Spezialgebiet
Spezialgebiet Psychologie
Psychologische Betreuung im Roten Kreuz am Beispiel des LV OÖ.
Ausgearbeitet: Michael Mittendorfer Lehrer: Prof. Hans Stummer
Fach: PsychologieSeite Inhalt
-1- Titelblatt
-2- Inhaltsverzeichnis
-3- 1. Grundsätzliche Unterscheidung
2. Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen
belastende Ereignisse, Belastungsreaktionen, SBE Definiton, Arten von Stressbearbeitung, Eustress – Disstress,
-8- 3. Arten der Unterstützung durch SBE
Grundsätzliche Arten der Unterstützung durch SBE, Gesprächspartner
4.
Vorgehen durch SBE
Ablauf eines Einsatzes, Gesprächsarten
-9- 5. Das Peersystem
Erklärung des Systems, Anforderungen an einen Peer, aktives Zuhören
-10- 6. Peerausbildung und Kriterien
Auflistung der Kriterien für einen Peer
-11- 7. Krisenintervention beim Roten Kreuz
Grundsätzliche Aufgaben, Betreuungsgespräche, unterstützende Gespräche
-13- 8. Wissenschaftlicher Hintergrund von KIT
PTSD Erklärung, präventive Aufgaben, PTSD Symptome,
-15- 9. Ziele der KIT Betreuung
Erläuterung der Ziele von KIT, Begleitorganisationen
-16- 10.
Mögliche Einsatzindikationen für KIT
Erklärung der Notwendigkeit von KIT Einsätzen und auch Fallbeispiele ohne KIT Indikation
-17- 11. Vorraussetzungen zur Mitarbeit im KIT
Kriterien für die Mitarbeit im KIT
12. Alarmierung des KIT
Verständigung des KIT, Erklärung der Rettungsstruktur zur Alarmierung des KIT
-17- 13. Fachliche Qualifikationen
Ausbildungserfordernisse
-18- 14. Quellen
1. Grundsätzliche Unterscheidung:
Begriffe: -SBE: STRESSBEARBEITUNG nach BELASTENDEN EREIGNISSEN
-KIT: KRISENINTERVENTIONSTEAM
2.
Stressbearbeitung nach belastenden Einsätzen
Grundsätzlich unterscheidet man in der psychologischen Betreuung des Roten Kreuzes zwischen der Betreuung der Einsatzkräfte und der Betreuung der Angehörigen und Patienten. In diesem Teil möchte ich auf die Stressbearbeitung bei Einsatzkräften eingehen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum Stressbearbeitung. Jeder Mensch, insbesondere Einsatzkräfte kommen im Laufe ihres Lebens zu Krisensituationen: Verkehrsunfall – beschädigte und zerstörte Sachgüter, verletzte Kinder und Erwachsene, Tote, verstörte unverletzte Menschen, Angehörige, hilflose Zuschauer,…
Alle beteiligten Einsatzkräfte, wie Rotes Kreuz, Feuerwehr, Exekutive, etc., haben während des Einsatzes ihr Bestes gegeben! Nach dem Einsatz jedoch tauchen bei jedem einzelnen auch Emotionen auf: Trauer, Wut, Ohnmachtsgefühl, Verzweiflung, das Gefühl, nicht optimal gehandelt zu haben, Zynismus, Sarkasmus, … oder Sprachlosigkeit; jeder reagiert in seiner persönlichen Art und Weise, jeder drückt seine persönliche Betroffenheit in seiner Art aus. Diese Betroffenheit ist eine menschliche Reaktion.
Sie kann von kurzer Dauer sein, aber auch länger andauern und beim Betroffenen nachhaltige negative Auswirkungen zeigen, im Extremfall sogar eine Beeinträchtigung der Gesundheit bewirken. Daher muss derartigen Beeinträchtigungen bestmöglich vorgebeugt werden.
Das System der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen wurde das erste Mal in der amerikanischen Armee im 2. Weltkrieg beobachtet, wo Soldaten, die die Möglichkeit hatten, über ihre Erlebnisse unmittelbar zu sprechen, am nächsten Tag besser einsatzfähig waren. Aus einer weiteren Reihe von Beobachtungen und systematischen wissenschaftlichen Arbeiten entwickelte Jeffrey MITCHELL gemeinsam mit Georg S. EVERLY ein Praxis orientiertes, sehr erfolgreiches und empirisch abgesichertes Modell: Critical Incident Stress Management (CISM), unser SBE.
