Ich, es und über-lch
Ich, Es und Über-lch
Die Persönlichkeit des Menschen wird aus drei Instanzen gebildet:
Ich (die Instanz der Anpassung an die Umwelt).
Das Ich nimmt Umweltreize wahr, verarbeitet sie und übt eine Art Polizeifunktion über das Es aus, das die Repräsentation der Triebe des Menschen ist.
Es (die Triebinstanz, die auf möglichst viel Lust aus ist).
Das Es ist eine nicht sehr kultivierte, auf Befriedigung erpichte Kraft. Man könnte sagen: es ist der ungehobelte Kerl im eigenen Innern, der nicht viel Rücksicht nimmt, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Freud hat offen gelassen, ob nicht die beiden anderen Instanzen auch Produkte des Es sind.
Über-lch (das Gewissen).
Im Über-Ich sammeln sich Einflüsse der Eltern, aber auch der Familien-, Rassen- und Volkstraditionen. Kultur und Gesellschaftsstruktur finden im Über-Ich ihren Niederschlag.
Das Über-Ich bestimmt, so meinte Freud, immer wieder, daß Inhalte, die bereits vom Ich akzeptiert worden sind, in das Es zurückverwiesen werden: der Vorgang der Verdrängung. Das Über-Ich ist also ein strenger Zensor, der immer wieder darauf hinweist, was erlaubt und vor allem was verboten ist.
Was hat man nun davon, daß man sagt, es gebe diese drei Instanzen, die die Persönlichkeit des Menschen bilden? Kann man das beweisen? Kann man diese Instanzen in irgendeiner Form direkt finden, sehen, ihren Sitz im Körper bestimmen?
Die drei Instanzen sind Kräfte, die Freud glaubte, aus ihren Wirkungen ableiten zu können.
Die Beobachtung der menschlichen Psyche zeigte ihm— und an sich kann jeder Mensch das nachvollziehen —, daß Tendenzen in die eine oder andere Richtung vorhanden sind, daß in der Persönlichkeit einander widerstreitende Tendenzen am Werk sind— ununterbrochen wägt man ja ab, wie man Dinge bewerten soll, wie man sich verhalten soll, welche von mehreren Möglichkeiten man wählen soll.
Die Gedanken, die einem durch den Kopf schießen, wenn eine Entscheidung in einer bestimmten Lebenssituation fällig ist, kann man als die Produkte der drei psychischen Instanzen sehen.
Wenn man zum Beispiel in einem Wirtshaus eine vergessene Brieftasche entdeckt — was tut man?
Entsprechend der Ausprägung von Ich, Es und Über-Ich wird man ganz unterschiedlich reagieren können.
Man kann sie einstecken und sich einen guten Tag machen — in dem Fall wäre das Es recht stark und das Über-Ich schwach ausgeprägt. Oder man reagiert umgekehrt, geht damit zum Wirt, gibt ihm die Geldbörse, und hat sich damit entsprechend der eigenen Erziehung verhalten, die immer gesagt hat, man müsse anständig, ehrlich und aufrichtig sein. Das Gewissen hätte in diesem Fall recht gut funktioniert.
Aber die Gedanken, die einem danach kommen: "Hätte ich doch das Geld behalten! Kein Mensch wäre draufgekommene Oder "Sicher behält sich der Wirt das Geld selber. Ich war schön blöd, so ehrlich zu sein!" . . . das sind Gedanken, Störfaktoren, die aus dem Es kommen.
Sie machen sich also recht deutlich bemerkbar, diese Instanzen.
Sie formen den Charakter eines jeden Menschen.
Freud hat immer zugegeben, daß es sich bei diesem Modell um eine Hilfskonstruktion handelt. Wie jedes Modell hat auch dieses Schwächen, aber es läßt sich gut als Grundlage zur Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit verwenden.
Soweit also die Instanzen der Persönlichkeit, die Grundkräfte der Psyche.
Bewußt und unbewußt..
.
Das Modell der Psychoanalyse sieht noch weitere Einteilungen vor, etwa die Einteilung der verschiedenen Bereiche des Erlebens.
Demzufolge kann der Mensch Vorgänge in drei Arten erleben:
unbewußt,
vorbewußt,
bewußt.
Über das Unbewußte läßt sich am wenigsten sagen, was logisch ist, sonst wäre es nicht unbewußt. Was sich dort speichert, abspielt, was dort vor sich geht, wissen wir nicht, nur hin und wieder dringt einiges an die Oberfläche, etwa in einem Traum oder einer plötzlichen Phantasie.
