Nation building polen-
Nation Building Polen-
Der 2.Weltkrieg und der Weg vom Sozialismus zur Demokratie
Von Melanie Mehring, Klasse 10B
„Nie damy sie“ – Wir lassen uns nicht unterkriegen. Dieses Motto der Polen für den Widerstand gegen Hitler steht für die gesamte polnische Geschichte, in der die Bedrohung durch übermächtige Gegner ständig präsent war. Der Wille des Volkes zur Selbstbestimmung ihres Landes überstand drei Teilungen, langanhaltende fehlende staatliche Souveränität, den Zweiten Weltkrieg genauso wie ideologische und militärische Einmischung zur Zeit des Sozialismus. Kaum ein anderer Staat in Europa musste über Jahrhunderte hinweg so schwer um seine Existenz kämpfen wie Polen. Ich habe mir dieses Thema jedoch nicht nur ausgesucht weil mich der Kampfgeist der polnischen Bevölkerung und das Beharren auf ihrer kulturellen Identität beeindruckt hat.
Durch die Versöhnungsarbeit die mein Großvater, Martin Menzel, nach dem Krieg leistet, lernte ich persönlich viele Polen kennen und habe das Land zwei mal besucht. Diese Eindrücke haben mein Interesse an diesem Land und seiner Geschichte weiter geweckt.
Der 2.Weltkrieg
Deutscher „Blitzkrieg“ gegen Polen“
Obwohl Deutschland und Polen ein relativ gutes Verhältnis untereinander hatten, rückt die „polnische Frage“ auf Platz eins der nationalsozialistischen Außenpolitik. Die Forderungen der Nationalsozialisten an Polen waren der Anschluss Danzigs an das Deutsche Reich und der Bau exterritorialer Eisenbahnlinien und Autobahnen zwischen Pommern und Ostpreußen, dem sog. Polnischen Korridor, sowie die Angleichung der polnischen Außenpolitik an die des Deutschen Reiches, also den Beitritt zum Antikomminterpaktes.
Dies führte zum politischen Bruch zwischen Deutschland und Polen, da der polnische Außenminister Jozef Beck die Forderungen des deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop am 26.März 1939 ablehnt.
Am 31. März 1939 gibt England eine förmliche Garantie Erklärung für Polen ab. Im Falle einer Handlung, die die Unabhängigkeit Polens in irgendeiner Weise gefährden würde, würde sich die englische Regierung verpflichtet fühlen die polnische Regierung zu unterstützen. Auch Frankreich unterzeichnet ein militärisches Beistandsabkommen mit Polen.
Hitler kündigt den Nichtangriffspakt mit Polen am 28. April 1939. Um ihn jedoch von dem Angriff auf Polen abzuschrecken, nehmen die Alliierten Verhandlungen mit der Sowjetunion auf und schlagen Polen vor, im Falle eines deutschen Angriffs den sowjetischen Truppen Durchmarschrechte zu gewähren. So hätten die Sowjets den Deutschen noch auf polnischem Boden gegenüber stehen können. Doch wegen der Angst aus der Jahrhunderte langen Erfahrung, die sowjetischen Truppen könnten das Land nicht mehr freiwillig verlassen, lehnt Polen dies ab.
Etwa zur gleichen Zeit streckte die UdSSR ihre diplomatischen Fühler nach Deutschland aus.
Hitler nutzte diese Situation und nimmt Verhandlungen auf. Am 23. August 1939 wird der Nichtangriffspakt unterzeichnet sowie ein geheimes Zusatzprotokoll, der die vierte Teilung Polens festlegte (Ostpolen sollte an die Sowjetunion und der gesamte Westen sowie das Zentrum sollten an das Deutsche Reich gehen). Dieses Abkommen, der Hitler-Stalin-Pakt, wurde erst nach den Nürnberger Prozessen 1946 bekannt.
Am 30. August erließ Hitler den Mobilmachungsbefehl für die gesamte deutsche Armee und wies auch eine letzte von Mussolini veranlasste Friedensinitiative zurück.
Er befahl ein verstärktes Propagandafeuer über die angeblichen „Leiden der Deutschen unter dem polnischen Terror“ und ließ durch Gestapo und Sicherheitsdienst Grenzscharmützel inszenieren sowie einen Scheinüberfall auf den Deutschen Sender Gleiwitz durchführen: Zuvor ermordete KZ-Häftlinge, in Uniformen gesteckt, sollten der Öffentlichkeit als „Beweismittel“ dienen. Als sich am Mittag des 31.August auf ein letztes verzweifeltes Drängen der Westmächte das Außenministerium in Warschau zu einem direkten Kontakt nach Berlin entschloss, war es schon zu spät. Hitler hatte zur gleichen Stunde den „Fall Weiß“ befohlen – am nächsten Morgen sollte der minutiös vorbereitete Angriffskrieg gegen Polen beginnen.
Die deutschen Truppen fielen am frühen Morgen des 1.9.
1939 ohne Kriegserklärung mit 52 Divisionen, unterstützt durch 2 Luftflotten , in Polen ein. Die Kampfhandlungen begannen mit der Beschießung der Danziger Westerplatte durch das Linienschiff „Schleswig-Holstein“, gleichzeitig fielen die ersten Bomben auf den Warschauer Flughafen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt das dunkelste Kapitel der Geschichte Polens. Niemals hat es ein so totales Konzept der Zerstörung des Staates und Versklavung, sogar Ausrottung des polnischen Volkes gegeben wie zur Zeit der Hitlerherrschaft in Deutschland. Obwohl Frankreich und England Deutschland am 3.9.
den Krieg erklären, leisten sie Polen keinerlei Hilfestellung, wie sie zuvor zugesichert hatten, außer das die polnische Regierung am 4. September nach London flüchten konnten.
Die zahlenmäßige und waffentechnische Unterlegenheit sowie das auf -deutsches Dringen -Eingreifen der Roten Armee am 17. September, bedingten die rasche Kapitulation. Am 19. September ist das Schicksal der tapfer kämpfenden aber mangelhaft ausgerüsteten und schlecht geführten polnischen Armee praktisch besiegelt.
Trotz noch immer anhaltendem polnischem Widerstand z.B. auf der Halbinsel Hela oder in Warschau, konnte die nationalsozialistische Propaganda von einem „Blitzkrieg“ sprechen.
Polen kapitulierte offiziell am 27. September und Hitler nimmt am 5. Oktober die Siegesparade der Deutschen in Warschau ab.
Der polnische Staatspräsident, die Regierung und die Heeresleitung werden in Rumänien interniert. Gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt teilen die Sowjetunion und Deutschland Polen unter einander auf: Westpreußen, Großpolen und Oberschlesien wurden dem Deutschen Reich angegliedert, Ostpolen ging an die Sowjetunion und den Rest des besetzten Landes wurde von Deutschland zum Generalgouvernement mit Verwaltungssitz in Krakau erklärt, einer Art „kolonialem Nebenland“ aus dem es möglichst viele agrarische und industrielle Produkte sowie Arbeitskräfte herauszuholen galt (s. Karte). Nach dem Einmarsch der Sowjets, der offiziell damit begründet wurde, dass der polnische Staat zusammengebrochen und die Sowjetunion verpflichtet sei, in den an ihr Land angrenzenden Gebieten die Ordnung und Sicherheit der „stammverwandten“ Bevölkerung zu gewährleisten, brach auch der letzte polnische Widerstand zusammen.
Die Ost-West-Verschiebung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg
( entnommen aus „Polen“ von Klaus Bednarz und Peter Hirth)
Interview mit Martin Menzel
(*1919), Besatzungsmitglied der Schleswig Holstein zur Zeit des Angriffs auf Polen:
Wie ist der Hass auf Polen entstanden?
