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  Fall der mauer

Einleitung  Die Wiedervereinigung Deutschlands, die heute allgemein als die "Wende" bezeichnet wird, war zweifellos einer der größten Umbrüche im 20. Jahrhundert. Obwohl sich die Führung der DDR in der Mitte der achtziger Jahre vehement gegen die liberale Reformpolitik Gorbatschows weigerte, war sie der erste Ostblockstaat, der sich für unabhängig deklarierte und die Wiedervereinigung anstrebte. Außerdem kann man sagen, daß die Wende maßgeblich für den Verfall der UdSSR in den neunziger Jahren verantwortlich war. Interessant ist ebenfalls, daß dieser ganze Prozeß ohne gröbere Waffengewalt passierte, auch wenn Europa in dieser Zeit einem Krieg mit den Staaten des Warschauer Paktes nur knapp entrinnen konnte. Um die Vorgänge im Herbst 1989 besser verstehen zu können, muß die sowohl die Geschichte der BRD als auch die der DDR nach 1945 genauer behandelt werden.

 Die Pläne der Westmächte zur Teilung Deutschlands  Von den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts an bis nach dem zweiten Weltkrieg stellte Deutschland für viele Staaten und ausländische Politiker eine globale Bedrohung dar. Der typische Deutsche galt als Fanatiker den Militarismus betreffend, war politisch Zügellos und vor allem hungrig nach Macht. Diese Sichtweise wurde maßgeblich bestimmt durch den Verlauf der Geschichte der letzten beiden Jahrhunderte, als Deutschland unter Bismarck zuerst zu einem einheitlichen Großreich heranwuchs, das Hitler schließlich zusammen mit ganz Europa in die Katastrophe des zweiten Weltkriegs stürzte. Die Geschichte schien also zu beweisen, daß ein starkes Deutschland niemals friedlich mit einem stabilen europäischen Staatensystem kooperieren könne. Durch eine Teilung Deutschland wollte man die Gefahr eines neuerlichen Erstarkens eindämmen.

Schon bereits während des zweiten Weltkriegs hielten die alliierten Mächte eine Zersplitterung Deutschlands für die sinnvollste Lösung, um einen dauerhaften Frieden in Europa zu erhalten. Bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister Anthony Eden ließ das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Josef Stalin keinen Zweifel daran, daß er eine Teilung favorisierte. Auch Winston Churchill sah dies als eine Richtige Entscheidung an, wobei man sich seiner Ansicht nach mehr auf Preußen konzentrieren sollte, sei dies doch das Grundübel der deutschen Politik. Auf der ersten Konferenz von Groß Britannien, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika in Teheran 1943 einigten sich Churchill, Stalin und Roosevelt schließlich auf eine endgültige Zerteilung. Man vertrat die Meinung, daß ein wiedervereinigtes Deutschland zweifellos eine massive Bedrohung für die Menschheit darstelle und die besprochenen Maßnahmen ganz im Sinne des Weltfriedens lägen. Über die Ausmaße der Teilung selbst war man sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einig, wohl aber daß ein territorial dezimiertes Deutschland ein zukünftiger Partner in diversen Staatenbündnissen sein könnte.

Jedoch stand diesem Aspekt ein eventueller wirtschaftlicher Ruin gegenüber. Waren die Vertreter der großen Weltmächte in Teheran noch einer Ansicht gewesen, so lag bereits der Schatten des kalten Krieges über den Friedensverhandlungen in Jalta. Angesichts der immer weiter fortschreitenden Expansion der UdSSR zeigte sich Churchill beunruhigt über eine Teilung Deutschlands, und die Angelegenheit wurde an eine eigene Expertenkommission weitergeleitet. Bei der Siegesparade anläßlich des Triumphs über die Truppen Hitlers am 9. Mai 1945 wich aber Stalin entgegen allen Erwartungen von der Zerschlagung Deutschlands ab, offenbar von der Hoffnung geleitet die Besatzungsmacht nützen zu können, um Einfluß auf das ganze Land erlangen zu können und damit den Anspruch auf Reparationen aus dem Ruhrgebiet durchzusetzen. Ob eine Wiedervereinigung nach dem zweiten Weltkrieg überhaupt möglich gewesen wäre, wenn ja zu welchen Konditionen, darüber streiten sich Geschichtsforscher heute immer noch.

Fest steht jedoch, daß die Sowjetunion schon von Beginn an der Besatzungsperiode ihren Willen dokumentierte, die eroberten Gebiete nicht ohne gewissen Entschädigungen und Bedingungen zu verlassen. Neben wirtschaftlichen Interessen strebte Stalin außerdem die Errichtung eines Sicherheitsgürtels vor Rußland an, war es doch schon unter Hitler und Napoleon überfallen worden. Deutschland spielte dabei eine besondere Rolle, weil es nicht nur die Schuld am zweiten Weltkrieg trug, sondern auch die geographische Lage zur Beherrschung von Ost- und Mitteleuropa darstellte.   Die vier Besatzungszonen  1. UdSSR Südpommern, Mecklenburg, Sachsen Anhalt, Sachsen, Thüringen, Brandenburg   2. USA Hessen, Bayern, Nordbaden, Nordwürttemberg, Bremen   3.


Großbritannien Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen   4. Frankreich Rheinland-Pfalz, Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern     Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland (BRD)   Am 7. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Deutschlands, und das Land wurde wie schon Österreich zuvor in vier Besatzungszonen (britisches, amerikanisches, russisches und französisches Gebiet) aufgeteilt, wobei Berlin eine aus vier Sektoren bestehende Stadt war. Oberste staatliche Autorität war ein durch die Alliierten eingesetzter Kontrollrat, der das Land in der Übergangsphase regierte. Als Maßnahmen zur Sicherung des Friedens begann man mit der Entnazifizierung, Dezentralisierung der Wirtschaft und Demontage von Anlagen der Rüstungsindustrie. Außerdem wurden in den Jahren 1945 bis 1950 die Nürnberger Prozesse abgehalten, bei der ehemalige führende Personen und Organisationen und andere Helfer des nationalsozialistischen Systems zur Rechenschaft gezogen wurden.

Angeklagt waren über hundert Kriegsverbrecher, unter ihnen beispielsweise Göring, Ribbentrop und Heß. Bis zur endgültigen Regelung der Frage um die territoriale Aufteilung Deutschlands wurden die Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie unter sowjetisch polnische Verwaltung gestellt. Unterdessen befanden sich die USA und die Sowjetunion bereits in den Anfangsphasen des Kalten Krieges, und das Verhältnis zwischen diesen beiden Staaten wurde immer angespannter. Im Jahre 1948 war die Teilung Deutschlands für Adenauer, der damals noch Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone war, keine drohende Gefahr mehr, sondern eine bereits beschlossene Sache gewesen. Sie sei vom Osten her geschaffen und müsse nun durch den Wiederaufbau der deutschen Einheit vom Westen her wieder beseitigt werden, erklärte er dazu in der "Kölner Rundschau" vom 3. April 1948.

Zuerst mußte der westliche Teil fest in die Gemeinschaft der demokratischen Staaten eingegliedert werden, um mit deren Hilfe ein politisch stabiles und wirtschaftlich erfolgreiches System aufzubauen, das mit seiner Attraktivität die abgesplitterten Bundesländer im Osten wieder eingliedern sollte. So strebte man die Wiedervereinigung Deutschlands an, die ohne eine gesicherte Bindung zum Westen nur mit der Sowjetisierung des ganzen Landes zu erreichen gewesen wäre. Nach der Wahl des ersten deutschen Bundestages vom 14. September 1949 bildete Adenauer eine Koalitionsregierung aus CDU (christlich demokratische Union), CSU (christlich soziale Union), FDP (freie demokratische Partei) und DP (deutsche Partei). Theodor Heuss wurde zum Bundespräsidenten gewählt. Während die SPD im Wahlkampf für eine Einführung der zentralen Planwirtschaft und eine Sozialisierung der Grundstoffindustrien war, leitete die Regierung Adenauer ein System der freien Marktwirtschaft ein.