Die psychoanalytische Technik soll dazu führen, Unbewußtes bewußtseinsfähig zu machen.
Damit wäre, so meinte Freud, und so meint die Psychoanalyse auch heute noch, ein Großteil der psychotherapeutischen Arbeit zu leisten. Solange wesentliche Kräfte im Unbewußten lagern, wo sie sich unserer Kontrolle oder zumindest unserer Beobachtung entziehen, kann man nicht davon sprechen, ein freier, autonomer Mensch zu sein.
Was kommt ins Unbewußte? Nun, zum Beispiel jene Beobachtungen, Gedanken, Einfälle, Phantasien, die das Uber-Ich nicht durchgehen läßt, weil sie »verboten« sind.
Die Werkzeuge dazu sind die berühmten Abwehrmechanismen. Man darf sich aber nicht der I1lusion hingeben, durch die Verschiebung, Verdrängung eines "verbotenen« Inhalts in das Unbewußte seien nun alle Probleme gelöst! Fast im Gegenteil! Es gibt in der Magie eine Weisheit, die auch hier zum Tragen kommt: Unsichtbare Feinde sind am gefährlichsten. Oder anders ausgedrückt: »Die größte Gemeinheit des Teufels ist es, daß er so tut als gäbe es ihn überhaupt nichts (Gustav Meyrink).
Die im Unbewußten zwischengelagerten, vom Uber-Ich argewehrten Regungen bleiben nicht untätig — auf geheimen Wegen greifen sie in unser Denken und Fühlen ein und bestimmen teilweise, wie wir sind und was wir wollen.
Das Ziel der Psychoanalyse ist es, die Verantwortlichkeit des Menschen überhaupt erst möglich zu machen, indem wesentliche unbewußte Inhalte bewußt gemacht werden, indem sie enthüllt werden, ins Bewußtsein kommen. Dann kann man zwar immer noch den gleichen Unsinn machen wie zuvor, aber jetzt mit mehr Autonomie, sozusagen als freierer Mensch.
Die Praxis zeigt, daß die Psychoanalyse ihre Patienten nicht unbedingt zu moralischeren Menschen macht, die fortan ihr Leben im Dienst der Allgemeinheit verbringen. Die Analytiker selbst sind die besten Beispiele dafür, daß auch ein noch so "durchanalysierter Mensch seine Charakterzüge nicht unbedingt drastisch verändern muß.
Der Unterschied zur Zeit vor der Analyse besteht unter Umständen nur darin, daß ihm — um es ein wenig überspitzt auszudrücken die eigenen Fehler keine Gewissenshisse mehr bereiten.
Sicher ist die Psychoanalyse keine moralische Institution.
Das unterscheidet sie zweifellos von manchen anderen Methoden der Persönlichkeitsveränderung, wie natürlich vor allem der Religion.
In der Psychoanalyse geht es darum, in einer langwierigen Behandlung (die sich über viele Jahre hinziehen kann — eines der Hauptargumente gegen die Psychoanalyse) alle unbewußten Bedrohungen so weit abzubauen, daß eine relativ befriedigende Anpassung an die Realität möglich wird. Diese unbewußten Bedrohungen können aus der Kindheit migeschleppte Ängste und Aggressionen sein. Es sind sozusagen schiefgelaufene ErleLnisverarbeitungen. Warum diese Verarbeitungen von ErleLnissen schieflaufen, kann niemand mit Gewißheit sagen—es kann an der Natur der Erlebnisse liegen, muß aber auch seinen Grund in der Konstitution des jeweiligen Menschen haben.
Das ist ja ein Hauptargument gegen die etwas mechanistische psychoanalytische Erklärung der menschlichen Psyche: Wie kommt es, daß Menschen, die als Kinder durchaus vergleichbar schwere Zeiten gehabt haben, die Schlägen und anderen Mißhandlungen ausgesetzt waren, sich trotzdem unterschiedlich entwickeln? Daß manche von ihnen glückliche, zufriedene Menschen werden, andere wieder von Angsten und Komplexen geplagte neurotische Nervenbündel?
Man kann darauf antworten, daß Menschen unterschiedliche Reizschwellen haben, daß der eine eben besonders empfindlich schon auf kleinste Einflüsse reagiert, der andere aber eine "Elefantenhaut« hat—aber das wäre ja nur die älteste und bewährteste Beschwörungszeremonie der Menschheit: Einer unbekannten Sache einen Namen zu geben und zu glauben, sie wäre damit auch schon erklärt. In Wahrheit weiß es niemand, und die Psychoanalyse kann nur unvollständige Erklärungsmuster anbieten.