Aus Hass wurde Feindschaft. Durch die Propaganda der Nazis wurde der Hass auf die Polen geschürt, bedingt durch den verlorenen ersten Weltkrieg und den Verlust deutscher Gebiete.
Die Polen waren den Deutschen durch ihr Verhalten („polnische Wirtschaft“) und ihre Sprache unsympathisch. Es kam kaum zu persönlichen Kontakten.
Wie ist es aus ihrer Sicht zum Angriff auf Polen und somit zum Zweiten Weltkrieg gekommen?
Hitlers Machtstreben zielte auf die Rückgabe der verlorenen Gebiete im Osten und die Erweiterung für Lebensraum der Deutschen. Dieses Ziel stand im Parteiprogramm und auch im Buch Hitlers „Mein Kampf“. Nach der Machtergreifung durch Hitler setzte er sich über die Auflagen des Versailler Vertrages hinweg und begann mit der Aufrüstung. Er führte die Wehrpflicht ein und ließ Autobahnen bauen, alles Maßnahmen, die die Nachbarstaaten beunruhigten und zu Streitigkeiten führten.
Verhandlungen mit England und Frankreich scheiterten.
Wie haben sie den Angriff Deutschlands auf Polen erlebt?
Am 1.September 1939, zu Kriegsbeginn, war ich bereits zwei Jahre Berufssoldat der Kriegsmarine und gehörte zur Besatzung des Linienschiffs „Schleswig Holstein“. Am 24. August 1939 erhielten wir vom Oberkommando der Marine die Aufgabe „Fall Weiß“, die darin bestand zu einem offiziellen Besuch Polens nach Danzig zu fahren. Auf See haben wir einen Stoßtrupp Marine-Infanterie übernommen.
Dann wurde uns die Aufgabe näher bezeichnet und sie lag darin, dass wir die an der Einfahrt nach Danzig liegende Westerplatte, die unter polnischer Besatzung lag, einzunehmen. So erhielten wir am 1. September 1939 um 5:47 Uhr den Befehl den Krieg zu eröffnen. Der Kampf um die Westerplatte dauerte sieben Tage und endete mit großen Verlusten.
Wie beurteilen sie den Einfluss des Hitler-Stalin-Paktes aus heutiger Sicht?
Der Hitler-Stalin-Pakt konnte nur zustande kommen, weil beide die gleichen Interessen verfolgten: „Machtstreben“, das stärker war als jede Vernunft. Demokratie lehnten die Leute ab.
Wie haben sie von der Teilung Polens zwischen der Sowjetunion und Deutschland erfahren?
Durch den Vertrag zwischen den Siegermächten und den Friedensverhandelungen in Potsdam 1945. Aber bereits vorher konnten wir, durch die englischen Reaktionen, von den Auswirkungen des verlorenen Krieges erfahren. Hinzu kamen die Flüchtlingsströme der Deutschen aus den Ostgebieten.
Wie hat sich das Verhältnis Deutschlands zu Polen seit dem Zweiten Weltkrieg gewandelt?
Das Verhältnis Deutschlands zu Polen und andere Staaten hat sich dadurch sehr schnell zum positiven geändert, weil wir erstmalig Demokratie kennerlernten, eine Gesellschaftsform, die uns nach Kaiserreich (Monarchie) und Hitler die Augen öffnete. Zu Polen hat sich das Verhältnis erst später gebessert, weil dort der Kommunismus herrschte, also weiter Diktatur. Erst durch den Umbruch durch Lech Walesa öffnete sich das Land dem Westen.
Wie ist ihr Verhältnis zu Polen heute?
Aus Feindschaft ist Freundschaft geworden. Die Nachkriegsgeneration in Polen hat die Geschichte neu geschrieben, an der ich die Ehre habe, meinen Beitrag der Versöhnung zu leisten.
Unterdrückung der Polen durch das Deutsche Reich
Hitlers Endsieg sollte der „deutschen Herrenrasse“ Lebensraum bis zum Ural sichern. Für Polen waren seine Ziele: Versklavung, Vertreibung und Germanisierung des polnischen Volkes, das laut Propagandaministerium „Untermenschen“ waren; die Liquidierung der polnischen „Führerschicht“, damit es keinen polnische Widerstand mehr gibt und schließlich die Vernichtung des polnischen Volkes. Er versuchte die Polen nicht nur physisch auszurotten, wie er es mit den Juden tat, sondern auch die polnische Kultur, Kunst, Wissenschaft und Bildung zu vernichten.
Große Teile der ostpolnischen Bevölkerung wurden in die Sowjetunion deportiert und in den durch die Rote Armee besetzten Gebieten wurde eine brutale Sowjetpolitik eingeleitet, die jedoch nicht mit der systematischen politischen und ideologischen Vernichtungskampagne Hitlers zu vergleichen ist, die durch die Wehrmacht, die deutsche Polizei und SS auf polnischem Boden durchgeführt wurde.
Ein Großteil der polnischen Armee geriet in sowjetische und deutsche Kriegsgefangenschaft. 200 000 Soldaten, die sich der Roten Armee ergeben hatten, wurden wegen des fehlenden Kriegszustandes als Strafgefangene behandelt. Etwa15 000, darunter 8 000 Offiziere wurden erschossen. Über eine Millionen Polen wurden nach Sibirien und Zentralasien zwangsdeportiert.
In den Deutschland eingegliederten Gebieten begann eine einzigartige Eindeutschungspolitik: Bis auf eine kleine Gruppe die als „eindeutschungsfähig“ galt, erhielt die polnische Bevölkerung (8 von 10 Millionen Menschen) den Status von praktisch rechtlosen „Schutzangehörigen“ oder sie wurden ins Generalgouvernement deportiert. Die Richtlinien, die Heinrich Himmler am 25.
Mai 1940 in einer „Denkschrift über die nicht deutsche Bevölkerung der Fremdvölkischen in Osten“ galt für die gesamte polnische Bevölkerung sowohl in den Deutschen Gebieten als auch im Generalgouvernement: Sie dürfen keine höhere Schule besuchen als die vierklassige Volksschule, deren Ziel es ist, einfaches Rechnen bis höchstens 500, zu lehren, Schreiben des Namen, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam, ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen hielt er nicht für erforderlich. Hitler fügte dem noch hinzu, dass es einen „harten Volkstumskampf“ geben müsse, der keiner gesetzlichen Regulierung bedarf, sowie das Lebensniveau der Polen niedrig halte. Auf keinen Fall dürfe es polnische Herren geben und falls doch, müssten diese umgebracht werden. Neben der rein deutschen „Elite“ im polnischen Gebiet, die über alle Privilegien verfügte, wurden die Polen als lästiges Übel angesehen. Sie hatten die Uniformträger zu grüßen, wurden vom Besuch der Gaststätten ausgeschlossen und durften nur zu bestimmten Tageszeiten in Geschäften einkaufen.
Die polnische Sprache wurde verboten, sämtliches landwirtschaftliches und gewerbliches Vermögen beschlagnahmt, vielen wurde der gesamte Besitz weggenommen (der Verlust des Volksvermögens betrug 40%). Jeglicher Rechtsschutz wurde den Polen genommen. Bald zeigte es sich , dass Hass und Terror sich verselbstständigen, sobald Denunziation honoriert wurde. Bereits bei der kleinsten „gehässigen oder hetzerischen Betätigung“ oder „deutschfeindlichen Äußerung“ die von einem Deutschen bescheinigt wurde, konnten Polen zu Freiheits- oder sogar Todesstrafe verurteilt werden. In fast allen größeren Orten fanden öffentliche Erschießungen statt.
Ab 1940 ließ das Deutsche Reich eine Reihe von Konzentrationslagern auf polnischem Gebiet errichten, die später zu Vernichtungslagern (Auschwitz, Majdanek, Sobior, Treblinka) umgebaut wurden.
