Gutachten der staatsanwaltschaft lübeck über einen vergleich zwischen cannabis und alkohol
Gutachten der Staatsanwaltschaft Lübeck über einen Vergleich zwischen Cannabis und Alkohol
Jz.
- 713 Js 16817/90 StA Luebeck -
--------------------------------
- 2 Ns (Kl. 167/90) -
Alkohol und Nikotin sind sowohl fuer den Einzelnen
als auch gesamtgesellschaftlich evident gefaehr-
licher als Cannabisprodukte. Aus Gruenden der Ver-
einfachung beziehen sich die nachfolgenden Aus-
fuehrungen nur auf das Verhaeltnis des Genusses von
Alkohol und Cannabisprodukten. Sie gelten aber
auch entsprechend fuer das Verhaeltnis von
Cannabisprodukten zum Nikotin.
a) Diese Auffassung der Kammer beruht auf den
ueberzeugenden Darlegungen der Sachverstaendigen
deren Meinungen sich die Kammer angeschlossen
hat.
Die Kammer hat die Sachverstaendigen Herrn
Dr. Barchewitz und Herrn Prof. Dr. Dominiak
gehoert.
Herr Dr. Barchewitz ist Facharzt fuer
Psychiatrie und seit 15 Jahren im Therapiebe-
reich taetig.
Zwei Drittel seiner fachlichen
Taetigkeit hat er in Suchtkliniken zugebracht.
Er hat auch fuenf Jahre im Bereich der Kinder-
und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Seit 1986 ist
er Leiter der Fachklinik fuer Suchtkrankheiten
(Holstein-Klinik in Luebeck). Dort befinden sich
ueberwiegend alkohol- und medikamentenabhaengige
aber auch anderweit drogensuechtige Personen.
Herr Dr. Barchewitz verfuegt auch ueber
erhebliche Erfahrungen mit Drogenabhaengigen.
Diese gruenden sich auf seine Erfahrungen
waehrend seiner gesamten beruflichen Taetigkeit.
Der Sachverstaendige Prof. Dr. Dominiak ist
Facharzt fuer Pharmakologie und Toxikologie
sowie fuer klinische Pharmakologie. Er ist
Direktor des Instituts fuer Pharmakologie der
Medizinischen Universitaet zu Luebeck und hat
sich insbesondere in juengster Zeit intensiv mit
Wirkungen von Rauschgiften auseinandergesetzt
und beschaeftigt. Er hat im Dezember 1991 auf
einem Fachkongress von Rechtsmedizinern in
Luebeck ein umfassendes ,Referat zu den toxischen
und pharmakologischen Wirkungsweisen von Drogen
(auch der Cannabisprodukte) gehalten und dabei
die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse
auf diesem Gebiet analysiert und aufgearbeitet.
b) Aufgrund der Ausfuehrungen der Sachverstaendigen
und unter Beruecksichtigung vielfaeltiger, allge-
mein zugaenglicher Literatur, die mit den Sach-
verstaendigen und den Prozessbeteiligten im
Termin eroertert worden ist, ist die Kammer
zusammenfassend zur Frage der Gefaehrlichkeit
von Alkohol und Cannabisprodukten zu folgenden
Feststellungen gekommen:
- Die koerperlichen Auswirkungen uebermaessigen
Alkoholkonsums erreichen fast alle Organe
und Organsysteme und koennen diese schwer
schaedigen oder sogar zerstoeren, waehrend
Cannabisprodukte nur geringfuegige koerper-
liche Wirkungen herbeifuehren.
- Nach dem Absetzen von Alkohol treten bei
Alkoholabhaengigen schwere koerperliche Ent-
zugserscheinungen auf, waehrend
bei Cannabisprodukten praktisch keine koer-
perlichen Entzugserscheinungen beobachtet
werden.
- uebermaessiger Alkoholkonsum kann schwere
psychische Schaeden bewirken, waehrend
bei Cannabisprodukten keine gravierenden
psychischen Stoerungen zu erwarten sind und
allenfalls mit einer geringfuegigen psychi-
schen Abhaengigkeit gerechnet werden muss.
- In der Bundesrepublik gibt es eine Vielzahl
von Verbaenden, speziellen Krankenhaeusern und
speziellen Therapien, die sich mit Alkohol-
erkrankungen und Alkoholabhaengigkeiten be-
schaeftigen, waehrend
es weder eine spezielle Therapie fuer Canna-
biskonsumenten noch spezielle Krankenhaeuser
oder Verbaende gibt, die sich um Cannabis-
konsumenten kuemmern.
- In der Bundesrepublik einschliesslich der
neuen Bundeslaender wird die Anzahl der Alko-
holtoten auf 40.000 im Jahr geschaetzt,
waehrend
kein Fall (auch weltweit) bekannt ist.
bei
dem der Tod einer Person auf uebermaessigen
Konsum von Haschisch zurueckzufuehren ist. Es
gibt keine letale Dosis fuer Haschisch.
- Die wirtschaftlichen Folgekosten aufgrund
des Alkoholkonsums werden in der Bundesre-
publik auf jaehrlich 50 Milliarden DM ge-
schaetzt, waehrend
bei Cannabisprodukten entsprechende Zahlen
nicht existieren.
- Der Alkoholkonsum hat erhebliche Auswirkun-
gen auf den Arbeitsplatz (Arbeitsunfaelle
Kuendigungen, Krankheitsfaelle, Einstellungen
von Suchtberatern), waehrend
bei Cannabisprodukten entsprechende Beobach-
tungen und Schaetzungen nicht existieren.
- Der Anteil von toedlichen Unfaellen, die im
Zusammenhang mit Alkohol stehen, wird in der
Bundesrepublik auf 5O % geschaetzt und die
Zahl der Verkehrsunfaelle unter Alkoholein-
fluss mit Personenschaeden auf gut 30.000 pro
Jahr, waehrend
bei Cannabisprodukten auf keine entsprechen-
den Beobachtungen oder Schaetzungen zurueckge-
- Nach der polizeilichen Kriminalstatistik des
Bundeskriminalamtes aus dem Jahre 1990 wur-
den in diesem Zeitraum mehr als 140.