Adenauer hielt auch nach der Wahl zum ersten Bundeskanzler der neuen Republik an der Westintegration seinen Vaterlandes fest. Es galt die angerichteten Schäden die internationalen Beziehungen betreffend so schnell wie möglich zu reparieren und einen Zusammenschluß der europäischen Mächte zu forcieren. Damit könne man den Herrschaftsbereich der UdSSR, der mittlerweile bis zur Elbe reichte, weitgehend eindämmen und die Demokratie in Europa sichern. Die Maßnahmen zum Zusammenschluß wurde außerdem durch den immer mehr angefachten Konflikt zwischen dem Osten und dem Westen, der im Jahre 1950 bei Ausbruch des Koreakrieges offensichtlich wurde, gefördert. Endgültig verwirklicht wurde die Westintegration durch den Beitritt Deutschlands zur NATO im Mai 1945. Am 5.

Mai 1955 wurde Deutschland schließlich von der Kontrolle durch die Besatzungsmächte befreit und für souverän erklärt. Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf der Grundlage der Römischen Verträge vom 25. März 1957 sowie die Beteiligung der Bundesrepublik an weiteren europäischen Zusammenschlüssen - zum Beispiel an der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) - führten diese Integrationspolitik weiter zum Erfolg. Die These Adenauers durch die Anbindung an die westlichen Staaten nicht nur Sicherheit sondern auch Akzeptanz zu erreichen hatte sich schon nach so kurzer Zeit als Richtig herausgestellt. Unter dem damaligen Bundeskanzler wurde die Bundesrepublik Deutschland zu einem zuverlässigen Partner der europäischen Staaten, und es schien als hätte man die Krise des zweiten Weltkrieges überstanden. Der Preis dafür war zweifellos die Teilung des Landes, die auf diese Weise unter den Bedingungen des Kalten Krieges kaum zu überwinden gewesen wäre.

  Die Entstehung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)  Die sowjetische Besatzungszone, die sich entlang der Oder-Neiße-Linie durch ganz Deutschland zog, wurde bereits von Beginn an in den kommunistischen Machtbereich eingegliedert. Zu Beginn der sowjetischen Besatzungszeit gab es in Ostdeutschland noch dieselben Parteien wie im Westen. Im April 1946 erfolgte jedoch die Gründung der sozialistischen Einheitspartei (SED), die einen Alleingültigkeitsanspruch erhob und zur einzigen politischen Fraktion wurde. Auf den Zusammenschluß der anderen Besatzungszonen reagierte die SED im Dezember 1947 mit dem Deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden, der als verfassunggebende Kraft schließlich den Volksrat bildete. Zur Teilnahme waren alle Parteien, die ebenfalls die Ansichten der SED vertraten, aufgerufen. Zu diesem Zeitpunkt gab es neben einigen wenigen anderen Parteien noch die CDU.

Der größte Teil der Delegierten stammte aus den Lagern der SED, und so konnte die Versammlung ganz nach deren Wünschen beeinflußt werden. Der Kongreß kritisierte vor allem den Marshall Plan und die Westintegration. Außerdem wurde die positive Haltung zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion bekannt gegeben. In weiteren Zusammenkünfte schloß man immer mehr westlich orientierte Parteien aus. Am 7. Oktober 1949 erklärte sich ein neu gewählter Volksrat, ein aus 400 Mitgliedern bestehendes Gremium, zur "Provisorischen Volkskammer der DDR" und arbeitete nach Absprache mit der SED und der Besatzungsmacht eine erste Verfassung aus.

Als am 7. September 1949 der deutsche Bundestag in Bonn zum ersten mal zusammentrat, übte die Führung der SED heftigste Kritik und propagierte eine kommende Übernahme der sowjetischen Besatzungszone. Einen Monat später, am 7. Oktober, wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet. In der neu gegründeten DDR verloren die Oppositionsparteien immer mehr an politischem Einfluß, die SED hingegen erstarkte, waren doch alle wichtigen Positionen deren Vertretern besetzt. Etwa zwei Wochen nach der Ausrufung der DDR wurde Wilhelm Pieck an die Führungsspitze des Landes gewählt, und Otto Grotewohl wurde Ministerpräsident.

Zwar wurden die Posten der Stellvertreter auch mit Mitgliedern anderer Parteien besetzt, jedoch wurden diesen Personen nach und nach repräsentative Aufgaben zugewiesen. Um den Einflußbereich zu vergrößern setzte man jedem Minister, der nicht in die SED involviert war, einen Staatssekretär zur Seite, der aus dem kommunistischen Lager kam. Im Februar 1950 wurde das Ministerium für Staatssicherheit gebildet, ein Institution, die kurz auch Stasi genannt wird, deren Aufgabe es war, jegliche Opposition aufzuspüren und im Keim zu ersticken. In der Stasi organisierte sich ein Netz aus Agenten, das eng mit der Polizei kooperierte. In den fünfziger Jahren fanden in den Reihen der SED diverse Säuberungsaktionen statt, um sich oppositionellen Strömungen innerhalb der Partei zu entledigen. Es folgte ein Ausschluß von über 150 000 Mitgliedern.

Auch die Landwirtschaft wurde nach den Vorstellungen der SED und nach russischem Vorbild modifiziert. Man führte ein System der zentralen Planwirtschaft und den sogenannten Fünfjahresplan ein. Im Zuge dieses Prozessen wurden die bisherigen Länder durch 14 Bezirke ersetzt, was eine bessere Kontrolle und Planung ermöglichen sollte. Die DDR hatte jedoch mit einigen Problemen zu kämpfen. Die Wirtschaft war nach dem Krieg schwach, und im Gegensatz zum Westen konnte Ostdeutschland keine Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. Außerdem litt es immer noch unter der Demontage von Industrieanlagen zu Gunsten der Sowjetunion.

Um die hoch gesteckten Ziele zu realisieren, erhöhte man einfach die Steuerabgaben des Mittelstandes und setzte Richtlinien in Produktion und Landwirtschaft. Aufgrund der schlechten wirtschaftliche Lage, des schlechten Lebensstandards und der hohen Preise für Konsumgüter wanderten viele Arbeiter ins westliche Ausland ab, und im Januar 1953 gab es bereits die ersten Demonstrationen. Die Führung war gezwungen zu handeln, gab begangene Fehler zu und versprach den Prozeß der Zwangskollektivierung zu verlangsamen. Als diese Maßnahmen aber keine Wirkung zeigten, kam es am 17. Juni zum Volksaufstand. Aus einer kleinen Demonstration für die Herabsetzung der Normen wurde in kurzer Zeit ein Zug von über 10 000 Aktivisten.

Der Protest breitete sich über die gesamte DDR aus und hatte nach einigen Tagen bereits 250 Städte erfaßt. Anfangs verfolgten die Demonstranten wirtschaftliche Interessen, die sich aber dann zu Forderungen nach Neuwahlen, Demokratie und Einheit ausweiteten. Um einen drohenden Regierungssturz zu verhindern, intervenieren sowjetische Truppen, die den Aufstand blutig niederschlugen. Die SED konnte man also rein durch Aufstände nicht von der Regierungsposition verdrängen. In den Jahren danach flüchteten über 330 000 Menschen nach Westdeutschland, die meisten von ihnen unter 30 Jahre alt.  Die Beziehungen zwischen BRD und DDR  Mittlerweile mußte die Bundesrepublik nicht mehr gegen die negativen Einstellungen aus dem Ausland ankämpfen, sondern sah sich mit einer immer stärker werdenden Entfremdung von der DDR konfrontiert.

Die beiden neuen Staaten unterschieden sich grundlegend voneinander. Auf der einen Seite war die demokratische Bundesrepublik, die von ihrem Nachbarn als imperialistisch und herrschsüchtig angesehen wurde, und auf der anderen Seite der kommunistische Nachbar als sowjetischer Satellitenstaat unter der Herrschaft eines Regimes. Nach Ausrufung der Unabhängigkeit der DDR herrschte jahrelang diplomatisches Schweigen zwischen Bonn und Moskau. In den fünfziger Jahren konnte Adenauer die Freilassung der letzten knapp 10 000 deutschen Kriegsgefangenen und die von circa 20 000 Zivilinternierten erreichen. Als Gegenleistung mußte der Kanzler der von Moskau geforderten Aufnahme diplomatischer Beziehungen zustimmen. Um zu verhindern, daß Staaten außerhalb des Warschauer Paktes Beziehungen zur DDR aufbauten, wurde ein nach dem ehemaligen Außenminister Hallstein benanntes Doktrin verfaßt, das jede Aufnahme diplomatischen Kontakts mit der DDR als einen unfreundlichen Akt deklarierte.