Arbeitsfähige verpflichtete man zur Zwangsarbeit im Deutschen Reich. Künstler, Wissenschaftler und Priester wurden in sog. Schutzhaft genommen, was häufig die Verschleppung in Konzentrationslager bzw. Vernichtungslager bedeutete.
In Paris bildete sich bereits a 30.9 1939 eine Exilregierung.
Zum Ministerpräsidenten wurde General Wladyslaw Sikorski ernannt, ein alter Widersacher des ehemaligen Staatschefs Pilsudski. Seine Wahl sollte den Abstand zum autoritären Regime der Zwischenkriegszeit demonstrieren. Nach der Niederlage rettete sich die Exilregierung nach London. England und Frankreich erkannten diese Exilregierung als die einzig legitime Vertretung des polnischen Volkes an. Premierminister Winston Churchill drängte Sikorski 1941 zu einer Vereinbarung mit der Sowjetunion, die die Exilregierung anerkannte und die territorialen Vereinbarungen mit Deutschland für ungültig erkläre, doch erst als Hitler die Sowjetunion überfiel zeigten sich Verhandlungserfolge. Sikorski erreichte im Gespräch mit Stalin, dass einige der in die sowjetischen Lager verschleppten Polen entlassen wurden, um mit ihnen eine Armee aufzustellen.
Doch 1943 fanden diese Verhandelungen ein jähes Ende, als die Überreste eines Massakers der Roten Armee bei Katyn gefunden wurde, bei dem mehr als 4 000 Offiziere erschossen worden waren.
Widerstand der Polen
Mit der zunehmenden Brutalität der Besatzungsmächte wuchs zugleich die Widerstandsbewegung. Die erste polnische Widerstandsbewegung wurde zwar bereits am Tage der polnischen Kapitulation gegründet. Doch ein auf breiter Basis und systematisch organisierter Widerstand konnte sich weder im sowjetisch besetzten Ostteil Polens (Allgegenwart der NKWD - Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) noch in dem Westteil der dem Deutschen Reich angegliedert war (enges Netz deutscher Verwaltungs-, Polizei-, und SS-Dienststellen) entfalten. Im Generalgouvernement entwickelte sich jedoch neben dem offiziellen Staat der Besatzungsmacht ein regelrechter polnischer Untergrundstaat, mit eigenen illegalen Universitäten, Schulen, kirchlichen Zentren, Zeitungen und einer regulären Untergrundarmee, deren Mitglieder vereidigt wurden und einer eigenen Rechtssprechung unterlagen. Die Untergrundarmee, seit 1942 „Arminia Krajowa“(AK) steht unter dem Befehl der Exilregierung in London.
Der Kampf der bürgerlich-national eingestellten Armee galt sowohl der deutschen als auch der sowjetischen Besatzungsmacht. Aufgrund der politischen Wiedergutmachung für praktisch nicht geleistete Kriegsmaßnahmen gegen Hitler halfen England und Frankreich bei dem Aufbau der Armee.
Nach Hitlers Überfall formierte sich eine weitere kommunistische Widerstandsbewegung, die Volksarmee (AL), die allerdings zahlenmäßig weit kleiner und militärisch weniger ins Gewicht fiel.
Der erste Aufstand allerdings wurde weder von der Heimatarmee noch von der Volksarmee initiiert: Er brach vielmehr im April 1943 im Warschauer Ghetto aus, in dem zu Beginn des Krieges mehr als 400 000 Juden unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht wurden. 1942 hatten die Nazi mit der Deportation der Juden in die Vernichtungslager aus dem Ghetto begonnen und als Himmler 1943 den Abtransport der letzten 100 000 Juden und die entgültige Zerstörung des Warschauer Ghettos anordnete, begannen die Juden unter der Führung von Mordechaj Anielewicz den bewaffneten Kampf. Obwohl die SS und Wehrmacht von Himmler den Befehl bekam, mit „größter Härte und unnachsichtiger Hartnäckigkeit vorzugehen“, dauerte es 33 Tage, bis das Ziel, die „totale Vernichtung des jüdischen Wohnbezirks unter Abbrennen sämtlicher Wohnblocks“ erreicht war.
SS-Brigadeführer Stroop, der Leiter der Vernichtungsaktion, meldete am 16. Mai 1943 nach Berlin nicht nur, dass das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschaus nicht mehr bestehe, sondern auch dass es fast keine Überlebenden Juden gibt und dass die Juden außer durch Einzelaktionen von keiner der beiden Armeen unterstützt wurden.
Auch die Heimatarmee blieb letztlich bei ihrer größten, offenen militärischen Aktion, dem sog. Warschauer Aufstand im August 1944 allein und auf sich selbst gestellt.
Nachdem im April 1943 die Gräber der polnischen Offiziere in Katyn gefunden wurden, bereitete die Führung der Heimatarmee vor, Aufstände zu entfachen, sobald der erwartete Endkampf zwischen Deutschen und Russen auf polnischem Gebiet stattfinden würde. Dabei ging es zum einen um die Befreiung von den Deutschen, andererseits wollte man den Sowjets als Herr im eigenen Haus gegenüberstehen.
Als im Sommer 1944 die deutsche Heeresgruppe Mitte zusammengebrochen war und sowjetische Panzerspitzen auf Warschau vorrückten, hielten sowohl der Befehlshaber der Heimatarmee, General Bor-Komorowski, und der Nachfolger des im Juli 1943 bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Exilministerpräsidenten Sikorski, Mikolajczyk, die Stunde des Aufstandes für gekommen. Die polnische Exilregierung gab den Befehl zum Aufstand am 1. August um 17 Uhr über den Londoner Rundfunk. Doch auch dieser Aufstand war, nicht nur wegen der Übermacht der Polizei, SS und Wehrmacht, die mit unvorstellbarer Grausamkeit gegen die Warschauer Zivilbevölkerung vorging (allein an einem Tag wurden über 10 000 polnische Zivilisten exekutiert), sondern auch wegen der politischen Fehleinschätzung der Führer des Aufstandes, zum Scheitern verurteilt. Denn im Gegensatz zu dem, was die Führer der Heimatarmee erwarteten, griffen die sowjetischen Truppen nicht in den Kampf gegen Deutschland ein. Am 2.
Oktober kapitulierte General Bor-Komorowski und Hitler befahl, die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Mehr als 160 000 Polen, davon 150 000 Zivilisten, bezahlten den heldenhaften, doch wie fast immer in der polnischen Geschichte tragischen Aufstand mit dem Leben. Die überlebende Bevölkerung Warschaus wurde in Konzentrationslager und zur Zwangsarbeit deportiert. Sowjetische Truppen zogen am 16. Januar in ein völlig zerstörtes und so gut wie menschenleeres Warschau ein.
Das Ergebnis dieser nationalsozialistischen Politik war die Deportation von mehr als einer Millionen Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland und die Dezimierung der polnischen Intelligenz um mehr als die Hälfte.
Der Deportation und der Ermordung der jüdischen und später auch der übrigen polnischen Bevölkerung in den Konzentrations- und Vernichtungslagern fielen 6 Millionen Menschen (jeder 5. Pole), darunter die Hälfte Juden, zum Opfer. In Polen überlebten nur 100 000 Juden. Die Verluste der von Generationen von Polen geschaffenen Kulturgüter waren unermesslich.
Mit der Befreiung des gesamten Landes und der Besetzung der bis dahin deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße legten die Sowjets den Grundstein für ein kommunistisches Polen.
