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  Nirvana

Nirvana “Ich möchte euch allen aus tiefster, ekelhaft brennender Magengrube für eure Briefe und Anteilnahme in den vergangenen Jahren danken. Ich bin zu zerrissen, zu verbittert und habe die Lust an allem verloren. Deshalb denkt daran-”It’s better to burn out than to fade away!” Friede, Liebe, Mitgefühl. Kurt Cobain.”  So lautet die letzte Passage des Briefes, mit dem sich Kurt Cobain am 5. April von seinen Fans verabschiedet.

Wenige Minuten, nachdem er diese Zeilen geschrieben hat, nimmt sich der Frontmann der einzigartigen Grunge-Band Nirvana mit einer Schrotflinte das Leben. Die Nachricht von diesem tragischen Vorfall erschüttert Millionen junger Menschen in aller Welt. Denn mit seinem rätselhaften und bis heute nicht unumstrittenen Selbstmord endet nicht nur das Leben eines begnadeten Künstlers, sondern findet auch ein in dieser Form nahezu einmaliges Phänomen sein unwiderrufliches Ende: die “Nirvanamania”. Kurt Cobain war mit seiner Musik und seinen aggressiven Texten längst zum Sprachrohr ein ganzen Generation geworden, die dem Establishment ihren ganzen Haß, ihre Verzweiflung und Frustration entgegenbrüllt. Deshalb wollen wir euch das kurze, extreme und dramatische Leben dieses außergewöhnlichen Menschen schildern. Darüber hinaus werdet ihr die erschütternden und schockierenden psychologischen Hintergründe erfahren, die Cobains Leben wie auch seine Musik prägten und zu dem werden ließen was sie heute noch ist: ein Ereignis!   Als Donald Leland Cobain am 31.

Juli 1965 in Coeur d’Alene in Idaho Wendy Fradenburg heiratete, waren beide noch keine 21. Ein Jahr später zogen er und seine Frau Richtung Westen, auf der Suche nach einem Job. Für etwa 2 Jahre ließ sich das Ehepaar in Hoquiam nieder, einer Kleinstadt in der Nähe Aberdeens mit 17000 Einwohnern, die vom Holzhandel lebten. Dort wurde am 20. Februar 1967, im Grays Harbor Community Hospital, das erste Kind der Familie geboren. Es erhielt den Namen Kurt Donald Cobain.

  Aberdeen war ein Ort, der eher noch im Amerika der fünfziger Jahre lebte, als daß er bereits den Siebzigern entgegen geblickt hätte. Schlagworte wie “Gegenkultur” und “Anti-Vietnam_Bewegung” oder wie “Drogenkonsum” und “Wehrdienstverweigerung” hörte oder erlebte man dort sehr selten. Für die Einwohner dieses Ortes strahlte schon das benachbarte Aberdeen, das immerhin einige Museen und Bowlinghallen aufweisen konnte, einen großstädtischen Glanz aus, und das 110 Meilen entfernte Seattle im Nordosten genoß fast schon den Ruf einer Metropole. Alles, was draußen in der Welt vor sich ging, wurde dort nur langsam und eher widerwillig zur Kenntnis genommen. Zu den Entwicklungen, die man in Hoquiam nicht wahrhaben wollte, gehörte zum Beispiel der rasante Aufstieg der Popmusik. Man hätte glauben können, daß in Aberdeen und Hoquiam, beides sind Hafenstädte, wo traditionellerweise unterschiedlichste Lebensstile aufeinandertreffen, die Menschen offen für die neuen Strömungen gewesen wären.

Tatsächlich machten sich die neuen Einflüsse dort aber zunächst so gut wie gar nicht bemerkbar, denn niemand wollte von den alten Werten abrücken, obwohl es genug Jugendliche gab, die für Ideen hätten empfänglich sein müssen. Es dauerte eben etwas länger, genauer gesagt ungefähr 2 Jahre: in den Kinos wurden die Filme “Blow-up” und “The Knack” gespielt. Der Song “Break on Through” von den Doors, der heute als Meilenstein der Rockmusik gilt, wurde von den Schülern der Hoquiam Highschool zur besten Single des Jahres gewählt. Und der Besitzer von Rosevear’s Music Shop in Aberdeen bestätigt, daß die Kids plötzlich anstatt Geigen und Flöten nur noch elektrische Gitarren haben wollten. Kurts Cousin sagte, daß Kurt das Glück gehabt hatte, zu einer Zeit geboren zu werden, als die Dinge allmählich in Bewegung gerieten. Außerdem hatte er Eltern, die Rockmusik nicht nur duldeten, sondern auch selbst hörten.