Erst mit Beginn der Lockerung der Konfrontation zwischen dem Osten und dem Westen nach den Krisen in Kuba und in Berlin wurden wieder vermehrt mit der DDR Gespräche geführt. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hatte die neue Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt, der als Bürgermeister von Berlin selbst den Mauerbau mit angesehen hatte. Man wollte den Kontakt zwischen den beiden Staaten auf keinen Fall abreißen lassen. Außerdem versuchte Brandt vielleicht einen Wandel durch Annäherung durchzuführen. Diese neue Richtung in der Politik führte innerhalb kurzer Zeit, zwischen 1970 und 1973, zu den Ostverträgen mit der DDR in Moskau, Warschau und Prag, sowie zum Viermächte Abkommen Berlin betreffend und zum Grundlagenvertrag mit der DDR. Letzterer veranlaßte die DDR dazu, die bestehenden Grenzen anzuerkennen.

Somit wurde der Status Westberlins gesichert und Maßnahmen zur Zusammenarbeit beschlossen. Die Ostpolitik trug wesentlich zur Entspannung zwischen den Weltmächten bei und schuf auch die Voraussetzungen für die Einberufung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KZSE). Der Weg zu einer gesamteuropäischen Entspannung wurde somit geebnet.  Der Mauerbau  Die Regierungsspitzen der DDR konnten dem endlosen Flüchtlingsstrom nach Westdeutschland nicht mehr länger tatenlos zusehen und waren zur Handlung gezwungen. Um einen drohenden wirtschaftlichen Ruin zu verhindern, mußte man die enormen Flüchtlingsströme unterbinden. Jedes Jahr verließen schätzungsweise 200 000 unzufriedene Menschen die DDR.

Bis zum Jahr 1961 haben mehr als 3,1 Millionen Personen Ostdeutschland den Rücken zugekehrt. Mit der Errichtung der Mauer am 13. August 1961 in Berlin, die die DDR von ihrem Nachbarn unübersehbar abgrenzte, wurde jegliche Hoffnung auf eine Wiedervereinigung zerstört. Schon zuvor haben sowjetische Truppen versucht, die Flüchtlinge am Passieren der Grenze zu hindern, was jedoch größtenteils ohne Erfolg blieb. Die SED ließ außerdem die Demarkationslinien zwischen Ost und Westberlin sperren und hatte somit einen ersten Versuch unternommen, die Menschenbewegungen einzudämmen. Eine andere frühere Maßnahme war eine spezielle Ausreisegenehmigung.

Am 13. August begannen bewaffnete Verbände der DDR in den Morgenstunden mit dem Mauerbau. Zuerst riegelte man sämtliche Verbindungswege zwischen den beiden Sektoren Berlins mit Stacheldraht ab. Die SED rechtfertigte diese Schritte mit einer nötigen Schutzmaßnahme gegen die revanchistischen und militaristischen Kräfte der Bundesrepublik. Das Innenministerium verfügte auch, daß nur mehr 13 Übergänge geöffnet blieben dürften und eine Unterbrechung des U – Bahn und S – Bahn Verkehrs. Nur der Bahnhof Friedrichsstraße blieb geöffnet und erlangte mit dem "Tränenpalast", dem Ort an dem sich die in den Westen zurückreisenden Besucher von ihren Verwandten verabschiedeten, traurige Berühmtheit.

Am 14. August schlossen DDR Grenzpolizisten in einem symbolischen Akt das Brandenburger Tor, und bereits einen Tag später errichten Bauarbeiter unter Aufsicht die ersten Fragmente der Mauer. Kurz nach dem Bau versuchten sich noch etliche Menschen durch waghalsige Aktionen in den Westen zu retten. Viele stürzten zum Beispiel beim Abseilen aus Häusern in den Tod. Ab sofort war jeglicher ziviler Personenverkehr zwischen den beiden Teilen Berlins untersagt. Spezielle Truppen, die der Grenzsicherung dienten, wurden eingesetzt, um die Mauer zu einem wirklich undurchdringlichen Hindernis zu machen.

In den folgenden Monaten vollzog sich ein weiterer Ausbau der Mauer, gerechtfertigt durch die Erschießung eines Grenzsoldaten durch einen Fluchthelfer. Bis 1966 war es kaum möglich die Grenze zu passieren. Erst nach zähen Verhandlungen erreichte die Bundesregierung ein gewisses Besuchsrecht zwischen Westberlinern und deren Angehörigen im Osten. Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Berliner Mauer immer weiter verbessert und ausgebaut. Erst 1968 wird die Mauer in ihrer dritten Version errichtet, bestehend aus Betonplatten mit aufgesetzten Röhren. Zur weiteren Befestigung wurde außerdem ein engmaschiger Stacheldrahtzaun installiert.

Unter Erich Honecker und dessen verschärfter Parteilinie der SED wird die Mauer noch einmal ausgebaut. Die übrigen Grenzgebiete außerhalb Berlins wurden durch den sogenannte Todesstreifen abgesichert. Heute kann man noch einige Teile der Berliner Mauer besichtigen, die zur Mahnung stehengelassen wurden. Außerdem stehen noch einige der alten Grenztürme, beispielsweise am ehemaligen Grenzübergang Hof/Bayern links und rechts der Autobahn. Mit der Errichtung der Mauer konnte zwar der Flüchtlingsstrom weitgehend eingedämmt werden, jedoch wagten bis 1989 über 9000 Menschen eine illegale Überquerung, wobei 3000 davon festgenommen wurden. Die DDR Führung hatte aber mit anderen Problemen zu kämpfen, nämlich den steigenden Unruhen im Land, die auf der wirtschaftlichen Schwäche und dem miserablen Lebensstandard basierten.

  Statistische Angaben über die Berliner Mauer und den Todesstreifen  à 160 km Grenze à 46 km Mauer zwischen dem Ost- und dem Westteil der Stadt à 45.000 Einzelteile (3,60 x 1,20), 2.75 Tonnen schwer à 116 Wachtürme à 450.000 m² Todesstreifen à 10.000 Grenzsoldaten und Offiziere à knapp 5.000 Fluchtversuche à 239 Tote   Die DDR und die Politik der Abgrenzung  Zu Beginn der siebziger Jahre schloß die DDR viele Vereinbarungen mit dem Ausland.

So trat man zusammen mit der Bundesrepublik der UNO bei, erreichte die internationale Anerkennung und nahm diplomatische Beziehungen mit über 68 Ländern auf. In der Außenpolitik schien sich eine positive Entwicklung abzuzeichnen, jedoch wurde die Situation innerhalb der DDR immer problematischer für die Führung. Übertraten 1970 noch etwa zwei Millionen Menschen die Grenze, um Verwandte zu besuchen, so waren es drei Jahre später vier mal so viele. Außerdem explodierte die Zahl der Telefongespräche zwischen den beiden deutschen Teilen von lediglich 700 000 auf über 28 Millionen. Die SED fürchtete nun, daß sich der vermehrte private Kontakt zwischen den Bürgern negativ auf den Zusammenhalt der DDR auswirken könnte. Ausländische Medien, wie das westdeutsche Fernsehen, konnten zu dieser zeit bereits im Raum Dresden empfangen werden.

Um dieser neuen Herausforderung gewachsen zu sein, versuchte das SED Regime die zwei Staaten voneinander abzugrenzen. Bereits 1970 hatte der damalige Außenminister Hermann Axen bei einer Begegnung mit Willy Brandt ausdrücklich betont, daß die DDR aufgrund der beiden verschiedenen politischen Systemen eine Wiedervereinigung nicht in Betracht ziehe. Außerdem habe man die Pflicht, sich weiterhin von der imperialistischen BRD abzugrenzen. Schlüsselgruppen, wie etwa Partei- und Staatsfunktionären und Wehrpflichtigen war es künftig untersagt, Kontakt mir dem Westen aufzunehmen. In einem Besucherbuch mußten die DDR Bürger die Namen aller Besucher aus Westen notieren. Auf einem Parteitag der SED 1971 hatte Honecker auch die Auffassung vertreten, daß sich die deutschen Staaten rasant von einander weg entwickelten und daß man auf keinen Fall den Standpunkt der Bonner Regierung, aufgrund der gemeinsamen Geschichte eine Wiedervereinigung zu forcieren, vertrete.