Die Volksrepublik Polen
Neuorientierung
Das von der Nazi-Herrschaft befreite Polen stand 1945 vor 3 großen Problemen:
die Neufestsetzung Grenzen
die gesellschaftliche Struktur des Landes
der wirtschaftliche Wiederaufbau
Obwohl die offiziellen polnischen Grenzen erst auf der Friedenskonferenz bestimmt werden sollten, einigten sich die drei Großmächte, vertreten durch Churchill, Roosevelt und Stalin, auf der Konferenz von Teheran im November1943, mit Einverständnis der Exilregierung in London auf die Curzon-Linie im Osten und die Oder-Neiße als Grenze im Westen (s.
Karte).
Um einiges schwieriger war die Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Strukturen des wiederentstandenen Polen. Aufgrund der vom Katholizismus bestimmten Gesellschaftsstruktur, der Abneigung gegen den Kommunismus und der größtenteils schlechten Erfahrungen, die man über Jahrhunderte mit den Russen bzw. Sowjets u.a. während des Zweiten Weltkrieges gemachte hatten, war die Mehrheit der polnischen Bevölkerung unter Führung der Exilregierung für die Wiederherstellung einer Demokratie.
Die sowjetischen Soldaten wurden zwar als Befreier vom Hitler-Faschismus gesehen, jedoch nicht als Sendboten einer neuen politischen und gesellschaftlichen Ordnung begrüßt.
De facto gab es nach Kriegsende zwei Regierungen in Polen: eine bürgerliche Exilregierung mit Sitz in London, die von der Mehrheit der polnischen Bevölkerung als die legale angesehen wurde und eine kommunistische mit Sitz in Lublin und später in Warschau. Bereits am 1. Januar1945 hatte sich diese „provisorische polnische Regierung“ mit sowjetischer Unterstützung gebildet. An der Spitze dieses Lubliner Komitees standen E. Osobka-Morawski sowie sein Stellvertreter Wladyslaw Gomulka.
Stalin räumte dieser Regierung sämtliche Verwaltungsbefugnisse bis zur Oder-Neiße-Grenze ein. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Regierungen beherrschte die politische Szene Polens in der direkten Nachkriegszeit. Erst etwa ein halbes Jahr nach Gründung des Lubliner Komitees erklärt Stalin sich auf Druck der Westmächte bereit, drei Vertreter der Exilregierung (unter ihnen Mikolajczyk) aufzunehmen. Gemäß einer Absprache der Alliierten wird diese zu einem „Komitee der Nationalen Einheit“ umgebildet. Die Westmächte brechen daraufhin die Beziehungen zur weiterbestehenden Londoner Exilregierung ab und erkennen am 5. Juli 1945 die neue Regierung in Warschau an.
Den drei Politikern aus London gelang es jedoch nicht, auf Dauer in Polen politisch Fuß zu fassen. Obwohl hinter Mikolajczyk die Mehrheit der Bauern, des Bürgertums, des Klerus, der Intellektuellen und der ehemaligen Kämpfer der Heimatarmee standen, blieb der Einfluss der Kommunisten dominierend. Da sie als erstes zur Stelle waren, konnten sie sich der Armee, der Polizei und des Sicherheitsapparates bemächtigen. Statt, wie die bürgerlichen Gruppierungen, mit (in dieser Situation ) eher abstrakten Begriffen wie Freiheit, Unabhängigkeit und Wahlen zu werben, sprachen die Kommunisten von dem, was die polnische Bevölkerung nach Krieg und Okkupation am nötigsten hatte: von Brot und Arbeit, von Ankurbelung der Wirtschaft und von Wiederaufbau.
Bei den ersten Wahlen zum polnischen Parlament seit Beginn des Zweiten Weltkriegs, die am 19. Januar 1947 durchgeführt werden, erleidet die von Mikolajczyk geführte Bauerpartei eine vernichtende Niederlage.
Mikolajczyk und die Westmächte sprechen von Manipulation, doch der Sieg des von den Kommunisten unter Wladyslaw Gomulka geführten sog. „Demokratischen Blocks“ ist endgültig, auf ihn fallen 80% aller Stimmen. Bereits Ende 1947 musste Mikolajczyk aus Polen flüchten. Am 5. Februar wurde Boleslaw Bierut zum Staatspräsidenten von der Verfassungsgebenden Versammelung (Sejm) gewählt.
Wirtschaftlich hatten Krieg und Okkupation das Land härter getroffen als die meisten anderen.
Vor dem Krieg galt Polen bereits als wirtschaftlich unterentwickelt, doch nach dem Krieg waren etwa 65% aller polnischen Industriebetriebe zerstört und die Landwirtschaft litt unter der größtenteils verbrannten oder verminten Erde. Um so erstaunlicher war der wirtschaftliche Aufschwung, den das Land nach dem Krieg erlebte. Eine Landreform sollte durchgeführt werden und die Industrie sollte verstaatlicht werden. Besonders die Landreform war politisch und gesellschaftlich bedeutsam. Denn die Aufteilung des Großgrundbesitzes (unter polnischen Verhältnissen galt bereits jeder Besitz über 20 Hektar als Großgrundbesitz) und die Bodenverteilung an besitzlose Landarbeiter sollte demonstrieren, dass entgegen der westlichen Propaganda der Kommunismus keineswegs Kollektivierung und Besitzlosigkeit bedeutet, sonder gerechte Umverteilung von Besitz. Schmerzlich bemerkbar machen sollte sich allerdings noch Jahrzehnte später, dass bei diesen Umverteilungen die landwirtschaftliche Nutzfläche in Hofeinheiten von 2-5 Hektar aufgesplittert wurden, denn auf Höfen dieser Größe ist unmöglich, volkswirtschaftlich rentabel zu wirtschaften.
Trotzdem gelang es Polen, dank des Elans und der Anstrengung, mit dem die polnische Bevölkerung an den Wiederaufbau und die Bewirtschaftung des Landes ging, bereits 1947 als zweites Land in Europa die Lebensmittelkarten abzuschaffen und das Pro-Kopf-Einkommen des Vorkriegsstandes zu erreichen, und das, obwohl es außer karitativer Hilfe wenig Unterstützung aus dem Ausland gab.
Stalinismus
Die Jahre 1949-1955 sind in Polen, so wie in allen Osteuropäischen Ländern, gekennzeichnet durch einen zunehmenden Prozess der Stalinisierung. Boreslaw Bierut, streng moskautreu war in den nun folgenden Jahren dafür verantwortlich, dass Stalins Befehle in Warschau befolgt wurden. Formal war die Verfassung, die am 22. Juli 1952 verabschiedet wurde durchaus demokratisch: Sie garantierte Bürgerrechte, eine vom Parlament gewählte Regierung mit Präsident und Staatsrat und ein in allgemeinen Wahlen bestimmtes Parlament, den Sejm. Doch in der Praxis sah dies anders aus.
Polen hatte sich an die straffe, von Moskau bestimmte Linie zu halten, d.h. jede nationale Besonderheit wurde unterdrückt, psychischer und physischer Terror gegen Andersdenkende (oder nur angeblich Andersdenkende) in den Reihen der Partei oder auch außerhalb, weitgehende Autonomie des (sowjetisch kontrollierten) Sicherheitsapparates, Verschärfung der Zensur, alle Kontakte mit der Außenwelt wurden sofort denunziert, unschuldige Menschen in fingierten Prozessen willkürlich als Spione verurteilt. Menschen wurden in die Sowjetunion abtransportiert und verschwanden spurlos, ein dichtes Netz von Informanten legte sich über Betriebe, Schulen und Universitäten und, im Falle Polens besonders wichtig, der Kampf gegen die katholische Kirche wurde intensiv geführt. Denn sie galt als ein reaktionäres Relikt des alten Systems. Priester und Laien wurden zu Zielscheibe offener Angriffe und waren ständig von Verhaftungen bedroht.
