Der schwerbehindertenschutz- integration behinderter in gesellschaft und arbeit
Der Schwerbehindertenschutz- Integration Behinderter in Gesellschaft und Arbeit
Referat von: Angelika Klatt
für das Fach: Politik/Gesellschaft
bei : Herrn von der Linden
Schuljahr: 2001/ 2002
Klasse: BZ01
Moers, den 02.11.01
Inhaltsverzeichnis / Gliederung:
Vorwort
Einleitung – 1.1 Das aktuelle Schwerbehindertengesetz
1.1 Das aktuelle Schwerbehindertengesetz
2.1 Wer gilt als Schwerbehinderter – 2.
2 Übersicht der Merkzeichen
2.3 Schwerbehinderte am Arbeitsplatz – 2.4 Die Beschäftigungspflicht
2.4.1 Statistik und Praxis
2.4.
2 Kommentar – 2.5 Der Kündigungsschutz und Zusatzurlaub
2.6 Zusatzurlaub – 2.6.1 Statistik und Praxis – 2.6.
2 Kommentar –
Die Schwerbehindertenvertretung
2.8 Versorgungs-, Arbeitsamt und Haupfürsorgestelle
Vorwort
In dem Referat über den Schwerbehindertenschutz und die Integration Behinderter in Gesellschaft und Arbeit, werde ich mich hauptsächlich mit den rechtlichen Bestimmungen, den berufsfördernden Leistungen und den zuständigen Ämtern beschäftigen. Im Anschluss an die einzeln aufgeführten Aspekte soll erörtert werden, inwieweit sich das Recht in der Praxis bewährt und vollzieht.
Fragen wie: welche aktuellen rechtlichen Bestimmungen gibt es; wie wirken sie sich auf die Betroffenen aus und wie sieht die Lebensrealität, der alltägliche praktische Vollzug der rechtlichen Vorgaben aus? sollen hier erörtert und beantwortet werden.
Zum Schluss werde ich noch kurz auf die Situation im eigenen Betrieb eingehen und eine persönliche Meinung zu diesem umfassenden Thema abgeben.
Einleitung:
Seit 1974 existieren in der Bundesrepublik Deutschland die sozialrechtlichen Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes.
Trotz Modifikationen und diversen Novellierungen ist die wesentliche Substanz des Gesetzes unverändert geblieben. Das aus dem Schwerbeschädigtenrecht entstandene Gesetzeswerk sollte behinderten Menschen unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung einen rechtlichen Rahmen zur gesellschaftlichen und beruflichen Integration gewährleisten.
Aus den Begriffen der “Kriegsbeschädigung“, “Kriegsversehrung“,
“der Schwerbeschädigung“ entstand der kausalitätsneutrale Begriff der “Schwerbehinderung“.
Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch- Teilhabe und Rehabilitation behinderter Menschen- ist am 01.07.01 in Kraft getreten.
Es beendet die bestehende Unübersichtlichkeit, indem die Vorschriften, die für mehrere Sozialleistungsbereiche gelten, zusammengefasst werden. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr allein die Fürsorge und die Versorgung von behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen, sondern ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Beseitigung von Hindernissen, die ihrer Chancengleichheit entgegenstehen.
Es geht um ein besseres Recht, ein besseres Leben für die viele Menschen mit Behinderungen und für die von einer Behinderung bedrohten Menschen. Deswegen sind die Bestimmungen des SGB IX darauf ausgerichtet, dieses Ziel mit medizinischen, beruflichen und sozialen Leistungen schnell, wirkungsvoll, wirtschaftlich und auf Dauer zu erreichen.
Auf den nun folgenden Seiten werde ich mich nun näher mit den konkreten Wirkungskreisen dieses Gesetzes auseinandersetzen.
1.
1Das aktuelle Schwerbehindertengesetz:
( in der Fassung vom 01.07.2001)
Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX)
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
Mit Wirkung vom 01.07.2001 ist das Schwerbehindertengesetz in das Sozialgesetzbuch als Neuntes Buch (SGB IX) integriert worden.
