Atommontag
Atomenergie & Atomkraftwerke
sowie die damit verbundenen Probleme
DAS GRUNDPRINZIP DER KERNSPALTUNG
Kernspaltung wird herbeigeführt, wenn man ein Uranatom mit einem Neutron beschießt. Diese Atomgeschosse durchdringen die Atomhülle und zertrümmern den Atomkern in einzelne Bestandteile. Dadurch werden weitere Neutronen frei, die wiederum andere Atomkerne spalten. Bei dieser Kettenreaktion entstehen radioaktive Spaltprodukte.
Kernkraftwerke, auch Atomkraftwerke genannt (AKW), wandeln Kernenergie in elektrischen Strom um. Im Kernreaktor entsteht durch Kernspaltung Hitze, welche Wasser im Dampferzeuger in Wasserdampf verwandelt.
Damit wird die Dampfturbine mit dem angeschlossenen Generator betrieben. Der elektrische Strom wird in das Netz eingespeist. Das Wasser wird im Kühlturm gekühlt und erneut durch den Kernreaktor geleitet.
Die Kernenergie stellt hierbei eigentlich eine sehr umweltfreundliche und effiziente Art der Stromgewinnung dar.
Entdeckung der Kernspaltung
Ende 1938/Anfang 1939 entdeckte Otto Hahn in Berlin zusammen mit Fritz Straßmann die Spaltung des Uran-Atomkerns.Wichtige Beiträge lieferte seit 1907 auch Hahns Mitarbeiterin Lise Meitner, die allerdings den Erfolg ihrer Arbeiten in Berlin nicht mehr erleben konnte.
Sie lieferte aber die entscheidenden theoretischen Berechnungen, die Hahn letztendlich dazu veranlaßten, seine Entdeckung zu veröffentlichen.
Nicht vergessen sollte man auch die junge Freiburger Chemikerin Ida Noddack, die schon 1934 in der "Zeitschrift für angewandte Chemie" die Vermutung des Zerplatzens der Kerne nach dem Beschuß mit Neutronen äußerte, aber von Fermi und Hahn nicht ernst genommen worden war.
Gefahr eines Bombensprengstoffes
Bald nach Hahns Entdeckung wurde erkannt, daß sich hieraus womöglich eine Kettenreaktion solcher Spaltungen unter großer Energiefreisetzung entwickeln ließe. Schon im Sommer 1939 veröffentlichte Siegfried Flügge einen Zeitungsaufsatz, in dem diese Möglichkeit öffentlich erörtert wurde.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Arbeiten als geheim erklärt und in die Verantwortung des Herreswaffenamtes in Berlin gelegt und von Kurt Diebner betreut. Diebner setzte auch das Kaiser-Wilhelm-Institut
für Physik ein.
Die Leitung übernahm Werner Heisenberg.
Die Arbeiten im Krieg
Die gesamten deutschen Arbeiten während des Krieges konzentrierten sich auf den Bau eines Atomreaktors. Allerdings erkannte v. Weizsäcker früh, daß mit Plutonium, das im Reaktor entstehen und leicht abzutrennen sein würde, eine Atombombe realisierbar sein würde.
Die Entscheidung
Auf einer Sitzung im Herreswaffenamt im Februar 1942 antwortete Heisenberg auf die Frage, ob innerhalb eines dreiviertel Jahres eine kriegsentscheidende Waffe produziert werden könne, mit einem klaren Nein. Daraufhin verloren die Nazis ihr Interesse an dem Projekt und das ganze Unternehmen wurde dem Heereswaffenamt entzogen und dem Reichsforschungsrat unterstellt.
1944 übernahm Walther Gerlach dessen Leitung.
Über Spionagekanäle wurde die Möglichkeit, eine Bombe zu bauen, den deutschen Kriegsgegnern bekannt und versetzte diese in großen Schrecken. Mit dem Einsatz großer Mittel wurde daher in Amerika die Atombombe entwickelt, welche später in Hiroshima eingesetzt wurde.