1950 wurde das Vermögen der Kirche konfisziert und der Primas Polens, Kardinal Stefan Wyszynski, 1952 in einem Kloster interniert. Dieses gestörte Verhältnis von Kirche und Staat zerstörte aber auch das Vertrauen der Bürger in die moralische Integrität jener Kommunisten, die Widerstandskämpfer, Künstler, Professoren, Kirchenangehörigen und Funktionäre aus den eigenen Reihen einfach hinter Gittern verschwinden ließen. So wurde auch der Chef der polnischen Kommunisten Wladyslaw Gomulka wegen „rechtsnationaler Abweichungen“ im Juni1948 angeklagt und von 1951-1954 inhaftiert. Zwar war auch er von dem Willen beseelt, Polen zu einem kommunistischen Staat zu machen, doch er verfolgte ein Programm unter dem Motto „über die Demokratie zum Sozialismus“, dessen wichtigste Punkte die Ablehnung der Kollektivierung der Landwirtschaft, die Zulassung privaten Kleingewerbes und Handels sowie ein behutsamer Umgang mit der katholischen Kirche waren.
Stalinismus im wirtschaftlichen Bereich sollte, gemäß dem Vorbild der Sowjetunion, eine kollektivierte Landwirtschaft einerseits und eine hochentwickelte Schwerindustrie andererseits bedeuten. So wurden die Bauern, von denen 1945 viele erstmals eigenes Land bekommen hatten, wieder enteignet und man begann praktisch aus dem Nichts eine (für polnische Verhältnisse) gigantische Schwerindustrie aufzubauen.
Um den Zustrom der Landbevölkerung zu bewältigen, die nun für die Arbeit in der Industrie gebraucht wurde, stampfte man neue Städte und Vororte förmlich aus dem Boden.
Der falsche Pathos dieser Zeit schlug sich auch in anderen Bereichen nieder. Bauten von gigantischen Kombinationen (z.B. Kulturpalast in Warschau), Fabriken und Institutionen, steigende Arbeitsnormen und sich überschlagende Erfolgsmeldungen, monumentale Skulpturen im Stil des sozialistischen Realismus, sollten den Beweis für die Überlegenheit des neuen Systems und seiner Ideologie liefern.
Stalin glaubte, dem Sowjetblock drohe eine Invasion der „Kräfte des Amerikanischen Imperialismus“.
So ließ er eine 400 000 Mann starke polnische Armee aufstellen. 1955 wurde Polen Mitglied des Warschauer Pakts, der die „NATO des Ostens“ seien sollte. Darüber hinaus trat Polen als vollständiges Mitglied dem 1949 gegründeten „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW) bei., auch COMECON genannt.
Dass Polen ein sozialistischer Staat werden würde, war jedem klar und wer Zweifel daran hatte, dem genügte ein Blick auf die Landkarte. Doch diese Art von Terrorsozialismus wollten die Polen nicht.
„Polnischer Oktober“ und die Nachwirkungen
Die Phase des Stalinismus hatte auch über den Tod des Diktators am 5. März 1953 angehalten. Doch eher als in anderen Ostblockländern hatten sich in Polen frühzeitig Auflösungserscheinungen des stalinistischen Herrschaftsapparates bemerkbar gemacht. Nicht nur Wladyslaw Gomulka wurde 21. April 1955 wieder frei gelassen, sondern es hatte sich auch der Widerstand gegen diese Art von Kommunismus bereits öffentlich artikuliert vor allem aus den Kreisen der Intellektuellen und der Kirche. Und das im Juni 1956 die Arbeiter von Posen, unter dem Motto „Brot und Freiheit“ für mehr Lohn und menschlicherer Arbeitsbedingungen auf die Straße gingen (offiziell sprach man von 48 Toten und über 300 Verletzten) zeigte, dass das Land einen neuen Parteiführer brauchte, dem das Volk vertrauen konnte und der die Probleme des Landes pragmatisch anging.
Die Ära des Stalinismus in Polen war nun endgültig zuende.
Unter dem Druck der Öffentlichkeit wurde Wladyslaw Gomulka, dessen Name in diesen Jahren für Polen zum Symbol der Hoffnung und einer Alternative zum Terror geworden war, zunächst am 4. August 1956 offiziell rehabilitiert und danach in einer dramatischen Aktion, die fast zum Einmarsch der Roten Armee geführt hätte, am 19. Oktober 1956 zum Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei gewählt. Es gelang ihm, Polen von der totalen Kontrolle der Sowjetunion zu befreien und zu beweisen, dass die polnischen Kommunisten sich auch ohne ständige Anweisungen aus Moskau selbst um die Angelegenheiten ihres Landes kümmern können. In seiner Programmrede am 24.
Oktober vor mehr als 300 000 Menschen auf dem Warschauer Paradeplatz knüpfte Gomulka wieder da an, wo er 1948 in seinem politischen Wirken aufhören musste. Die wichtigsten Programmpunkte waren unerschütterliche Verbundenheit mit der Sowjetunion, gleichzeitig jedoch völlige Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, souveräne Selbstregierung, völlige Gleichberechtigung, Freiheit für die Bauern, Freiheit für die Religion, Freiheit von Furcht und Terror und die Stärkung der sozialistischen Demokratie. All diese Punkte und die Welle der Begeisterung über den Neubeginn die durch das Land ging, wurden unter dem Begriff „polnischer Oktober“ zum weltweiten Synonym für einen Sozialismus ohne Furcht und Terror, einem „demokratischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Und in der Tat beginnt der „polnische Oktober“ verheißungsvoll: Die Kollektivierung der Landwirtschaft wird so gut es geht rückgängig gemacht, die Heimatarmee wird rehabilitiert, die Partei einem Selbstreinigungsprozess unterzogen und das Verhältnis von Kirche zu Staat auf eine neue vertragliche Basis gestellt. Arbeiterräte werden als Instrumente der demokratischen Selbstverwaltung gebildet, die Zensur wird gelockert und ein Reformprogramm für die Wirtschaft entwickelt.
Der zentrale Gedanke dieser Wirtschaftsreform ist die Gewährleistung der Planwirtschaft durch die Schaffung wirtschaftlicher Anreize und nicht durch Kommandomethoden.
Zu diesem Zweck erhielten die einzelnen Wirtschaftsbereiche weitgehende Selbstständigkeit in der Gestaltung ihrer Plan- und Lohnpolitik. Zugleich wurde der Schwerpunkt der industriellen Entwicklung auf jene Bereiche gelegt, die beim Wiederaufbau der Nachkriegszeit zu kurz gekommen waren, wie der Maschinenbau und die chemische Industrie. Doch trotz eindrucksvoller Zuwachsraten gelang es nicht, die selbst so hoch gesteckten Ziele zu erreichen. Zwar begann eine allmähliche Verlagerung des Wirtschaftsprofils Polens vom Agrarstaat in Richtung Industriestaat, doch blieb die Landwirtschaft mit ihren Millionen Kleinbauern der wichtigste Wirtschaftsfaktor Polens.
Die katholische Kirche war stärker als je zuvor. Im Rahmen ihrer Selbstverwaltung, unterhielt sie ihre Priesterseminare, soziale und intellektuelle Gesellschaften und eine eigene Universität in Lublin.
Auf diese Weise wurde sie zur einzigen wirklich unabhängigen Kirche im Ostblock und statt wie parteitreue Soziologen vorhergesagt hatten, ihre Gläubigen zu verlieren, bewährte sie sich vielmehr als Zufluchtsort und treibende Kraft für die Opposition.
