Die frage, die sich die ganze welt und besonders die deutschen seit ende des 2
1. Einleitung
Die Frage, die sich die ganze Welt und besonders die Deutschen spätestens nach dem Ende des 2. Weltkrieges stellten und noch bis heute stellen, ist, warum sich Deutschland von einem Diktator wie Hitler hat unterwerfen lassen und nur geringfügig Widerstand gegen die faschistische Ideologie der Nazis und deren brutale Umsetzung geleistet hat. Wie wir wissen, konnte das NS-Regime nicht durch innerdeutschen Aufstand gestoppt werden, sondern man benötigte die Hilfe der Weltmächte England, der Sowjet-Union und der Vereinigten Staaten von Amerika, um den Terror der Nationalsozialisten im politischen, öffentlichen und auch im privaten Leben der Deutschen zu beseitigen.
Warum sich die Deutschen auf eine so fatale, antisemitische Rassenideologie einlassen konnten, ist eine andere Frage, auf die ich hier nicht eingehen will. Vielmehr geht es mir in dieser Arbeit um den vergessenen Widerstand.
Aus unseren Lehrbüchern erfahren wir einige Fakten über deutsche Widerstandsgruppen, die wohl berühmteste ist die Studentenorganisation „Weiße Rose“ um die Geschwister Scholl, die mit der Verteilung von Flugblättern versuchten, die Deutschen aus der Illusion der perfekten arischen Rasse und der eingeimpften nationalsozialistischen Ideologie zu reißen. Natürlich wird auch ausführlich über das Attentat vom 20. Juli 1944 des Grafen Schenk von Stauffenberg, dessen wir noch bis heute jedes Jahr gedenken, informiert, kurz jedoch nur werden die Kirche und unter Umständen die Swing–Jugend genannt, letztere war eine sogenannte „Clique“, die sich in Hamburg gegen das NS-Regime bildete, weil dieses ihren Lebensstil, der sich stark an der angloamerikanischen Kultur orientierte, verbot.
Warum jedoch hat es keine gewaltsame Revolution wie in anderen diktatorischen Regimes gegeben, dies fragen sich heute viele Menschen auf der ganzen Welt verständnislos, denn wie der weitere Verlauf der NS-Diktatur zeigt, war diese nur durch Gewalt, das heißt durch die Bekämpfung des Regimes mit seinen eigenen Methoden, auszulöschen. Nach Lektüre einiger fachliterarischer Bücher habe ich diese Widerstandsbewegung aus der Arbeiterklasse, der auch nicht vor zu damaligen Zeiten kriminellen Taten zur Durchsetzung seiner demokratischen und antifaschistischen Ideen zurückschreckte, gefunden: die Edelweißpiraten. Aus einer anfänglichen Gruppierung Jugendlicher, die sich aufgrund der Auflage der „Jugenddienstpflicht“, das heißt der Pflicht des Eintritts in die Hitler Jugend (HJ) bzw.
den Bund Deutscher Mädel (BDM), bedrängt fühlten und die Tradition der 1933 verbotenen bündischen Jugend fortführen wollte, entwickelten sich die Edelweißpiraten vor allem im Rhein-Ruhr-Gebiet nach und nach zu einer politischen Widerstandsgruppe, die vom NS-Regime zunehmend als Bedrohung empfunden wurde.
Doch wie wird heute mit dem Arbeiterwiderstand in Köln umgegangen? So komme ich zu der Frage: Die Edelweißpiraten – Widerstandskämpfer oder Kriminelle?
2. Entstehungsgeschichte der Jugendorganisationen
2.1 Bündische Jugend
Die bündische Jugend hatte ihre Wurzeln in der 1899 entstandenen Wandervogelbewegung, deren Gruppierungen 1913 zur „Freideutschen Jugend“ zusammengeschlossen wurden. Die Ziele dieser neuen Gruppierung waren vor allem Selbstverantwortlichkeit, Selbsterziehung und Rückkehr zur Natürlichkeit, was zum Beispiel durch Wanderfahrten und das Singen von Volksliedern zum Ausdruck kam. Hier wurden das Gruppengefühl und die Tradition in den Vordergrund gestärkt.