Diese System wird mittlerweile schon in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt.
Was ist aber ein belastendes Ereignis? Ein belastendes Ereignis liegt außerhalb der alltäglichen menschlichen Erfahrung. Da es plötzlich und unerwartet auftritt, kann es starke emotionale Auswirkungen auch auf gut vorbereitete, erfahrene Menschen haben. Ist das belastende Ereignis extrem, kann es auch pathologische Folgewirkungen zeigen.
Belastende Ereignisse für Einsatzkräfte sind:
- Tod oder schwere Verletzung eines/r Kollegen/In
- Suizid eines/r Kollegen/In
- Tod von Kindern
- große Anzahl von Verletzten
- Opfer, die den Einsatzkräften bekannt sind
- Einsätze mit starkem Medieninteresse
- jedes andere Ereignis, das eine ungewöhnlich belastende Wirkung hat
Ob ein Ereignis als belastend empfunden wird oder nicht, ist perönlichkeitsabhängig und von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Bereits während eines belastenden Ereignisses können sich Symptome einer aktuen Belastungsreaktion entwickeln:
Man ist emotional taub: Es entwickeln sich z.
B. angesichts eines Schwerstverletzten keinerlei Gefühle.
Man nimmt Gegebenheiten um sich herum nur mehr eingeschränkt wahr: Der Sanitäter nimmt z.B. nur die Verletzungsmuster des Verletzten wahr, nicht aber andere Details innerhalb des Fahrzeuges, in dem er den Verletzen versorgt
Auch später kehren an die nicht wahrgenommenen Details keinerlei Erinnerungen zurück (dissoziative Amnesie)
Nach dem Ereignis kann die akute Belastungsreaktion bewirken, dass
sich Erinnerungen wiederholt aufzwingen (flash back)
Schlafstörungen auftreten
das Ess- und Trinkverhalten verändert wird
Verhaltensänderungen auftreten
Reize, die an das Ereignis erinnern, vermieden werden.
Das belastende Ereignis kann zum Auslöser einer akuten (Symptome zeigen sich bis max.
3 Monate) oder chronischen (länger als 3 Monate) posttraumatischen Belastungsstörung werden. In diesem Fall ist ein externer Fachmann (Psychologe, Arzt, Priester, Rabbi,…) beizuziehen.
SBE ist weder eine Form der Psychotherapie, noch ein Ersatz dafür sie unterstütz jedoch die jedem Menschen innewohnenden körpereigenen Regenerationskräfte!
Eines der wesentlichsten Ziele von SBE ist, die beschriebenen Auswirkungen nach belastenden Ereignissen zu minimieren. Bei SBE handelt es sich nicht um eine isolierte „Psychotechnik“ sondern um ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das wesentlich dazu beiträgt, die Qualität der Arbeit einer Einsatzorganisation weiter zu verbessern und damit auch das Ansehen in der Bevölkerung zu stärken.
Der Grundsatz „Vorbeugen ist besser als Heilen“ gilt auch bei SBE. Ein noch so gutes SBE-Angebot ist jedoch insuffizient, wenn SBE nicht ein integrierter Teil der Ausbildung von Einsatzkräften wird und Einsatzkräfte nicht im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben, SBE für sich sinnvoll zu nutzen.
Die wichtigsten Ziele in Aus- und Fortbildung sind daher, den Mitarbeitern einsichtig zu machen, dass
es einen gesunden Stress (Eustress) gibt, der uns dazu treibt, Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Schlaf, … zu stillen. Würden wir diese Bedürfnisse nicht stillen, würden wir sterben. Die Anforderung/Situation wird als Herausforderung erlebt, der man sich gerne stellt. Man hält sich für kompetent genug die Situation zu meistern und denkt, dass man wahrscheinlich erfolgreich sein wird. Es gibt aber auch einen ungesunden Stress (Disstress), der unsere körperlichen und geistigen Funktionen erheblich reduzieren und letztendlich auch zu Erkrankungen führen kann, weil unser Organismus über kürzere oder längere Zeit überfordert ist und keine Gelegenheit hat sich zu erholen. Die gesamt Situation hier wird als belastend, überfordernd und unangenehm angesehen.