000 Tat-
verdaechtige (knapp 10 % aller Tatverdaechti-
gen) registriert, die nach polizeilichem
Erkenntnisstand bei der Tatausfuehrung unter
Alkoholeinfluss standen. Im Bereich der Ge-
waltdelikte (z.B. Totschlag, Vergewaltigung,
Sexualmord) liegt der Anteil der Tatverdaech-
tigen unter Alkoholeinfluss ueber 36 %,
waehrend
bei Cannabisprodukten entsprechende stati-
stische Erhebungen nicht durchgefuehrt wer-
den.
Im einzelnen ist hierzu folgendes auszufuehren:
(1) Wirkungsweisen des Alkohols:
(a) Koerperliche und psychische Auswirkungen
aa.)
Alkoholintoxikationen reichen von leichter Geh-
Stoerung, starker Gehstoerung, Reflexlosigkeit bis
zur Bewusstlosigkeit und Kreislaufinsuffizienz,
bb.
)
Leichte Alkoholraeusche (0,5 - 1,5) sind gekenn-
zeichnet durch Herabsetzung der psychomotorischen
Leistungsfaehigkeit, allgemeine Enthemmung, Beein-
traechtigung der Faehigkeit kritischer Selbstkon-
trolle; mittelgradige Raeusche (1,5 - 2,5) durch
euphorische Glueckstimmung oder aggressive Gereizt-
heit, Verminderung der Selbstkritik, Enthemmung,
Benommenheit, Psychomotorischer Unsicherheit, un-
reflektierter Bestrebung, triebhafte Beduerfnisse
zu befriedigen, Fehlen zielgerichteter Konstanz
und Bereitschaft zu primitiven, vorwiegend
explosiven Reaktionsweisen; schwere Rauschzustaende
(ueber 2,5) durch Bewusstseinsstoerungen und Verlust
realen Situationsbezuges, Desorientiertheit.
illusionaere situative Verkennung, motivlose Angst,
Gleichgewichtsstoerungen hin bis zur Ataxie,
Dysarthrie und Schwindel, Schaedel-Hirn-Trauma,
evtl. mit komplizierender intrakranieller Blutung.
cc.)
Die neuere Alkoholforschung laesst zehn psychopatho-
logische Syndrome erkennen, die einzeln oder in
verschiedenen Verbindungen auftreten (Stoerungen
des Bewusstseins und der Motorik, Stoerungen der
Orientierung, paranoid-halluzinatorisches Syndrom,
manisches, gereizt-aggressives, depressives
Syndrom, Angstsyndrom, Suizidalitaet, sexuelle
Erregung, amnestisches Syndrom).
dd.
)
Das Alkoholentzugssyndrom wirkt sich
internistisch, vegetativ, neurologisch und
psychisch aus.
ee.)
Es gibt kaum ein Organsystem, an dem nicht
Syndrome oder Krankheiten gefunden wurden, die
nicht mit dem Alkoholismus ursaechlich in
Verbindung zu bringen sind: z.B. Fettleber,
chronische Lungenerkrankung, Traumata, Bluthoch-
druck, Mangelernaehrung, Anaemie, Gastritis,
Knochenbrueche, Hiatushernie, Leberzirrhose,
Magen-Darm-Geschwuere, chronischer Hirnschaden,
Fettsucht, Herzkrankheiten, gastrointestinale
Blutung, epileptische Anfaelle, Diabetes,
Harnwegsinfekt.
ff .
)
Die alkoholische Leberzirrhose ist eine relativ
haeufige Erkrankung bei fortgeschrittenem Alkohol-
missbrauch. 30-50 % aller Leberzirrhosen sind auf
den Missbrauch zurueckzufuehren. Beschwerden sind
Appetitlosigkeit, Muedigkeit, Depressivitaet. Es
kommt gelegentlich zu Hautveraenderungen. Die Haut
ist pergamentpapierartig verduennt und zeigt weisse
Flecken. Koerperbehaarung und Schambehaarung laesst
nach.
Potenz und Libido vermindern sich. Der
schwere, alkoholbedingte Leberschaden fuehrt ueber
tiefere Bewusstseinstruebung zum Koma.
gg.)
Alkoholiker neigen zu mehr Infektionen der Luft-
wege.
hh.)
Die akute Alkoholintoxikation, besonders bei chro-
nischen Alkoholikern, loest typische Knochenmarks-
veraenderungen aus und stoert somit das Immunsystem.
ii.)
Alkohol wirkt auf die Muskeln in der Weise, dass
die Muskulatur schwillt, stark druckempfindlich
und krampfanfaellig ist.
jj .)
Alkoholismus veraendert das Gehirn morphologisch
und funktionell mit der weiteren Folge psychischer
Veraenderungen. 3 - 5 % der Alkolholiker werden vom
sogenannten Wernicke-Korsakow-Syndrom befallen,
das durch folgende Stoerungen gekennzeichnet ist:
- Verlust des Altgedaechtnisses, regelmaessig ver-
bunden mit der Unfaehigkeit, sich neue Gedaecht-
nisinhalte einsupraegen;
- verminderte Faehigkeit der Reproduktion von
Gedaechtnisinhalten;
- eindeutige Verschlechterung der Auffassungs-
faehigkeit;
- Verminderung der Spontanitaet und Initiative;
- Stoerungen der Konzentrationsfaehigkeit, der
raeumlichen Organisation und der visuellen und
verbalen Abstraktion.
kk.
)
20 - 40 % aller Alkoholiker leiden an Polyneuropa-
thie, die mit schmerzhaften Missempfindungen,
Kribbelparaesthesien und Taubheitsgefuehl beginnt.
Danach kommt es zu ziehenden, brennenden und
stechenden Muskelschmerzen mit Kraempfen und
Muskelschwaeche.
ll.)
Tremorerscheinungen sind bei Alkoholikern sehr
haeufig. Sie sind anfangs reversibel, spaeter nicht.
Das Leiden beginnt als feinschlaegiger Tremor.
Er
setzt an den Haenden ein, der sich spaeter ausbrei-
tet auf Zunge, Lippen, Augenlider, Kopf und Fuesse.
mm.)
Es gibt eine sogenannte Alkoholepilepsie bei
chronischen Alkholikern, die frueher keine latente
Krampfbereitschaft aufgewiesen haben.
nn.)
Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist
bei Maennern mit einem hohen Alkoholkonsum um mehr
als das Vierfache hoeher als bei Abstinenten oder
bei geringem Konsum.
oo.
)
Das sogenannte Alkoholdelir ist gekennzeichnet von
Desorientiertheit in oertlicher, zeitlicher und
situativer Hinsicht. Es bestehen Auffassungsstoe-
rungen und illusionaere Verkennungen. Die Wahr-
nehmungsstoerungen koennen zu einer gesteigerten
Suggestibilitaet und Konfabulationen fuehren. Die
Stimmung ist schwankend, gekennzeichnet durch
Angst, Reizbarkeit und durch eine gewisse
Euphorie. Typisch ist psychomotorische Unruhe mit
nestelnden Bewegungen und Bettfluechtigkeit.
pp.
)
Beim Alkoholiker gibt es verstaerkt Eifersuchts-
ideen und Eifersuchtswahn.
qq.)
Alkoholmissbrauch vor und waehrend der Schwanger-
schaft kann schwere Schaedigungen des Embryos ver-
ursachen. Fuer die Bundesrepublik wird eine jaehr-
liche Rate der Alkoholembryopathie von 1800 ge-
schaetzt. Deren wichtigsten Symptome sind Wachs-
tumsdefizit, Minderwuchs, Untergewicht, statomo-
torische und geistige Retardierung, Hyperaktivi-
taet, Muskelhypotonie, verkuerzter Nasenruecken,
schmale Lippen, auch Missbildungen.
(b) Gesellschaftliche Auswirkungen
aa.
) Anzahl der Alkoholabhaengigen
Die Anzahl der Alkoholabhaengigen wird in der Bun-
desrepublik bei einer Geschlechterrelation von 1
(weiblich) zu 2 (maennlich) auf 2,5 Millionen
geschaetzt.
bb.) Wirtschaftliche Folgekosten
Die gesamtwirtschaftlichen Folgekosten des
Alkoholkonsums werden mit ca. 50 Mrd DM angegeben
(vgl. H.H.
Kornhuber, in Sonderdruck "Deutsches
aerzteblatt" - aerztliche Mitteilungen, Heft 19
Seite 1347 bis 1362 vom 12. Mai 1988, im
Sonderdruck Seite 2).
cc.) Auswirkungen auf dem Arbeitsplatz
25 % aller Arbeitsunfaelle in der Bundesrepublik
sind auf Alkohol zurueckzufuehren. Bei jeder 6. Kuen-
digung geht es um Alkohol, Alkoholkranke sind 2,5
mal haeufiger krank als andere Mitarbeiter.
In ueber
800 Betrieben und Behoerden werden schon Suchtbera-
ter eingesetzt (vgl. Jahrbuch der Sucht 1991,
Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren,
Seite 29).
dd.) Auswirkungen im Strassenverkehr
Unter Beruecksichtigung von Dunkelzifferrelationen
wird der Anteil von toedlichen Unfaellen, die im
Zusammenhang mit Alkohol stehen, auf 5O % ge-
schaetzt (vgl. Stephan in Jahrbuch der Sucht 1991,
a.a.
O., Seite 106, 107). Die Zahl der Verkehrs-
unfaelle unter Alkoholeinfluss mit Personenschaden
wird auf gut 30.000 pro Jahr geschaetzt.
ee.) Alkoholtoten
Die Zahl der Alkoholtoten wird in Deutschland
einschliesslich der neuen Bundeslaender mit ca.
40.000 jaehrlich angegeben.
ff.) Auswirkungen auf strafbare Handlungen
Nach der polizeilichen Kriminalstatistik des Bun-
deskriminalamtes aus dem Jahre 1990 wurden in
diesem Zeitraum 141.180 Tatverdaechtige (= 9,8 %
aller Tatverdaechtigen) registriert, die nach poli-
zeilichem Erkenntnisstand bei der Tatausfuehrung
unter Alkoholeinfluss standen (vgl. Polizeiliche
Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes 1990,
Seite 85).
Die Wirkung des Alkohols, die Gewalt-
bereitschaft zu erhoehen, wird besonders deutlich,
wenn der Anteil der Tatverdaechtigen unter Alkohol-
einfluss in bestimmten von Gewalt gepraegten
Deliktsgruppen untersucht wird. So betrug der An-
teil der Tatverdaechtigen unter Alkoholeinfluss bei
"Widerstand gegen die Staatsgewalt" 63,3 %. Bei
anderen Gewaltdelikten ergeben sich folgende
Zahlen:
- Totschlag: 47,4 %
- Koerperverletzung mit toedlichem Ausgang: 41,4 %
- Vergewaltigung: 36,6 %
- Vergewaltigung ueberfallartig durch Gruppen: 50 %
- gefaehrliche und schwere Koerperverletzung: 33,9 %
- Mord: 29,1 %
- Sexualmord: 46,7 %
- vorsaetzliche Brandstiftung: 29,1 %
- sexuelle Noetigung: 28 %
(vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik, a.a.O.
,
Seite 85).
Diesen katastrophalen und verheerenden Wirkungen
individueller und gesamtgesellschaftlicher Art
stehen folgende Wirkungen des Haschischkonsums
gegenueber:
(2) Wirkungsweisen der Cannabisprodukte:
(a) Allgemeine Wirkungen
Zu den allgemeinen Eigenschaften der Droge hat die
Kammer folgende Feststellungen getroffen:
Der Hauptwirkstoff der Cannabisprodukte ist das
THC, genauer das Tetrahydrocannabinol, Das THC
wird im natuerlichen Cannabis durch eine Fuelle
weiterer Wirk- und Duftstoffe ergaenzt. Unter den
60 weiteren Cannabinoiden ragen hervor das
Cannabidiol (CBD), das beruhigend (sedativ) wirkt,
gelegentlich auch fuer Kopfschmerzen sorgen,
aber auch die THC-Wirkung verlaengern soll, sowie
das Cannabinol (CBN), ein Abbauprodukt des THC
(vgl. Quensel in: "Drogen und Drogenpolitik", Ein
Handbuch, herausgegeben von Sebastian Scheerer u.
Irmgard Vogt, Campus 1989, Seite 380 m.w.
N.).