Ursprünglich entstand die Wandervogelbewegung als Protest gegen die überkommene Moral und die Selbstgefälligkeit der älteren Generation und 1927 zählte sie rund 55 000 Mitglieder.
2.2 Hitler-Jugend
Die Hitler-Jugend (HJ) wurde 1926, das heißt schon vor der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933, gegründet. Anfangs waren fast nur Jungen Mitglieder, bis 1930 der Bund Deutscher Mädel (BDM) gegründet wurde. Da Hitler durch eine ideologische Erziehung der Jugend hoffte, eine neue nicht-denkende, sondern seinen Befehlen bedingungslos folgende Generation zu erschaffen, machte er sich die Popularität der Jugendorganisation und das Verlangen nach einer Gruppenzugehörigkeit zu Nutze. Als Hitler 1933 und 1934 die bündische Jugend verbot, traten viele der bündischen Jugendlichen in die HJ ein, in dem Glauben dass die Traditionen der Naturverbundenheit in dieser Jugendorganisation fortgeführt würden.
In der Hitler-Jugend wurden die Jungen von ihrem Eintritt mit zehn bis zu ihrem Austritt mit neunzehn Jahren strategisch auf den Einsatz im Krieg und eine militärische Laufbahn durch paramilitärische Übungen unter einem meist gleichaltrigen Gruppenleiter vorbereitet und zum strikten, bedingungslosen Gehorsam dem Führer gegenüber gedrillt. Die Erziehung war nun nicht mehr wie bei der bündischen Jugend dem Jugendlichen zum Teil selbst überlassen und durch Gruppendynamik bestimmt, auch wurde den Eltern zumindest teilweise, das heißt, solange sich die Jugendlichen in der Hitler-Jugend befanden, die Erziehungsgewalt entzogen, denn diese lag laut dem Gesetz vom 06.04.1939 über die Hitler-Jugend letztendlich beim Führer:
„Alle Jungen und Mädchen der Hitler-Jugend unterstehen einer öffentlich-rechtlichen Erziehungsgewalt nach Maßgabe der Bestimmungen, die der Führer und Reichskanzler erlässt.“1
Am 25.03.
1939 wurde die „Jugenddienstpflicht“ eingeführt, die besagte, dass alle Jungen und Mädchen im Alter zwischen zehn und achtzehn Jahren zum Eintritt in die Hitler-Jugend beziehungsweise den Bund Deutscher Mädel verpflichtet waren:
§1 Dauer der Dienstpflicht:
(2) Alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind verpflichtet, in der Hitler-Jugend Dienst zu tun, und zwar:
die Jungen im Alter von 10-14 Jahren im „Deutschen Jungvolk“ (DJ),
die Jungen im Alter von 14-18 Jahren in der „Hitler-Jugend“ (HJ),
die Mädchen im Alter von 10-14 Jahren im „Jungmädelbund“ (JM),
die Mädchen im Alter von 14-18 Jahren im „Bund Deutscher Mädel“ (BDM).2
Der Dienst in einer nationalsozialistischen Jugendorganisation war somit öffentlich-rechtlich und trat nun gleichgeordnet neben Arbeitsdienst und Wehrpflicht.
Nun stand also das Leben eines jeden Jugendlichen vom Kindesalter an unter der Aufsicht der NSDAP. Denn nicht erst seit Einführung der Jugenddienstpflicht hatten es Jugendliche, die nicht Mitglied der HJ beziehungsweise des BDM waren, in Schule, bei der Lehrstellensuche oder im Beruf sehr schwer.
Ziel dieser Erschwerung im öffentlichen Leben war es, die potenziellen Störfaktoren zur Eingliederung in das System zu zwingen.