DER ERSTE ATOMREAKTOR
Der Versuch B8 in Haigerloch
Die Verlegung des Labors nach Haigerloch
Wahrscheinlich erinnerte sich Prof. Gerlach, der in Tübingen Physik studierte und dort auch Professor war, der Gegend um Hechingen und Haigerloch. Er machte den Vorschlag, im schmalen Muschelkalktal der Eyach ein Bunkerlabor zu bauen, da man sich hier sicherer fühlte vor Luftangriffen.
Zufällig entdeckten die Wissenschaftler den Bierkeller des Schwanenwirtes in Haigerloch und mieteten diesen für ihre Arbeit an.
In einer abenteuerlichen Lastwagenfahrt, auf die hier nicht näher eingegangen wird, wurde Uran und Schweres Wasser von Berlin nach Haigerloch überführt, wo Ende März/Anfang April 1945 der Versuch begann.
Der Aufbau
Der Kernreaktor befand sich in einem Betonzylinder. Zwischen der äußeren Betonummantelung und dem inneren Mantel aus Aluminium war für die Kühlung normales Wasser eingefüllt. In diesem Aluminiumkessel mit 210 cm Querschnitt und 210 cm Höhe war ein weiterer Kessel aus Magnesium. Zwischen die beiden Kesselwände kam eine etwa 40 cm dicke Graphitschicht.
Dadurch sollte der Reaktor nach außen hin abgeschirmt werden, damit die enstehenden Neutronen nicht entweichen konnten. Die am Deckel festgemachte Anordnung mit 664 Uranwürfel (Kantenlänge 5 cm) wurde nun in den inneren Magnesiumzylinder eingelassen. Es lag also ein räumliches Gitter vor, der Abstand nächster Nachbarn betrug 14 cm. Dann wurde der Deckel auf das Reaktorgefäß aufgeschraubt.
Die Durchführung
Im Zentrum der Anordnung befand sich die Neutronenquelle, die durch den sog. Kamin eingelassen wurde.
Außerdem befanden sich im Deckel Kanäle, durch die Neutronensonden eingeführt werden konnten. Damit erhielt man eine genaue Messung der Neutronenverteilung im Inneren der Anordnung, in dem umgebenden Graphit und im Leichten Wasser des Außenraumes. Das Schwere Wasser wurde zuletzt und vorsichtig eingefüllt und dauernd die Vermehrung der Neutronen verfolgt. Wäre der Reaktor kritisch geworden, dann wäre der Versuch abgebrochen worden.
Das Ergebnis
Leermessung: Man bestimmte die Neutronenzahl ohne Uran und ohne Schwerers Wasser, aber mit eingefahrener Neutronenquelle, im Außenraum.
Vollmessung: Man bestimmte die Neutronenzahl ebenfalls im Außenraum mit eingebrachter Uran- und Schwerwasserfüllung.
Der Vermehrungsfaktor (das Verhätnis Voll- zu Leermessung) ergab sich etwa zu 7. Damit war der Haigerlocher Reaktor nicht kritisch geworden. Berechnungen ergaben, daß etwa die eineinhalbfache Reaktorgröße notwendig gewesen wäre. Eine Vergrößerung war im April 1945 nicht mehr möglich, weil weder weiteres Uran noch Schweres Wasser vorhanden war.
AUFBAU EINES KERNREAKTORS
Hier am Beispiel des Unglücksreaktors der (bis jetzt) größten Atomkatastrophe in Tschernobyl im Jahre 1986. Dabei wurden weite Teile Europas strahlenverseucht.
Die Reaktoreinheit 4 des AKW Tschernobyl war vom Typ RBMK-1000. Sie hatte eine thermische Leistung von 3200 MW sowie eine elektrische Leistung von 1000 MW. Sie wurde im Dezember 1983 in Betrieb genommen.
Der Aufbau dieses Reaktortyps stellt sich folgendermaßen dar: Eine Reihe von Graphitblöcken sind zwischen den senkrechten Kanälen mit dem Brennstoff und den Kanälen für die Leichtwasser-Siedekühlung plaziert. Das Graphit fungiert hier als Moderator und bremst den Ausstoß von Neutronen während der Spaltung ab.
