Aristoteles:
Glück – was ist das?
Thomas findet die Platte, die er schon jahrelang gesucht hat in einem Second-Hand Laden. Er hat Glück gehabt. – Ein Mann, dessen Haus mit seiner Frau darin abgebrannt ist muß sich seinen Nachbarn zufolge glücklich schätzen, daß er noch lebt. – Mutter Theresa hatte nicht viel mehr als man zum leben braucht, keinen Lebenspartner und hätte sicher trotzdem, wäre sie gefragt worden, geantwortet, daß sie Glück gehabt hat mit ihrer Berufung und glücklich sei. – Herr F. hat die Frau seiner Träume gefunden und dazu noch liebt sie ihn auch.
Herr F. ist glücklich.
Alles verschiedenartige Verwendungen des Wortes Glück. Oft wird es im Sinne von Glücksmomenten verwandt. Aber ist das alles?
Grundsätzlich können zwei Bedeutungen von Glück unterschieden werden: In der einen meint Glück eine günstige Fügung des Schicksals (bedingt durch übernatürliche Kräfte in Form der Göttin Fortuna). Die andere legt Glück fest als einen seelisch gehobenen Zustand, der sich aus der Erfüllung der wesentlichen Wünsche ergibt (auch: Glückseligkeit).
Trotz ihres gleichen Namens heißt “Glück haben” noch lange nicht “glücklich sein”, wie wir sehen. Wir müssen hier aber eine noch strengere Trennung vornehmen, da die Begriffe gleich lauten, aber komplett verschiedene Begrifflichkeiten innehaben und ihnen dazu noch unterschiedliche Bedeutung zugemessen werden muß.
Glück haben im ersten Sinne heißt einfach, daß einem Dinge des Zufalls außergewöhnlich gut gelingen. Es stellt einen zwar wünschenswerten Aspekt unseres Lebens dar, hat aber in ethischen und anthropologischen Kategorien keine Bedeutung. Wenn wir also z.B.
Glück im Spiel haben, trägt es zu einem Glücksgefühl bedingt durch persönlichen Erfolg sicher bei, ist aber auf dem Weg zur Glückseligkeit ohne Bedeutung.
Wohingegen das Glück als Zustand innerer Zufriedenheit das Leben erstrebenswert macht. Ob bei Aristoteles als Eudämonia bezeichnet oder von Buddha Nirwana genannt, ist Glück beherrschendes Ziel allen Handelns der Meinung vieler Philosophen zufolge. Das oberste Lebensziel des Menschen ist von sich aus (d.h. es muß nicht als solches erkannt werden) die Glückseligkeit und nach J.
Stuart Mill die Abwesenheit von Schmerzen oder besser die Abwesenheit von Leiden.
Um die herausragende Stellung von Glück zu erkennen, muß man etwas weiter ausholen und auf die Philosophie und Theologie zurückgreifen. Nach dem Verständnis dieser Disziplinen der Wissenschaft gestaltet sich die Existenz des Menschen nicht nur als Reaktionen auf die Umwelt, sondern läßt sich als ein Handeln verstehen, das auf die Verwirklichung von vom Menschen selbst gesetzter Zwecke und Werte zielt. Der Mensch trachtet danach, aus seinem bloßen Vorhandensein ein befriedigendes Dasein zu machen. Die Vollendung des Daseins aber kann von oben genanntem als das Erreichen der Glückseligkeit hergeleitet werden.
Die Frage dagegen nach dem “Wie erreiche ich Glückseligkeit ?” kann wohl nicht endgültig geklärt werden.
Aus der Philosophiegeschichte habe ich hier einige Wege zum Glück aufgeführt. So wird Glück als Ergebnis fortschreitender Erkenntnis von Wahrheit definiert. Oder der Mensch erreicht das Glück durch politischem bzw. sozialem Tätigsein für die Gesellschaft. Manche beziehen es aus gestalterischem Tätigsein, was heißen soll, daß man die gegebene Welt bewußt zum Lebensraum formt oder schöpferisch Schönes gestaltet. Der religiöse Weg schreibt den vom Glauben getragenen Vollzug des göttlichen Willens vor.
Schließlich gibt es noch, heutzutage favorisiert, die interpersonale (zwischenmenschliche) Liebe als Erreichen des Glücks.
Während die Philosophen eine Verinnerlichung oder Vergeistlichung des Glücksideals vornehmen, und Glück auf die innere Verfassung, auf Seele, Vernunft und Moral beziehen, werden von “normal Sterblichen” populärere Glücksvorstellungen formuliert, die ihre Erfüllung in meist materiellen Dingen finden wie Reichtum, Prestige, Macht, Erfolg (in Beruf und Liebe). Es wird nach utilitaristischen (rein nützlichkeitsorientierten) Prinzipien gehandelt, und immer nach dem Nutzen für einen selbst gefragt. Bekomme ich für meine Arbeitskraft genug Gehalt (im Gegensatz zu: verändert diese Arbeit die Welt zum besseren), oder ist der gesellschaftliche Wert meines Partners dem meinen angemessen. Glück heißt hier den größtmöglichen Nutzen aus etwas zu ziehen.
“Glück ist nicht die Ekstase, das Feuer des Augenblicks,
sondern die Glut die dem Dasein innewohnt.
” (Erich Fromm)
Dieses Zitat drückt meiner Meinung nach diese Ambivalenz des Glücksbegriffs recht gut aus. Während viele Menschen ihr Glück in vergänglichen, materiellen Dingen suchen, die es lediglich strohfeuerhaft ausschütten, kann das Glück nur durch das Befolgen daseinsbestimmender Werte erlangt werden.
In welchem Bereich man sein Glück genau sucht, variiert von Person zu Person und muß individuell für einen selber beantwortet werden. Christliche Menschen erwarten es möglicherweise in einem Leben nach dem jetzigen. Säkulare Menschen suchen es vielleicht in Beziehungen zu anderen Menschen, wobei diese aus Liebe/Zuneigung aber auch Fürsorge für Schwächere bestehen kann. Oder aber sie stürzen sich in ihre Arbeit und gewinnen ihr Glücksgefühl dort einerseits durch beruflichen Erfolg oder andererseits durch Vergrößerung ihres Reichtums, was zu der Gewißheit über die Macht führt, sich alles und jeden kaufen zu können.
Einen sehr interessanten Weg bietet der Buddhismus: Durch Beendigen jeglichen Gefühls, jeglicher Empfindung, also auch jeglichen Glücksgefühls erreicht man den Zustand des reinen, geläuterten Denkens (Nirwana). Höchstes Glück liegt also im Beendigen des Glücksstrebens.
ACHIM HAUG
für GK Philosophie in 13.1
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