Cannabis wird bei uns ueblicherweise geraucht und
zwar meist zusammen mit Tabak als "Joint" oder
aber in der Pfeife. Neben der in der Forschung
haeufigeren Injektion und dem Einatmen von Canna-
bisdampf, kann man Cannabis auch als "Tee" trinken
oder aufgeloest im Tee, als Gewuerz im Essen, aber
auch als Gebaeck zu sich nehmen (vgl. Quensel,
Drogen und Drogenpolitik, a.a.
O., Seite 380). Das
THC wird ueber die Schleimhaeute aufgenommen und im
Koerper zu "Metaboliten" verwandelt. Seine Wirkung
tritt beim Rauchen so rasch ein, dass die Dosishoehe
meist relativ einfach zu regulieren ist; beim
Essen und Trinken verzoegert der Umweg ueber die
Leber die Wirkung mitunter ueber eine Stunde,
weswegen Anfaenger aus Ungeduld leicht zu hohe
Dosen einnehmen, Mit einer THC-Dosis von 2-10 mg
beim Rauchen und etwa der dreifachen Menge beim
Essen und Trinken, das ist nach THC-Gehalt etwa
0,5 bis 1 Gramm Haschisch, erreicht man eine
Wirkungsdauer von etwa 1 - 4 Stunden (vgl.
Quensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.
0., Seite
381).
Die kurz- wie langfristige Wirkung des Cannabis
haengt -wie bei vielen anderen Drogen- ebenso davon
ab, wieviel und wie haeufig man es konsumiert, wie
auch davon, in welchem sset und Setting" dies
geschieht, wobei alle Faktoren von einander abhaen-
gig sind. Dabei haengen Art und Weise des Erlebens
von Cannabisprodukten in besonderer Weise vom sset
und Setting" ab, also von der Situation, in der
man Cannabis einnimmt, vom eigenen persoenlichen
Zustand wie von der sozialen Umgebung, von den
eigenen aengsten und Hoffnungen und den in der
Gruppe wie in der umfassenderen Kultur mit diesem
Genuss verbundenen Erwartungen (vgl. hierzu Quensel,
Drogenelend, Campus 1982, Seite 76). Die Effekte,
die mit der Einnahme von Cannabisprodukten ver-
bunden sind, lassen sich sozial erlernen, wobei
die Erwartungshaltung eine grosse Rolle spielt
(vgl.
Quensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.O.,
Seite 381). Bei staerkerer Dosis, also insbesondere
beim Trinken oder Essen oder bei der Verwendung
von Haschischoel, sind eindeutigere halluzinogene
Effekte zu erwarten (vgl. Quensel, Drogen und Dro-
genpolitik, a.
a.O., Seite 382). Nicht nur das
Ausmass der Dosis -etwa die Art und Weise, wie man
einen "Joint" fuellt- und Inhalte des Erlebens sind
soziokulturell erlernt, sondern auch die Haeufig-
keit des Konsums, was als leichter bzw. schwerer
Gebrauch gilt, zu welcher Gelegenheit man Cannabis
konsumiert und wann man damit aufhoeren soll (vgl.
Ouensel, Drogen und Drogenpolitik, a.
a.0., Seite
382).
Die psychischen Wirkungen beschreibt Binder
(Haschisch und Marihuana, Deutsches aerzteblatt
1981, Seite 120) wie folgt:
"Nach dem Rauchen von 1 Gramm Marihuana entsteht
ein etwa drei Stunden dauernder Rauschzustand, der
durch ein Gefuehl von Losgeloestheit charakterisiert
ist, das eine meditative Versenkung oder eine Hin-
gabe an sensorische Stimuli erlaubt. Der Zustand
ist im allgemeinen frei von optischen und akusti-
schen Halluzinationen, die beim vier- bis fuenf-
fachen dieser Dosis auftreten koennen. Subjektiv
gesteigert wird die Gefuehlsintensitaet beim Hoeren
von Musik, beim Betrachten von Bildern, bei Essen
und Trinken und bei sexueller Aktivitaet.
Der
Rausch ist zweiphasig und geht nach der Anregungs-
phase in eine milde Sedierung ueber. Bei der
genannten Dosierung dominiert eine passive
euphorische Bewusstseinslage, bei hoeherer Dosierung
kann es zu paranoiden Vorstellungen und Dysphorie
kommen.... Die Droge fuehrt kaum zu Toleranzbildung
und die Konsumenten kommen ueber Jahre ohne
Dosissteigerung aus.
"
Cannabis besass bis in dieses Jahrhundert auch bei
uns eine medizinische Bedeutung. Weltweit galt es
stets als wichtiger Bestandteil der Volksmedizin
(vgl. Ouensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.O.,
Seite 382 m.
w.N.). In neuerer Ze,it untersucht man
die Wirkungen von Cannabis bei Glaukomen zur
Verminderung des Augeninnendrucks, bei spastischen
Kraempfen und Epilepsie sowie bei Asthma und
Anorexia nervosa. Eine ganz besondere Bedeutung
gewann es als Mittel gegen den Brechreiz bei
Anti-Krebs-Mitteln. In den USA hat man deshalb 500
Krankenhaeusern THC zur Bekaempfung dieses Er-
brechens praktisch freigegeben und in 23 Staaten
diese Behandlung dem Ermessen jedes Arztes ueber-
lassen (vgl.
Ouensel, Drogen und Drogenpolitik,
a.a.O., Seite 382 m.w.N.
).
Ein Blick auf Umfragedaten belegt, dass vornehmlich
juengere Menschen Cannabis konsumieren. Sie tun
dies, um ihre Stimmung zu heben (34 %), um den
Alltag zu vergessen (28 %), weil man sich
entspannt (25 %), Hemmungen ueberwindet (24 %),
intensiver hoert und sieht (19 %), und weil man
leichter Kontakt zueinander bekommt (17 %) (vgl.
Quensel, Drogenelend, a.a.O.
, Seite 76 m w.N.).
(Fortsetzung)
(b) Koerperliche und psychische Auswirkungen
aa.) Koerperliche Auswirkungen
Die koerperlichen Auswirkungen des Cannabisge-
brauches sind relativ gering. Herz und Kreislauf
werden nicht beeintraechtigt, wenn auch der Puls
aktiviert wird.