Man hat Angst zu scheitern und ist praktisch hilflos. Entscheidend ist immer die momentane Verfassung in der man sich befindet.
eine akute Belastungsreaktion die „normale“ Reaktion des Menschen auf außergewöhnliche Ereignisse ist.
es möglich ist, Stressbewältigungstechniken zu erlernen. Damit soll im Sinn von Selbstschutz die Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen angeregt werden.
Arten der Stressbewältigung:
Grundsätzlich gibt es 3 Arten von Ressourcen zum Umgang mit Stress (Zimbardo).
Materielle Ressourcen
Persönliche Kompetenzen
Soziale Ressourcen
Zu den materiellen Ressourcen können Geld und der Grad der eigenen medizinischen Versorgung gehören. Macht sich etwa der Rettungsmitarbeiter Sorgen darum, wie er die nächste Rate für sein Auto bezahlen kann, ist dieser Mensch schon vorbelastet. Gute oder schlechte Ausrüstung (Werkzeug, Schutzanzüge, Spezialgeröte, Kommunikationstechnik, medizinische Geräte, ergonomisch und gut ausgestatte Fahrzeuge,...) können bei Einsatzkräften ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, wann und wie Stress empfunden wird.
Aber auch Unterkunfts- Verpflegungs- und Schlafmöglichkeiten können Einfluss auf die Stressemfpindlichkeit haben. Hat etwa eine Einsatzkraft schon den halben Abend über das grausige Essen geärgert, liegt dann in einem Bett, welches mehr an ein Folterwerkzeug erinnert und dieses Bett steht dann noch in einem schlecht belüfteten Raum mit Einfachverglasung zur Hauptverkehrsstraße hin, dann wäre es nicht verwunderlich, wenn diese Einsatzkraft in einem folgenden Einsatz empfänglicher für Stress wäre, als wenn sie angenehmere Bedingungen vorher (und nachher) erlebt hätte.
Persönliche Ressourcen beziehen sich auf die Fertigkeiten, die ein Mensch erlernt hat, um mit Stress umzugehen und auf die Bewältigungsstile, die er bisher für sich entdeckt und gelebt hat. Wie gut sind die Fertigkeiten zum Erkennen einsturz- gefährdeter oder explosionsgefährdeter Häuser ausgebildet? Wie gut kann jemand mit den Auskunftsmitteln zu gefährlichen Stoffen und Gütern umgehen, damit ein Umgang damit im Einsatzfall nicht zum Stressfall wird? Wie gut sind die Erfahrungen eines Sanitäters beim Reanimieren bisher? Aber auch: Wie gut kann etwa jemand über Probleme sprechen, wie gut hat er vielleicht auch das Zuhören gelernt? Welche Art der Konfliktbewältigung hat er / sie als Kind gesehen. Wurde über belastende Situationen gesprochen mit dem Ziel, eine Lösung zu suchen, wurde vielleicht zur "Flasche" gegriffen, endete Stress vielleicht in aggressiven Verhalten oder stand Verdrängung im Vordergrund? Gibt es vielleicht eine Verbindung von Selbstwertgefühl und Problemlösungsmöglichkeiten? Irgendeinen Stil (oder mehrere) wird / werden entwickelt worden sein. Wie effizient und / oder gesundheitsförderlich diese waren / sind, ist dann die zweite Frage.
Auf jeden Fall werden sie als Ressourcen (manchmal vielleicht eher als Hypotheken) in die belastende Situation mit eingebracht.
Soziale Ressourcen können aus sozialen Netzwerken (Familie, Freunde, Kollegenkreis, Selbsthilfegruppe, soziale Strukturen am Arbeitsplatz, ...) stammen, aber auch aus professioneller Unterstützung (Psychologen, Sozialarbeiter, Pädagogen, Mediziner, ..
.) bestehen. Bei Feuerwehrmännern und -frauen, bei Angehörigen des Rettungsdienstes und anderen Einsatzkräften ist es in der Regel nur eine Frage der Zeit, wann sie mit hochbelastenden Ereignissen konfrontiert werden. Kann dann vorher und nachher professionelle Hilfe, z.B. durch einen Psychologen, hilfreich zur Seite stehen, erscheint mir die Wahrscheinlichkeit, keine oder nur geringere Schäden davon zu tragen, größer, als ohne diese Unterstützung.