Wenn es in der Entwicklung eines Menschen (und man muß sagen, daß das heißt: zeit seines Lebens; denn der Mensch hört bis zu seinem Tod nicht auf, sich zu entwickeln, auch wenn die Psychoanalyse meint, nach den Kinderjahren wären die wesentlichsten Dinge schon gelaufen) zu besonders beängstigenden Ereignissen kommt, müssen die Abwehrmechanismen als Schutz eingreifen.
Sie sind auch dann gefragt, wenn man innerpsychisch Phantasien entwickelt, die das Über-Ich nicht zulassen kann.
Diese Abwehrvorgänge sind
Verleugnung
Verdrängung
»Ungeschehen machen«
Isolierung
Reaktionsbildung
Identifzierung
Projektion
Verschiebung
Verdichtung
Regression
Sublimation.
Grundlegendes Motiv für die Abwehr ist die Angst.
In Ängsten
findet manches statt,
was sonst
nicht
stattgefunden
hat
dichtet Wilhelm Busch und meint damit, daß sich der Mensch zu ungeahnten Leistungen emporschwingen kann, wenn er Angst hat. Solche Leistungen müssen nicht nur körperlicher Natur sein. Es kennt wohl jeder das Phänomen der »selektiven Wahrnehmung«: man nimmt bestimmte Dinge einfach nicht wahr, auch wenn sie einem praktisch schon vor der Nase sitzen—die Ursache dafür kann sein, daß man sich an "unerlaubte" Phantasien erinnert fühlt, daß die Wahrnehmung dieser bestimmten Sache peinlich wäre und anderes mehr.
Tatsache ist, daß man regelrecht "neurotisch blind" sein kann. Die Sinnesorgane funktionieren zwar normal, das Auge sieht, aber das Gehirn verweigert die Verarbeitung der Wahrnehmung zu einem bewußten Sinneseindruck.
Ähnliche Abwehrmechanismen sind am Werk, wenn ein Mensch zum Beispiel Witze zu einem bestimmten Thema einfach nicht versteht—meist handelt es sich um sexuelle Tabus, die durch das Verstehen des Witzes verletzt würden.
Die Leistungen der Psychoanalyse bestehen nicht nur in der konkreten Arbeit mit Analysanden (das ist der psychoanalytische Fachausdruck für Patienten) . . . das vielleicht sogar zum geringeren Teil, denn für einen Breiteneinsatz eignet sich die klassische Analyse wegen der langen Dauer und wegen ihrer Kosten zweifellos am wenigsten von allen psychotherapeutischen Methoden, sondern auch und vor allem in der Durchleuchtung der wichtigsten seelischen Mechanismen.
Von diesen Erkenntnissen zehrt die gesamte Psychotherapie-Szene, und sie haben sich ganz allgemein im Denken und im Weltbild (wenn auch nicht in allen Details und mit allen Konsequenzen) durchgesetzt.
Zugänge zum Unbewußten
Wie schon gesagt gibt es mehrere Methoden innerhalb der Psychoanalyse, dem Unbewußten und den in ihm geheim arbeitenden Regungen auf die Schliche zu kommen: Traum und dessen Deutung, freie Assoziation in der analytischen Stunde (klassischerweise auf der Couch liegend, mit dem Analytiker außer Sicht, der sich auf diese Weise dem direkten Augenkontakt entzieht—zu enger Kontakt würde, so fürchtete Freud, die Freiheit der Einfälle des Analysanden hemmen, würde Sprechhemmung auslösen, Angst vor Ablehnung .
. . alles, was eben beim Blick in die Augen eines anderen Menschen passieren kann).
Es gibt aber noch andere Zugänge zum Unbewußten, darunter solche, die jedermann spielerisch für sich entdecken kann—das macht unter Umständen sogar Spaß, weil es zu sehr komischen Situationen führt. Die Fehlleistungen zum Beispiel lassen besonders tiefe Rückschlüsse auf das Unbewußte eines Menschen zu.
Was sind Fehlleistungen?
Besonders oft sind es Vorfälle, deren Namen mit der Vorsilbe "ver-" beginnen.
Vergessen,
verlieren,
verlegen,
sich versprechen,
sich verspäten,
verschütten,
versalzen (Köche aufgepaßt!),
sich verfahren.