Im Gefolge des „Prager Frühlings“ kam es im März 1968 zu Unruhen an der Warschauer Universität. Die Forderungen der Studenten, politische Reformen und mehr kulturelle Freiheiten, entsprachen in etwa denen ihrer tscheslowakischen Kollegen. Dabei handelte es sich wie bei dem Aufstand der Arbeiter in Posen 1956 keineswegs um einen Aufstand gegen den Sozialismus, sondern um einen Aufstand für einen besseren Sozialismus. Gomulka hat den Herbst 1968 zwar angeschlagen, aber noch ohne Sturz überstanden, jedoch nur, weil es (anders als 1956) nicht zu einer Solidarisierung von Studenten und Arbeitern kam. Obwohl die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte, die Polen während Gomulkas Amtszeit erzielte, durchaus beachtlich waren, konnte das Gomulka Regime der Bevölkerung nicht den subjektiven Eindruck eines Anstieges vermitteln.
Als Gomulka am 11. Dezember 1970 drastische Preiserhöhungen für Lebensmittel verkünden lässt, kommt es an der gesamten polnischen Ostseeküste zu Unruhen. Das brutale Vorgehen der Polizei und der Sicherheitskräfte lassen aus der Erhebung ein Blutbad werden. Ob es 36 Tote gibt, wie offiziell zugegeben wird, oder mehr als 300, wie einige Arbeiter gegenüber ausländischen Journalisten behaupteten, die Stadt Danzig/Gdansk ist seither nicht mehr nur ein Symbol für das aus den Trümmern des Krieges wiederentstandene Polen, sondern auch für das Ende einer sozialistischen Parteiführung, die die elementaren Interessen der Bevölkerung aus den Augen verloren hatte und außerstande war, soziale Konflikte mit politischen Mitteln zu lösen. Wenn der Aufstand trotz einiger Sympathiestreiks nicht auf das ganze Land übergriff, dann nur deshalb, weil es der Partei relativ schnell gelang, die Führungsspitze umzubauen und anstelle des vom Idol zur Unperson gewordenen Gomulkas den Parteichef von Kattowitz, Edward Giereck, am 20. Dezember 1970 zu seinem Nachfolger gewählt wurde.
Giereck verkündete die Rücknahme der Preiserhöhungen und Straffreiheit für die Streikenden Arbeiter. Er forciert den Konsumgüterimport und kurbelt zugleich mit einem Investitionsprogramm die Wirtschaft des Landes an. So konnte er vorerst die Vertrauenskrise von Regierung und Bevölkerung überwinden. Als schwächster Punkt der polnischen Wirtschaft stellte sich wieder einmal die Landwirtschaft raus. Trotz einiger Reformen konnte auch das Giereck-Regime die strukturelle Schwäche der polnischen Landwirtschaft nicht überwinden.
Widerstände und Streiks leiten die Demokratisierung ein
Da nach einiger Zeit auch Giereck die Preise für Grundnahrungsmittel anheben wollte, gingen diesmal Arbeiter aus den Städten Ursus und Radom auf die Straße.
Doch statt den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen und die Entstehung demokratischer Strukturen in den Betrieben und in der Gesellschaft zu fördern, setzte der Staat eine Repressionswelle in Gang: Zu Hunderten wurden die streikenden Arbeiter verhaftet und in Gefängnissen systematisch misshandelt. Hausdurchsuchungen, Verhöre und Massenentlassungen waren an der Tagesordnung. Als Reaktion auf diese Politik der staatlichen Repression, entstand im September 1976 das „Komitee zur Verteidigung der Arbeiter“ (KOR), das in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle für die Entwickelung der politischen und gesellschaftlichen Situation spielen sollte. Zum ersten mal in der polnischen Nachkriegsgeschichte gab es eine Allianz von Arbeitern und Intellektuellen. Nicht nur politisch, auch wirtschaftlich war die Regierung unter Gierecks Führung zu diesem Zeitpunkt am Ende. Gierecks großer, zweifellos von Erfolg gekrönter Sprung nach vorn in der ersten Hälfte der 70er Jahre endete in einem Fiasko.
Auslandsverschuldung, Inflation, Warenmangel und zunehmende Verarmung der Bevölkerung führten nicht nur zu Streiks in Lublin oder anderen Orten, sondern vor allem zu jenem Streik am 14.August 1980 auf der Danziger Leninwerft, der die weitere Geschichte Polens so bestimmen würde wie kein anderer Aufstand zuvor.
Unmittelbarer Anlass für den Streik waren erneuten Preiserhöhungen von Lebensmitteln. Doch im Gegensatz zu den Streiks in anderen Orten ging es nicht nur um die Preiserhöhungen, sondern der Streit in Danzig hatte von Beginn an politischen Charakter. Denn neben höheren Löhnen forderten die Arbeiter die Wiedereinstellung der entlassenen Streikführer aus dem Jahr 1970, sowie die Errichtung eines Denkmals für die Opfer von 1970, die Einführung des Streikrechtes, die Abschaffung der Zensur und den Zugang zu öffentlichen Medien. An der Spitze des sofort gebildeten Streikkomitees stand der Elektromonteur Lech Walesa, ein Mann, den bisher nur die Werftarbeiter als einen der Streikführer aus dem Jahre 1970 kannten.
Obwohl Lech Walesa davon überzeugt war, dieser Streik sei kein politischer, sondern er solle nur das Verhältnis der Menschen zueinander verbessern, so war es genau dieser politische Charakter, der diesen Streik von allen vorherigen unterschied: Es wurde eine freie, d.h. vom Staat unabhängige Gewerkschaft gefordert. Dieser Gewerkschaft (Solidarnosc – Solidarität: die Kampfparole der Arbeiter)schlossen sich schnell fast alle Betriebe der Küstenregion und viele andere Betriebe im Landesinneren an. In 21 Punkten legten die Arbeiter ihre Forderungen nieder, die neben den bereits genannten, die Freilassung aller politischen Gefangenen und automatischen Lohnanstieg beinhalteten.
Eine Welle der Solidarität im In- und Ausland begleiteten den Streik der Danziger Werftarbeiter.
Ein Streik, der nach alter polnischer Tradition ein Okkupationsstreik war, d.h. ein Streik bei dem die Arbeiter das Betriebsgeländen solange besetzten und nicht eher verließen, bis ihre Forderungen erfüllt werden. Entscheidend für Charakter und Verlauf des Streiks war die Tatsache, dass bereits von Anfang an prominente Berater aus der polnischen Intelligenz und Mitglieder „Komitees zur Verteidigung der Arbeiter“ (KOR) zur Seite standen. Obwohl Parteichef Giereck die politischen Forderungen der Streikenden in einer Fernsehansprache am Abend des 18. August ablehnte, waren die Streikenden zwölf Tage später an ihrem Ziel: Nach langen und zähen Verhandelungen mit verschiedenen Regierungsdelegationen, unterschrieben Lech Walesa im Namen des Streikkomitees, und Ministerpräsident Mieczyslaw Jagielski im Namen der Regierung, die 21 Punkte des historischen „Danziger Abkommens“ mit einem riesigen Kugelschreiber, den ein Papst-Portrait zierte.
Allerdings mussten die Streikenden akzeptieren, dass die neuen Gewerkschaften nicht „frei“, sondern „unabhängig“ heißen sollten und anstatt von „Abschaffung“ der Zensur, wurde sie nur „abgeschwächt“. Bereits vor Verhandlungsbeginn wurde die führende Rolle der Partei und die Zugehörigkeit Polens zum sozialistischen Lager von den Streikenden anerkannt.
Wie ein Buschfeuer verbreitet sich die Demokratisierungsbestrebungen über das ganze Land. Parteichef Giereck musste am 5. September zurücktreten und überall gründeten sich neue, selbstverwaltete Organisationen. Neben der „Solidarnosc“ der Arbeiter entstanden bald eine „Land-Solidarität“ der Bauern und ein unabhängiger Studentenverband, sowie Kulturverbände.