Doch Cobain wäre sicher der Letzte gewesen, der von sich gesagt hätte, er habe Glück gehabt. Bereits 1969 gab es ein erstes Anzeichen dafür, daß Kurt in Zukunft mit seinen Mitmenschen nicht immer sehr pfleglich umgehen würde. Der 78jährige Nachbar der Familie Cobain beschwerte sich, Kurt habe versucht ihm ein Ohr abzubeißen. Schon im zarten Alter von 4 Jahren zeigte Kurt eine ausgeprägte Abscheu gegenüber Autoritäten im allgemeinen und der Polizei im besonderen. Wann immer er ein Polizeiauto sah, schrie er: “Steine auf die Bullen!” Und nicht selten unterstrich er seine Worte damit, daß er tatsächlich eine Flasche oder einen Stein nach ihnen warf. Da er keine Freunde hatte bzw.


Keine fand, weil er sich mit seinen Altersgenossen immer prügelte, entwickelte sich aus dem Kind ein Einzelgänger und ein Tyrann.   Am 24. April 1970 wurde seine Schwester Kimberley geboren. Kurt fühlte sich von seiner Mutter verraten und war total unglücklich. In den folgenden Jahren zog er sich immer weiter von seiner Umwelt zurück und versank quasi in sich selbst. Er wurde zu einem richtigen Problemkind.

  Cobains lebenslange Drogenabhängigkeit nahm ihren Anfang bereits 1974, als er, im Alter von knapp 7 Jahren, zum ersten Mal Ritalin verschrieben bekam. Das ist ein Amphetamin, das mit Sedativa versetzt ist und als Schlafmittel dient. Seine Gesundheit fiel jedoch immer mehr. Er war angewiesen auf seine Medizin und mußte jede sportliche Aktivität meiden. Irgendwann kam Cobain vermutlich der Gedanke, daß jede Schwierigkeit im Leben mit einer Tablette zu überwinden sei. Später nahm er dann immer öfter Drogen als Ersatz für Medikamente zu sich.

Am 9. Juli 1976 ließen sich Don und Wendy scheiden. Für Kurt wurde dies zu einem traumatischen Erlebnis. Seine Mutter glaubt, daß durch die Trennung Kurts Leben zerstört wurde. Auch wenn Wendy das Sorgerecht für die beiden Kinder zugesprochen bekam, blieb Kurt nicht mehr lange bei ihr und zog zu seinem Vater. Durch die Trennung versank er immer mehr in die Musik, die ab diesem Zeitpunkt ein Mittel zur Flucht vor der tristen Realität des Alltags für ihn wurde.

Sie war seine engste Verbündete gegen den Rest der Welt.   1977 zeichnete sich allmählich der Aufstieg des Punk ab, einer Musikrichtung, die musikalisches Können bestenfalls als Möglichkeit betrachtet, nicht aber als notwendige Voraussetzung, denn nur der Wille Punk zu spielen war die eigentliche Grundvoraussetzung. Mit der langsam hinüberschwappenden Welle neuer Bands aus England entstand auch in Seattle endlich eine Alternative zu den Klängen von Pink Floyd und Yes. Ein Club namens “Bird” öffnete seine Tore für heavy/light Punks, Ausgeflippte, Gangs und Penner. Für Cobain war es ein ausgesprochenes Glück, daß gerade zu diesem Zeitpunkt, als sich seine eigene Protesthaltung entwickelte, ein Phänomen um sich griff, daß ihm zur Möglichkeit verhalf, seinem Zorn Ausdruck zu verleihen. Im Februar 1981 kaufte Kurts Onkel, um 125 Dollar, seinem Neffen eine Gitarre und gab ihm Unterricht.