Man ging verschärft gegen das Wort "deutsch" vor, und in der neu geschriebenen Verfassung der DDR wurde der Staat nicht mehr als "sozialistischer Staat deutscher Nation" sondern als "sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern" bezeichnet. Der von R. Becher 1943 geschriebene Text der späteren Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, laß uns Dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland" durfte nicht mehr gesungen werden. Die bedenklichste Form der Abgrenzung vollzog sich jedoch auf dem Gebiet des Staatssicherheitsapparates, der seit der neuen Ostpolitik immer stärker ausgebaut wurde. In der Zeit zwischen 1968 und 1989 wuchs das Etat für das Ministerium für Staatssicherheit von weniger als 6 auf über 23 Milliarden Mark. Zu Spitzenzeiten waren circa 100 000 Mitarbeiter in dieses Instrument der Flächendeckenden Kontrolle involviert.

Die größten Zuwachsraten wurden allgemein in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre vermerkt, als sich in ganz Osteuropa eine Entspannung vollzog. Die SED verhinderte mit allen Mitteln den Zusammenbruch des Regimes. Unbekannt sind bis heute die Zahlen der inoffiziellen Mitarbeiter, die ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Bespitzelung der Bevölkerung leisteten.   Wachsende Bewegungen der Opposition   Zwar wurde das Volk mit Gefängnisstrafen, Waffengewalt und Zensur weitgehend ruhig gestellt, jedoch war abzusehen, daß sich die Bürger irgendwann gegen die permanente Unterdrückung auflehnen mußten. In den zwei Jahrzehnten nach der Gründung der DDR gab es für Künstler, Schriftsteller und Oppositionsgruppen kaum eine Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Schriftsteller, wie Reiner Kunze oder Wolf Biermann, die die allgemeine Unzufriedenheit im eigenen Lande zu Papier brachten oder ihre Tätigkeit bis an den Grenzen des politisch erlaubten trieben, wurden alle samt nach Westdeutschland ausgewiesen.

An den Universitäten war die Situation anders. Eine Immatrikulation an der Universität erforderte eine Mitgliedschaft in der SED. Die einzige Ausnahme bildete nur Theologie. Lästige Studenten, die versuchten sich aus dem Klammergriff der Partei zu lösen, wurden dezent entfernt. Nach Beginn der Entspannungspolitik gestand Honecker im Mai 1973 den Intellektuellen, Schriftstellern und Künstlern zwar ein weites Feld der künstlerischen Kreativität zu. Doch auch hier zeigte man Grenzen auf.

1976 durfte Wolf Biermann nach einer Konzerttournee nicht mehr in die DDR einreisen. Gleiches galt für viele andere Regierungskritische Personen. Der Exodus prominenter Schriftsteller bedeutete nicht nur einen großen Verlust für die Kultur der DDR, sondern verdeutlichte auch die schlimme Lage und die Linie der SED, unliebsame Geister einfach abzuschieben, um die Macht zu sichern. Unruhe und Opposition gab es in den siebziger Jahren aber auch in anderen Bereichen. Die Kirche begann sich aktiv gegen die Unterdrückung aufzulehnen, indem sie Diskussionen über Sexualität, Alkoholismus, Rock Musik, das Leben in der DDR und sogar die Militarisierung des Gesellschaft veranstaltete. Vor allem die evangelischen Gotteshäuser entwickelten sich zu Sammelbecken der Opposition.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre verübten sogar drei Pastoren Suizid durch Selbstverbrennung. 1982 griff die Friedensbewegung gegen das globale Wettrüsten und die Gewalt vom Westen auch auf die DDR über. Die SED fühlte sich durch die Wachsende Popularität der Oppositionsbewegungen gezwungen, zu härteren Maßnahmen zu greifen. Im Juli 1984 kam es zur Besetzung der deutschen Botschaft in im Osten Berlins, bei der circa hundert Menschen eine Ausreise aus der DDR verlangen. Die Zuversicht, die zu Beginn der Honecker Ära noch geherrscht hatte, war verflogen und eine Besserung war nicht in Sicht.   Die Entwicklung in den Nachbarstaaten   Die Frustration der ostdeutschen Bevölkerung über den Mangel an Reformen in der DDR wurde durch Beispiele des Wandels in Polen, Ungarn und der Sowjetunion verstärkt.

Im Verhältnis zu den Nachbarstaaten ging es den DDR Bürgern recht gut, aber die Tatsache daß die SED Führung ebenfalls Reformen einleitete provozierte Unzufriedenheit und Mißmut. Viele Bürger verloren die Hoffnung, schmiedeten resigniert Fluchtpläne oder suchten nach Alternativen innerhalb des Landes. Im Jahre 1980 wurde nach Streiks und Unruhen von Arbeitern der Werft in Danzig eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung, Solidarnosc genannt, gegründet, aus der sich später der gleichnamige Gewerkschaftsbund herauslöste. Die Führung der DDR fürchtete ein eventuelles Übergreifen dieser Ideen auf das eigene Land. Streiks und Arbeiterproteste waren zu dieser Zeit sehr wohl möglich, aber eher unwahrscheinlich, gewesen. Dennoch sorgte man sich um die Aufrechterhaltung der inneren Stabilität, die immer mehr gefährdet schien.

Die Regierung in Ostberlin entschied sich zu einigen Vorsichtsmaßnahmen, wie die Aufhebung des visafreien Personenverkehrs mit Polen. Hatte man bereits Jahrzehnte vorher mit der Abgrenzung gegen den Westen begonnen, so mußte sich die SED jetzt auch noch gegen den verbündeten Osten schützen. Man erklärte kurzer Hand die Revolution in Polen zu einem Werk der imperialistischen Kräfte des Westens. Am 13. Dezember 1981 wurde über Polen das Kriegsrecht verhängt und jegliche Aktionen der Gruppe "Solidarität" verboten. Zwei Jahre später wurden entgegen allen Hoffnungen der DDR Führung Zugeständnisse gemacht, und die Polen erhielten ein gewissen Maß an Freiheit und politischem Pluralismus, was in anderen kommunistischen Ländern bis dato noch völlig unbekannt war.

Ein Jahr später war das Übergreifen der polnischen Reformen auf andere Staaten des Ostblocks kaum mehr zu übersehen. Zwischen 1982 und 1984 kam es in Ungarn zu intensiven Diskussionen, die die wirtschaftlichen und politischen Zukunft des Landes behandeln sollten. Die polnische Regierung stimmte Maßnahmen zur Verstärkung der unternehmerischen Freiheit, dem Prinzip der persönlichen Verantwortung für ökonomische Leistung und einer Liberalisierung des Wahlgesetzes zu. Das Gewinnen ausländischer Investoren sollte außerdem Geldmittel für die wirtschaftliche Sanierung Ungarns aufbringen. Auch die DDR bemühte sich unter Hocker um eine wirtschaftliche Öffnung nach Außen, wobei das Eindringen demokratischer Ideen weitgehend verhindert werden mußte. Honecker wich auch nach 1985, als Michael Gorbatschow der neue Generalsekretär der KPdSU wurde, nicht von seiner politischen Linie ab.

  Der langsame Verfall der UdSSR   Trotz gelegentlicher Änderungen in der Taktik der sowjetischen Politik unter den einzelnen Generalsekretären der KPdSU, wie Stalin, Breschnew oder Chruschtschow, wurde die UdSSR stets von einer einzigen Partei regiert und verfolgte die zentrale Planwirtschaft. Die konservative Führung im Kreml war dem revolutionären Wandel zu tiefst abgeneigt und sicherte in der DDR durch Militärpräsenz und psychologischem Druck die Macht der SED. Es bestand mehr als vierzig Jahre lang eine stille Übereinstimmung, daß die Stationierung von über 380 000 sowjetischen Soldaten der DDR Stabilität und Sicherheit bringen sollte. Die Rote Armee wurde dazu eingesetzt, den Widerstand niederzuschlagen und die Disziplin der DDR zu garantieren. Solange Moskau und Berlin diese Sache betreffend einer Meinung waren, waren weder das Gleichgewicht noch das sowjetische Imperium gefährdet. Alles änderte sich mit dem Amtsantritt Michael Gorbatschows am 10.

