Schizophrenie
Schizophrenie
Geschichte der Schizophrenie
Das Wort „Schizophrenie“ hat im Alltaggebrauch und im öffentlichen Bewusstsein einen immer noch, wenn auch gegenüber der Vergangenheit im verminderten Maße, negativen und entwertenden Beiklang.
Die Krankheit, die wir heute als Schizophrenie bezeichnen, wurde 1986 durch Emil Kraepelin als „Krankheitseinheit“ unter dem Namen „Dementia praecox“ beschrieben.
Die Krankheitskomponenten, die Kraepelin zu einer Krankheitseinheit zusammenfasste, waren zum einen die „Dementia hebephrenica“, ausgezeichnet durch läppisches, inadäquates Verhalten, zunehmende Gefühlsabstumpfung und Antriebsmangel und zum anderen die „Dementia catatonica“ und die „Dementia paranoides“. Die letztere ist vor allem durch paranoiden Wahn und Halluzinationen, aber auch mit der Folge fortschreitenden, geistigen Abbaus gekennzeichnet. Alle drei waren aber in Kraepelins Systematik und im Internationalen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation Unterformen der „Dementia praecox“.
Die Ursache der „Dementia praecox“ war zu Kraepelins Zeiten noch völlig unbekannt.
Er vermutete, dass ihr ein Hirnprozess zugrunde liegt. Aber zu Kraepelins Lebzeiten wurden charakteristische Hirnveränderungen an schizophrenen Erkrankten nicht gefunden. Emil Kraepelin war auch ein erfolgreicher Systematiker, der ein gründlich überlegtes und auf dem Stand des damaligen Wissens konstruiertes Klassifikationssystem der psychischen Krankheiten einführte. Auch heute noch ist dieses Klassifikationssystem Grundlage der internationalen Diagnose der Schizophrenie.
Kraepelin teilte die psychischen Störungen in drei Gruppen ein:
Die Hirnkrankheiten, denen nachweisbare und grobe Veränderungen zugrunde liegen, etwa die infektiösen und traumatischen Hirnkrankheiten.
Die endogenen Psychosen, nämlich das manisch-depressive Irresein und die Schizophrenie.
Sie sind meist durch episodische und chronisch verlaufende Psychosen unterschiedlichster Form gekennzeichnet.
Zu der dritten Gruppe zählt Kraepelin die psychopathischen Abartigkeiten oder Verhaltensabweichungen und die abnormen seelischen Reaktionen
.
Erst deutlich später, nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg, kam es zur Ausgestaltung einer nun auch wissenschaftlich besser fundierten Systematik der lebenslang bestehenden, mit krankhaften Merkmalen belasteten Persönlichkeitsstörungen.
Die Einführung des Begriffs „Schizophrenie“ in die Psychiatrie (1911) hat der Schweizer Eugen Bleuer zu verantworten. Er hat die frühere, von Kraepelin geschaffene Bezeichnung „Dementia praecox“ abgelöst. Das Wort „Schizophrenie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet gespaltenes Gemüt oder Spaltungsirresein.
Sie ist eine tief greifende psychiatrische Krankheit, die Veränderungen der Gedanken, der Wahrnehmung und des Verhaltens auslöst.
Viele Menschen verwechseln den Begriff Schizophrenie häufig mit der multiplen Persönlichkeit. Doch das krankheitsnähere Phänomen der Persönlichkeitsspaltung hat wenig mit der Schizophrenie zu tun. Der Seelenzustand bei der multiplen Persönlichkeit befähigt einen Menschen dazu, mehrere Scheinidentitäten mit jeweils eigener Biographie und eigenen Verhaltensmustern nacheinander und manchmal auch gleichzeitig zu spielen. Das Wort Schizophrenie hat dagegen, wenn es als ärztliche Diagnose benutzt wird, einen anderen Sinn. Die Krankheit tritt weder nur in jungem Alter auf, noch führt sie typischerweise zur Demenz , das ist ein hirnorganisch bedingter, meist fortschreitender Verlust der frühere vorhandenen Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses.