Aus diesem Grunde besteht bei
Personen mit Kreislaufschaeden Anlass, mit dem Ge-
brauch von Cannabis vorsichtig umzugehen. Wissen-
schaftliche Beweise dafuer, dass der Konsum von
Cannabis sowohl bei der Fortpflanzung als auch im
Immunsystem Schaeden hervorruft, sind bislang nicht
vorgelegt worden. Der Sachverstaendige Prof. Dr.
Dominiak hat darauf verwiesen, dass es zwar in
Tierversuchen Hinweise fuer solche Wirkungen gebe,
er hat jedoch eine uebertragung der im Tierversuch
gewonnenen Erkenntnisse auf den menschlichen Orga-
nismus abgelehnt. Zur Begruendung hat er angefuehrt
dass der tierische Organismus haeufig in ganz
anderer Weise reagiere als der Mensch.
Darueber
hinaus werde gerade bei den typischen kleinen
Saeugetieren mit Dosen gearbeitet, die knapp unter-
halb der bei Menschen praktisch nicht erreichbaren
Todesdosis liegen. Schliesslich fehle bei den
Labor- wie Tierversuchen der Blindversuch, nachdem
der Auswertende nicht wissen darf, welches Objekt
Cannabis erhielt und welches nicht (vgl. hierzu
Quensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.O., S.
385).
Darueber hinaus kann das Rauchen von Cannabis zu
Lungenschaeden fuehren. Dieser moegliche Schaden ist
jedoch im Vergleich mit dem Schaden, der durch das
Rauchen selbst verursacht wird, eher zweitrangig.
Da Haschisch aber auch in anderer Form konsumiert
werden kann (durch Trinken im Tee; durch Essen im
Kuchen) ist diese moegliche Schaedigung der Lunge
kein spezifisches Risiko des Cannabiskonsums,
bb.) Psychologische Auswirkungen
Es gibt derzeit keinen Beweis fuer den Abbau
zerebraler Funktionen und Intelligenzleistungen
durch chronischen Cannabisgebrauch. Jedoch ist die
zur Intelligenzleistung notwendige Funktion des
Kurzzeitgedaechtnisses unter Einfluss von Cannabis
reduziert (vgl.
Schoenhoefer, Die Pharmakologie der
Cannabis-Wirkstoffe, in Arzneimittelforschung 23,
1973, Seite 55).
Es gibt auch keinen medizinischen Hinweis, dass der
Cannabiskonsum originaer Psychosen hervorruft. Der
Sachverstaendige Dr. Barchewitz hat ausgefuehrt, dass
der Cannabiskonsum allenfalls eine bereits
vorhandene Psychose zum Ausbruch bringen kann.
Diese lediglich ausloesende Funktion koennen auch
andere Rauschmittel oder entsprechende Medikamente
hervorrufen. Die eigentliche Schaedigung in der
Psyche hat nach den Angaben des Sachverstaendigen
jedoch bereits vorher stattgefunden.
Zu diesen
Angaben des Sachverstaendigen passt auch die bei
Quensel (vgl. Drogen und Drogenpolitik, a.a.O.,
Seite 387) getroffene Feststellung:
"Zur Zeit gibt es keine zureichenden Gruende, die
dafuer sprechen, dass eine Cannabis-Psychose als
besonderer klinischer Befund existiert". Der
Sachverstaendige Dr.
Barchewitz hat auf entspre-
chenden Vorhalt diese Aussage bestaetigt.
Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass das so-
genannte. aemotivationale Syndrom" keine
spezifische Folge des Cannabis-Konsums ist. Bei
dem aemotivationalen Syndrom" handelt es sich um
ein durch aepathie, Passivitaet und Euphorie
gekennzeichnetes Zustandsbild". Der
Sachverstaendige hat in uebereinstimmung mit
Schoenhoefer (vgl. a.
a.O., Seite 55) ausgefuehrt, dass
es nicht moeglich sei, eine kausale Beziehung
zwischen dem Cannabisgebrauch und dem aemotiva-
tionalen Syndrom" herzustellen. Schoenhoefer
haelt hier vielmehr einen Umkehrschluss fuer zu-
laessig. Nach seiner Meinung machen die Elemente
des aemotivationalen Syndroms" erst das
Rauscherlebnis des Cannabiskonsums interessant und
bedingen somit diesen Konsum (vgl. Schoenhoefer,
a.
a.O., S. 55). Auf diese Zusammenhaenge hat auch
der Sachverstaendige Dr. Barchewitz auf
entsprechenden Vorhalt hingewiesen.
Dies
entspricht auch den Untersuchungen, auf die
Quensel (Drogen und Drogenpolitik, a.a.O., Seite
388) verweist. In empirischen Untersuchungen ist
nachgewiesen worden, dass Cannabiskonsumenten
"weniger sorgfaeltig, weniger diszipliniert und
nicht so strebsam" sind wie eine Kontrollgruppe,
"was sich auch darin zeigt, dass sie signifikant
weniger nach Erfolg strebt". Jedoch seien auch
potentielle Konsumenten, die nicht strikt gegen
Cannabis eingestellt gewesen seien, aber noch kein
Cannabis konsumiert haetten, ssignifikant weniger
karriere-orientiert.
.. als die Antikonsumenten".
Ouensel kommt daher zu der Auffassung, dass
Cannabis eingebunden in einen groesseren Lebensstil
sei, der schon vor dem Konsum vorhanden gewesen
sei und deswegen allenfalls als Symptom, jedoch
nicht als dessen Ursache zu begreifen sei.
Zusammenfassend lassen sich deswegen die Befunde
zum psychischen Bereich wie folgt beschreiben:
Nach derzeitigem Wissensstand sind keine
gravierenden Stoerungen zu erwarten, wenn auch
Personen mit Neigungen zu psychischen Stoerungen
ebenso auf Cannabis verzichten sollten wie
diejenigen, die sich damit sozial unertraeglichen
Situationen entziehen wollen.
cc.