März 1985. Der neue Generalsekretär der kommunistischen Partei besaß zwar noch kein endgültiges Gesamtkonzept für seine Politik, jedoch waren seinen Absichten dem Stil und den Denkweisen seiner Vorgänger den Rücken zuzukehren offensichtlich. Dabei ging es im Kern nicht um eine Beseitigung sondern um eine Stärkung des Sozialismus. Die russische Industrie war veraltet und den hohen Standards des Westens weit zurück und mußte dringend erneuert werden, um Massengüter produzieren zu können. An der Schwelle zur einer modernen Kommunikationsgesellschaft waren jedoch neue Anforderungen entstanden, denen das träge sowjetische System kaum gewachsen war. Die neue Welt basierte auf Computern, der Vernetzung der einzelnen Betriebe sowie auf Kreativität in allen Bereichen der Industrie.

Da die Sowjetunion diesen Anforderungen kaum gewachsen War veranlaßte Gorbatschow die Verwirklichung von "Glasnost" im Sinne von Öffnung, Offenheit und Transparenz. "Perestroika" (Umgestaltung) sollte das gesamte System durch Umbau und Ausbildung der Arbeitskräfte reformieren und flexibilisieren. Durch eine totalitäre Regierung, die Militär, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft bestimmte, wäre das auf keinen Fall möglich gewesen. Ein "neues Denken" war angesagt, welches eine Demokratisierung von Staat und Gesellschaft im Blick hatte.Gorbatschows Ansicht nach sollten diese Reformen nicht nur Rußland sondern den gesamten sowjetischen Einflußbereich erfassen und dem Sozialismus überall zum Aufschwung verhelfen., was besonders für die SED eine große Gefahr darstellte.

In den ersten zwei Jahren nach Amtsantritt zeigte sich die Politik Gorbatschows noch widersprüchlich, ständig wechselnd zwischen dem Verlangen nach nationaler Selbständigkeit und Aufrechterhaltung der Einheit. Am 10. April 1987 änderte er jedoch sein Position. In einer Rede in Prag erklärte er, daß jede einzelne Nation des Warschauer Paktes für die inneren politischen Angelegenheiten selbst verantwortlich sei. Außerdem kritisierte er die Uneigenständigkeit der Parteien und forderte eine Eigenständigkeit für diese Länder, selbst entscheiden zu können und die Probleme individuell zu lösen.Nach einer weiteren Rede vor dem Europarat in Straßburg wurde den Satelliten Staaten durch die Herausgabe des "Sinatra Doktrins" Unabhängigkeit gewährt.

Der Name spielt offensichtlich auf den amerikanischen Sänger Frank Sinatra und dessen weltberühmtes Lied "My Way" an. Damit konnten die sowjetischen Staaten Reformen einleiten ohne eine Intervention befürchten zu müssen.  Die DDR als Insel der Stabilität?  Die Entwicklungen in der Sowjetunion riefen große Besorgnis hervor. In den vergangenen Jahrzehnten war es zwar gelungen, die Stabilität durch Abgrenzung, Befriedigung von Bedürfnissen und Kontrolle zu sichern, man konnte von Rußland aber keine große Unterstützung mehr erwarten. Die Rote Armee war unverzichtbar für die Rückendeckung des SED Regimes, und als Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn bereits Auflösungserscheinungen zeigen, wurde die Situation für die DDR kritisch. Statt Reformen führte man einfach den Prozeß der Selbstisolierung weiter.

Ostdeutschland wurde zu einer Insel der scheinbaren Stabilität in einem Meer von politischem, ökonomischem und ideologischem Umbruchs. Honecker bestand ausdrücklich auf der Beibehaltung des bisherigen Kurses ohne dabei dem Modell der Sowjetunion folgen zu müssen. Kurt Hager, Mitglied des Politbüros der SED und Chefideologe der Partei, stellte in diesem Zusammenhang in einem Interview mit der Zeitschrift "Der Stern" vom 9. April 1987 die viel zitierte rhetorische Frage, ob man sich denn verpflichtet fühlen müsse, seinem Nachbarn zu folgen, wenn dieser beschließe, in seinem Haus die Wände neu zu tapezieren. Die DDR-Führung jedenfalls - so konnte man den Äußerungen Honeckers und Hagers entnehmen - verspürte keine Verpflichtung zu inneren Reformen. Im Gegenteil, man hielt sie für höchst überflüssig und schädlich, ja gefährlich.

Währenddessen bahnte sich Ungarn immer weiter einen Weg in die Demokratie und Unabhängigkeit. Im April und Mai 1988 kam es in Polen erneut zu Streiks in den Werften und Stahlfabriken sowie Konflikten zwischen der offiziell immer noch verbotenen Gewerkschaft "Solidarität" und der Regierung unter General Jaruzelski. 1989 kam es dann ganz im Sinne Gorbatschows zu Gesprächen zwischen dem Arbeiterführer Lech Walesa und der Regierung. Im Juni fanden schließlich die ersten freien Parlamentswahlen mit teilweise freier Kandidatenaufstellung statt. In Ungarn wurde Károly Grósz, ein Verfechter der Reformen, am 22. Mail neuer Ministerpräsident.

Zugleich wurde, auch dies ein Affront für alle überzeugten Kommunisten, Imre Nagy, der 1958 in einem Geheimprozeß zu Tode verurteilte und hingerichtete Führer des ungarischen Volksaufstandes 1956, exhumiert und feierlich neu bestattet. In der Tschechoslowakei konnte man ebenfalls das Fortschreiten der Reformbewegung beobachten. 1987 war es daher fraglich geworden, wie lange sich die SED noch gegen die Tendenzen zur Öffnung und Liberalisierung, die bereits im eigenen Land bemerkbar waren, wehren konnte. Ihre wachsende Nervosität verriet die DDR Führung, als die sowjetische Zeitschrift "Sputnik", die von vielen reformorientierten Ostdeutschen gelesen wurde, verboten wurde. Die Selbstisolierung der DDR, die auch in diesen Maßnahmen wieder zum Ausdruck kam, sowie der antireformistische Kurs Honeckers waren zwar innerhalb der SED-Führung nicht unumstritten. Doch die meisten Funktionäre zogen es vor zu schweigen, auch wenn sie vielfach insgeheim mit der offiziellen Politik ihrer Regierung nicht übereinstimmten.

  Die Politik Westdeutschlands  Auf westlicher Seite blieb man in den achtziger Jahren sehr vorsichtig, was die Ausnutzung der politischen Lage in Osteuropa zu Gunsten einer Wiedervereinigung Deutschlands betraf. Angesichts der Tatsache, daß jenseits der Werra und der Elbe die Truppen der roten Armee Position bezogen hatten, wollte man die Situation nicht zusätzlich aufheizen. Die Westgruppierungen der Roten Armee würden in absehbarer Zeit wohl nicht abziehen, und eine Provokation hätte vielleicht zu einer Katastrophe geführt. Die seit Sommer 1982 virulente Koalitionskrise zwischen SPD und FDP verschärfte sich im September immer mehr, so daß die FDP die Zusammenarbeit aufkündigte und die SPD mit einem Minderheitskabinett regierte. Aus einem Mißtrauensantrag trat Helmut Kohl als neuer Bundeskanzler hervor, Richard von Weizsäcker wurde 23. Mai 1984 zum neuen Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

Die Entwicklungen im Osten betreffend hieß es im Bericht zur Lage der Nation, den Bundeskanzler Helmut Kohl im März 1984, ein Jahr vor Gorbatschows Amtsantritt, aber lange nach Beginn der Liberalisierungsbestrebungen in Polen und Ungarn - vor dem Deutschen Bundestag abgab, wörtlich: "Wir wollen das Erreichte bewahren und ausbauen, wir wollen die Chancen des Grundlagenvertrages und der anderen innerdeutschen Verträge und Vereinbarungen nutzen. Wir sind bereit, die Beziehungen zur DDR auf der Basis von Ausgewogenheit, Vertragstreue und Berechenbarkeit und mit dem Ziel praktischer, für die Menschen unmittelbar nützlicher Ergebnisse weiterzuentwickeln. Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR stehen in einer Verantwortungsgemeinschaft für den Frieden und die Sicherheit in Europa, beide müssen sich um eine Entschärfung der internationalen Lage bemühen." In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre fanden schließlich erste, wirklich ernste Annäherungen zwischen der BRD und der DDR statt. Erich Honecker wollte zwar die Bundesrepublik schon 1980 besuchen, doch kam das Treffen aufgrund der Verschlechterung der Ost-West Beziehungen (Einmarsch der UdSSR in Afghanistan und Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Westdeutschland) nicht zu Stande. 1987 empfing Kohl schließlich Honecker in Bonn, um konstruktive Gespräche zu führen.