Inhaltsverzeichnis
Erster Abschnitt: Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte
Menschen
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
§ 2 Behinderung
§ 3 Gleichgestellte
§ 4 Feststellung der Behinderung, Ausweise
Zweiter Abschnitt: Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber
§ 5 Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
§ 6 Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen
§ 7 Begriff des Arbeitsplatzes
§ 8 Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der
Pflichtarbeitsplatzzahl
§ 9 Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für
schwerbehinderte Menschen
§ 10 Mehrfachanrechnung
§ 11 Ausgleichsabgabe
§ 12 Ausgleichsfonds
Dritter Abschnitt: Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten
Menschen
§ 13 Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesanstalt für Arbeit und
den Integrationsämtern
§ 14 Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen
§ 14a Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
§ 14b Integrationsvereinbarung
§ 14c Prävention
Vierter Abschnitt: Kündigungsschutz
§ 15 Erfordernis der Zustimmung
§ 16 Kündigungsfrist
§ 17 Antragsverfahren
§ 18 Entscheidung des Integrationsamtes
§ 19 Einschränkungen der Ermessensentscheidung
§ 20 Ausnahmen
§ 21 Außerordentliche Kündigung
§ 22 Erweiterter Beendigungsschutz
Fünfter Abschnitt: Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalt- und Präsidialrat,
Schwerbehindertenvertretung, Beauftragter des Arbeitgebers
§ 23 Aufgaben des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalt- und
Präsidialrates
§ 24 Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung
§ 25 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
§ 26 Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauensperson der
schwerbehinderten Menschen
§ 27 Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung
§ 28 Beauftragter des Arbeitgebers
§ 29 Zusammenarbeit
Sechster Abschnitt: Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe
schwerbehinderter Menschen
§ 30 Zusammenarbeit der Hauptfürsorgestellen und der Bundesanstalt für
Arbeit
§ 31 Aufgaben des Integrationamtes
§ 32 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt
§ 33 Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit
§ 34 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei der Bundesanstalt für
Arbeit
§ 35 Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen
§ 36 Gemeinsame Vorschriften
§ 37 Übertragung von Aufgaben
Siebter Abschnitt: Integrationsfachdienste
§ 37a Begriff und Personenkreis
§ 37b Aufgaben
§ 37c Beauftragung und Verantwortlichkeit
§ 37d Fachliche Anforderungen
§ 37f Ergebnisbeobachtung
§ 37g Verordnungsermächtigung
Achter Abschnitt: Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur
Teilhabe schwerbehinderter Menschen und gleichgestellter
Behinderter Menschen
§ 38 Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe
schwerbehinderter Menschen
§ 39 Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen
Neunter Abschnitt: Widerspruchsverfahren
§ 40 Widerspruch
§ 41 Widerspruchssausschuss bei dem Integrationsamt
§ 42 Widerspruchsausschuss beim Landesarbeitsamt
§ 43 Verfahrensvorschriften
Zehnter Abschnitt: Sonstige Vorschriften
§ 44 Vorrang der schwerbehinderten Menschen
§ 45 Arbeitsentgelt
§ 46 Mehrarbeit
§ 47 Zusatzurlaub
§ 48 Nachteilsausgleich
§ 49 Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Heimarbeit
§ 50 Schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen,
Soldaten und Soldatinnen
§ 51 Unabhängige Tätigkeit
§ 52 Geheimhaltungspflicht
§ 53 Statistik
Elfter Abschnitt: Integrationsprojekte
§ 53a Begriff und Personenkreis
§ 53b Aufgaben
§ 53c Finanzielle Leistungen
§ 53d Verordnungsermächtigung
Zwölfter Abschnitt: Werkstätten für behinderte Menschen
§ 54 Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen
§ 54a Aufnahme in die Werkstätten für behinderte Menschen
§ 54b Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen
§ 54c Mitwirkung
§ 55 Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe
§ 56 Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand
§ 57 Anerkennungsverfahren
§ 58 Blindenwerkstätten
Dreizehnter Abschnitt: Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im
öffentlichen Personenverkehr
§ 59 Unentgeltliche Beförderung, Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle
§ 60 Persönliche Voraussetzungen
§ 61 Nah- und Fernverkehr
§ 62 Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr
§ 63 Erstattung der Fahrgeldausfälle im Fernverkehr
§ 64 Erstattungsverfahren
§ 65 Kostentragung
§ 66 Einnahmen aus Wertmarken
§ 67 Erfassung der Ausweise
Vierzehnter Abschnitt: Straf-, Bußgeld- und Schlussvorschriften
§ 68 Bußgeldvorschriften
§ 69 Strafvorschriften
§ 70 Stadtstaatenklausel
§ 71 Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst
§ 72 Übergangsregelung
§ 73 Überprüfungsregelung
2.