2.3 Edelweißpiraten
Die Edelweißpiraten sind eine der sogenannten Edelweiß-Gruppen, die im gesamten Bundesgebiet, verstärkt im Rhein-Ruhr-Gebiet, auftraten. Sie waren auch unter Namen wie “Navajos“, „Nerother-Wandervogel“, „Verlorene Rotte“, „Kittelbach-Piraten“, „die Zuverlässigen“ oder „Club der Edelweißpiraten“ bekannt.
Die Edelweißpiraten schlossen sich ursprünglich nicht aufgrund bewussten Widerstandes zusammen, sondern wurden meist von den paramilitärischen Übungen, dem strikten Gehorsam, der Bevormundung und der allgemeinen Gleichschaltung der Hitler-Jugend abgeschreckt. Allerdings ging diese Unlust, sich der straff organisierten Hitler-Jugend einzuordnen, in den Augen der Reichsführung in einen politischen Widerstand über.
Jungen und Mädchen, meist aus der Arbeiterklasse stammend, schlossen sich aus den unterschiedlichsten Gründen zusammen, wie zum Beispiel unpolitische Verweigerung in die Hitler-Jugend einzutreten, der Wunsch nach Selbstbestimmung und Freiheit oder aber auch bewusster antifaschistischer Widerstand gegen den Erziehungsanspruch des Staates.
In ihren Traditionen folgten die Edelweißpiraten der verbotenen bündischen Jugend, die für die Jugendlichen die angestrebte Freiheit und Unabhängigkeit im Gegensatz zum militärischen Zwang der Hitler-Jugend stand. Matthias von Hellfeld beschreibt sie in seinem Buch „Edelweißpiraten in Köln“ als Jugendliche, die „Freude an wilder Romantik, Abenteuern, Freiheit und freundschaftlichem Beisammensein“ (S.19) haben. Dies wird auch durch die verbotenen Fahrten, die sie ebenfalls von der bündischen Jugend übernahmen, deutlich, auf denen sie abends gemeinsam an einem Lagerfeuer saßen und eigene Lieder sangen, die ein Ausdruck des Wunsches nach einer besseren Weltordnung und dadurch eine krasse Abgrenzung von der faschistischen Hitler-Jugend darstellten. Diese Abgrenzung, die den Edelweißpiraten sehr wichtig war, wurde auch in äußerlichen Erkennungszeichen deutlich.
Meist trugen sie die sogenannte „Latscherkluft“, die aus bunten Hemden, blauen Kniehosen, bunten Halstüchern und dem Edelweiß als Anstecknadel oder Aufnäher bestand, die von der Reichsführung als „anormale“ Kleidung bezeichnet wurde. Eine weitere Anspielung auf die romantische Abenteuerliteratur wie zum Beispiel Karl May sind die Spitznamen der Edelweißpiraten wie „Texas-Jack“ oder „Alaska-Bill“. Meist kannten sich die Jugendlichen in der Gruppe nicht einmal bei ihrem wahren Vornamen sondern nur bei ihren imaginären Namen.
Ein weiterer Grund, warum sich viele Jugendlich von den Edelweißpiraten angezogen fühlten, war das Zusammensein von Jungen und Mädchen innerhalb einer Gruppe, denn in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen galt eine strikte Geschlechtertrennung. Da sich die betroffenen Jugendlichen meist in der Pubertät befanden, war es sehr reizvoll mit dem anderen Geschlecht in Kontakt treten zu können, was unter der NS-Leitung nicht möglich war.
3.
Formen des Widerstandes der Edelweißpiraten
Der Widerstand der Edelweißpiraten beschränkte sich anfangs auf das ihnen Mögliche ohne von der Gestapo ohne weiteres verhaftet oder bestraft werden zu können.