"Fast alle sind sie von unwichtiger Natur, meist von sehr flüchtigem Bestand, ohne viel Bedeutung im Leben des Menschen", meinte Freud selbst dazu.
Den Fehlleistungen kommt aber, so Freud, ein Sinn zu. Sie setzen sich an die Stelle einer anderen, erwarteten Handlung und weisen auf unbewußte Probleme hin. So bedeute es sehr viel, welchen Gegenstand man bei wem vergesse . .
.
Es gibt in der Psychoanalyse eine Reihe weiterer Begriffe und Subsysteme, die über die relativ kleine Schar ausgebildeter Analytiker hinaus Popularität erlangten. So etwa:
Übertragung/ Gegenübertragung,
Ödipuskomplex,
Widerstand.
Übertragung und Widerstand haben viel miteinander zu tun, sie bilden sozusagen die beiden Seiten derselben Medaille, nämlich des Verhältnisses des Analysanden zum Therapeuten.
Ist dieses Verhalten widerspenstig, abwehrend, aggressiv, spricht man von Widerstand.
Ist die Beziehung aber freundschaftlich, liebevoll, dann handelt es sich um Übertragung, man kann auch sagen: Übertragungsliebe.
Für das Selbstbild der Analytiker ist dieses Konzept — das sei nur "in Klammern« gesagt — recht bequem: sie steigen auf jeden Fall gut aus. Einerseits können sie sich sonnen im Gefühl, geliebt zu werden, brauchen aber andererseits, wenn der Patient widerborstig ist, sich nicht gekränkt zu fühlen — es handelt sich ja um den Widerstand, der nicht auf den Therapeuten zurückgehe, sondern auf die neurotische Charakterstruktur des Patienten selbst.
Diese Widerstände, so die analytische Theorie, sind ein Ausdruck dafür, daß viel verdrängt werden muß—sie sind die nach außen hin aktive Form der Verdrängung.
Der Patient verhält sich dem Therapeuten gegenüber so, wie er sich seinerzeit, als Kind oder Jugendlicher, seinen Eltern, Erziehern, Lehrern, Vorgesetzten, Freunden gegenüber verhalten hat.
Tatsächlich ist es ja ein seltsames Phänomen, daß viele Menschen noch als Erwachsene, mitunter bis zu ihrem Tod, immer wieder die gleichen Konstellationen wählen—oder manchmal, wie es scheint, von diesen Konstellationen "verfolgt" werden: Frauen, die immer nach dem gleichen Muster verlassen werden, Männer, die eine Frau nach der anderen haben, immer vom selben Typus, Menschen, die es maximal drei, vier Monate am Arbeitsplatz aushalten und dann wegen scheinbar objektiver Gründe, die nie etwas mit ihnen selbst zu tun haben, kündigen müssen. Es gibt eine Wiederholung des ewig gleichen Musters—Ausdruck dafür, daß der betreffende Mensch in seiner Persönlichkeitsentwicklung steckengeblieben ist, sich nicht weiterentwickeln kann.
Das Aufsuchen der immer gleichen Situationen, kann insofern als Versuch zur Selbstheilung verstanden werden: Man setzt sich der unbewältigten Situation so oft aus, bis man sie überwinden kann. Das ist freilich langwierig und schmerzvoll; schmerzvoll nicht nur für einen selbst, sondern meist auch für viele andere Menschen.
Ein anderer Weg wäre der, sich sagen zu lassen, wo das Entwicklungshindernis steckt, und dann mit voller Kraft daran zu arbeiten. Das erspart Zeit, Energie und Leid.
Die Methode dafür heißt, generell, Psychotherapie. Die Psychoanalyse freilich erspart von all den verschiedenen Psychotherapie-Schulen am wenigsten Zeit.
Es wurde schon erwähnt: Manche Analysen ziehen sich über Jahre, der Analytiker wird zum Lebensbegleiter, der viel Zeit und Geld kostet.
Andere Schulen versuchen es in kürzerer Zeit und haben damit, so scheint es, Erfolg.
Allerdings ist es für manche Menschen gar nicht populär, sich Leid zu ersparen.
Der spanische Dichter Calderón de la Barca sagt in seinem Schauspiel »Das Leben ist Traum«:
Im Klagen,
hat ein Philosoph entdeckt,
liegt tiefe Lust versteckt.