Das erste Hauptziel für Kurt war “Stairway to heaven” spielen zu können. Außerdem bestand Kurt darauf als Linkshänder, die Gitarre auch linkshändig zu spielen, obwohl dies technisch schwieriger ist. Mit 15 Jahren hörte Kurt zum ersten Mal die neue Musikrichtung, die sich Grunge nennt. Grunge ist eine Kombination aus Punk und Heavy Metal. Merkmale des Grunge: extrem verzerrte Gitarren, ohrenbetäubende Lautstärke und eine Betonung der Rhytmussektion gegenüber Gitarre und Gesang. Und dazu gab es natürlich auch eine Mode, die Cobain später mit Nirvana kreierte: Flanellhemd, zerrissene Jeans und lange Haare.

1983 hatte Kurt gerade einmal 2 Freunde. Einer davon war Chris Novoselic, ein Sohn kroatischer Emigranten. Er war 2 Jahre älter und mehr als 10cm größer als Cobain. Chris Novoselic wurde am 16. Mai 1965 in Kalifornien geboren. Seine Eltern, Krist und Maria Novoselic, waren 1963 aus Jugoslawien ausgewandert und hatten 16 Jahre an der Westküste gewohnt, bevor sie mit ihren beiden Söhnen nach Aberdeen zogen, wo eine große kroatische Gemeinde eine neue Heimat gefunden hatte.

Kurt und Chris entdeckten, daß sie beide die gleichen Interessen hatten. Chris teilte Cobains Einstellung zur Schule, “Alles Arschlöcher”. Angeblich hingen die beiden, zunächst ohne einander zu kennen, regelmäßig im Proberaum der Melvins herum, wo sie dann irgendwann ihre gemeinsame Vorliebe für Punk und Anarchie entdeckten. Der Verkäufer von Rosevear’s Plattenladen behauptet, daß sich die beiden in seinem Laden kennengelernt hatten, mit den Worten: “Wie wär’s mit was zu rauchen?” Wie auch immer, fest steht jedenfalls, daß sich Cobain und Novoselic 1983 kennenlernten, daß sie sich beide gegen Autorität auflehnten und in der Musik ein Mittel zur Flucht vor dem eintönigen Leben in Aberdeen fanden.   Vermutlich umfaßte Cobains Drogenkonsum 1984 bereits Marihuana, Amylnitrat, LSD und halluzinogene Pilze. 1986 war er von Percodan abhängig, einem Schmerzmittel auf der Basis von Opiaten.

1985 verbrachte Cobain einige Nächte unter der North Aberdeen Bridge, weil ihn seine Mutter aus dem Haus hinausgeworfen hatte und weil er bei seinem Vater nicht wohnen wollte. In diesen paar Tagen spritzte Kurt zum ersten Mal Heroin. Er beschreibt diese Episode auf Nevermind in dem Song “Something in the way.” Im nächsten Jahr begannen Kurt und Chris mit regelmäßigen Musikproben und Kurt nahm einen Gelegenheitsjob in einer Arztpraxis an, aus der er so viele Pillen wie nur möglich mitgehen ließ. 1987 fuhren die beiden immer wieder nach Olympia, der Hauptstadt Washingtons, weil es dort eine rege alternative Rockszene gab. Dort lernte Kurt dann auch Tracy Marander kennen und zog zu ihr.

Im September des gleichen Jahres hatte Kurt schon ein sehr umfangreiches Songrepertoire und er und Chris stellten Aaron Burckhard als Drummer ein, doch dieser bemerkte mit Entsetzen, daß die beiden Gitarristen jeden Tag proben wollten, vor allem Cobain, Was für Aaron und Chris wenig mehr als ein Hobby war, betrachtete Kurt beinahe als eine Mission. Er nahm die ganze Sache fürchterlich ernst. Kleinere Meinungsverschiedenheiten wurden zu grundlegenden Differenzen. Kurt wollte mit dem Kopf durch die Wand und Erfolg um jeden Preis. Er lud verschiedene Künstler zu sich ein um ihnen seine Songs zu präsentieren. Ende des Jahres gab das Trio ein Konzert in Olympia.