Der passive Widerstand bestand darin, unerlaubt „Feindsender“ abzuhören, die Arbeitszeit zu verschleppen, um somit eine ununterbrochene Versorgung der Nazis zu unterbrechen. Außerdem zeigten Arbeiter ihre Abneigung gegen das Regime durch Krankmeldungen bei Parteiversammlungen, obwohl sie kerngesund waren, und verbreiteten antifaschistische Witze, die, wenn ein Faschist sie gehört hätte, die Erzähler ins Gefängnis hätten bringen können. Heute erscheint uns dieser passive Widerstand sogar eher lächerlich im Vergleich zum aktiven Widerstand (zum Beispiel das Verstecken eines Flüchtlings oder die Unterstützung Verfolgter, die die Edelweißpiraten ebenfalls betrieben), doch wenn man sich bewusst wird, dass ein herablassendes Wort über Hitler, das Regime oder den Krieg zu Folterungen oder sogar Zuchthaus führen konnte, so wird klar, dass selbst das Erzählen eines antifaschistischen Witzes eine sehr mutige Tat war.
So müssen wir die Jugendlichen der Edelweißpiraten für ihren Mut und heftigen Widerstand, der damals am Rande des Kriminellen lag und durch die Erziehung in antifaschistischen Familien, deren Mitglieder oft verfolgt, verhaftet oder sogar getötet wurden, gefördert wurde, doch sehr bewundern.
4.
Organisation der Edelweißpiraten
Eine Organisation wie bei anderen Widerstandsgruppen gab es bei den Edelweißpiraten nicht. Denn sie waren ja keine geschlossene Gruppe, sondern nur einzelne Gruppierungen, die, wie schon gesagt, heute unter dem Begriff „Edelweißpiraten“ zusammengefasst werden. In Köln gab es zum Beispiel in nahezu jedem Stadtteil eine eigene Gruppe von Edelweißpiraten, die mit den Gruppen aus anderen Stadtteilen und Städten nur auf ihren Fahrten zusammenkamen. Als aus dem Widerstand gegen die Bevormundung immer mehr ein politischer Widerstand wurde, kamen aber auch immer öfter verschiedene Gruppen für gemeinsame Aktionen zusammen.
Die Gruppierung der Edelweißpiraten, bei der man wohl am ehesten von einer Organisation sprechen kann, ist die sogenannte „Ehrenfelder Gruppe“, die, wie der Name schon sagt, im Stadtteil Köln-Ehrenfeld beheimatet war. Doch gerade diese fehlende Organisation und die Spitznamen innerhalb der Gruppen, die auf den ersten Blick sehr unvorteilhaft erscheint, da dadurch eine erfolgreiche Schwächung des NS-Regimes in weite Ferne zu rücken scheint, war schließlich ein großes Glück für die Edelweißpiraten, da sie so in den Polizei- und Gestapo-Verhören ihre Mitstreiter nicht verraten und so die Fortführung des Widerstandskampfes durch die Edelweißpiraten sichern konnten.
5. Die Ehrenfelder Gruppe
5.1 Mitglieder
Die Mitglieder der Ehrenfelder Gruppe setzten sich aus den unterschiedlichsten Motiven für den Widerstand ein. Auch bestand diese Gruppierung nicht nur, aber zu einem großen Teil aus den Jugendlichen der Edelweißpiraten. Allerdings ist die Ehrenfelder Gruppe auch die wohl berühmteste Splittergruppe der Edelweißpiraten, die die effektivsten und meist auch gewalttätigsten Aktionen gegen die NS-Regierung in Köln verrichteten.
Anführer der Ehrenfelder Gruppe war Hans Steinbrück (*12.
04.1921), von Beruf Seemann, der in der Widerstandsszene auch als „Bombenhans“ bekannt war. Obwohl er von seinen Eltern antifaschistisch erzogen wurde, bemühte er sich um eine Stelle bei der Gestapo, für die er Amtshandlungen vornahm, bevor über seinen Antrag entschieden worden war. Daraufhin wurde er etliche Male verhaftet und floh genauso oft wieder. 1944 gelang ihm schließlich wieder eine Flucht, nach der er in Köln bei der Frau eines Mithäftlings untertauchte, wo er auch andere Flüchtlinge und Ostarbeiter versteckte.