Der Wärmeaustausch zwischen den Graphitblöcken wird durch eine Mischung aus Helium und Stickstoff reguliert.
Dieser Aufbau hat den Vorteil, daß kein großer Druckkörper erforderlich ist. Das Graphit erlaubt die Verwendung von Brennstoff, welcher nur niedrig mit Uran-235 angereichert wurde.
Schema eines Reaktors vom Typ RBMK-1000:
In einem Reaktor vom Typ RBMK-1000 zirkuliert das Kühlmittel in einem Kreislauf, der unter Druck steht. Der erzeugte Dampf wird direkt auf die Generatorturbine geleitet. Nachdem der Dampf die Turbine angetrieben hat, wird er kondensiert und zurückgeleitet. Es gibt zwei getrennte Kühlsysteme.
Jedes von ihnen besitzt vier Pumpen. Es gibt auch ein Notkühlsystem, das in Aktion tritt, wenn ein Kühlkreislauf versagt. Daß das Kühlmittel durch Röhren gepumpt wird, ist einer der größten Unterschiede zu den meisten anderen Reaktortypen, bei denen ein großes Druckgefäß alle Elemente des Kerns enthält.
Kleine Kügelchen, sogenannte "Pellets" mit Urandioxid, angereichert mit 2% Uran-235 werde in eine 3,65m lange Röhre , den "Brennstab" eingeschlossen. Zwei Sätze von 18 Brennstäben sind zu einem Bündel von 10 Meter Länge zusammenmontiert. Diese Brennelementbündel können durch die Bohrungen in den Reaktor hinein- und wieder herausgefahren werden.
Es gab in Block 4 insgesamt 1659 solcher Brennelementbündel mit rund 114,7 kg Uran pro Bündel. Die Gesamtmasse des Urans im Reaktorkern betrug somit 190,2 Tonnen.
Die besondere Reaktorkonstruktion erlaubt das Ersetzen des Brennstoffes, während der Reaktor in Betrieb ist. Es gab zum Zeitpunkt des Unfalls Brennelementbündel mit sehr unterschiedlich stark abgebranntem Uran.
Der Reaktorkern ist mit einem biologischen Schild in Form eines zylindrischen Tanks mit einem Durchmesser von 16,6 Metern umgeben, der mit Wasser gefüllt ist. Dieser blieb nach dem Unfall übrigens praktisch unbeschädigt.
Tank und Reaktorkern sind oben und unten mit zwei zylindrischen Deckeln aus Spezialstahl verschlossen, durch die verschiedene Leitungen hindurchführen. Während der Explosion wurden diese Teile des Reaktors herausgerissen. Durch die entstandenen Öffnungen gelangte der Inhalt des Kerns dann nach außen.
Das Kontroll- und Sicherheitssystem beruht im wesentlichen auf 211 Kontrollstäben, die mit Borkarbid gefüllt sind. Diese Stäbe können manuell, automatisch und in besonderen Notfällen in den Reaktorkern eingeschoben werden. Normalerweise wird das Ein- und Ausfahren der Kontrollstäbe durch besondere Detektoren im Kern automatisch geregelt.
Gibt es Störungen, so können die Kontrollstäbe sofort in den Kern fallen gelassen werden. Dadurch wird dann die Spaltungsaktivität -theoretisch- sofort gestoppt. Nach Auffassung einer Gruppe internationaler Experten, entsprechen die im AKW Tschernobyl vorhandenen Kontroll- und Schutzvorschriften aber mit Abstand nicht den modernen Sicherheitsanforderungen, wie sie in westlichen Atomkraftwerken Standard sind.
Es gibt zwar ein System zum Auffangen von radioaktivem Material. Dieses dient aber nur zum Sammeln von kondensiertem radioaktiven Wasser und ist nicht für den Zusammenbruch des Kerns gedacht. Was im Unterschied zu westlichen Reaktoren völlig fehlt, ist ein zusätzlicher Stahlbetonmantel, der die ganze Reaktoreinheit umgibt, und der theoretisch auch einer Zerstörung des Reaktorkerns standhalten soll.
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