Binnen kurzem zählte die „Solidarnosc“ rund zehn Millionen Mitglieder, fast ein Drittel der gesamten polnischen Bevölkerung.
Am 9. Februar 1981 wird General Jaruzelski neuer Ministerpräsident (ab 18. Oktober auch neuer Parteichef) und behält gleichzeitig sein bisheriges Amt als Verteidigungsminister bei.
Rückschlag durch Verhängung des Kriegsrechtes
Die wirtschaftliche Situation Polens besserte sich allerdings nicht. Immer wieder aufflackernde Streiks, Provokationen seitens der Staatsorgane und zermürbende Verhandlungen über die Realisierung der Beschlüsse von Danzig prägten die Situation.
Und über allem hing die Angst vor der drohenden militärischen Intervention durch die Sowjetunion, ob begründet oder unbegründet, ist nicht geklärt. Deswegen verhängte die polnische Regierung in der Nacht vom 12 auf den 13. Dezember 1981 Kriegsrecht über das ganze Land. Tausende, darunter fast die gesamte Führung der „Solidarnosc“ wurden verhaftet, die demokratischen Rechte wurden außer Kraft gesetzt, die unabhängigen Gewerkschaften wurden zunächst suspendiert, dann verboten, eine nächtliche Ausgangssperre wurde verhängt, ein Versammlungsverbot erlassen und die totale Zensur eingeführt. Trotz Verhängung des Kriegsrechtes gelang es nicht, die „Solidarnosc“ zu zerschlagen. Obwohl die Gewerkschaft offiziell verboten war und neben vielen Führern auch mehr als 10 000 ihrer Mitglieder und Anhänger in Internierungslagern und Gefängnissen waren und unzählige ihren Arbeits- bzw.
Studienplatz verloren, lebte die „Solidarnosc“ im Untergrund weiter. Nicht nur passiver Widerstand wurde geleistet, immer wieder flackerten auch Streiks auf, die zum Teil, wie in der Kohlengrube „Wujek“ bei Kattowitz, blutig niedergeschlagen wurden (87 Bergleute kamen ums Leben). Auch die Mehrzahl der Intellektuellen verweigerte die Zusammenarbeit mit dem Regime. Statt in staatlichen Theatern und Konzertsälen aufzutreten, spielte sich das kulturelle Leben nun vor allem in den Kirchen ab. Hier fanden nicht nur Theateraufführungen, Konzerte und Ausstellungen statt, sondern es wurden Versammlungen abgehalten, die weniger religiös als politisch waren.
Auch wirtschaftlich ging es während des Kriegszustandes und nach dessen Aufhebung am 31.
Dezember 1982 weiter bergab. Immer deutlicher zeigten sich die Folgen des übersteigerten Investitionsbooms den Giereck ausgelöst hatte. Auch die neue Wirtschaftsreform, die das Militärregime verkündete, bei der Selbstständigkeit und Selbstfinanzierung die Stellung und Struktur der Betriebe verändern, und somit die polnische Wirtschaft nach vorne bringen sollte, scheiterte schnell an der chaotischen Umsetzung. Ständig wechselnde Ausführungsbestimmungen, Sonderregelungen für bestimmte Wirtschaftszweige, Vertagung von Reformelementen, teilweise Rücknahme von bereits ausgeführten Neuerungen usw. führten nur noch tiefer in die Krise.
Ablösung der Sozialistischen Herrschaft
Passivität und Resignation beherrschten das Land.
Das Regime, das von der Mehrheit der Bevölkerung verachtet wird, bleibt innen- und außenpolitisch isoliert. Die Ermordung des Priesters Popieluszko durch Angehörige der Sicherheitskräfte im Oktober 1984 wirkte auf das ganze Land wie ein Schock. Sie bringt auch die Kirchenführung, die sich immer wieder um Vermittlung bemühte, auf entscheidende Distanz zu General Jaruzelski und seiner Regierung. Die einzige politische Kraft, die zu diesem Zeitpunkt Ansprechpartner gewesen wäre, die „Solidarnosc“, bleibt verboten. Erst mit dem Machtantritt Michail Gorbatschows in Moskau 1985 kommt wieder Bewegung in die politische Szene Polens. Die Reformer in der Partei gewinnen wieder stärkeren Einfluss.
Zwar bleibt die „Solidarnosc“ verboten, doch im September 1986 kommen durch eine Amnestie fast alle politischen Häftlinge frei. Indiz dafür, das Polen beginnt sich aus seiner außenpolitischen Isolierung zu lösen, ist der Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten George Bush im September 1987 in Warschau. Auch die innenpolitische Diskussion in Polen wird zunehmend offener, z.B. werden bisherige Tabu-Themen wie das Massaker von Katyn oder die antisemitische Hetzkampagne von 1968 vorsichtig öffentlich angesprochen. Die immer noch nicht verbesserte Wirtschaftslage Polens führten im April und Mai 1988 zu einer ausgedehnten Streikwelle, vor allem in den oberschlesischen Hüttenwerken und in der Werftindustrie an der Ostseeküste, die erst im September beigelegt wurde.
Anfang Februar nahm die Regierung Gespräche mit der Opposition auf, die die Ablösung der kommunistischen Herrschaft und die Hinwendung zu einem demokratischen System einleiten. So wurde zunächst die „Solidarnosc“ im April 1989 wieder zugelassen, sowie oppositionelle Medien und die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer. Die Parlamentswahlen am 4. Juni 1989 brachten einen überwältigenden Sieg für die Opposition. So erhielten die Vertreter des Bürgerkomitees „Solidarnosc“ im Sejm alle 161, den Oppositionellen eingeräumten Sitze (35%) und in der zweiten Kammer 99 von 100 Mandaten. Der bisherige Vorsitzende des Staatsrates, General Wojciech Jaruzelski, wurde am 19 Juli zum Staatspräsidenten gewählt.
Der wachsende Druck aus der Bevölkerung zwang die kommunistische Regierung schließlich zum Rückzug. Das Parlament wählte am 24. August den früheren Bürgerrechtler und Oppositionspolitiker Tadeusz Mazowiecki zum Ministerpräsidenten, der erste nicht kommunistische Regierungschef seit den Zweiten Weltkrieg. Unter dem wachsenden Reformdruck erklärte sich Jaruzelski bereit, vorzeitig als Staatspräsident zurückzutreten. Im Dezember wurde Lech Walesa zum ersten demokratischen Staatspräsidenten des Landes gewählt. Mazowiecki, der erfolglos für die Präsidentschaft kandidiert hatte, trat daraufhin als Ministerpräsident zurück.
Parlamentsneuwahlen ließen allerdings noch etwas auf sich warten.
Demokratie
Westorientierung und Westintegration
Präsident Lech Walesa war mit seiner starken Persönlichkeit, die vor allem zum Ende seiner Amtszeit heftig umstritten wurde, Klammer und Rückgrat der demokratischen polnischen Entwicklung in den ersten Jahren. In die Kritik geriet er vor allem wegen extensiver Nutzung seiner Befugnisse und erheblicher Eingriffe in die Regierung des Landes. Die unter Mazowiecki eingeleitete Wirtschaftsreform zeigte bald erste Erfolge, wie den Rückgang der Inflation, die Privatisierung und der Währungsschnitt. Diese Revitalisierung ging jedoch einher mit Instabilität an Staats- und Regierungsspitze.
Über den Streit, wie die Wirtschaftskrise des Landes endgültig zu überwinden sei, zerfiel das Bündnis „Solidarnosc“ in rivalisierende Gruppen und die 1991 zu Sozialdemokraten gewandelten Kommunisten (SDL) sowie die Bauernpartei (PSL) erhielten Zulauf.