Die wenigen Zuschauer, darunter Slim Moon und dessen Freund Dylan Carlsen, erwarteten sich wenig, doch sie wurden eines Besseren belehrt. Durch Moon und Carlsen, die Kurt irre fanden, verbreitete sich die Kunde von dem exzentrischen Neuankömmling aus Aberdeen schnell. Kurt, Chris und Aaron gründeten eine Band der sie diverse kurzlebige Bezeichnungen gaben und sich schließlich auf Nirvana einigten. Ebenfalls in diesem Jahr begann Kurt Geld zu sparen, um ein professionelles Demoband aufnehmen zu können. Einer, der noch recht wenigen Konzertbesucher von Nirvana, war ein Diskjockey und Journalist, namens Bruce Pavitt, der spätere Boss von Sub Pop, Nirvanas erstem Label. Anfang ‘88 verließ Burckhard die Band und wurde durch Dale Crover ersetzt.

Mit Kurts Ersparnissen und einem Darlehen von Marander buchte Nirvana 6 Stunden in den Reciprocal Aufnahmestudios in Seattle. Drei der zehn Nummern, die sie dort am 23. Jänner ‘88 aufnahmen, erschienen auf Nirvana erster LP, die anderen auf dem retrospektiven Sample Incesticide. Bereits diese frühen Songs zeugten deutlich von Cobain unbeirrbarem Glauben, daß er er Welt etwas zu sagen habe, und lieferten den Beweis dafür, daß man auch sehr intensive Texte mit lautem elektrischen Rock’n’Roll verbinden kann. Die Session in den Aufnahmestudios brachte Nirvana mit Jack Endino zusammen, der sich der in Seattle neu entstehenden Musikszene widmete. Er war total von Kurt beeindruckt, und als er gemeinsam mit Bruce Pavitt sein eigenes Label eröffnete, mit dem Namen Sub Pop, nahmen sie sofort Nirvana unter Vertrag.

Ebenfalls in diesem Jahr spielte der Radiosender KCMU zum ersten Mal einen Song von Nirvana, und zwar “Floyd the Barber”. Gegen Ende des Jahres brachte Sub Pop Nirvana erste Single heraus:”Love Buzz”/”Big Cheese”. In den folgenden Monaten wurde Cobain als Songwriter und Sänger von Nirvana immer populärer. Seine Bandkumpels standen völlig im Schatten. Dies blieb auch in den folgenden Jahren der Fall. Journalisten strömten nach Seattle um mit ihm ein Interview führen zu können.

Bald erhielt Cobain den Beinamen: “König des Grunge”. Ein Konzert in der damaligen Zeit sah in etwa so aus: 3 ähnlich gekleidete Gestalten stöpseln sich ihre Instrumente an, zünden sich Zigaretten an und steigen mit solch einer Gewalt in”Love Buzz” ein, daß der Lärm zu explodieren und von den feuchten Wänden abzuprallen scheint. Cobain nannte diesen Sound “Low-Fidelity”.   Bei all dem Rummel um Nirvana vergaß man fast, daß die Gruppe noch nicht einmal ein Album herausgebracht hatte. Doch die Fans, die sich immer weiter vermehrten, mußten nicht lange warten: am 15. Juni 1989 erschien Bleach in den Plattenläden.

Kritiker sagen sogar, daß Bleach im Gegensatz zu Nevermind auch heute noch aktuell klingt. Dennoch erreichte Bleach nur die untersten Regionen der Alternative Charts und wurde zunächst ein finanzieller Flop. Trotzdem wurde der Grunge durch dieses Album weiter verbreitet. Sogar der Grunge-Look war bereits bis nach Los Angeles uns San Francisco vorgedrungen. Die politische Grundhaltung der Grunge-Bewegung war die des Widerstandes. Menschen, die mit der Welt unzufrieden waren liebten Grunge, liebten Nirvana.

Oder vielleicht war die neue revolutionäre Musikrichtung nur deshalb so beliebt, weil man mit ihr seine Eltern nerven konnte? Seit Bleach jedenfalls war Kurt zum Sprachrohr einer ganzen Generation geworden.   Kurt war sehr dankbar, daß er mit seiner Band ein Label gefunden hatte, doch nun, da er sich als Star fühlte, wurde er mit Sub Pop immer unzufriedener. Daß sich Bleach nicht sehr gut verkaufte schob er auf Sub Pop, die, so seiner Meinung nach, diese erste LP nicht richtig vermarktet hatten. Sub Pop residierte zu dieser Zeit in Seattle in einer Dachgeschoßwohnung im Terminal-Sales-Gebäude, in der Nähe des Crocodile Cafés. Laut einigen Besuchern herrschte in dem Büro das totale Chaos: es gab keine richtige Buchhaltung und die Platten stapelten sich im Badezimmer. Ende der achtziger waren die Geschäftsräume des Labels zu einem florierenden Umschlagplatz für Drogen geworden.