Zwei Mitglieder, deren Motivierung eher zweideutig scheint, waren Wilhelm Kratz (*06.
01.1902) und Joseph Moll (*17.07.1903) und somit auch die Ältesten der Gruppe. Beide stammten aus einem eher kriminellen Milieu. Ihre Vorstrafen gingen von Urkundenfälschung über schweren Diebstahl bis zu Hehlerei und Unterschlagung.
Sie waren es auch, die der Ehrenfelder Gruppe den Ruf einer kriminellen Organisation gaben.
Im Gegensatz dazu waren allerdings auch politisch motivierte Männer vertreten wie Heinrich Kratina (*15.01.1906) und Peter Hüppeler (*09.01.1913).
Beide waren den kommunistischen Ideen sehr zugetan und können mit gutem Recht im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern von Anfang an als politische Widerstandskämpfer bezeichnet werden.
Die restlichen Mitglieder des Kerns der Gruppe waren Jugendliche aus der Szene der Edelweißpiraten.
Roland Lorent (*12.03.1920) erschoss am 28.09.
1944 den Ortsgruppenleiter Soentgen und war somit auch einer der radikalsten Jugendlichen. Seine Eltern tendierten zur SPD, dadurch genoss er eine antifaschistische Erziehung.
Johann Müller (*29.01.19289) stammte aus einer kommunistischen Familie, deren Auffassungen er ebenfalls vertrat.
Adolf Schütz (*03.
01.1926), der aus einer Arbeiterfamilie kam, war Deserteur und stieß so zunächst zu den Edelweißpiraten und dann zur Ehrenfelder Gruppe.
Gustav Bermel (*11.08.1927) floh ebenfalls wegen seiner antifaschistischen Haltung von seiner Stellung als Schanzarbeitern zur Gruppe.
Günter Schwarz (*26.
08.1928) war Halbjude und lebte bei seiner Tante, die als kommunistische Funktionärin agierte. In der Kristallnacht am 11.09.1939 erlebte er die Verhaftung seiner Tante und seines Vaters, die später in einem KZ starben. Dieses Schlüsselerlebnis brachte ihn zu den Edelweißpiraten.
Bartholomäus Schink (*25.11.1927) wurde von seinem Vater streng antifaschistisch erzogen und hatte ebenfalls ein Schlüsselerlebnis in der Kristallnacht, in der er beobachtete, wie NS-Männer einen jüdischen Freund umbrachten, was ihn zum aktiven Widerstand gegen den Staat brachte.
Über Franz Rheinberger (*22.02.1927), ebenfalls Mitglied der Edelweißpiraten, lässt sich nur sagen, dass er wie die meisten aus einer armen Familie stammte.
Zusammenfassend lässt sich über die Jugendlichen der Ehrenfelder Gruppe sagen, dass die meisten aus der Arbeiterklasse stammten und entweder schon antifaschistisch erzogen wurden, was in manchen Fällen durch Schlüsselerlebnisse noch verstärkt wurden.
Der feste Kern der Ehrenfelder Gruppe bestand aus dem Anführer Hans Steinbrück und den Edelweißpiraten, das Umfeld der Gruppe bestand aus mehr als 100 Personen.
5.2 Arbeit der Ehrenfelder Gruppe
Die Ehrenfelder Gruppe stand 1944 in Zusammenarbeit mit dem NKFD (Nationalkomitee Freies Deutschland), das politisch sehr stark engagiert war. Unter der Leitung des NKFD wurde die Ehrenfelder Gruppe zu einer organisatorischen Einheit, was im Gegensatz zum unorganisierten Handeln und den einzelnen Aktionen stand. Beide Gruppen wurden ein wichtiger Bestandteil des Kölner Widerstandes.
Vor dem Zusammenschluss der beiden Gruppen kam es allerdings zu Verhaftungen der Hauptakteure durch die Gestapo.