Das Auftreten von Schäden in ist weniger von dem Ausgangsereignis bestimmt, als von dem Maß der Betreuung danach.
Die Familie, als Beispiel eines sozialen Netzwerkes, kann ebenfalls ein wichtiger Faktor sein. Gibt es da empfindsame Menschen, mit denen eine Einsatzkraft ihre Erlebnisse besprechen kann, dann ist dies zur Bewältigung hilfreich, ist niemand da, sind die Chancen zur Bewältigung niedriger. Ledige und allein lebende Menschen sind also eher für Schäden anfällig als andere. Nachbesprechungen belastender Einsätze im Kollegenkreis können ebenfalls der besseren Bewältigung dienen.
3.
Arten der Unterstützung durch SBE
SBE-Fachleute können vor Ort anwesend sein und können von einzelnen Einsatzkräften bzw. der Einsatzleitung angesprochen werden. Häufig vermitteln Betroffene ihre „Hilferufe nach SBE“ nicht direkt, sondern verschlüsselt. Diese Signale zu verstehen ist eine manchmal ebenso schwierige Aufgabe, wie dann darauf entsprechend zu reagieren. Das SBE-Modell beinhaltet auch Strukturen für die Unterstützung und Hilfe von Opfern, Überlebenden und Angehörigen. Um diesen Bereich abzudecken, haben sich Kriseninterventionsteams (KIT) bewährt.
4. Vorgehen der SBE-Teams nach dem Ereignis
SBE Nachbesprechung (debriefing) ist ein strukturierter Gruppenprozess, der von ein bis zwei psychosozialen Fachleuten mit Unterstützung von erfahrenen Peers (Erklärung siehe später) geleitet wird. Das Ziel dieses Gruppengespräches ist, Belastungen zu reduzieren und den Regenerationsprozess der Einsatzkräfte nach dem belastenden Ereignis aktiv zu unterstützen. Der beste Zeitraum für eine Nachbesprechung liegt zwischen 24 und 72 Stunden nach dem Ereignis. Für den Großteil der Teilnehmer wird diese Maßnahme ausreichend sein, für einige wenige MitarbeiterInnen sind externe Therapieangebote erforderlich.
SBE Kurzbesprechung (defusing) ist eine Kurzversion der SBE-Nachbesprechung.
SBE Einsatzabschluss (Demobilisation) erfolgt ausschließlich unmittelbar nach einer Katastrophe oder einem Großschadensfall
Nachbetreuung nach dem SBE Einsatz kann u.U. noch lange nach dem Ereignis erfolgen. In der Literatur sind eine Reihe von Fällen beschrieben, in denen sich die Nachbetreuung über Jahre hinzieht, bzw. in Einzelfällen sind auch irreparable Schäden entstanden, die bis zur Berufsunfähigkeit geführt haben.
Unterstützungsprogramme für Angehörige und besonders Nahestehende von Einsatzkräften werden bisher sehr selten angeboten.
Es sind eine Reihe von Fällen bekannt, in denen berufliche Belastungen von Einsatzkräften einen nachhaltigen negativen Einfluss auf das Privatleben haben und gelegentlich sogar zum Zerfall von Familien geführt haben.
Einzelberatungen durch Peers für einzelne betroffene Einsatzkräfte bzw. für Gruppen bis max. 3. Personen: Ein Peer führt fallweise neben den Gruppengesprächen in Einsatznachbesprechungen auch Einzelgespräche. Die Praxis zeigt, dass gerade derartige Einzelgespräche sehr hilfreich sein können, denn der Betroffenen kann seine Sorgen bewusst aussprechen.
Etwas Bedrückendes aussprechen zu dürfen, wirkt für viele Menschen sehr erleichternd und befreiend. Überdies bieten derartige Gespräche für Betroffenen auch die Chance zu lernen, das Erlebte von einem neuen Gesichtspunkt aus zu sehen, wodurch die Belastungswirkung ebenfalls reduziert wird.
Bei allen Gesprächen ist es wichtig, dass sie in einem geschützten Raum stattfinden. Störungen von außen sollen weitgehend ausgeschlossen sein. Selbstverständlich sind die Inhalte sämtlicher Gespräche von allen Beteiligten vertraulich zu behandeln.
5.