) Koerperliche Abhaengigkeit
Koerperliche Entzugserscheinungen sind bei Cannabis
-anders als bei Alkohol und harten Drogen- prak-
tisch nicht zu beobachten. Der Sachverstaendige
Prof. Dr. Dominiak hat hierzu ausgefuehrt, dass
allenfalls -vergleichbar wie beim Absetzen der
taeglichen Kaffeedosis- leichte Schlafstoerungen,
Irritierbarkeit und innere Unruhe auftreten
koennen. Auch seien Dosissteigerungen aus physiolo-
gischen Gruenden nicht festzustellen. Vielfach ist
sogar beobachtet worden, dass erfahrene Konsumenten
weniger Cannabis brauchen, um "high" zu werden als
Anfaenger (vgl.
Quensel, Drogen und Drogenpolitik,
a.a.O., Seite 389 m.w.N.
).
Die Sachverstaendigen haben darueber hinaus ausge-
fuehrt, dass allenfalls eine leichte psychische Ab-
haengigkeit vorhanden sei. Diese sei aber nicht.
anders einzustufen, als die, die beim taeglichen
Kaffeetrinken entstehe. Quensel (Drogen und
Drogenpoltik, a.a.
O., Seite 389) fuehrt hierzu
folgendes aus: "Eine Vorstellung von diesen
Schwierigkeiten kann man gewinnen, wenn man an das
eigene abendliche Glas Bier denkt, an den ueblichen
Morgenkaffee oder an die Leere, die entsteht, wenn
man das Rauchen aufgibt -dieselbe Leere ueberfaellt
uns, wenn der Fernseher repariert werden muss, die
Tageszeitung wegen Streiks fehlt, die Pruefung
bestanden ist oder bei Arbeitslosigkeit oder
Verrentung der alltaegliche Arbeitstrott ausfaellt."
dd.) Toedliche Dosis
Bei dem Cannabiskonsum gibt es im Gegensatz ,zum
Alkohol, Nikotin und harten Drogenkonsum keine
wissenschaftlich ermittelte letale (= toedliche)
Dosis. Todesfaelle die auf exzessiven Konsum
zurueckzufuehren sind, sind bei Haschisch nicht
bekannt.
(c) Gesellschaftliche Auswirkungen
aa.
) Anzahl der Haschischkonsumenten
Die Gesamtzahl der Konsumenten ist nicht bekannt.
Die Angaben hierueber schwanken. Koerner geht in
seinem Kommentar zum Betaeubungsmittelgesetz unter
Berufung auf die Zeitschrift Suchtreport 1988,
Heft 2 von ca. 3 bis 4 Mio Cannabisabhaengigen aus
(vgl.. Koerner a.
a.O., Einleitung Seite 9). In der
Auskunft des Bundesgesundheitsamtes vom 21. Dezem-
ber 1990 wird eine Zahl von mehreren Hunderttau-
send und 1 bis 2 Mio angegeben. Der Drogenexperte
Berndt Georg Thamm schaetzt in seinem Buch "Drogen-
freigabe-Kapitulation oder Ausweg ?" (Verlag
Deutsche Polizeiliteratur GmbH, 1989) fuer die
Bundesrepublik eine Anzahl von ueber 2 Mio.
Konsu-
menten von Cannabisprodukten (vgl. Thamm, a.a.O.,
Seite 232).
bb.
) Haschischtherapie
Es gibt keine spezielle Haschischtherapie und auch
keine therapeutische Einrichtung fuer Haschischkon-
sumenten. Dort wo Haschischkonsumenten einer
psychologischen oder psychiatrischen Behandlung
beduerfen, ist nach den Darlegungen des Sachver-
staendigen Dr. Barchewitz der Haschischkonsum nicht
die Ursache. Vielmehr steckt dahinter ein persoen-
liches Problem. Ist dies behoben, dann schwindet
auch das Beduerfnis zum Konsum, da dieser koerper-
lich nicht bedingt ist.
cc.
) Auswirkungen auf strafbare Handlungen
Im Gegensatz zum Alkohol und zu den sogenannten
harten Drogen wird die polizeiliche Kriminalsta-
tistik nicht unter dem Gesichtspunkt gefuehrt, ob
der Tatverdaechtige die Tat unter dem Einwirken von
Cannabiskonsum begangen hat. Es. gibt in der poli-
zeilichen Kriminalstatistik hierzu keine statisti-
schen Erhebungen. Daraus laesst sich entnehmen, dass
dies fuer die Begehung von Straftaten kein relevan-
ter Faktor ist. Dies verdient besondere Hervorhe-
bung im Verhaeltnis zum Alkohol, weil der Alkohol
haeufig eine stimulierende Wirkung hat, die insbe-
sondere die Bereitschaft zu Gewalttaetigkeiten foer-
dert. Haschisch hat eine im Grundsatz umgekehrte
Wirkungsweise.
Der Konsum von Haschisch fuehrt zu
einer Hinwendung nach innen und begleitend dazu zu
einem Rueckzug von der aeusseren sozialen Realitaet
Dabei hat die Einnahme von Haschisch nach den Aus-
fuehrungen der Sachverstaendigen regelmaessig eine
mehr beruhigende und einschlaefernde Wirkung.
Allerdings sei davon auszugehen, dass sich insbe-
sondere diese Eigenschaften im Strassenverkehr
nachteilig bemerkbar machen koennten.
ff.) Einstiegsdroge
Im Gegensatz zu den Motiven des Gesetzgebers bei
der Neufassung des Betaeubungsmittelgesetzes im
Jahre 1971 steht zur ueberzeugung der Kammer nach
den Ausfuehrungen der Sachverstaendigen und der
dabei eroerterten und vorgehaltenen Literatur fest,
dass Haschisch keine "Einstiegsdroge" fuer haertere
Drogen ist und auch keine Schrittmacherfunktion
entfaltet.
Die Sachverstaendigen haben in uebereinstimmung mit
der Auskunft des Bundesgesundheitsamtes zunaechst
festgestellt, dass es keinen medizinischen und bio-
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logischen Ausloeser fuer die Behauptung gibt, dass
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Konsumenten sogenannter weicher Drogen auf harte
Drogen umsteigen.
Das Schweizer Bundesgericht hat sich in seinem
Entscheid vom 29.
August 1991 (vgl. Strafver-
teidiger, 1992, Seite 18 ff.) mit der angeblichen
Gefaehrlichkeit von Cannabisprodukten auseinander-
gesetzt und dabei auch zur Einstiegstheorie bzw.
zur Umsteigegefahr Stellung genommen. Dabei hat es
den Sachverstaendigen Prof. Kind zitiert, der dar-
gelegt hat, dass diese Behauptung (Einstiegsdroge)
heute eindeutig widerlegt sei.