Bleuer wählt „Schizophrenie“, weil er meint, dass mentale Assoziationsstörungen die Grundlage der Krankheit sind. Gemeint ist damit das Auseinanderfallen gedanklicher Verbindungen, was sich in Denk- und Sprachstörungen äußern kann, oder die Lockerung natürlicher Verknüpfungen zwischen Ausdruck, Gefühl und ihren Inhalten, was sich in fehlender Übereinstimmung zwischen Stimmung und Inhalt äußert. Einfache Beispiele sind eine verzweifelte Miene nach erfolgreich bestandenen Prüfungen oder Heiterkeit nach einer Todesnachricht.
Was ist Schizophrenie?
Schizophrenie ist die häufigste Form der nicht-organischen Psychosen. Als Psychose bezeichnet man eine psychische Störung, bei der einstruktureller Wandel im Leben des Betroffenen feststellbar ist. Psychosen werden nach ihrer Entstehungsursache in organische und nicht-organische Psychosen eingeteilt.
Zu den nicht-organischen, oder auch endogene oder körperlich nicht begründbaren Psychosen zählen neben der Schizophrenie auch affektive Psychosen wie psychotische Depressionen oder Manie und auch der schizoaffektiven Psychosen. Dieser Begriff wird für Formen der Psychosen angewandt, bei der sich die Symptome der schizophrenen und der affektiven Psychose mischen.
Die Schizophrenie verläuft meist in unregelmäßig auftretenden psychotischen Episoden. Wenn sie nicht nach der ersten Episode ausheilt, verbleiben häufig chronische Veränderungen von Antrieb und Initiative, Erlebnisfähigkeit und von kognitiven Funktionen.
Auf dem Höhepunkt einer solchen psychotischen Episode ist der Kranke, meist bei klaren Bewusstsein, oft nicht mehr in der Lage, klar zu denken, Urteile zu fällen und mit anderen Menschen angemessen umzugehen. Die intimsten Gedanken, Gefühle und Handlungen werden mitunter so wahrgenommen, als wüssten andere Menschen davon, ohne sie je ausdrücklich mitgeteilt bekommen zu haben.
Oftmals glaubt der Kranke, dass Freunde, Feinde oder außerirdische Kräfte die Gedanken, Handlungen, Gefühle und Empfindungen auf übernatürliche Weise beeinflussen. Ausdruck, Sprache und Handlungen des Kranken wirken in diesem Zusammenhang oft eigenartig, bizarr und schwer verständlich. Der Schizophrene fühlt sich häufig als Mittelpunkt der Ereignisse und bezieht auf diese Weise wahrgenommene, auch alltägliche Beobachtungen auf sich. Sinnestäuschungen, besonders akustischer Art, also Stimmenhören, sind häufig und kommentieren alles Denken und Tun des Kranken. Das Denken ist bei vielen Kranken intakt. Bei Denkstörungen, die charakteristisch für die Schizophrenie sind, drängen sich unwesentliche Inhalte in den Vordergrund und erschweren die Konzentration auf die wichtigeren Inhalte.
Dadurch wirkt das Denken oft vage und schwer verständlich. Unterbrechungen oder „Eingebungen“ im Denkablauf sind häufig. Mitunter glauben die Kranken, ihre Gedanken würden ihnen durch fremden Einfluss entzogen. Gleichzeitig ist die Gefühlsintensität gesteigert oder abgeschwächt und das Verhalten durch raschen Wechsel von Zugänglichkeit und Ablehnung oder von Passivität, Gleichgültigkeit und Pessimismus geprägt.
Eine schizophrene Erkrankung kann heute von gut ausgebildeten Psychiatern und sogar von trainierten Laien mit geeigneten standardisierten Interviewtechniken mit hoher Zuverlässigkeit diagnostiziert werden. Dennoch ist diese Krankheit bei umfassender Sicht unter den großen psychischen Erkrankungen das am schwierigsten funktionell zu verstehende und ursächlich zu erklärende Leiden.