Seit September 1944 erwarteten die Kölner den alliierten Durchbruch zum Rhein. Die Ehrenfelder Gruppe wurde in dieser Zeit noch stärker verfolgt als zuvor, da sie durch das Abhören von Feindsendern über Stellungen und Vorhaben der Alliierten, ohne dass dies von den Nationalsozialisten bearbeitet und beschönigt wurde, bescheid wusste und den Vorstoß der Alliierten durch Flugblätter verbreitete.
Der größte bekannte Plan der Ehrenfelder Gruppe war die Verhinderung der Sprengung der Hohenzollernbrücke beim Einmarsch der Alliierten. Durch Zufall gerieten Pläne zur Sprengung in die Hände Hans Steinbrücks, der durch seine Erfahrungen mit Sprengstoff wusste, wie man dieses Vorhaben verhindern konnte. Dieser Plan wurde allerdings nie in die Tat umgesetzt.
Der wohl erniedrigendste Anschlag auf das NS-Regime war die Ermordung des Ortsgruppenleiters in Ehrenfeld Soentgen durch den Edelweißpiraten und auch Mitglied der Ehrenfelder Gruppe Roland Lorent.
Die Arbeit der Ehrenfelder Gruppe bestand aber meist nicht in gewalttätigen Ausbrüchen, die allerdings auch zur Genüge bekannt sind, sondern aus dem Verstecken von politisch und sozial Verfolgten oder Deserteuren.
Zur Widerstandsarbeit lässt sich abschließend sagen, dass die Mitglieder der Ehrenfelder Gruppe nach ihren Möglichkeiten alles taten, um das NS-Regime in Köln zu stören. Dies ging von Beschaffung von Nahrungsmitteln und Waffen auf dem Schwarzmarkt über die Verbreitung von Flugblättern bis zu gewalttätigen Ausbrüchen gegen „aktive Nazis“. Doch gerade dieses Spektrum macht es heute schwer über den Widerstand der Ehrenfelder Gruppe zu urteilen, denn einerseits taten die Mitglieder einiges, um die NS-Regierung in Köln zu stören, andererseits schreckten sie dabei auch nicht vor einem Mord zurück, was sie zu Kriminellen macht. Zu meiner Beurteilung dieser Situation komme ich am Ende meiner Arbeit.
6. Verhaftungen der Edelweißpiraten
Spätestens seit 1941 gab es zahlreiche Verhaftungen der Edelweißpiraten. Die Ernsthaftigkeit dieser Lage macht die „Sonderkommission zur Kontrolle und Aufdeckung der, subversiven Machenschaften der Bündischen’“3, die von der Gestapo einberufen wurde, deutlich.
Durch diese Verhaftungen und die steigende Gewalt der NS vorzugsweise auch an den Fahrtenplätzen der einzelnen Gruppen stieg auch die Gewaltbereitschaft bei den Edelweißpiraten. Bei den Auseinandersetzungen an den Fahrtenplätzen hatten die Edelweißpiraten anfangs die Oberhand, da die Polizisten nicht mit der Masse der Jugendlichen rechnete, doch später konnten die Nationalsozialisten die Jugendlichen zumindest vertreiben.
Am 19.
10.1944 schließlich schien der Gestapo die Gefahr der Edelweißpiraten so hoch, dass sie eine Verhaftung aller Jugendlicher, die als Edelweißpiraten bekannt waren, veranlasste.
Der meiner Meinung nach grausamste und auch umstrittenste Vorfall ereignete sich am 25.10.1944. An diesem Tag wurden einige der am 19.
10.1944 festgenommenen Edelweißpiraten, darunter auch Mitglieder der Ehrenfelder Gruppe wie zum Beispiel Bartholomäus Schink, der zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war, an der Ecke Schönsteinstraße/Venloerstraße4 ohne Gerichtsverfahren gehängt. Dies sollte als Abschreckung gegen den noch stärker aufkommenden Widerstand unter der Bürgerschaft dienen. Die Edelweißpiraten wurden als Schwerverbrecher behandelt, die sie eigentlich nicht waren. Eine juristische Rechtfertigung dieser Vorgehensweiser lieferte Reichsjustizminister Thierack einen Tag nach der Erhängung. Dieser begründet das Vorgehen, indem er auf die zunehmende Cliquenbildung verweist, und dass die Verfahren gegen Cliquenmitglieder besonders schnell zu erledigen seien, damit der Zusammenhalt nicht unnötig gefördert werde.
