Stravinsky- le sacre du printemps
Die Skandale der 10er Jahre Alban Berg: Die Altenberg Lieder Op.4
Am 31. März 1913 fand im „goldenen“ Saal des Wiener Musikvereins ein Konzert, dirigiert von Arnold Schönberg statt. Neben den Altenberg Liedern wurden auch noch Werke von Schönberg selbst („Kammersymphonie“ op.9), von Anton Webern („Sechs Stücke für Orchester“ op.6) und Alexander Zemlinsky („Maeterlinck-Lieder“) gespielt.
Geplant waren ursprünglich auch die „Kindertotenlieder“ von Gustav Mahler, jedoch lösten bereits zwei der fünf Orchesterlieder Alban Bergs „nach Ansichtkartentexten von Peter Altenberg“ unter den Zuschauern eine solche heftige Reaktion aus, dass Mahlers Werk abgesagt werden musste. Einer der Besucher des Konzerts war auch Arthur Schnitzler. In seinem Tagebuch unter dem Eintrag vom 31. Mai beschrieb er die Altenberglieder als „ungeheure Skandale“ und bezeichnete sie als „Bergs alberne Lieder“. Die Aufführung musste beendet werden, da das Publikum immer lauter geworden ist. Laut Schnitzler, hielt Erhard Buschbeck, der Obmann des veranstaltenden „akademischen Verbandes für Literatur und Musik“ eine Rede, die er mit dem Satz „Hören sie wenigstens Mahler in Ruhe an!“ beendete.
Daraufhin stieg ein Zuschauer vom Podium auf die Bühne und schlug den Vortragenden. Die Situation eskalierte und es kam zu einer Schlägerei, die nur durch das Eingreifen der Polizei beendet werden konnte.
Den Skandal lösten vor allem die bis dahin ungehörten Klangfarbenkompositionen und Spieltechniken aus. Berg verwendet in seinen „Altenberg Liedern“ neue zwölftonige Akkorde und auch eine komplette Zwölftonreihe. Doch nicht nur die Spieltechniken, sondern auch die Instrumentaleffekte, die bis dato noch in keinem Stück gehört wurden, lösten für die damalige Audienz einen beispiellosen Skandal aus.
Stravinsky: Le Sacre du printemps
Das von Stravinsky geschriebene Ballet „Le Sacre du Printemps“ war eines der außergewöhnlichsten und maßgebendsten Werke der 1910er Jahre.
Nach der Uraufführung dieses Werks am 29. Mai 1913 war in der Musikwelt nichts mehr wie zuvor.
Die Intention „Le sacre du printemps“ zu schreiben hatte Igor Strawinsky bereits während der Fertigstellung der Partitur des „Feuervogels“. Ihm kam die Idee eine große heidnische Feier zu vertonen, in der alte weise Männer dem Todestanz eines jungen Mädchens zuschauen, das geopfert werden soll, um den Gott des Frühlings günstig zu stimmen. Strawinsky nannte dieses Werk auch „Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen“. Er hatte durchaus die Absicht mit seinem Werk einen Skandal auszulösen und die Audienz damit zu schockieren.
Er hätte sich aber nicht gedacht, dass er damit eine derartige Überreaktion des Publikums auslösen würde.
Bei der Uraufführung in Paris am 29. Mai 1913 wurde die Musik von der legendären Tanzgruppe unter der Führung von Sergej Diaghilev untermalt. Der Tänzer Vaclav Nijinski war für die Choreographie verantwortlich. Auch der Schriftsteller Jean Cocteau wohnte der Premiere bei und erinnerte sich im Nachhinein an die Reaktionen der Zuseher: „Bei der Uraufführung des „Sacre“ spielte der Saal die Rolle, die er spielen musste: Er revoltierte von Anfang an. Man lachte, höhnte, pfiff, ahmte Tierstimmen nach, und vielleicht wäre man dessen auf die Dauer müde geworden, wenn nicht die Menge der Ästheten und einige Musiker in ihrem übertriebenen Eifer das Logenpublikum beleidigt, ja tätlich angegriffen hätten.
Der Tumult artete in ein Handgemenge aus. Mit schief gerutschtem Diadem in ihrer Loge stehend, schwang die alte Comtesse de Pourtalès ihren Fächer und schrie mit hochrotem Gesicht; zum ersten Mal seit sechzig Jahren wagt man es, sich über mich lustig zu machen! Die gute Dame meinte es aufrichtig; sie glaubte an eine Fopperei.“ Demnach herrschte nach der Aufführung des Stückes ein wahrer Tumult und es brach das Chaos aus. Was aber brachte die Menschen dazu, dass sie derart überreagierten? Strawinsky war ja zweifelsohne kein „Unbekannter“ mehr. Er hatte schon mit zahlreichen seiner früheren Werke Polemikchen und Skandale ausgelöst. Jedoch war es bis dato noch nie zu so einem Tumult bei der Uraufführung seiner Werke.