Das Peer System
Ein tragendes Element von SBE Einsatzkräften ist das Peer System: Peers sind speziell in SBE ausgebildete Einsatzkräfte. Sie finden sich in dein eigenen Reihen. Sie arbeiten mit psychosozialen Fachkräften wie Psychiatern, Psychologen, Priestern, etc., zusammen.
Die Aufgabe von Peers ist es, innerhalb der Mannschaft eine Vertrauensstellung zu gewinnen und erster Ansprechpartner für Kollegen zu werden, die im Zusammenhang mit Einsätzen etwas erlebt haben, was sie besonders belastet. Das setzt voraus, dass ein Peer in der eigenen Einsatzorganisation als Mensch und Fachmann weitestgehende Anerkennung genießt! Selbstverständlich sind all die Informationen, die ein Peer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erhält, strengstens vertraulich zu behandeln.
Ein Peer muss eine besondere Sensibilität für Verhaltensänderungen von Kollegen nach möglicherweise belastenden Ereignissen entwickeln und dafür Sorge tragen, dass der Betroffene wieder aus seiner Krise einen Weg findet. Vielleicht geht der Betroffene auf den Peer zu, oder der Peer schafft eine Gelegenheit, um mit dem Betroffenen z.b. bei einer Tasse Kaffee in Ruhe zu sprechen. Die Schaffung derartiger Situationen erfordert sehr viel Fingerspritzengefühl, denn es soll hier dem möglicherweise Betroffenen ein Angebot gemacht werden (aktives Zuhören), bei dem er frei entscheiden kann, es anzunehmen oder nicht. Jeglicher Zwang ist unbedingt zu vermeiden, wie „Ich muss mit dir reden, weil du hast ein Problem!“ Die meisten Erwachsenen werden von derartigen Zwangsbeglückungen keinen Nutzen haben.
SBE möchte die in jedem Menschen innewohnenden körpereigenen Regenerationsfähigkeiten unterstützen. Um die Entwicklung dieser wirklich gezielt mit SBE fördern zu können, bedarf es einer fundierten AUS- und Weiterbildung der Peers und psychosozialen Fachkräften.
Ein Vorteil des Peer-Systems ist, dass Peers die betreffenden Einsatzorganisationen aus eigener Erfahrung von innen kennen: „Ein Peer weiß wovon er spricht“, erleichtert die Akzeptanz der Peers in den eigenen Reihen erheblich. Außerdem ist die Rolle als Peer ehrenamtlich, wodurch den Einsatzorganisationen auch keine zusätzlichen Personalkosten entstehen.
6. Peerausbildung
Kriterien für die Auswahl von RK Mitarbeitern zu Peers: Es ist grundsätzlich nur begrenzt möglich, objektiv messbare Kriterien für die Auswahl von RK Mitarbeitern zur Ausbildung als Peers zu erstellen, da von Peers menschliche Kompetenzen und soziale Fähigkeiten zu fordern sind, die nicht objektiv erfassbar sind.
Es ist daher sinnvoll, Kriterien zu definieren, nach deren Erfüllung zu erwarten ist, dass der/die Kollege/In in die Funktion als Peer erfolgreich hineinwächst. Es werden Grundkenntnisse von Kommunikation und sozialer Kompetenz vermittelt, welche ein Peer im Laufe seiner Tätigkeit vertiefen sollte.
Kriterien
Dienstalter: 25 Jahr als Richtalter (mind. 20 Jahre) und mindestens 2 Jahre RK-Zugehörigkeit.
Ableistung der in der RKT-Vorschrift angegebenen Dienste
Vorbildliche Erfüllung der Fortbildungs- und Sorgfaltspflicht
Bereitschaft und Fähigkeit zur Teamarbeit
Fähigkeiten zum einfühlsamen Umgang mit Menschen, u.a.
die Fähigkeit, einem Gesprächspartner zuzuhören und einem Gespräch zu folgen
Bereitschaft/Interesse, die eigene Arbeit zu reflektieren und in diesem Zusammenhang auch kollegiale Anregungen und Kritik anzunehmen
Bereitschaft Interesse, eigene Belastungen zu reflektieren
Einigermaßen stabile berufliche und private Verhältnisse
Maßvoller Umgang mit legalen Suchtmitteln („Volksdrogen“)
Allenfalls: berufliche Voraussetzungen (z.B. Ausbildung in einem Sozialberuf)
7. Krisenintervention im Rettungsdienst
KIT übernimmt die ganzheitliche Betreuung von Menschen, die nach einem traumatischen Ereignis unter starken seelischen Belastungen leiden oder unter akutem psychischen Schock stehen und nicht medizinisch körperlich versorgt werden müssen. Dabei handelt es sich immer um Menschen, für deren Betreuung in der akuten Situation niemand Zeit hat.
