ausströmenden Atem in Gang setzt. Beim Singen muss der Atem jedoch nicht nur Energiereich sein, er muss auch an die gewollte Dynamik angepasst werden. Daher darf nie die gesamte Atmungsenergie an die Stimmlippen herangetragen werden. Sie würden auseinandergeblasen, und es entstände kein Ton.

Um dies zu verhindern, wirkt das Zwerchfell als Einatmungsmuskel regulatorisch, indem es den unter den Stimmlippen anströmenden Atemdruck mit der Spannung der Stimmlippen ausgleicht. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, kommt es zur vollständigen Umwandlung von Strömungsenergie in Klangenergie. Man spricht bei diesem Ausgleich zwischen Atemdruck und Stimmlippenspannung von einem gestützten Ton. Der Funktion des Stützens wird zweierlei Bedeutung beigemessen. Zum einen wird durch eine besonders gute Weitung der Brustkorböffnung eine optimale Vorspannung erzielt, bei der der Atemkörper seine Arbeit am besten ausführen kann. Zum anderen hat der Brustraum auch wichtige Resonatoreigenschaften, vor allem für die Grundtöne, und so wirkt sich ein gleichbleibender Resonator günstig auf die Tonentwicklung aus.

    Die Tonentstehung im Kehlkopf:  Wenn ein Ton erzeugt werden soll, müssen die Stimmlippen aus ihrer Atemstellung in Phonationsstellung gebracht werden. Das bedeutet, dass die Stellknorpel die Stimmlippen in der Mitte zusammenführen und so ein Hindernis für den ausströmenden Atem darstellen. Der Atem baut nun unter den geschlossenen Stimmlippen einen Druck auf. Wird der kritische Druck erreicht, der durch die Spannung der Stimmlippen bestimmt wird, drängt er den muskulären Teil der Stimmlippen auseinander. So entsteht die Stimmritze durch die der Atem mit hoher Geschwindigkeit hindurchgepresst wird. Hierbei entsteht ein Unterdruck.

Oberhalb der Stimmlippen kann sich der Luftstrom plötzlich entspannen. Der Unterdruck und die Elastizität der Stimmlippen, lässt die Stimmlippen wieder zusammenschlagen. Diese muskuläre Bewegung wiederholt sich periodisch in der Frequenz des Grundtones. Die Stimmlippen, die mit ihren Muskelfasern zwischen dem Schildknorpelinneren und den Stellknorpeln gespannt sind, sind von einem widerstandsfähigen Material, einer besonders mechanisch belastbaren Schleimhaut – dem Stimmlippenepidel – überzogen. Außerdem sind an der Stelle der mechanisch größten Belastung als Verstärkung in sich dehnbare Bindegewebsfasern zu einem Zug zusammengefasst, den wir Stimmband nennen. Störende Nebengeräusche des Stimmklangs (Heiserkeit) treten immer dann auf, wenn die Stimmlippen in der Schlussphase einen Spalt offen lassen, durch den Luft mit pfeifendem Nebengeräusch gepresst wird.

    Die Auswirkungen verschiedener Tonhöhen auf die Form des Stimmorgans:   Die Stimmlippen müssen, wenn sie einen tiefen Ton abstrahlen wollen, möglichst entspannt sein, damit die größtmögliche Masse in Schwingung gebracht werden kann. Bei einer stroboskopischen Beobachtung zeigen sich die Stimmlippen kurz und breit. Man hat den Eindruck, dass sie in ihrer gesamten muskulären Länge und der ganzen muskulären Breite Schwingungen mitvollziehen. Da die Stimmlippen in dieser Tonhöhe in ihrer vollen Länge und Breite schwingen, nennt man diese Stimmfunktion Vollstimme. Die Vollstimmfunktion ist im unteren Drittel des menschlichen Stimmumfanges angesiedelt, und in ihrem Bereich befindet sich die Indifferenzlage. Damit bezeichnet man die Tonhöhe, in der das menschliche Stimmorgan die Eigenfrequenz hat, das heißt, wo mit geringstem Energieaufwand ein Maximum an Klangabstrahlung erreicht wird.

Mit zunehmender Höhe werden die Stimmlippen stärker angespannt – sie werden verlängert. Die erhöhte Spannung führt dazu, dass nur noch die zur Stimmritze hin liegenden Muskelpartien an der Tonerzeugung teilhaben. Da dies die mittleren Muskelpartien sind, nennt man diese Stimmfunktion Mittelstimme. Wenn im obersten Bereich des Stimmumfanges Töne produziert werden, so wird die gesamte Stimmlippenmuskulatur zu Haltezwecken umfunktioniert. Die Phonationsschwingungen werden dann nur noch durch das Stimmlippenepidel und dessen Randkantenverschiebung (das Stimmlippenepidel wirft sich bei der beträchtlichen Geschwindigkeit des Luftstromes kantenförmig auf) ausgeführt, so dass diese Stimmfunktion Randstimme genannt wird. Die Schwingungen des Stimmlippenepidels sind jedoch in allen Stimmfunktionen nachweisbar.

Die Randstimme ist also in allen Tonhöhen bei der Tonentstehung vorhanden und das Verbindungselement aller Töne verschiedener Tonhöhen. Oberhalb dieser Stimmfunktionen, die zur Tonproduktion immer ein vollständiges Schließen und Öffnen der Stimmlippen voraussetzen, werden Töne durch Verwirbelung in dem dauernd offenstehenden Glottisspalt erzeugt. Bei Frauenstimmen nennt man diese Stimmfunktion Pfeifstimme, bei Männerstimmen Kopfstimme oder Falsett. Betrachtet man die muskulären Spannungen, auf denen die Stimmfunktionsbereiche aufgebaut sind, so zeigt sich die höchste muskuläre Spannung im Bereich der Randstimme und nimmt zur Vollstimme hin kontinuierlich ab.     Der Klang der Stimme:   Der Aufbau der menschlichen Stimme besteht aus Grundton und Obertönen. In der gesprochenen Sprache werden Vokale durch festliegende Obertonbereiche charakterisiert, die von der Höhe des Grundtones unabhängig sind.

Diese Obertonbereiche der Vokale nennt man Formanten. An den Stimmlippen wird ein Urton abgestrahlt, der den Grundton und die harmonischen Obertöne beinhaltet. Dieser Klang wird durch das Ansatzrohr zum fertigen Vokalklang gefiltert, der aus Grundton und Formanten besteht. Der tiefste Formant, der in einem Ansatzrohr gebildet werden kann, wird durch die Distanz zwischen Stimmlippen und Zahnreihen bzw. Lippen bestimmt. Diese Distanz entspricht einem Viertel der Wellenlänge des tiefsten Formanten, sie lässt sich jedoch durch ganz bestimmte Einstellungen verändern.

So kann zum Beispiel durch eine mittlere Tiefenstellung des Kehlkopfes oder durch Schürzen der Lippen dieser Abstand vergrößert werden. Andererseits kann man diese Distanz durch weites öffnen des Mundes verringern. Die Vokalbildung hat nicht nur Auswirkungen auf die Form des Ansatzrohres, sondern die einzelnen Stimmfunktionen können durch bestimmte Vokale verbessert werden. So ist der Vokal a der Vollstimmfunktion, die Vokale e und i der Mittelstimmfunktion und die Vokale o und u der Randstimmfunktion zugeordnet. Mit den Umlauten kann man die benachbarten Stimmfunktionen miteinander verbinden. So liegt zwischen Voll- und Mittelstimme ä und zwischen Mittel- und Randstimme ö und ü.

                                   

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