5
7. Schlussfolgerung
Meiner Meinung nach ist der heutige Umgang mit den Taten der Edelweißpiraten ein Armutszeugnis für die deutsche Bürokratie. Eigentlich müsste man doch denken, dass dieser Gruppe von Jugendlichen, die aus dem Bauch heraus Widerstand gegen das NS-Regime leisteten, großer Respekt gezollt würde. Doch mitnichten! Noch bis heute kämpfen Angehörige der ermordeten Edelweißpiraten um die Anerkennung dieser als politisch Verfolgte.
Eine Begründung einer Ablehnung eines solchen Antrages lautete:
„..
.Die Kriminalpolizei in Köln ist davon überzeugt, dass von den festgenommenen Terroristen am 10.11.1944 13 Personen ohne Gerichtsverhandlung und ohne Gerichtsurteil öffentlich erhängt wurden, um die Bevölkerung von weiteren Terrorakten abzuhalten. Die Exekution ohne gerichtliches Urteil bedeutet zwar einen Rechtsbruch, der nur durch die damaligen Verhältnisse zu erklären ist.“6
Dies ist meiner Meinung nach eine bodenlose Frechheit, da die Edelweißpiraten, deren einziges Ziel es war die Bevölkerung von der NS-Diktatur zu befreien, als Verbrecher bezeichnet werden.
Der Gesetzesbruch der Gestapo wird durch den Gesetzesbruch der Edelweißpiraten entschuldigt. Doch sollte man sich heute fragen, ob der Rechtsbruch der Edelweißpiraten bzw. der Ehrenfelder Gruppe, also die Ermordung hoher NS-Beamter, heute noch so hoch angesiedelt werden sollte, denn schließlich waren diese Beamten nach heutiger Sicht Verbrecher und hätten in den Augen vieler nichts anderes als den Tod verdient.
Sollte also die Ermordung minderjähriger Widerstandskämpfer so von ihren Taten überschattet werden, dass sie nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden?
Ich bin zu der Auffassung gekommen, dass diese Jugendlichen mehr Mut bewiesen haben als so mancher Erwachsener. Ihre Motive waren frei von jeglichem kriminellen Hintergrund spontan und meist durch ihre antifaschistische Erziehung geprägt entstanden. Die Ermordungen von NS-Beamten durch Edelweißpiraten resultierten doch meist aus Gewaltausbrüchen der Nationalsozialisten.
Wir sollten doch gerade diesen Jugendlichen zumindest heute Respekt zollen.
Die Edelweißpiraten kamen aus einfachen Arbeiterfamilien. Sie waren keine Intellektuellen, sie waren nicht politisch engagiert, sie wussten einfach, dass die NS-Diktatur eine bedrohliche Lage für Deutschland bedeutete, doch dies genügt anscheinend nicht, um in den deutschen Geschichtsbüchern zu erscheinen. Der Widerstand dieser Arbeiter wurde und wird immer noch kriminalisiert.
Der Widerstand der Edelweißpiraten sollte gerade in der heutigen Zeit, in der der Rechtsradikalismus wieder viele Anhänger hat und rechtsradikale Ausschreitungen sich immer mehr häufen, ein Beispiel für die Jugendlichen sein, sich gegen diese menschenunwürdige Ideologie aufzulehnen. Doch sollte die Bewegung der Edelweißpiraten nicht nur beispielhaft für den Aufstand gegen ein totalitäres Regime stehen, sondern allgemein eine Aufforderung an die Jugendlichen sein, für ihre Ideale auch politisch einzustehen.
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