1 Wer gilt als Schwerbehinderter?
Nach §1 SchwbG sind Schwerbehinderte im Sinne des Schwerbehindertengesetz Personen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50, sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des §7 Abs.1 SchwbG rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzes, also in der Bundesrepublik Deutschland haben. Kraft des Gesetzes gilt dies für alle Personen, die die skizzierten Voraussetzungen erfüllen. Da die meisten Behinderungen nicht sichtbar und eindeutig erkennbar sind, muss der Grad der Behinderung (GdB) amtlich festgestellt werden. Dafür sind die Versorgungsämter zuständig. Das SchwbG (§3) definiert Schwerbehinderung als eine Funktionseinbuße, die regelwidrig, d.
h. für das jeweilige Lebensalter atypisch, also nicht altersbedingt, ist und nicht nur vorübergehend, d.h. länger als sechs Monate besteht. Die Funktionseinbuße kann körperlicher, geistiger oder seelischer Art sein. Der genaue Grad der Behinderung wird in einem amtsärztlichen Gutachten festgelegt, wobei sich der Arzt streng an die Vorgaben des Ministeriums (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz) halten muss.
Wichtig erscheint auch, dass der Grad der Behinderung nicht additiv im Sinne einer Summe von funktionellen Störungen und Behinderungen ermittelt wird, sondern es wird ein qualitativer Gesamtgrad der Behinderung festgelegt. Der Grad der Behinderung wird in Zehnerschritten (z.B. 60, 70) beziffert.
Neben den Schwerbehinderten, welche einen Behinderungsgrad von 50 oder mehr haben, gibt es die Möglichkeit für Behinderte, sich ab einem Behinderungsgrad von 30 und mehr, diesen gleichstellen zu lassen (sogenannte Gleichgestellte). Eine Gleichstellung wird dann erfolgen, wenn der Antragssteller infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des §7 Abs.
1 nicht erlangen oder behalten kann. In diesem Fall ist das Arbeitsamt zuständig.
Personen, welche als schwerbehindert gelten, erhalten vom Versorgungsamt einen rechtsfähigen Bescheid sowie eine Schwerbehindertenausweis. Der Ausweis
( §4 Abs.5 SchwbG) ist meistens befristet( Höchstdauer 15 Jahre; vgl. Landschaftsverband Westfalen-Lippe 1997, 52f.
), enthält keine medizinischen Daten, aber kann mit bestimmten Merkzeichen ausgestaltet sein, welche Rückschlüsse auf bestimmte Behinderungsarten zulassen.
2.2 Übersicht der Merkzeichen (vgl. Der Beauftragte der Bundesregierung 1998, 24f.):
G:
"erheblich gehbehindert", wichtig für Freifahrtregelungen im öffentlichen Personenverkehr und Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer
aG
"außergewöhnlich gehbehindert", wichtig für die Freifahrtregelung im öffentlichen Personenverkehr, Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer sowie für Sonderparkrechte im Kraftfahrzeugverkehr
H
"hilflos", wichtig für erhöhte Freibeträge bei der Einkommensteuer, Freifahrtregelung im öffentlichen Personenverkehr und Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer
BL
"blind", wichtig für bestimmte Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, für Landesblindengeld, für die Freifahrtregelung im öffentlichen Personenverkehr, Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer sowie für erhöhte Freibeträge bei der Einkommensteuer
RF
erfüllt die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
1.KL
erfüllt die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1.
Wagenklasse mit Fahrausweis der 2.Wagenklasse
B
"Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen", wichtig für die kostenlose Beförderung der Begleitperson im öffentlichen Personenverkehr
2.3 Schwerbehinderte am Arbeitsplatz:
Zentrales Anliegen des Schwerbehindertengesetzes ist es, den Betroffenen ihrer Behinderung adäquate Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Natürlich geschieht dies nicht unmittelbar kraft des Gesetzes, sondern über bestimmte arbeitsrechtliche Bestimmungen, welche sowohl für private als auch öffentliche Arbeitgeber gelten. Dabei legt der Gesetzgeber den Arbeitgebern fundamentale Verpflichtungen auf, welche im Gesetzestext detailliert beschrieben werden.
2.
4 Die Beschäftigungspflicht:
Jeder Arbeitgeber mit mehr als 15 Arbeitsplätzen, d.h. mit 16 oder mehr, ist verpflichtet nachzuweisen, dass mindestens 6% seiner Arbeitsplätze für schwerbehinderte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (vgl. §5 SchwbG). Die Beschäftigungsquote für Arbeitgeber der öffentlichen Hand kann höher beziffert werden als die der privaten Wirtschaft. Bei der Berechnung von Pflichtplätzen gibt es die Möglichkeit der Mehrfachanrechnung.