»Wir sollen,
sagt er,
"nie ein Leid bereuen,
weil wir doch an den Klagen uns
erfreuen.«
Diese Unglücksraben und Pechvögel tappen von einer Katastrophe in die nächste, ohne etwas dafür zu können.
Sie wissen nicht, daß es Möglichkeiten gäbe, diese unglückselige Veranlagung loszuwerden.
Freilich: Jede Veränderung der bekannten Situation erfordert beträchtlichen Mut—es ist großes Risiko damit verbunden. Denn das Leben im Stil wie bisher, das kennt man; man kann es abschätzen, man kennt die Klippen und Hürden, die man zu überwinden hat, weiß, mit welchen Verletzungen man zu rechnen hat, man weiß auch, es kostet nicht den Kopf.
Anders die unbekannte Lage nach einer eventuell erfolgreichen Psychotherapie — terra incognita, unbekanntes Land, ein weißer Flecken auf der Lebenslandkarte — wer weiß, was einem dort begegnet?
So kommt es, daß Menschen immer wieder dazu neigen, das bekannte Leid einem unbekannten Glück vorzuziehen.
Und was ist mit Ödipus?
Der Ödipuskomplex steht laut Freud im Zentrum der kindlichen Entwicklung. Er ist die Grundlage für die Entstehung des Uber-Ich, also der allgemein "Gewissen« genannten Instanz.
Jedes Kind will geliebt werden — primär natürlich von den Eltern als den ersten Personen, zu denen ein extremes Naheverhältnis besteht.
Das Kind findet aber relativ bald heraus, daß dieser Wunsch an natürliche Grenzen stößt — das Kind kann die Symbiose mit der Mutter, die dauernde innigste Verbindung (im Mutterleib), nach der Geburt nie wieder finden, weil es jetzt ein getrenntes, eigenständiges Wesen ist. Auf die Erfahrung der Trennung, der Unmöglichkeit, den Liebeswunsch unbegrenzt zu erfüllen, reagiert das kleine Kind, wie jedes Wesen reagiert, wenn ein dringendes Bedürfnis nicht erfüllt wird: mit Aggression.
Der Ödipuskomplex ist die Gesamtheit der Liebeswünsche und des aggressiven Verhaltens gegenüber den Eltern.
Auch dieses Konzept findet übrigens einen jahrtausendealten Vorgänger: Im Tibetischen Totenbuch, einem buddhistischen Text, der beschreiet, welche Prozesse während des Todes eines Menschen ablaufen und wie es zur Wiedergeburt kommt (die Buddhisten glauben ja, immer wieder geboren zu werden), steht haargenau das, was Freud Anfang des 20. Jahrhunderts sagte: Wenn du als Bub wiedergeboren wirst, wirst du deinen Vater hassen und deine Mutter lieben; wenn du als Mädchen geboren wirst, wirst du deine Mutter hassen und deinen Vater lieben.
"
Es ist aber natürlich keine ganz einfache Sache, mit solch einem Haß auf den gegengeschlechtlichen Elternteil fertig zu werden — die kindliche Psyche reagiert, indem sie die Instanz des Uber-Ich bildet — ein System von Geboten und Verboten, die die angstwachenden Impulse aus dem eigenen Inneren kanalisieren und zähmen.
Damit ist der Prozeß der "individuellen Vergesellschaftung", die Fähigkeit zur sozialen Verantwortung, eng verbunden.
Die Psychoanalyse erfordert eine ausführliche Schilderung, weil auf ihrem Konzept der Seele und ihrer Organisation sehr viele andere psychotherapeutische Schulen beruhen. Es gibt nur noch zwei weitere Schulen, die eigenständige Theorien haben: die Verhaltenstherapie (die aber eigentlich keine wirkliche Theorie hat) und die systemische Therapie, deren Grundlage die Systemtheorie ist.
Zusammenfassung
Ich, Es und Über-lch regulieren in ständigem Wechsel- und Zusammenspiel unsere Wahrnehmung, die bewußt ist, aber auch vor- und unbewußt sein kann. Besonders quälende oder als gefährlich eingeschätzte Wahrnehmungen und Gedanken verdrängt der Mensch ins Unbewußte, wo sie aber dennoch aut die Psyche wirken.
Es gibt eine Reihe von Verdrängungsmechanismen. Der Mensch soll in den Stand gesetzt werden, das neurotische Leid durch Alltagselend zu ersetzen, meinte Freud.
Anmerkungen: |
| impressum | datenschutz
© Copyright Artikelpedia.com