Das Ziel der Betreuung liegt in der Verhinderung schwerer gesundheitlicher Folgeschäden durch die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit des traumatisierten Menschen und der Unterstützung eines natürlichen Trauerprozesses.
Der Betreute soll bei der Bewältigung der ersten Eindrücke begleitet und unterstütz werden. Weiters ist es ein Anliegen zur Verfügung stehende sozial Ressourcen gemeinsam mit betroffenen Personen zu erschließen und nutzbar zu machen. In den Situationen, bei denen der Bedarf einer professionellen therapeutischen Intervention absehbar wird, muss KIT mit psychologischen Einrichtungen und Selbsthilfegruppen, an die Betroffene gegebenenfalls verwiesen werden, zusammenarbeiten.
Die Aufgabe eines KIT Mitarbeiters im Einsatz lassen sich so darstellen:
Betreuung Beratung
Organi-
Kooperation sation
Der KIT Einsatz besteht nicht nur aus dem klassischen Betreuungsgespräch. Oft muss der/die KIT MitarbeiterIn erst einmal die Rahmenbedingungen für ein akzeptables und angenehmes Gesprächsklima schaffen. Durch eine Beratung werden nächsten Schritte nach einer traumatisierenden Situation mit dem Patienten besprochen.
Die Kooperation mit Ärzten, Behörden, anderen Organisationen, etc., können ohne andere Maßnahmen unterstützen. Es gilt absolute Verschwiegenheitspflicht!
8 Wissenschaftlicher Hintergrund
KIT versteht seine Tätigkeit als präventive Maßnahme zu akuten Belastungsreaktionen gegen die posttraumatische Belastungsstörung (Post Traumatic Stress Disorder – PTSD) sowie gegen die pathologische Trauerreaktion. Traumatische Ereignisse können Belastungsstörungen hervorrufen, die schwere gesundheitliche Schäden mit sich bringen können. Damit arbeitet KIT mit einem Auftrag, der als zentrales Anliegen der präklinischn Notfallmedizin und somit ein erweiterndes Aufgabenfeld des Rettungsdienstes ist.
„KIT ist die Institution, die an einen eiskalten Ort menschliche Wärme bringt“ (Leo Pallwein- Prettner; Präsident des oberösterreichischen Roten Kreuzes)
Extreme Beispiele aus der Vergangenheit zeigen auch die Notwendigkeit auf: Grubenunglück in Lassing, Zugunglück in Eschede, Lawinenunglück in Galtür oder der Tunnelunfall im Tauern.
Es handelt sich bei PTSD um schwere gesundheitliche Folgeschäden im psychischen Bereich, die durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst werden. Die Betreuung von Menschen in Situationen schwerster psychischer Belastung durch KIT entspricht deshalb dem Auftrag des Gesetzgebers an den Rettungsdienst, gesundheitliche Folgeschäden auch im seelischen Bereich zu vermeiden. Die Verhinderung schwerer gesundheitlicher Folgeschäden ist ein zentrales Anliegen der präklinischen Notfallmedizin. Menschen, die unmittelbar unter den Auswirkungen einer extremen psychischen Erfahrung (wie z.B.: schwerer Unfall, Tod einer nahe stehenden Person oder Gewalterfahrung) leiden, entwickeln eine ‚akute Belastungsreaktion’.
Sie erleben eine starke subjektive Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit. Sie haben chaotische Eindrücke von den Vorgängen ihrer Umgebung. Die Wahrnehmung ist eingeschränkt, die Konzentrationsfähigkeit reduziert. Es können starke Gefühlsschwankungen auftreten; Angst, Verzweiflung, Wut, Aggression und andere Emotionen wechseln einander spontan ab. Einige Szenen des Ereignisses prägen sich in das Gedächtnis ein und drängen sich später in der Erinnerung auf. Das Ereignis wird als unwirklich und wie im Traum erlebt (Depersonalisation, Derealisation, Dissoziation).