Abschliessend heisst
es in der Entscheidung des Schweizer Bundesge-
richts:
"Der Gebrauch von Cannabis fuehrt ferner keineswegs
zwangslaeufig zu jenem gefaehrlicherer Stoffe; nach
neuesten Schaetzungen greifen insgesamt etwa 5 %
aller Jugendlichen, die Erfahrung mit Cannabis
haben, zu haerteren Drogen (Geschwinde, a.a.O.,
Seite 44 N 166)."
Auch Koerner lehnt in seinem Kommentar zum Betaeu-
bungsmittelgesetz die Theorie von Haschisch als
Einstiegsdroge ab. Es helsst dort (a.
a.O., Anhang C
1, Seite 1070):
Die Theorie von Haschisch als Einstiegsdroge ist
kein ueberzeugendes Argument, weil der Weg zum
Heroin ebenso haeufig ueber Alkohol und Tabletten-
konsum verlaeuft, ohne dass deshalb ein Verbot von
Alkohol oder Tabletten zu fordern waere."
Die Kammer lehnt daher in uebereinstimmung mit den
Sachverstaendigen und den vorstehenden zitierten
Autoren die Theorie von der "Einstiegsdroge" ab.
Die Theorie von der sogenannten Einstiegsdroge
wird von der (unzutreffenden) Denkschablone
getragen, dass aus der Verwendung der Droge ein
Drang nach Dosissteigerung logisch folge und
dieser von der leichten zur starken Dosis fuehren
muesse (vgl. hierzu Quensel, Drogen und Drogenpoli-
tik, a.
a.O., Seite 391). Dabei wird uebersehen und
unberuecksichtigt gelassen, ob die Drogen in ihrer
Wirkung miteinander vergleichbar sind und dass dann
doch der leichte und beliebig steigerbare Alkohol-
konsum als Alternative viel naeher liegt (vgl.
Quensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.
O., S.
391).
Es wurde bereits darauf verwiesen, dass der
Cannabiskonsum in seiner Zielrichtung eine mehr,
beruhigende und sedierende Wirkung hat, waehrend
zum Beispiel die Drogen Kokain und Heroin stark
euphorisierende Auswirkungen haben. Diese Drogen
stellen daher von ihrer Wirkungsweise keine Stei-
gerung der Cannabisprodukte dar, sondern haben
eine vielmehr entgegengesetzte, dem Alkohol
aehnliche Wirkung. Deshalb fehlt es schon an
einer den Umstieg tragenden subjektiven Zielvor-
stellung, die darauf angelegt ist, die Wirkungs-
weise des bisherigen Rauschmittels zu steigern.
Darueber hinaus fuehrt gerade der Konsum von
Haschisch -wie bereits dargelegt- nicht zu einer
Toleranzausbildung, die nach immer staerkeren Dosen
draengt. Im Gegenteil: haschischgewoehnte Konsumen-
ten werden regelmaessig mit einer niedrigeren Dosis
"high" als Anfaenger (vgl. oben S. 30).
Darueber hinaus wird der Versuch unternommen, die
Umstiegstheorie statistisch wie folgt zu begruenden
(vgl. dazu Taeschner, Das Cannabis-Problem 1979,
Seite 169; zitiert nach Kreuzer, NJW 1982.
Seite
1311):
uentersucht man andererseits aber klinisch-statio-
naer behandelte Drogenabhaengige, meist
Heroinsuechtige oder Polytoxikomane, so stellt man
fest, dass sie ihre Drogenkarriere zu 98 bis 100 %
mit Haschisch begonnen hatten."
Kreuzer verweist in seinem Aufsatz auf Untersu-
chungen von Prof. Keub, wonach diese Theorie in
den USA sschon laengst tot war, als -scil. bei
uns- die Drogenwelle 1968 begann". Kreuzer fuehrt
weiterhin aus, dass Prof. Keub in einer Studie
nachgewiesen habe, dass Alkohol die Haupteinstiegs-
droge sei und dass bei einem Drogenkongress in Wien
alle anwesenden Experten verschiedener Disziplinen
die Einstiegstheorie verworfen haetten (vgl.
Kreuzer, a.a.O., Seite 1311 Fussnote 9). Kreuzer
fuehrt in seinem Aufsatz auch weitere Unter-
suchungen an, die fuer deutsche Verhaeltnisse die
Unhaltbarkeit der Einstiegstheorie ergeben haetten
(vgl. Kreuzer, a.
a.O., Seite 1311 Fussnote 10).
Darueber hinaus laesst sich die Einstiegstheorie auch
anhand der statistischen Zahlen ueber die ge-
schaetzten Drogenabhaengigen widerlegen. Der
Pharmakologe Schoenhoefer hat in seinem Aufsatz
(a.a.
O., Seite 54) die Umsteigetheorie an Zahlen,
die fuer Amerika gelten, ueberprueft. Woertlich heisst
es: "Der Direktor des "Natonal Institute of Mental
Health" schaetzte in einem Hearing vor dem
ssubcommittee to Investigate Juvenile Delinquency"
am 17. September 1969 die Zahl der Jugendlichen
Marihuana-Konsumenten in USA auf 8 bis 12 Mio. Im
Mai und Oktober des gleichen Jahres
veroeffentlichte die "Washington Post" Gallup-Um-
fragen, die die Zahl der Marihuana-Konsumenten mit
rund 10 Mio angaben. Nach der hier in der Bundes-
republik ueblichen Umsteigertheorie muessten also
heute rund 30 % dieser Menschen, mithin also 3
Millionen Heroinsuechtige sein.
Das ist nicht der
Fall. Die Zahl der Heroinsuechtigen in den USA
liegt bei 200.000 mit einer geschaetzten Dunkel-
ziffer gleicher Groesse, also insgesamt bei 400.000.
Das sind zwischen zwei bis vier, rund also
hoechstens 5 % der Marihuana-Konsumenten."
Diese Zahlen belegen, dass ein Umstieg nur in
geringem Umfange stattfindet.