Die Wiedervereinigung war zu dieser Zeit kein Thema, man sprach hauptsächlich über wirtschaftliche Angelegenheiten und brachte den gegenseitigen Respekt beider Staaten zueinander zum Ausdruck. Gespräche über die Wiedervereinigung fanden nicht statt, vor allem weil Kohl die Ansicht vertrat, der Wandel und der Wille Reformen in Osteuropa zuzustimmen müsse in den Staaten selbst entstehen und würde von ausländischer Einmischung nur gefährdet werden. Das hieß aber keineswegs, daß man die bestehenden Verhältnisse billigte.     Der Zusammenbruch des SED Regimes  Daß die DDR überhaupt noch bestand, verdankte man hauptsächlich der Roten Armee und der Stasi, die die Opposition gleich von vornherein unterdrückten. Jedoch rückte in den achtziger Jahren der Zusammenbruch der SED immer näher. Die mangelnde Legitimität des politischen Systems, die bereits von Anfang an ein Problem gewesen war, die wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten, die man nicht in den Griff bekam und das Reformdefizit waren die maßgeblichen Ursachen für die Krise im Frühjahr 1989.

Während sich die baltischen Staaten schon längst für unabhängig deklariert hatten und die Reformen sämtliche Nachbarstaaten umkrempelten, steckte die DDR immer noch in der Isolation fest. Sowohl der Lebensstandard als auch die Wirtschaftskraft lagen deutlich unter denen des reichen, demokratischen Nachbarn. Eine steigende Zahl von Ausreiseanträgen, aber auch die zunehmende Fluchtbewegung aus der DDR dokumentierten am Ende der achtziger Jahre den inneren Zustand eines Regimes, das seit 1945 primär von außen durch die Sowjetunion stabilisiert bzw. überhaupt erst am Leben erhalten worden war und sich nun in einer veränderten Umwelt plötzlich alleine behaupten sollte. Auch wenn nur wenige dies am Beginn des Wendejahres erkannten oder wahrhaben wollten: Die DDR stand kurz vor ihrem Kollaps.   Wesentlichen Anteil an der gespannten Lage in der DDR hatte Ungarn, daß mittlerweile eng mit dem Westen zusammenarbeitete und sich 1989 sogar zur vollständigen Einhaltung der UN Menschenrechtskonvention erklärte.

Am 2. Mai 1989 begannen ungarische Soldaten in einem historischen Akt mit dem Abbau der Grenzanlagen (Eiserner Vorhang) zur Republik Österreich. Ungarn kündigte damit die Solidarität der Ostblockstaaten bei der Abriegelung des kommunistischen Herrschaftsbereichs auf. Diesen Schritt interpretierte der DDR Verteidigungsminister Keßler gegenüber dem Büro der SED als eine technische Maßnahme, von der die eigentlichen Grenzkontrollen nicht betroffen wären. Obwohl man sich durchaus der Sprengkraft dieses Vorgangs bewußt war, zog es die SED vor, sich selbst zu beschwichtigen. Man ging von der Vermutung aus, die ungarischen Grenzsoldaten würden die aus der DDR kommenden Bürger sowieso an der Ausreise hindern.

Sorgen hingegen bereitete in Ostberlin jedoch die Tatsache, daß es sich bei der Grenzöffnung gegenüber Österreich um eine alleinige Entscheidung der ungarischen Regierung handelte. Außerdem hatte keiner die Führung der DDR konsultiert beziehungsweise benachrichtigt. Die Flüchtlingszahlen stiegen wieder an, und aus Einzelfällen wurde schließlich ein ganzer Strom.   Dennoch hielt die SED Führung weiter an ihrem starren Kurs der Reformverweigerung fest. Beispielsweise begrüßte die Regierung die Vorfälle des 4. Juni 1989 in China, als die chinesische Armee mit Waffengewalt die Studentenrebellionen gegen das totalitäre System am Platz des himmlischen Friedens niederschlug.

Diese Zustimmung Honeckers wurde auch als Drohung an die Oppositionsbewegungen aufgefaßt. Käme es zu einer ernsthaften Bedrohung der Regierung, würde auch das Militär zu drastischen Mitteln schreiten. Im selben Jahr standen auch die Kommunalwahlen an, bei denen die SED stets mit Prozentsätzen von über 99 Prozent verwöhnt wurde. Man war sich einig, daß dieses Ziel auf keinen Fall mehr erreicht werden konnte, hatte die zunehmende Demokratisierung doch bereits die DDR weitgehend infiziert. Am 4. Mai wurde gewählt, und drei Tage später gab der Vorsitzende der Wahlkommission Egon Krenz nach Auszählung der Stimmen bekannt, daß die SED mit 95,98 Prozent neuerlich gewonnen hatte.

Im ganzen Land habe es weniger als 200 000 Gegenstimmen gegeben. Zweifellos unterschied sich diese Wahl in keiner Weise von den früheren und war auch dieses Mal manipuliert worden, wie Schabowski später erklärte. Die Verfälschung der Wahlergebnisse war ein Mittel, um die SED an der Macht zu behalten. So scheiterten alle anderen Parteien an der fünf Prozent Hürde. Die SED hatte sich aber in der Friedfertigkeit der Bürger getäuscht, die die verfälschten Ergebnisse nicht länger hinnehmen wollten. Tatsächlich waren die Wahlmanipulationen vom 7.

Mai gravierender als bei früheren Wahlen in der DDR. Das innen- und außenpolitische Umfeld hatte sich aber seitdem verändert.  Massenflucht und Proteste  Vor diesem Hintergrund faßten immer mehr DDR-Bewohner den Entschluß, ihrem Land so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Allein 120000 stellten im Sommer 1989 einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik. Im Juli und August versuchten darüber hinaus Hunderte, die mit ihrer Geduld am Ende waren, ihre Ausreise durch die Besetzung westlicher, diplomatischer Vertretungen in Budapest, Warschau, Ostberlin und Prag zu erzwingen. Die Prager Botschaft der Bundesrepublik mußte sogar binnen zwei Wochen wegen Überfüllung geschlossen werden.

Am Rande einer UNO-Vollversammlung erreichte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Verhandlungen mit seinem DDR-Amtskollegen Oskar Fischer, dem es um eine Entschärfung der instabilen Lage im Vorfeld der Feiern zum 40. Jahrestag der DDR-Staatsgründung ging, die Ausreise aller Prager und Warschauer Flüchtlinge. Sie erreichten in Sonderzügen Anfang Oktober die Bundesrepublik, wobei die Route durch die DDR führte, wo nicht selten verzweifelte Menschen versuchten, auf die Waggons aufzuspringen. In den kommenden Wochen kam der Flüchtlingsstrom in den Westen nicht zum Erliegen, und weder Krenz noch Honecker konnten durch verschiedene Maßnahmen der Lage Herr werden. Der Eiserne Vorhang bestand im Herbst 1989 praktisch gar nicht mehr und stellte auch kein Hindernis für die Ausreise der DDR Bürger über Ungarn nach Österreich dar. Ende September waren es insgesamt 32 500.

Die SED bezichtigte Ungarn des Verrats am Sozialismus uns sandte einen Regierungsvertreter nach Budapest, um den gesamten Prozeß zu verlangsamen. Dieser kam aber ohne etwas erreicht zu haben wieder zurück. Auch hatte man in Ungarn selbst die Kontrolle über die Ausreisenden verloren und machte auch keine Versuche, diese zurückzuerobern. Auf die Bitte von DDR-Außenminister Fischer, ein Warschauer-Pakt-Treffen einzuberufen, um die Ungarn zur Räson zu bringen, antwortete Gorbatschow, die Zeit sei vorüber, als eine Abweichung von der allgemeinen Linie durch den Druck der Mehrheit habe korrigiert werden können. Die DDR stand allein da.  Währenddessen nahm der Umfang der Proteste und Demonstrationen innerhalb der DDR zu.