Betroffene Mensche beschreiben dies oft mit den Worten dass sie ‚neben sich stehen’ und das Ereignis in seiner eigentlichen Tragweite noch nicht realisieren. Die Symptome der akuten Belastungsreaktion sind zunächst eine normale und physiologische Reaktion auf ein unnormales Ereignis. Allerdings kann sie chronifizieren und zu einer Erkrankung mit massiven Konsequenzen für die Biographie der Betroffenen werden.
Symptome einer PTSD:
Ein sich aufzwängendes Wiedererleben des belastenden Ereignisses
Vermeidung von Reizen die mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen
Stark belastende Träume, Alpträume – Schlafstörungen
Interessenverlust
Aufgaben von üblicherweise gerne ausgeübten Tätigkeiten
Reizbarkeit, Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten
Eine stark erhöhte Wachsamkeit
Übertriebene Schreckreaktionen, Panikattacken
Flash-back
Verlust des sozialen Umfeldes, Beziehungsprobleme, sozialer Rückzug
Erhöhte Suizidalität
Alkohol- und Drogenmissbrauch
Die posttraumatische Belastungsstörung ist therapierbar!!
Die Prävention der posttraumatischen Belastungsstörung entspricht der medizinischen Zielsetzung von KIT. Dies erfordert eine möglichst früh einsetzende kontinuierliche Betreuung. Die Betreuung akut psychisch traumatisierter Personen verläuft nicht „irgendwie“, „beliebig“ oder bloß intuitiv.
Vielmehr werden anerkannte Standards der Psychologie (Psychotraumatologie, Trauerpsychologie) von speziell ausgebildeten MitarbeiterInnen an der Einsatzstelle umgesetzt. Damit wird eine nachvollziehbare, verantwortete und effektive Betreuung durch eine so genannte „Psychologische Erste Hilfe“ sichergestellt.
9. Ziele der KIT Betreuung
Das Ziel der KIT-Betreuung liegt darin, die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit des traumatisierten Menschen zu unterstützen und ihn bei der Bewältigung der ersten Eindrücke zu begleiten. Weiters ist es ein Anliegen, (niederschwellig) zur Verfügung stehende soziale Ressourcen gemeinsam mit ihm zu erschließen und für ihn nutzbar zu machen. In Situationen , bei denen der Bedarf einer professionellen therapeutischen Intervention absehbar wird, arbeitet KIT in Oberösterreich mit der psychosozialen Einrichtung PRO MENTE zusammen.
Mit Hilfe von Informationsfaltern wird über andere Einrichtungen, wie z.B. Selbsthilfegruppen, sowie organisatorische Aufgaben nach einem Todesfall informiert.
Die einmalige Betreuung dauert ca. 2 - 3 Stunden. Dieser Zeitraum hat sich als ausreichend erwiesen, um in einer ersten Krisenintervention im Rahmen der präklinischen Notfallmedizin die Situation psychisch traumatisierter und/oder trauernder Menschen deutlich zu verbessern.
Die Einbindung der praktischen Ärzte eines Einsatzgebietes wird empfohlen. Der Einsatz von KIT erfolgt unmittelbar nach dem Ereignis in der Akutphase, also noch mitten im Einsatzgeschehen und versteht sich als Krisenintervention (psychische Erste-Hilfe) und nicht als irgendeine Form von Therapie.
Die Alarmierung von KIT erfolgt ausschließlich durch Einsatzorganisationen oder Ärzte. KIT ist in die bestehende Rot-Kreuz-Struktur einzubinden. KIT ist eine Brücke zu weiterer Beratung und/oder Therapie.
10.
Mögliche Einsatzindikationen KIT
Beistand für Angehörige und Hinterbliebene (nach einem Todesfall bei/nach besonderen Umständen oder einem Suizidversuch und/oder einem erfolgreichen Suizidversuch).
Betreuung und Begleitung von Eltern bzw. Elternteilen nach einem schweren Unfall eines Kindes.
Betreuung und Begleitung von Eltern bzw. Elternteilen nach dem Tod eines Kindes.
Betreuung von Personen nach Verkehrs- und Zugsunfällen, welche unter psychischem Schock stehen (herumtoben, apathisches Verhalten), jedoch keine oder nur geringe sanitätsdienstliche Versorgung benötigen.