Sie entsprechen den
Zahlen, die das Schweizer Bundesgericht zugrunde
gelegt hat, und die auch auf die Bundesrepublik
zutreffen. Nach den Ausfuehrungen des Sachverstaen-
digen Dr. Barchewitz ist davon auszugehen, dass es
in der Bundesrepublik ca. 100.000 Drogenabhaengige
gibt, die sogenannte harte Drogen konsumieren. Die
Zahl der Haschischkonsumenten liegt -wie bereits
dargelegt- zwischen 2 und 4 Mio.
. Dieses krasse
Missverhaeltnis von Cannabiskonsumenten zu Konsu-
menten "harter" Drogen beweist, dass offensichtlich
kein kausaler Umsteigeeffekt vorhanden ist.
Dies haben auch die von der Kammer gehoerten Sach-
verstaendigen ausdruecklich bestaetigt. Sie haben
vielmehr darauf verwiesen, dass eine Suchtkarriere.
die einmal beim Heroin ende, typischerweise vom
fruehen Gebrauch von Nikotin oder Alkohol gepraegt
sei. Sie meinen daher, dass der Gebrauch dieser bei
uns ueblichen Konsumdrogen viel eher einen Ein-
stiegseffekt aufweise.
Darueber hinaus haben die
Sachverstaendigen darauf hingewiesen, dass ein
Umsteigeeffekt allenfalls durch den gemeinsamen
illegalen Drogenmarkt erfolge. Sie haben hierzu
ausgefuehrt, dass der Haschischkonsument die Droge
vom gleichen Dealer bekomme, der auch ueber "harte"
Drogen verfuege. Aus diesem ssozialen Kontakt"
ergebe sich eine sehr viel groessere Gefahr des
Umsteigens als aus dem Konsum und den damit
verbundenen Wirkungen (so auch Binder, a.a.O.,
Seite 125).
Die Kammer weiss aus einem Referat des Amsterdamer
Strafrechtsprofessors Dr. Rueter, das auch insoweit
in der Hauptverhandlung eroertert worden ist, dass
gerade aus diesen Gruenden die niederlaendische
Drogenpolitik eine Trennung der Maerkte von
"weichen" und "harten" Drogen anstrebt.
Die Einrichtung von sogenannten "Coffee-Shops", in
denen Cannabis-Produkte zum Konsum frei ver-
kaeuflich erworben werden koennen, ohne dass
strafrechtliche Verfolgung zu befuerchten ist, hat
zum Ziel, den ssozialen Kontakt" des Konsumenten
"weicher" Drogen zu "harten" Drogen beim Ankauf zu
unterbinden. Deswegen muessen die Inhaber von
"Coffee-Shops" mit Bestrafungen und Schliessung
ihrer Geschaefte rechnen, wenn sie "harte" Drogen
verkaufen. Durch diese Trennung der Maerkte wird
nach Auffassung der Niederlaender der moegliche
Umsteigeeffekt, der durch den ssozialen Kontakt"
mit dem gleichen Dealer bewirkt werden kann,
erheblich reduziert.
c) Zusammenfassend kann daher festgestellt werden.
dass die individuellen und gesamtgesellschaftlichen
Wirkungen von Haschisch denkbar gering sind.
(1) Das Schweizerische Bundesgericht hat in seiner
Entscheidung vom 29. August 1991 (a.a.O., Seite
19) hierzu folgendes festgestellt:
"Nach dem gegenwaertigen Stand der Erkenntnisse
laesst sich somit nicht sagen, dass Cannabis geeignet
sei, die koerperliche und seelische Gesundheit
vieler Menschen in eine naheliegende und
ernstliche Gefahr zu bringen.
"
(2) Der Sachverstaendige Prof. Dr. Dominiak hat
erklaert, dass Cannabis nach seiner Kenntnis das
Rauschmittel mit den geringsten individuellen und
gesamtgesellschaftlichen Wirkungen sei, das es zur
Zeit auf der Welt gebe. Binder hat in seinem
Aufsatz im Deutschen aerzteblatt (a.a.O.
, Seite
124) ausgefuehrt:
"Medizinisch gesehen, duerfte der Genuss von ein bis
zwei Joints Marihuana (ein bis zwei Gramm
Marihuana, resorbierte THC-Menge 8-16 mg) pro Tag
unschaedlich sein, zumindest aber weniger schaedlich
sein, als der taegliche Konsum von Alkohol oder von
20 Zigaretten. Fuer alle drei Drogen gilt das
Prinzip ssola dosis facit venenum" und somit waere
gegen den gelegentlichen Konsum von Marihuana im
Grunde genau so wenig einzuwenden wie gegen das
gelegentliche Glas Wein oder die gelegentliche
Zigarette, Jede Droge im uebermass genossen, ist
schaedlich."
(3) Soweit der exzessive Gebrauch von Cannabisproduk-
ten bei bestimmten Risikogruppen zu bestimmten
-nicht ernstlichen- Schaedigungen fuehren kann. ist
darauf hinzuweisen; dass dies grundsaetzlich fuer
fast alle Substanzen gilt, die der Mensch zu sich
nimmt (Zum Problem ,der fehlenden Relation zwischen
Extrem- und Normalkonsum aus sozialwis-
senschaftlicher Sicht vgl. Kreuzer, a.a.
O., S.
1312). Auch der exzessive Gebrauch von Zucker kann
zu Schaedigungen fuehren. Darueber hinaus haben
zahlreiche rezeptpflichtige Schmerz-, Schlaf- und
Beruhigungsmittel bei langandauernden, uebermaessigen
Konsum Sucht und schwere gesundheitliche Schaeden
mit teils toedlichem Ausgang zur Folge.
Entzugstherapien bei Medikamentenabhaengigkeit sind
aufwendig.
Medikamentenmissbrauch kann auch
Psychosen ausloesen. Auch nicht rezeptpflichtige
Schmerzmittel und sogar Vitamine koennen bei
uebermaessiger Dosierung zu schweren Gesundheitsschae-
den fuehren, Bei Aspirin drohen z.B. Magengeschwuere
z.B., wie sie durch die Einnahme von mehr als drei
Multivitamin-Tabletten geschehe, ueberschreitet bei
einer Leibesfrucht den Grenzwert und kann zu
Fruchtschaeden fuehren.
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