Drogen waren bei Sub Pop ganz einfach selbstverständlich.   Am 22. Juni 1989 begannen Nirvana ihre erste größere USA-Tournee. Die Musiker reisten in einem alten Dodge-Bus und spielten für 100 Dollar pro Abend in einschlägigen Clubs und kleineren Hallen. Etwa bei jedem 2. Konzert demolierte Kurt seine Gitarre.

Entweder er warf sie auf den Boden und sprang darauf herum oder er warf sie in die Drumms von Channing, ein weiterer Schlagzeuger bei Nirvana. Dem Publikum gefielen solche Aktionen, Channing weniger. Europa liebte Nirvana: von Oktober bis Dezember 1989 gab das Trio 36 ausverkaufte Konzerte in Deutschland, Holland, Belgien, Schweiz und Italien. Besonders durchschlagend war der Erfolg in Großbritannien, wo Bleach sogar die Rolling Stones in den Charts überholte. Am 22. September 1990 traten Nirvana beim Motor Sports International auf.

Es wurde zu ihrem größten Gig bis zu diesem Zeitpunkt und er wurde von einigen Kritikern als ein Ereignis beschrieben, an dem sich alle anderen Bands der “Seattle-Szene” zu messen haben werden. 3 Tage später wurde Danny Peters, ein weiterer Schlagzeuger, durch Dave Grohl ersetzt. Dieser blieb bis zum bitteren Ende. Dave Grohl war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt und kam aus Virginia. Er hatte wie Cobain vorzeitig die Highschool verlassen und dessen Eltern waren ebenfalls geschieden. Grohl war 1990 bereits ein Veteran, der in einem halben Dutzend Bands gespielt hatte.

Mit Grohl war Nirvana endlich komplett. Die Konzerte sahen nun in etwa so aus: Kurt schlang sich seine Gitarre um, kreischte und warf sich dann in die Menge, danach ging es weiter. Die Uhr wurde scheinbar zurückgedreht, insbesondere von den Tontechnikern, die es schafften, den schaurigen Soundmix der Sex-Pistols-Ära wiederherzustellen.   David Geffen war wohl kaum der “Erzpunk-Szenegänger”, den sich Cobain als idealen Plattenmanager gewünscht hatte. Als Chef eines milliardenschweren Unternehmens der Unterhaltungsindustrie verkörperte er im Grunde genau jenen Typus einer Berühmtheit, die Cobain zutiefst verabscheute. Dennoch war genau dieser “Kapitalistenknecht” der erklärte Favorit, wenn die Frage diskutiert wurde, wer Nirvana von Sub Pop übernehmen sollte, wenn auch nur, weil Geffens Label so erfolgreich war.

Und in Cobains Augen gab es für Erfolg keinen Ersatz. Am 30. April 1991 unterschrieben Nirvana offiziell bei Geffen. Nirvana wurde eine Vorauszahlung in Höhe von 290000 Dollar gegeben, und Sub Pop, von denen sich Nirvana ganz unschön verabschiedet hatte, sprach man eine Abstandszahlung in Höhe von 75000 Dollar zu. Doch eigentlich waren 75000 Dollar eine eher lächerlich niedrige Belohnung dafür, daß Sub Pop die Band überhaupt bekannt gemacht hatte. Von Mai bis Juni ‘91 studierten Nirvana ein neues Album ein.

Cobain schwörte, daß dieses Album in die Top Ten käme, und daß es einige Singles gäbe, die großartig einschlagen würden. Und tatsächlich: am 24. September 1991 erschien das 2. Album von Nirvana, Nevermind. Geffen lieferte zunächst nur 46000 Exemplare aus. Doch zu Weihnachten wurden 400000 Stück in der Woche verkauft, und die Umsätze innerhalb dieses Jahres stiegen auf 50 Millionen Dollar.