Von der „Solidarnosc“ blieben u.a. die Gruppen um Mazowiecki, die Demokratische Union (DU) und der Liberal-Demokratische Kongress von Bedeutung. Die ersten Parlamentsneuwahlen, bei denen nun mehr alle Sitze in freier Wahl bestimmt wurden, fanden in Oktober 1991 statt. Eine Mehrheitsfindung war aufgrund der Parteizersplittung und des komplizierten Verhältniswahlrechts zunächst schwierig. So kamen 1991 29 Parteien in den Sejm.
Walesa schlug sich selbst daraufhin zum neuen Ministerpräsidenten vor, um mit einer Koalition aus den sieben stärksten Parteien eine Regierung zu bilden. Dies lehnte der Sejm jedoch ab. Aufgrund der verschiedenartigen Interessen der Parteien kam keine Mehrheit zustande, was bis Mitte 1992 zu einer Minderheitsregierung führte. Um diese Situation zu beenden, wurde 1993 einen neue Wahlordnung mit einer fünf Prozent Hürde für den Einzug ins Parlament geschaffen. Aus den Wahlen 1993 gingen SDL und die Bauernpartei als stärkste Fraktionen hervor, die für Mäßigung bei den Reformen eingetreten waren, Westorientierung und Demokratisierung jedoch nicht in Frage gestellt haben. Die Gründe dafür, dass diese Parteien die stärksten im Sejm wurden, liegen darin, dass viele Polen angesichts der großen wirtschaftlichen Umwälzungen nicht mehr in erster Linie an die politische Bevormundung und die wirtschaftliche Misere unter dem zerfallenem Regime der Kommunisten dachten.
Sehnsüchtig erinnerten sie sich an die Zeit der staatlich garantierten Vollbeschäftigung und an die funktionierenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Bauernpartei war so stark, da immer noch 30%der polnischen Bevölkerung von der Landwirtschaft lebten. Mit dem, nach wachsender Kritik an Lech Walesas Führungsstil, nicht überraschenden Sieg Aleksander Kwasniewskis bei den Präsidentschaftswahlen 1995, setzte sich auch in diesem Amt ein Vertreter linker Parteien gegen die bürgerlichen Parteien des demokratischen Umbruchs von 1989 durch. Die Parlamentswahlen von 1997 brachten eine erneute Wende. Die wieder geeinten Kräfte der „Solidarnosc“ errangen die Mehrheit.
In der außenpolitischen Zielsetzung waren sich alle Parteien weitgehend einig: Westorientierung mit dem Ziel der Integration in die Europäische Union und die NATO standen im Mittelpunkt.
Polen wurde relativ früh Mitglied des Europarats. Das Land sicherte sich durch eine Reihe bilateraler Dialoge und Verträge mit seinen Nachbarn ab und betrieb vor allem Aussöhnung mit den deutschen Nachbarn, wie z.B. einen Grenzvertrag, der die Oder-Neiße-Linie als endgültige Grenze zwischen den beiden Ländern anerkannte (14. November 1990), einen Nachbarschaftsvertrag (17. Januar 1991) sowie die Aufhebung des Visum Zwangs im April 1991.
Wirtschaftlich schloss sich Polen mit den Nachbarländern in der CEFTA zusammen und gehört dem Ostseerat an.
Polen trat aufgrund historischer Erfahrungen deutlich für die Einbeziehung in westliche Verteidigungsbündnisse und gegen eine Beteiligung Russlands an der Sicherheit des Landes ein. Seit Februar 1994 ist ein Europaabkommen mit der EU in Kraft, der Beitrittsantrag wurde zwei Monate später gestellt. Die Aufnahme wurde1997 seitens der EU angekündigt und auch die NATO-Gipfel-Konferenz im Juli1997 in Madrid beschloss neben Ungarn und Tschechien auch Polen Beitrittsverhandlungen anzubieten. Im Anschluss an die Konferenz kam US-Präsident Clinton zum Staatsbesuch nach Warschau, wo er vor 10 000 Menschen die Polen dazu aufrief, am Kurs der Reformen festzuhalten.
Am 1.
Dezember 1994 begann die seit 1991 geplante und immer wieder verzögerte Privatisierung von über 400 mittleren und größeren Staatsbetrieben. Der neue Finanzminister Balcerwicz setzte eine radikale Wirtschaftsreform durch, die sich an den Empfehlungen der Weltbank und des internationalen Währungsfonds orientierte. U.a. sah das Programm vor, die Subventionierung der Produzenten zu begrenzen, die Preise wichtiger Versorgungsgüter zu erhöhen, im Staatshaushalt einschneidende Kürzungen vorzunehmen, Lohnerhöhungen auf bestimmte Erhöhungsraten gesetzlich zu begrenzen, den Kreis der Waren mit freier Preisbildung auf 90% zu erhöhen und Verstöße dagegen unter Strafe zu stellen. Die Inflationsrate fiel durch diese Maßnahmen unter 10% und der Zloty wurde die erste frei konvertierbare Währung im COMECON-Bereich.
Zieht man zum jetzigen Zeitpunkt eine Bilanz des polnischen Nationbuilding Prozesses, lässt sich sagen, dass Polen seinen Weg zu einer Demokratie und zur Marktwirtschaft gefunden hat. Dies zeigt sich u.a. dadurch, dass Polen für westliche Investoren zu einem attraktivem Markt mit gutem Investitionsklima und großen Wachstumschancen geworden ist und die jüngere Generation den Kapitalismus gut begriffen hat. Man findet selten jemanden unter 25 Jahren, der nicht mit mehreren Jobs jongliert, im Internet surft, einen vollen Terminkalender hat und zumindest etwas Englisch spricht. Dabei hat Polen jedoch nie seine kulturelle Identität vergessen, was zum Beispiel die große Sorgfalt und der kunsthistorische Sachverstand zeigt mit dem man die zerstörten Städte beim Wiederaufbau restaurierte.
Die mittelalterlichen und barocken Bürgerhäuser mit ihren prachtvollen Fassaden, die Kirchen und andere Baudenkmäler wurden nach alten Vorlagen so detailgetreu wie irgend möglich wiederhergestellt. Ganze Straßenzüge entstanden auf diese Weise neu, und so präsentieren sich die Altstädte von Warschau, Danzig, Breslau, Krakau, Posen oder Thorn heute in einer mustergültigen Geschlossenheit.
„Noch ist Polen nicht verloren!“ Treffender als mit dieser Zeile aus der polnischen Nationalhymne lässt sich die Geschichte des Landes kaum auf einen Nenner bringen. Sooft es überwältigt wurde, sooft es der völligen Vernichtung nahe war, es kämpfte sich jedes Mal wieder an die Oberfläche, getragen vom unbeugsamen Selbstbehauptungswillen seines Volkes.
Literatur
Chronik Handbuch Europa. Gütersloh, München: Chronik Verlag im Bertelsmann Lexikon Verlag 1998
Peter Hirth, Albrecht Lempp und Maria Luft: Polen: München: Verlag C.
J. Bucher GmbH 1996
Klaus Bednarz und Peter Hirth Bucher: Polen. München und Berlin: Verlag C.J. Bucher GmbH 1989 (1991)
Manfred Hellmann: Daten der polnischen Geschichte. München: DTV 1987
Apa Guides: Polen.
Hamburg: Apa Publications 1997
Urs Schneider und Walter Imber: Polen. Lasanne: Mondo-Verlag AG 1981
Gruber/Richter: Der Freiheitskampf der Polen (Geschichte, Dokumentation, Analyse). Hamburg: Campe Verlag 1981.
Alle Länder unserer Erde – Lexikon der Staaten, Städte und Landschaften. Stuttgart: Das Beste Verlag 1989 (1990)
Chronik der Menschheit
Gdansk in your pocket: Ihr Wegweiser durch die Dreierstadt. 2000
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