Seit Juni wurden am 7. jeden Monats Protestaktionen veranstaltet, um an die Manipulation der Kommunalwahl vom 7. Mai zu erinnern. Darüber hinaus begannen am 4. September in Leipzig nach einem Friedensgebet in der Nikolaikirche etwa 1200 Menschen mit den "Montagsdemonstrationen", auf denen Forderungen nach Reise- und Versammlungsfreiheit laut wurden. Bis zum 25.

September war die Teilnehmerzahl auf 5000 angewachsen. Am 2. Oktober belief sie sich bereits auf etwa 20000. Ermutigt durch den Erfolg dieser Aktionen wurden nun auch politische Organisationen gegründet, die sich zum Teil als Parteien, zum Teil als Bürgerbewegungen verstanden: am 10. September das Neue Forum, am 12. September Demokratie Jetzt, am 7.

Oktober die Sozialdemokratische Partei in der DDR und am 29. Oktober der Demokratische Aufbruch. Die SED-Führung sah sich damit jetzt nicht nur den Liberalisierungstendenzen in Osteuropa und der Fluchtbewegung aus der DDR, sondern auch einer wachsenden und sich zunehmend organisierenden Opposition in der DDR gegenüber.        Die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR  Am 7. Oktober 1989 wird die DDR genau 40 Jahre alt, und auf dem Titelblatt der SED beeinflußten Zeitung "Neues Deutschland" prangt in großen Lettern: "Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik wird auch in Zukunft das Werk des ganzen Volkes sein".

Dies sollte sich bewahrheiten, jedoch anders als von der Partei beabsichtigt. Der Tag begann mit Aufräumungsarbeiten mehrerer Umzüge vom Vorabend. In Ostberlin wurde beispielsweise eine Fackelzug mit über 100 000 Jugendlichen von der SED organisiert, die Erich Honecker ihre Liebe und Treue demonstrierten. In Dresden hingegen hatten sich hunderte Aktivisten wahre Straßenschlachten geliefert. Währenddessen bereitete sich Erich Honecker in Ostberlin darauf vor, mehr als 4000 geladene Gäste aus der DDR und über 70 ausländische Delegationen zu empfangen, unter ihnen auch eine sowjetische Abordnung mit Michael Gorbatschow an der Spitze. Die SED-Führung hoffte, vom Glanz des mit großem internationalen Renommee ausgestatteten Generalsekretärs der KPdSU zu profitieren.

Doch Gorbatschow war auch ein Hoffnungsträger für die ostdeutschen Dissidenten, welche fühlten, daß nur er dem Reformprozeß in der DDR zum Erfolg verhelfen konnte. Zuerst beschränkten sich Honecker und Gorbatschow nur auf den Austausch von Nettigkeiten, jener zog es außer Betracht, die Flüchtlinge und die Demonstrationen zu erwähnen. Nach und nach wurde der KPdSU Generalsekretär deutlicher und kritisierte die Haltung der SED scharf. Nachdem Gorbatschow mit seinem Plädoyer für politische und ökonomische Reformen geendet hatte, pries Honecker aufs neue den Erfolg des Sozialismus in der DDR. Wiederum keine Erwähnung der Flüchtlinge, kein Satz über die Krise in seinem Lande, die er gar nicht wahrzunehmen schien. Anschließend erhob sich der sowjetische Generalsekretär abrupt, um anzudeuten, daß man das Treffen beenden möge.

Offenbar gab es nichts mehr zu sagen. Währenddessen hatten sich auf dem Alexanderplatz, unweit des Palastes der Republik, etwa 15000 bis 20000 Menschen versammelt. Auch in anderen Städten wie Jena, Dresden, Plauen, Karl-Marx-Stadt und Potsdam formierten sich die Demonstranten. Solange Gorbatschow den Feierlichkeiten in Berlin beiwohnte, verzichtete die Polizei auf jegliche Gewaltanwendung. Nach der abendlichen Abreise kündigte Stasi Chef Mielke die Humanität und ordnete drastische Maßnahmen an. Einheiten der Polizei und der Staatssicherheit, die auf dem Alexanderplatz so große Zurückhaltung geübt hatten, erwarteten die auf dem Heimweg befindlichen Demonstranten in den Straßen auf dem Prenzlauer Berg.

Die Gewalt, die in der Stadtmitte angesichts der dortigen internationalen Medienpräsenz vermieden worden war, wurde nun abseits des Rampenlichts der Öffentlichkeit angewandt.  Gründe für die Ausreise aus der Sicht des DDR Apparates  Die Motivation vieler DDR Bürger ihr Heimatland zu verlassen lag klar auf der Hand: Unterdrückung, schlechter Lebensstandard, werde Meinungs- noch Pressefreiheit, keine Reformen etc. In einem Bericht vom 11. Oktober 1989 bezog die SED hingegen erstmals öffentlich Stellung die Flucht vieler ins Ausland und die Demonstrationen betreffend. Als Ursachen zeigte mal folgende Aspekte auf: · Provokation durch die BRD, die den 40. Jahrestag bewußt ausgewählt hatte, um Unruhe zu verbreiten und die DDR zu schwächen · die Demonstranten seien von der Propaganda verblendet · die SED würde doch nur das beste für das Vaterland tun, was von allen mißverstanden wurde   Im Gegensatz zu den verblendeten und unwirklichen Ansichten der SED schätzte die Stasi hingegen die Lage realistischer ein.

Gründe für die Massenflucht seien demnach: · die schlechten Lebensbedingungen · die Vorstellung vieler Bürger in Westdeutschland bessere Bedingungen vorzufinden · soziale Sicherheit und Geborgenheit sei zwar immer noch in der DDR vorhanden, aber nicht mehr relevant für ein zufriedenes Leben · Unzufriedenheit über die Versorgungslage · Mängel in Technik und Medizin · eingeschränkte Reisemöglichkeiten innerhalb und außerhalb der DDR · schlechte Versorgung mit hochwertigen Gütern · beginnende Demokratisierung in Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen · Zweifel am Sinn der Sozialismus   Der Sturz Erich Honeckers   Für die SED-Spitze waren die Ereignisse während der Jahrestagsfeierlichkeiten ein weiterer schwerer Mißerfolg. Vor allem Erich Honecker hatte bewiesen, daß er ohne Einsicht war und jeglichen politischen Instinkt verloren hatte, der ihn früher einmal ausgezeichnet hatte. Wenige Tage nach den Jubiläumsfeiern ergriff Krenz die Initiative und begann mit den Vorbereitungen zum Sturz Honeckers. Am 17. Oktober wagte er es schließlich, seine Pläne in die Realität umzusetzen und brachte die Rücktrittsforderung gegen Honecker und dessen Kabinett ein. Jener leistete keinerlei Widerstand und ließ sich ohne weiteres abwählen.

Bereits am folgenden Tag wurde Egon Krenz auf Vorschlag des Politbüros vom Zentralkomitee der SED zum neuen Generalsekretär der Partei gewählt. Um die Position der SED wieder zu festigen hielt man es für richtig, eine Ansprache Krenz über das Fernsehen verkünden zu lassen. Man erhoffte sich endlich wieder eine landesweite Zustimmung. Was man jedoch nicht bedacht hatte war, daß die Bürger der DDR keinen neuen Generalsekretär sondern einen anderen Politischen Weg der SED forderten. Außerdem hatte Krenz viele Ähnlichkeiten mit Honecker, was die politischen Absichten betraf. So schlitterte die SED in das nächste Desaster, als am Abend millionen Bürger vor den Fernsehschirmen die Ansprache zum Amtsantritt verfolgten.