Schnell wurde Nevermind zu einer Doppelplatin-LP gekrönt. Ab 4. November ‘91 kletterte sowohl Nevermind als auch die Hit-Single “Smells Like Teen Spirit” in den Hitparaden nach oben. Endlich, am 12. Jänner 1992 war es dann soweit: Nevermind wurde Nummer eins in den US-Charts. Warum war Nevermind so erfolgreich? Einer der Gründe war sicherlich, daß auf ihr eine Welt beschrieben wird, die öde und farblos geworden ist Cobain drückte damit ein Lebensgefühl aus, das zu diesem Zeitpunkt viele seiner Landsleute mit ihm teilten.

In den USA erwiesen sich Millionen Menschen als ein dankbares Publikum für die Mischung aus pseudoanarchistischem Gefasel und zersetzendem Sarkasmus. Cobain Texte trafen das Gefühl von Niedergeschlagenheit.   Ebenfalls im Jänner lernte Cobain Courtney Love kennen und heiratete sie 2 Monate später auf Hawaii. In Folge machten Gerüchte über den Drogenkonsum des Paares die Runde und als am 18. August ‘92 Frances Bean Cobain in Los Angeles geboren wurde und Kurt zu dieser Zeit gerade einen Entzug machte, wollte das Jugendamt das Sorgerecht für Frances ihren Eltern streitig machen. Ein Prozeß wurde angestrengt, der sich bis März ‘93 hinzog, den aber die Cobains für sich gewinnen konnten.

Jedoch wurde Kurt rückfällig. Bald verbrauchte er Heroin um 100 Dollar täglich.   Mit der Tournee nach Nevermind begann die Nirvanamania. Durch regelmäßige Proben, auf die Kurt bestand, war Nirvanas Darbietung auf der Bühne nicht nur mehr voller Enthusiasmus, sondern sie war wirklich brillant. Durch Cobain Art, die Melodien mit seiner Stimme zu akzentuieren, statt sie zu unterlaufen, durch seine wachsende Kompetenz als Gitarrist und vor allem durch seine vielgerühmten Fähigkeit, sich rüberzubringen, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich dann, wenn er in die Menge hineinhechtete, gelang es ihm, die Rockkultur mit seinen Live-Acts innerhalb weniger Monate so nachhaltig zu beeindrucken, daß er zur Legende wurde. Natürlich wurden vor allem Jugendliche zu den Konzerten angezogen.

Seit 1992 wurde das Zerschmettern von Instrumenten von Nirvana kunstvoll in Szenen gesetzt. Zwar bauten sie das Equipment zunächst mit großer Sorgfalt auf, lockerten dabei aber bereits Bolzen an Gitarren und Schlagzeug, um sicherzugehen, daß diese auch sauber zu Bruch gehen würden. In Bremen zerschlug Cobain nicht nur seine Gitarre, den Verstärker und den größten Teil der Künstlergarderobe, sondern ließ auch noch den Tourneebus in Flammen aufgehen. Aus den Einnahmen von Nevermind kaufte er sich eine Gitarre mit dem Aufkleber:”Vandalism: beautiful as a rock in a cop’s face”. Da er es sich nun finanziell leisten konnte, zerschlug er jeden Abend seine Gitarre. Auch wenn das Publikum Cobain liebte, ja fast schon verehrte, war er selbst mit dem Publikum unzufrieden.

Zum Beispiel beschimpfte er am 30 Oktober ‘92, als Nirvana ein Konzert vor 50000 Fans in Buenos Aires gab, das Publikum als die größte Ansammlung von Sexisten, die er jemals gesehen hatte. Auch weigerte er sich Autogramme zu geben. Doch wenn er einmal welche gab, dann schrieb er meistens darauf: “Leck mich am Arsch. Kurt Cobain.”  Am 15. Dezember 1992 veröffentlichte Geffen das 3.

Nirvanaalbum, Incesticide. Eine Compilation aus B-Seiten, überschüssigem Material und Aufnahmen aus Nirvanas BBC-Session. Doch Nivanas Label drängte weiter auf Erfolg, und so wurde im Februar ‘93 das 4. Album in den Pachyderm Studios in Minnesota aufgenommen. Die Rohfassungen der Stücke wurden in 6 Tagen aufgenommen, der Streit über die Produktion dauerte dafür ca. 6 Monate.