Bestimmte Schwerbehinderte, die besonders schwer zu vermitteln sind (vgl. §10 Absatz 1 SchwbG) können ebenso wie schwerbehinderte Auszubildende (§10 Absatz 2 SchwbG) doppelt angerechnet werden. Durch diese Maßnahmen soll die berufliche Integration schwerbehinderter Jugendlicher und schwervermittelbarer Personen begünstigt werden. Für alle Arbeitgeber, welche ihrer Pflichtquote nicht nachkommen, gibt es die Möglichkeit, sich über eine Ausgleichsabgabe von ihrer Verpflichtung freizukaufen. Diese liegt derzeit bei 200, -DM pro Pflichtplatz und Monat (§11 Absatz 1 und 2 SchwbG). Durch diese Abgabe sollen zum einen Wettbewerbsnachteile für Unternehmen
ausgeglichen werden, zum anderen sollen Arbeitgeber finanzielle Nachteile spüren, wenn sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen.
Arbeitgeber, welche Aufträge an Werkstätten für Behinderte vergeben, können bis zu 30% des Rechnungsbetrages auf die zu zahlende Ausgleichsabgabe anrechnen, wenn u.a. der Rechnungsbetrag nicht zu weniger als 30% von den in der Werkstatt behinderten Beschäftigten als Arbeitsleistung erbracht wird (vgl. Bethmann/Feldes et al. 1999, 98).
Die Ausgleichsabgabe wird von der Hauptfürsorgestelle erhoben.
Sie darf nur für Zwecke der Arbeits- und Berufsförderung Schwerbehinderter sowie für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben (§31 Absatz 1 SchwbG) verwendet werden. Diese Leistungen bestehen in der Regel aus Zuschüssen zur behindertengerechten Umgestaltung von Arbeitsplätzen und aus Hilfen zur adäquaten betrieblichen Umstrukturierung im Hinblick auf schwerbehinderte Arbeitnehmer (z.B. Toiletten etc.).
2.
4.1 Statistik und Praxis:
Schaut man sich die praktische Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen an, so lässt sich feststellen, dass wesentliche Aspekte des Gesetzes nicht erfüllen, was man sich in der Theorie von ihm versprochen hatte. Die Bundesregierung beziffert die tatsächliche Beschäftigungsquote für die Bundesrepublik auf 3,9% (Stand 1996; vgl. BMA 1998, 70). Somit ist die Quote seit 1982 (von 5,9%) kontinuierlich gesunken. Dabei fallen die Beschäftigungsquoten der öffentlichen Arbeitgeber (1996: 5,2%) deutlich höher aus als die der privaten Wirtschaft (1996: 3,5%).
Der Bund als Arbeitgeber sollte dabei mit 6,9% (1996) eine Vorbildfunktion haben. Die private Wirtschaft scheint jedoch mit solchen Statistiken nicht zu beeindrucken zu sein. Für Oktober 1997 waren bei den Arbeitgebern 23,11 Mio. Arbeitsplätze vorhanden. Grundlage für die Berechnung der mit Schwerbehinderten zu besetzenden Pflichtplätze waren 20,62 Mio. Arbeitsplätze.
Nach dem Pflichtsatz von 6% wären somit 1,24 Mio. Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen gewesen. Tatsächlich waren 795.100 Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten, Gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen besetzt (vgl. Landschaftsverband Rheinland 1999, 13).
2.
4.2 Kommentar:
Wie die Kommentare der meisten Experten verzeichnen, wird die Ausgleichsabgabe als unzureichendes Instrument betrachtet, Arbeitgeber zur Beschäftigung von Schwerbehinderten zu bewegen (vgl. Cloerkes 1997, Wagner 1996, Niehaus 1994). Als eine Hauptursache wird gesehen, dass Betriebe, welche ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, keinerlei Sanktionen drohen und die Ausgleichsabgabe ökonomisch leicht zu verkraften erscheint. Viele Arbeitgeber scheinen aber auch die bürokratischen Hindernisse, welche mit einer behindertengerechten Umstrukturierung von Arbeitsplätzen verbunden sind, zu überschätzen. In der Regel funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den interessierten Betrieben, dem Arbeitsamt und den Fürsorgestellen reibungslos und zügig (vgl.
Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Hauptfürsorgestellen 1990). Es scheint einiges darauf hinzudeuten, dass traditionelle Vorurteile und Fehlinformationen oftmals Ursache für die skeptische bis ignorante Haltung der Arbeitgeber zu sein scheinen. Außerdem wird immer wieder festgestellt, dass es für Arbeitnehmer, welche bereits beschäftigt im Verlaufe des Berufsleben den Schwerbehindertenstatus erwerben, leichter ist, angemessene innerbetriebliche Unterstützung zu erfahren als das bei einer Neueinstellung von Schwerbehinderten der Fall ist. Vielfach ist von der Praxis die Rede, dass Bewerbungen von Schwerbehinderten entgegen der gesetzlichen Regelungen, gar nicht erst berücksichtigt werden und ohne Nennung von Gründen abgelehnt werden (vgl. Harmsen 1988, 60f).
2.
5 Der Kündigungsschutz und Zusatzurlaub
Ein möglicher Grund dafür, dass es Arbeitgebern schwer fällt, Schwerbehinderte zu beschäftigen wird von Experten darin gesehen, dass unter ihnen die irrige Vorstellung zu herrschen scheint, dass man schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht kündigen könne (vgl. Harmsen 1988, 94ff). Die gängige Redensart "die wirste nich mehr los" ist in diesem Sinne nur ein Beispiel für den unzureichenden Informationsstand der Arbeitgeber hinsichtlich der geltenden Rechtspraxis.
Tatsächlich steht Schwerbehinderten ein besonderer Kündigungsschutz (vgl. §15-22 SchwbG) zu. Dieser besteht darin, dass im Falle eines schwerbehinderten Arbeitnehmers weder eine ordentliche, noch eine außerordentliche Kündigung ohne Zustimmung der zuständigen Hauptfürsorgestelle rechtswirksam ausgesprochen werden kann (vgl.
Schmidt 1997, 88ff.). Diese Regelung gilt nicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis weniger als 6 Monate besteht. "Der Kündigungsschutz gilt auch für Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, sofern sie vom Arbeitsamt den Schwerbehinderten gleichgestellt worden sind" (Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes NRW 1998/1, 16). Der Kündigungsschutz gilt selbst dann, wenn der Schwerbehindertenstatus vom Versorgungsamt noch nicht festgestellt, ein Antrag aber bereits gestellt wurde. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer innerbetrieblich Informationen über ihre potentielle Kündigung bekommen und daraufhin einen formellen Antrag zur Feststellung des Schwerbehindertenstatus beim Versorgungsamt oder zuständigen Stellen einreichen.
Der Arbeitgeber ist bei jeder Kündigung, welche schwerbehinderte Arbeitnehmer betrifft, dazu verpflichtet, die Gründe für diesen Schritt dezidiert und schriftlich bei der Hauptfürsorgestelle vorzulegen. Diese wird sich sorgfältig mit den vorgetragenen Kündigungsgründen auseinandersetzen. In ihrer Entscheidung ist sie jedoch auf Grund der Vorschrift des §19 SchwbG insoweit eingeschränkt, als die Zustimmung zu erteilen ist, wenn der Betrieb oder Teile von ihm aufgelöst werden und der Schwerbehinderte keinen anderen geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz im Betrieb finden kann und wenn ihm ein anderer diesbezüglicher Arbeitsplatz gesichert ist. Sollten die Kündigungsgründe in irgendeinem Zusammenhang mit der Behinderung stehen, so sollte eine Kündigung nach Möglichkeit vermieden werden.
2.6 Zusatzurlaub:
Nach §47 SchwbG haben Schwerbehinderte Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des Schwerbehinderten auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend (vgl.
auch Schmidt 1997, 275f).
2.6.1 Statistik und Praxis:
"Die Zahl der Anträge auf Zustimmung zur Kündigung spiegelt die allgemeine konjunkturelle Lage wider. So ist die Zahl der Anträge in den alten Bundesländern von rund 15000 im Jahre 1990 auf rund 29000 im Jahr 1996 gestiegen. Endeten 1995 noch 81,5 v.
H. aller Verfahren mit dem Arbeitsplatzverlust, waren dies 1996 geringfügig weniger, nämlich 79,4 v.H. In insgesamt etwa 7600 Fällen konnte der Arbeitsplatz mit Hilfe des Kündigungsschutzes erhalten werden" (BMA 1998, 75). Das heißt, dass nur für etwas mehr als 20% der gekündigten Schwerbehinderten der besondere Kündigungsschutz wirksam wurde. Im Bericht der Bundesregierung wird aber explizit darauf hingewiesen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunehmend einvernehmlich über einen Aufhebungsvertrag trennten.