Auf musikalischer Ebene war wahrscheinlich in erster Linie die Emanzipation des Rhythmus für den Skandal verantwortlich. Über weite Strecken der Partitur übt dieser die alleinbeherrschende Funktion aus, obwohl die Schlagzeuggruppe, verglichen mit Malers Sinfonien relativ klein war. Für die heutige Zeit mag diese Monotonie des Schlagzeugs, dass sich über längere Strecken hinzieht nicht skandalös klingen, jedoch war das damalige Publikum an die Musik der Romantik gewöhnt. Für sie mag der Rhythmus, kombiniert mit dem häufigen Taktwechsel wohl barbarisch und chaotisch geklungen haben. Beim alleinigem Zuhören kann der Zuhörer das von Strawinsky ausgedachte, komplizierte System, das sich hinter dem großteils atonalen Stück befindet, nicht erkennen. Aus diesem Grund war das damalige Publikum wohl verwirrt und konnten kein Kunstwerk in Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ erkennen.
Die schockierendsten für die Audienz hat wohl der abschleißende „Opfertanz“ gewirkt, in dem die von den Weisen Ausgewählte sich zu Tode tanzt. In diesem Abschnitt behandelt Strawinsky den Rhythmus und die Dynamik völlig neu. Die Melodik spielt, außerhalb der Einleitung eine untergeordnete Rolle. Oft werden auch mehrere Motive ineinander polytonal kombiniert und verschiedene Taktarten übereinandergelagert (Polymetrik). Strawinsky sammelt einzelne musikalische Einfälle und kombiniert sie miteinander, anstatt Zusammenhänge zu entwickeln.
Jedoch war nicht nur die Musik für den Skandal verantwortlich.
Auch das Thema der Beschwörung der Naturkräfte in einem Ritus der mit einer Opferung verbunden war, löste unter den Zuschauern eine gewisse Ablehnung aus. Sie empfanden die Handlung wohl als barbarisch und brutal.
Erik Satie-Parade
1917 arbeitete Satie zusammen mit Jean Cocteau und Pablo Picasso an seinem ersten Ballet. Dieses Ballet trägt den Namen Parade und handelt von einer Gruppe von Varieté-Künstlern, die vor ihrem Zelt einige Auszüge aus ihrem Programm vorführen. Satie ließ dabei erstmals auch Jazzelemente in die Musik einfließen. Cocteau hatte die Idee Alltagsgeräusche während der Aufführung zu verwenden.
Satie hielt aber nicht viel von dieser Neuerung, baute sie aber, Cocteau zuliebe, in das Werk ein ein.
Die Uraufführung des Balletts am 18. Mai 1917 im Saal des Châtelet in Montparnasse mit dem russischen Tänzer Massine als Choreograph wurde zum Skandal. Zum ersten hatte man Probleme, Publikum für die Aufführung zu gewinnen, weshalb man es auch Mittellosen gestattete, die Aufführung gratis zu besuchen. Angesichts der sozialen Unterschiede im Publikum, war ein größeres Spannungsfeld gegeben.
Ein Kritiker von damals schrieb: „Der unharmonische Clown Erik Satie hat seine Musik aus Schreibmaschinen und Rasseln komponiert.
Sein Komplice, der Stümper Picasso, spekuliert auf die nie endende Dummheit des Menschen... Guillaume Appolinaire, dem Dichter und naiven Visionär, gelang es, alle Kritiker, alle Stammgäste der Pariser Premieren, alle Lumpen aus der Butte und die Trunkenbolde von Montparnasse zu Zeugen des extravagantesten und sinnlosesten aller verhängnisvollen Produkte des Kubismus zu machen...
“
Jedoch beeinflussten nicht nur die Alltagsgeräusche und das Publikum die schlechte Kritik am Parade aus. Zweifellos war auch der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland dafür verantwortlich. Das kubistische Ballet wurde nämlich als deutsch eingestuft, da die zwei einzigen kubistischen Pariser Galerien im Besitz von Deutschen waren. Viele Zuschauer gingen deshalb schon wiederwillig zu der Vorstellung, weil sie es wohl als Landesverrat ansahen, ein Ballet mit deutschem Einfluss anzusehen. Deswegen war die Kritik wahrscheinlich von vornherein negativ beeinflusst.
Trotz der negativen Reaktionen, die das Ballet verursacht hatte, bekam Erik Satie, nach der Aufführung, eine junge Gruppe von Anhängern.
Sie wurden dann später als „groupe de six“ bekannt.
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