Der Arbeitstitel dieser neuen LP von Kurt, der immer unzufriedener wurde mit sich und der Welt, war:”I hate myself and I want to die.” Noch bevor In Utero erschien, trommelte Geffen schon auf die Werbetrommel für ein weiteres Nevermind. Am 21. September ‘93 wurde In Utero veröffentlicht. Das 4. Album von Nirvana erreichte auf Anhieb Platz 1 in den Charts.

Vom weltverdrossenen “Serve the Servants” bis hin zum selbstquälerischen “All Apologies” ist In Utero ein einziger Seitenhieb gegen die Kritiker Nirvanas, voller bissiger Anspielungen auf die sogenannten “Insider-Quellen”, die in den Medien über Cobain hergezogen waren. Der Grundtenor des Albums läßt sich am ehesten mit den Worten eigensinnig, zornig und selbstsüchtig beschreiben.   Im März ‘93 kaufte die Familie Cobain ein viereinhalb Hektar großes Anwesen in Carnation, östlich von Seattle, um 400000 Dollar, und sie mieteten in der City ein Haus am Seeufer. Am 2. Mai ‘93 wurde Kurt in Seattle mit einer Überdosis in ein Krankenhaus eingeliefert. Am 4.

Juni des selben Jahres wurde Cobain von der Polizei festgenommen, weil er seine Frau körperlich bedroht haben soll. Am Morgen des 23. Juli ‘93 wurde Cobain abermals wegen einer Überdosis ins Krankenhaus gebracht.   Am Abend des 18. Novembers ‘93 spielten Nirvana eine Unplugged-Session in New York. Das Konzert wurde live auf MTV übertragen.

Das Album Unplugged in New York erschien 1 Jahr später in den Läden. 1. März 1994: Nirvana spielten im Terminal Einz in München. Es ist ihr letzter Auftritt überhaupt.   Am 3. März nahm Cobain wieder eine Überdosis.

Diesmal eine Kombination aus Champagner und dem valiumähnlichen Rohypnol. Sein Management stellte diesen Vorfall als Unfall hin. Tatsächlich war es jedoch ein erster Selbstmordversuch. Die Polizei erhielt am 18. März erneut einen Hilferuf Courtneys, die sich bei einem häuslichen Streit von Kurt bedroht fühlte. Am 30.

März kaufte Cobain gemeinsam mit seinem Freund Dylan Carlsen bei Stan Baker Sports in Seattle eine Remington M11-Schrotflinte, Kaliber 20. Die nächsten 2 Tage verbrang Kurt im Exodus Recovery Center in Marina del Ray in Los Angeles, doch er flüchtete am 1. April aus dem Exodus, indem er über eine Mauer kletterte und nach Seattle zurückflog. Dort gelang es ihm, am 5. April 1994, der Polizei, einem Privatdetektiv und auf seinem Anwesen arbeitenden Elektrikern aus dem Weg zu gehen. Dann verbarrikadierte sich Cobain in dem Raum über der Garage, schrieb einen Abschiedsbrief, injizierte sich eine Überdosis Heroin, steckte sich den Lauf der Schrotflinte in den Mund und betätigte den Abzug.

Erst am 8. April fand man seine Leiche.   Der Diskjockey Marco Collins organisierte eine öffentliche Totenwache, um den Kids die Gelegenheit zu geben, ihren Gefühlen und ihrer Enttäuschung freien Lauf zu lassen. 6000 trauernde Fans versammelten sich am Abend des 10. April im Schatten der Space Needle vor dem Flag Pavillon. Als aus den Lautsprechern “Serve the Servants” und andere Stücke von In Utero erklangen, brach ein Chaos aus.

Weinende Anhänger stürzten sich in den nahe gelegenen Springbrunnen, zeigten ihre mit Rasierklingen in die Arme geritzten “Kurdt” Tattoos und verbrannten öffentlich ihre Flanellhemden. Am 14. April 1994 wurde Kurt Cobains Leichnam im Bestattungshaus Bleitz eingeäschert. 1994 nominierte der “Rolling Stone”, eine große Zeitung, Nirvana als “Gruppe des Jahres”, und “Spin” nannte Nirvana als erste der zehn wichtigsten Bands der Jahre ‘85-’95.

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