Ursachen
Im Bezug auf die Geisteskrankheiten ist zu sagen, dass sie wahrscheinlich nur dann ausbricht, wenn eine bestimmte Kombination von Ursachen auftritt. Vielleicht kommt es nicht zu einer Erkrankung, wenn alle Ursachen, mit Ausnahme einer einzigen auftreten. Wenn dem so ist, dann könnte es ausreichen, eine einzige Ursache auszuschalten, um die Krankheit zu verhindern.
Bei der Schizophrenie, lässt sich die spezielle Kombination von Ursachen, die zu der Erkrankung führt, in drei Faktorengruppen unterteilen:
Biologische Faktoren oder physische Bedingungen des Organismus, wahrscheinlich anlagebedingt.
Psychologische Faktoren oder Bedingungen, die sich in der Kindheit oder später entwickeln und mit der Familie und möglicherweise auch mit anderen Menschen zu tun haben.
Soziale Faktoren oder Bedingungen der Umwelt bzw.
der Gesellschaft, der der Patient angehört.
Diese Faktoren können sich zu ganz unterschiedlichen Zeiten auf den Patienten auswirken, aber es entsteht eine Wechselwirkung zwischen ihnen, so dass sie auch gleichzeitig spürbar werden können.
Zunächst die biologischen Faktoren. Der Glaube, dass Schizophrenie vererbbar sei, entstand durch die häufig gemachte Beobachtung, dass diese Krankheit in manchen Familien häufiger auftritt als in anderen.
Untersuchungen im verwandtschaftlichen Umfeld von an Schizophrenie erkrankten Personen haben Belege für eine genetische Veranlagung ergeben. So zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an Schizophrenie zu erkranken, mit steigendem Verwandtschaftsgrad zum Erkrankten zunimmt.
Sind beide Elternteile erkrankt, liegt das Risiko, ebenfalls an Schizophrenie zu erkranken, bei ca. 40%. Bei zweieiigen Zwillingen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der andere Zwilling eines Schizophrenen ebenfalls erkrankt bei ca. 15%, bei eineiigen Zwillingen jedoch bei 50%.
Bei den psychologischen Faktoren ist Voraussetzung, dass sie die Seele oder den Geist des Individuums in einer so ungünstigen Weise beeinflussen können, dass dies schließlich zu Schizophrenie führen kann.
Die Frühentwicklung eines Kindes ist zweifellos wichtig und wirkt sich auf sein ganzes übriges Leben aus, einschließlich dessen Neigungen, an Schizophrenie zu erkranken.
Zu den psychologischen Ursachen der Schizophrenie zählt auch die Art und Weise, wie das Kind seine Umwelt erlebte. Außerdem ist wichtig, wie die Erfahrungen mit der Umwelt Bestandteile der Seele des Kindes wurden. Wenn die Erfahrungen außergewöhnlich stark waren, ist es möglich, dass sie störende Komponenten seines Seelenlebens und Quellen der Unruhe und des Konflikts blieben. Zu beachten ist auch, wie sich diese Erfahrungen, die Bestandteile seiner Seele wurden auf die späteren Ereignisse im Leben des Patienten auswirken. Die ganze Lebensgeschichte des Patienten muss berücksichtigt werden.
Im ganzen Leben, vor dem Auftreten der Krankheit, kann man vier Perioden feststellen: die erste, die frühe Kindheit, wird vom Patienten intensiv durchlebt, und zwar in Familiensituationen, die er zu stark und unzutreffend erlebt.
In der zweiten Perioden, der späten Kindheit, entwickelt der Patient, als Reaktion auf die Schwierigkeiten der ersten Periode, einen speziellen Persönlichkeitstypus, der sich in der Adoleszenz und später noch stärker ausprägt.