Krenz, der ohnehin bereits für seine Rolle bei der Manipulation der Kommunalwahl und seine Chinareise kritisiert worden war und überdies in dem Ruf stand, das Musterbeispiel eines steifen Parteifunktionärs zu sein, vermittelte das typische Negativimage der alten SED-Elite, die gerade abgewirtschaftet hatte. Tatsächlich war keines der alten Probleme mit dem Sturz Honeckers gelöst worden. Nur rasche Reformen konnten der drohenden Verfall der DDR noch aufhalten. Krenz ließ kurzerhand Demonstrationen als Teil der politischen Kultur tolerieren. Man erließ neue Reisegesetze sowie eine Amnestie für Flüchtlinge und Demonstranten. Trotz dieser Maßnahmen zur Beruhigung der Bürger finden dennoch Demonstrationen gegen das SED Regime statt.

Allein in Leipzig gingen am 23. Oktober 1989 über 300 000 Menschen auf die Straßen, um ihren Unmut offen kund zu geben. An diesem Tag wurde überall in der DDR demonstriert. Als am 1. November Krenz mit Gorbatschow in Moskau zusammentraf, war von den andauernden Unruhen in der DDR keine Rede. Offenbar hielt man den SED Staat wieder für stabil, nachdem Honecker gestürzt und der Weg für Perestroika und das von Gorbatschow proklamierte neue Denken in der DDR frei geworden war.

Unterdessen erreichten die Demonstrationen gegen Krenz am 4. November ihren Höhepunkt. Allein in Ost Berlin versammelte sich beinahe eine Million Menschen in der Innenstadt, um für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzutreten. Nach Tagen der Unruhen gibt die DDR Regierung am 7. November und bald darauf das Politbüro den Rücktritt bekannt. Die neue Führung bestand aus strikten Gegnern Honeckers.

Hans Modrow wurde neuer Ministerpräsident. Anders als Krenz vertrat er die Ansicht, daß dringend vernünftige Reformen notwendig seien, obwohl man ihn nicht als einen Oppositionellen bezeichnen konnte. Immerhin war es einige Wochen vorher zu schweren Übergriffen der Polizei auf Demonstranten in seinem früheren Parteibezirk Dresden gekommen. Modrow, der außerdem auf eine ereignisreiche Karriere in der SED zurückblicken konnte, wurde bereits als der Gorbatschow der DDR gehandelt.     Der 9. November 1989 und das neue Reisegesetz   Ehe Modrow am 13.

November von der Volkskammer offizielle zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde, überschlugen sich unterdessen die Ereignisse an den Grenzen der DDR. Am 1. November hatte die SED Führung bereits neue Reisebestimmungen für die Tschechoslowakei erlassen, womit sich der Massenexodus weiter fortsetzte. Das Ausmaß der Ausreisen war inzwischen so groß, daß sogar die Bundesrepublik Probleme hatte, die Menschenmassen abzufertigen. Innenminister Wolfgang Schäuble warnte daher, die Bundesrepublik werde zwar weiterhin alle Übersiedler aufnehmen, doch müßten diese damit rechnen, für längere Zeit in relativ bescheidenen Verhältnissen zu leben. Bundeskanzler Kohl erklärte in seinem "Bericht zur Lage der Nation" am 8.

November vor dem Bundestag, Bonn sei bereit, der neuen DDR-Führung bei der Umsetzung ihrer Reformen zu helfen. Wenn es einen wirklichen Reformprozeß gebe, werde man sogar "eine neue Dimension wirtschaftlicher Unterstützung" für die DDR erwägen. Auch der Kanzler plädierte also für Hilfen vor Ort statt für eine Übersiedlung in die Bundesrepublik. Aber er verknüpfte sein Hilfsversprechen für die DDR mit klaren Bedingungen sprach von einer "nationalen Verpflichtung" seiner Regierung, das "Recht auf Selbstbestimmung für alle Deutschen" zu fordern. Krenz und die neue SED Führung waren sich von Anfang an darüber im klaren gewesen, daß eine Beruhigung im Lande nur durch neue Reisebestimmungen zu erzielen waren. Obwohl der Entwurf noch einige Ungereimtheiten enthielt, wurde er am 6.

November veröffentlicht. Der in der Presse publizierte Entwurf stieß aber einhellig auf Ablehnung. Was man vor einem halben Jahr noch als Sensation empfunden hätte, stieg jetzt allgemein auf Ablehnung. Aus dem Reisegesetz war zu entnehmen, daß jeder Reise einzeln beantragt werden mußte und nur dreißig Tage dauern dürfte. Außerdem werde es keine Devisen geben. Die daraufhin folgenden Demonstrationen zeigten sich aggressiver als bisher.

Man forderte die uneingeschränkte Reisefreiheit. Die SED war zum schnellen Handeln gezwungen, das alte Reisegesetz wurde verworfen und von Krenz, der nach einem neuerlichen Rücktritt des Politbüros wieder neuer Generalsekretär war, neu aufgesetzt. Diese neu verfaßte Reiseordnung wurde am Abend des 9. Novembers schließlich Günter Schabowski ausgehändigt, der die neuen Bestimmungen der Presse vortrug, obwohl über das Papier noch nicht abgestimmt worden war. Weiters sagte Schabowski, daß das Gesetz für den freien und ungehinderten Reiseverkehr sofort in Kraft trete. Kurz darauf machten sich tausende Menschen auf den Weg zu den Grenzübergängen, die wenig später völlig überfüllt waren.

Die Grenzsoldaten, die über den neuen Gesetzteserlaß noch nicht Bescheid wußten, waren mit der Situation völlig überfordert und öffneten angesichts der Menschenmassen die Grenzen nach Westdeutschland. Unterdessen befand sich Bundeskanzler Helmut Kohl in Warschau, der, überrascht von der Nachricht, sehr zurückhaltend reagierte und das ganze gar nicht glauben wollte. Keiner hätte eine so schnelle, direkte Öffnung der Grenzen zum Westen je für möglich gehalten.   Beginn der Wiedervereinigung Deutschlands   Mit der Maueröffnung war die deutsche Einigung allerdings noch keine beschlossene Sache. Die Entwicklung seit Mitte der achtziger Jahre deutete vielmehr in die entgegengesetzte Richtung. Die Welt hatte sich an die deutsche Teilung gewöhnt.

Die DDR war auf der Bühne der internationalen Politik inzwischen anerkannt. Die Wende vom Herbst 1989 traf daher Ost und West unvorbereitet. Obwohl es bei näherer Betrachtung zahlreiche Hinweise und Vorboten für den Wandel im kommunistischen Lager gegeben hatte, wurde man davon im Westen ebenso überrascht wie in der Sowjetunion. Jene war über die weitere Vorgangsweise zuerst uneinig. Teile der KPdSU wollten durch Miltärgewalt die Grenzen wieder schließen Gorbatschow und vor allem Außenminister Eduard Schewardnadse wiesen jedoch auf die möglichen Konsequenzen einer Militäraktion in der Mitte Europas hin. Später behauptete Schewardnadse in einem Interview sogar, in diesen Stunden habe man sich "am Rande eines Dritten Weltkrieges" bewegt.

Glücklicherweise habe er in der Auseinandersetzung mit den Befürwortern einer Militäraktion Rückendeckung von Gorbatschow erhalten, so daß ein militärischer Konflikt habe vermieden werden können. Während sich Frankreich und Großbritannien besorgt über die Vorgänge des 9. November zeigten, begrüßte man die Wende in den USA. Am 10.November rief Kohl bei einer Kundgebung in Berlin der Menge zu: "Wir sind an Eurer Seite. Wir sind eine Nation".

  Am 13. November kam Modrow an die Spitze der DDR gewählt und entschied sich, durch Reformen eine sozialistische Demokratie aufzubauen. Es galt die DDR finanziell zu sanieren, wenn nötig auch mit Hilfe der Bundesrepublik. Unter Umständen hätte Modrow mit diesen Mitteln auch Erfolg gehabt, doch war es 1989 schon zu spät. Neben dem verlorenen Vertrauen der Bürger in die SED, besaß die DDR außerdem ein Haushaltsdefizit von 120 Milliarden Mark und eine Auslandsverschuldung von 120 Milliarden Dollar. Die Produktivität ostdeutscher Betriebe war um 50 Prozent gesunken.

Mit Gesprächen und Verträgen mit der Bundesrepublik versuchte die neue Regierung Fördermittel von der Europäischen Gemeinschaft zu erhalten. Änderungen wurden nicht erzielt, und der Flüchtlingsstrom riß nicht ab. Anfang Dezember war die Ära Krenz endgültig zu Ende. Neuer Vorsitzende

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