Betreuung von Busfahrern und Lokomotivführern nach einem Personenunfall.
Begleitung von Exekutivbeamten bei der Überbringung von Todesnachrichten.
Betreuung von Opfern von Gewalttaten (Familientragödien, Geiselnahmen, Vergewaltigungen).
Sonstige Betreuung von Personen, etwa von Angehörigen polytraumatisierter Patienten oder bei sonstigen betreuungswürdigen Umständen.
Betreuungsaufgaben im Rahmen von Großschadenser-eignissen und Katrastropheneinsätzen.
Nicht zur Indikationsliste des KIT gehören:
Personen, die eine Suizidhandlung androhen oder im Begriff stehen, eine solche durchzuführen.
Suchtpatienten im Rahmen eines RKT-Einsatzes zu überzeugen, eine Behandlung oder Therapie im Krankenhaus zu machen.
Psychotische Patienten.
Schwierige psychiatrische Einweisungen (Barriere).
11. Voraussetzung zur Mitarbeit im KIT
Der/die KIT-MitarbeiterIn muss bei Beginn der Ausbildung mindestens 25 Jahre alt sein. Neben der fachspezifischen Ausbildung hat der/die MitarbeiterIn den Erste-Hilfe-Grundkurs zu absolvieren und über das Rote Kreuz Informationen zu erhalten.
Die Sanitätshilfeausbildung wird empfohlen.
12. Alarmierung des KIT
Die Alarmierung der diensthabenden KIT-MitarbeiterIn erfolgt ausschließlich durch die MitarbeiterInnen des Rettungs- und Krankentransportdienstes des Roten Kreuzes oder andere Einsatzorganisationen, wie der Feuerwehr oder der Exekutive, über die jeweilige Leitstelle bzw. Leitzentrale des Roten Kreuzes. Auch Ärzte können das System alarmieren.
Die Leitstelle/Leitzentrale alarmiert den/die MitarbeiterIn per Pager (Funk oder Callme).
Der/die MitarbeiterIn meldet sich telefonisch in der Leitstelle/Leitzentrale und erhält alle für den Einsatz relevanten Informationen und notwendigen Daten.
Nach Beendigung des Einsatzes meldet der/die KIT-MitarbeiterIn seine/ihre Einsatzbereitschaft. Alle anderen Meldungen (wie z.B. Standortwechsel,..
.) entfallen. Die Kommunikation mit der Leitstelle/Leitzentrale wird auf ein Minimum reduziert.
Sollte ein/e KIT-MitarbeiterIn nach einem Einsatz nicht wieder einsatzbereit sein, wird von der Leitstelle/Leitzentrale automatisch versucht, die etwaige Bereitschaft (Hintergrundmannschaft) für weitere Einsätze heranzuziehen.
13. Fachliche Qualifikationen Grundsätzlich ist die Auswahl der MitarbeiterInnen für die Tätigkeit im KIT mit großer Sorgfalt durchzuführen.
Grundvoraussetzung für die Mitarbeit im Kriseninterventionsteam ist die Absolvierung eines 16-Stunden Erste Hilfe Kurses und die Absolvierung des Grund- und Aufbaukurses KIT. Eine Tätigkeit im Rettungs- und Krankentransportdienst ist von Vorteil.
Als Grundinformation für die Zulassung zur KIT-Ausbildung wird das zweitägige Seminar "Optimale Patientenbetreuung im Rettungs- und Krankentransportdienst" und/oder die SBE-Ausbildung empfohlen.
Nach Absolvierung des KIT-Grundkurses sollte der/die MitarbeiterIn mindestens 3 Einsätze mit einer erfahrenen KIT-MitarbeiterIn ableisten.
14. Quellen:
Stumpf & Kossendey Verlag: Menschliche Begleitung und Kristenintervention, Bernd Fertig, 1994
Stumpf & Kossendey Verlag: Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen, Jeffrey T.
Mitchell, Georg Everly
RK Landesverband OÖ: Vortrag: Psychologie im Roten Kreuz
RK Bad Goisern: Bereitstellung von ausgebildeten Mitarbeitern zur Besprechung https://www.krisenintervention-muenchen.de/grund/wissenschaft.htmhttps://www.krisenintervention-muenchen.de/psycho/index.
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