Einer dieser speziellen Persönlichkeitstypen ist der schizoide Typus. Das ist ein Mensch, der infolge früherer Erfahrungen sich zu einem distanzierten, reservierten und weniger emotionalen Menschen entwickelt, als dies im Durchschnitt der Fall ist. Er lässt sich weniger auf andere Menschen ein und nimmt einen geringeren Anteil an ihnen. Dieser Typus von Mensch bleibt sehr sensibel, aber er hat gelernt, Angst und Wut auf zweierlei Weisen zu vermeiden: indem er sich so unauffällig wie möglich verhält, wobei er eine psychische Distanz zwischen sich und der Situation herstellt und indem er seine Gefühle verdrängt. Die psychische Distanz erhält er aufrecht, indem er Beziehungen zu anderen Menschen vermeidet und nichts tut, was anderen missfallen könnte.
Das Kind und später der Jugendliche wird still und er entwickelt die Idee, „nichts tun“ sei gleichbedeutend mit „ein braves Kind sein“. Wenn er älter wird, entwickelt sich daraus unter Umständen ein tief verwurzelter Pessimismus.
Typisch für die schizoide Persönlichkeit ist die Schwierigkeit, einem Gegenüber in die Augen zu sehen. Das schizoide Kind und noch mehr der schizoide Jugendliche und junge Erwachsene richtet seinen Blick auf anderes oder stellt nur einen flüchtigen Augenkontakt her. Augenkontakt macht ihm nicht nur intensiv bewusst, dass ein anderer Mensch da ist, sondern auch, dass ihn dieser Mensch anschaut. Solange ihn der andere nicht anschaut, kann er sein Gegenüber als eine Person erleben, die ihn nicht bedroht.
Ein anderer Persönlichkeitstypus ist der sprunghafte Typus. Patienten dieses Typus finden andere Menschen belastend und gehen in unterschiedlicher, widersprüchlicher Weise mit ihnen um. Manchmal verhalten sie sich in extremem Maß fügsam und entgegenkommend, bei anderen Gelegenheiten fordernd und aggressiv, und zu wieder anderen Zeiten lassen sie niemanden an sich heran. Sprunghafte Persönlichkeiten leben oft in einer Atomsphäre der Katastrophe und des Scheiterns. Dennoch weisen sie eine erstaunliche Fähigkeit auf, sich wieder zu fangen. Trotzdem mögen sie nur das Extreme.
Für sie ist alles entweder schwarz oder weiß. Jemanden zu mögen, bedeutet für sie restlose Ergebenheit und Liebe. Jemanden nicht zu mögen, bedeutet äußerste Ablehnung und Hass. In ihrem Leben gibt es keine Nuancen.
Die dritte Periode, die im allgemeinem in der Pubertät beginnt, kann ein turbulenter Lebensabschnitt sein. Der Jugendliche leidet vor allem durch das Bild, dass er von sich selbst hat, ein Bild, das er nicht akzeptieren kann.
Der Persönlichkeitstypus, den der Patient zuvor erworben hat und der ihm als Schutz oder Abwehrmechanismus dienen sollte, kann aber zusätzlich zu einem Handicap werden. Der Schizoide wird unbeholfen und weniger fähig, mit den täglichen Ereignissen zurechtzukommen. Der Jugendliche mit einer sprunghaften Persönlichkeit kann kein angemessenes Identitätsgefühl entwickeln und ist nicht imstande, bestimmte fundamentale Fragen zu beantworten, die er sich selbst stellt. Zum Beispiel wer er ist und was seine Familie, seine Freunde und die Gesellschaft von ihm erwartet, und ob er diese Erwartungen dann auch erfüllen kann. Noch entscheidender ist aber die Frage, was er von sich selbst erwartet.
Bei den soziokulturellen Faktoren ist bekannt, dass Armut, Entbehrung, soziale Belastungen, Immigration, Zugehörigkeit zu einer Minderheit und das Leben in Elendsviertel die Häufigkeit dieser Krankheit erhöhen.
Alles, was menschliches Leiden, Abnahme der Selbstachtung und Verlust der Hoffnung verursacht, kann ein indirekter Faktor für den Ausbruch der Schizophrenie sein. Eine Gesellschaft, die den Konkurrenzkampf unter ihren Mitgliedern fördert, ruft ein Gefühl geringer Selbstachtung bei denjenigen hervor, die sich als Verlierer betrachten, und macht diese anfälliger für psychische Schwierigkeiten.