2.6.2 Kommentar:
Die geringe Zahl der vermittelten Arbeitsplätze für Schwerbehinderte (vgl. ) scheint ein Beweis dafür zu sein, dass sich der Kündigungsschutz zumindest nicht positiv auf die Einstellungspraxis auswirkt.
Leider trägt die Unwissenheit und der häufig geringe Informationsstand der Arbeitgeber dazu bei, dass sie Schwerbehinderte für unkündbar halten und sich deshalb scheuen, Arbeitsplätze mit ihnen zu besetzen. Einen wichtigen Beitrag in dieser Richtung leisten v.
a. die Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben.
2.7 Die Schwerbehindertenvertretung
Laut §24 SchwbG muss in allen Betrieben oder Dienststellen, in denen wenigstens fünf oder mehr Schwerbehinderte (oder Gleichgestellte) nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, in regelmäßigen Abständen (mindestens alle vier Jahre) eine Schwerbehindertenvertretung und ein/e Stellvertreter/in gewählt werden. Wahlberechtigt sind alle im Betrieb beschäftigten Schwerbehinderten (das genaue Verfahren ist in der Wahlordnung Schwerbehindertengesetz (SchwbWO) festgeschrieben). Hauptaufgaben dieser Vertretungen sind die Eingliederung der Schwerbehinderten in den Betrieb zu fördern, ihre Interessen zu vertreten und ihnen beratend zur Seite zu stehen (vgl.
§25 SchwbG). Vor allem soll die Schwerbehindertenvertretung
- darüber wachen, dass der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber den Schwerbehinderten erfüllt und die zugunsten der Schwerbehinderten geltenden Gesetze, Verordnungen und Tarifverträge beachtet werden.
- Maßnahmen, die Schwerbehinderten dienen, bei den zuständigen Stellen selbst beantragen (z.B. technische Hilfen am Arbeitsplatz).
- berechtigten Anregungen und Beschwerden von Schwerbehinderten nachgehen.
Eine wichtige Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung besteht darin, den innerbetrieblich beschäftigten Schwerbehinderten als Ansprechpartner in persönlichen und betrieblichen Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn es darum geht, einen Arbeitsplatz behindertengerecht umzugestalten. Dabei gewähren die Vertretungen Hilfen bei der Antragsstellung und informieren über außerbetriebliche Nachteilsausgleiche bezüglich der behinderungsspezifischen Problemlagen (vgl. BMA 1999, 108ff).
Damit die Schwerbehindertenvertretung / die Vertrauensleute ihre Aufgaben überhaupt sorgfältig und umfassend bewältigen können, ist vonnöten, dass sie sich regelmäßig fortbilden und in aktuellen Rechtsfragen geschult werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Vertrauensleuten diesbezüglich Freistellung von der betrieblichen Arbeit zu gewähren (vgl.
§26 SchwbG Nr.15. 3/4 Rd.Erl.).
Neben der Schwerbehindertenvertretung gelten der Arbeitgeber, der Beauftragte des Arbeitgebers (§28 SchwbG) und der Personalrat als die betrieblichen Helfer.
Für diese betrieblichen Helfer besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit (§29 SchwbG). Sie haben die Aufgabe, zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in den Betrieb beizutragen, Schwerbehinderte bei einer Einstellung zu beraten, zu unterstützen und zu vertreten und sind diesen gegenüber bei einer Entlassung zu besonderer Fürsorge verpflichtet (Fürsorgeerlaß Nr.4).
2.8 Versorgungs-, Arbeitsamt und Hauptfürsorgestelle:
Die Aufgabe nach dem Schwerbehindertengesetz werden u.a.
von Versorgungsämtern, der Arbeitsverwaltung und Hauptfürsorgestelle wahrgenommen.
Die Versorgungsämter stellen die Behinderung, den Grad der Behinderung und weiter gesundheitliche Merkmale fest. Außerdem stellen sie die Schwerbehindertenausweise aus. Die Bundesanstalt für Arbeit fördert die Einstellung schwerbehinderter Menschen und überwacht die Beschäftigungspflicht. Die Hauptfürsorgestellen schließlich kümmern sich um den besonderen Kündigungsschutz und die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben(vgl. Soziale Sicherung im Überblick,1997,S.
71)
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