Zu den Ursachen der Schizophrenie zählen auch die biochemischen Faktoren. Eine Reihe von Befunden sprechen dafür, dass Auffälligkeiten im System der Botenstoffe, den so genannten Neurotransmittern, im Gehirn der Betroffenen vorliegen. Die Hauptvermutung bezieht sich dabei auf den Neurotransmitter Dopamin. Bei Dopamin handelt es sich um eine Substanz, die zur Übermittlung von Nervenimpulsen von einem Neuron (Nervenzelle und Nervenstrang) zum nächsten dient.
Untersuchungen ergaben, dass bei Schizophrenen ein übermäßiges Vorkommen von Dopamin im Gehirn vorliegt, einem Stoff, der die Sensibilität der Gehirnzellen für Reize steigert. Für gewöhnlich ist dieses gesteigerte Bewusstsein nützlich bei Stress oder Gefahr. Für eine Person mit Schizophrenie kann jedoch ein solcher Effekt einen hyperaktiven Zustand des Gehirns verursachen und damit eine Psychose auslösen.
Der Verlauf der Schizophrenie
Der Verlauf der Schizophrenie ist einmal durch das unregelmäßige Auftreten psychotischer Episoden, zum anderen durch mehr oder weniger lange Intervalle gekennzeichnet. In rund 20% der Fälle heilt die erste Episode ohne erkennbare Folgen aus, und es kommt zu keinen weiteren Rückfällen. In der Mehrzahl der Fälle allerdings bleibt das Intervall zwischen zwei psychotischen Episoden nicht symptomfrei.
Es kommt dann zu kognitiver und funktioneller Beeinträchtigung, in schweren Fällen auch zu kognitiver und sozialer Behinderung. Bei einem kleinen Teil der Kranken heilen auch die Symptome der Psychose nicht voll aus. Sie bestehen meist in abgeschwächter Form, als chronischer Wahn, gelegentliche oder häufige Halluzinationen, mitunter auch als bizarres Denken und Verhalten weiter.
Der schizophrenen Psychose gehen sehr häufig Entwicklungsstörungen auf emotionaler und kognitiver Verhaltensebene in Kindheit und Jugend voraus. Die Schizophrenie, die als eine Hirnentwicklungsstörung gesehen wird, die ihren Anfang bereits in der genetischen Organisation des Organismus und in der Hirnentwicklung nimmt, geht von einer kontinuierlichen Krankheitsentwicklung aus.
Der erste ärztliche Kontakt eines an Schizophrenie Erkrankenden und damit die Chance einer wirksamen Behandlung, wird in der Regel durch die dramatischen Symptome der ersten psychotischen Episode ausgelöst.
Diesem Ereignis geht aber in der Regel eine 5 Jahre lang dauernde Periode an unspezifischen und negativen Symptome voraus. Die Phase zwischen dem ersten negative Symptom und dem ersten positiven Symptom nennt man Prodromalphase.
Der weitere Verlauf der Schizophrenie
Nach dem Abklingen der akuten Psychose bleiben in rund drei Fünftel der Fälle einige der negativen Symptome, die in der Prodromalphase aufgetreten sind, in unterschiedlichem Ausmaß weiter bestehen. Das bedeutet in der Praxis, dass sie wieder wahrgenommen werden, denn in der Episode waren sie zwar da, aber von der oft außerordentlich lebhaften und lärmenden Symptomatik der Psychose weitgehend verdeckt.
Die chronische Schizophrenie ist in erster Linie durch negative Symptome und der damit verbundenen funktionellen Beeinträchtigung charakterisiert. Positive Symptome wie Wahn, Halluzinationen und Denkstörungen spielen in der chronischen Schizophrenie eine geringe Rolle, sofern es nicht zu häufig wiederkehrenden Episoden mit zahlreichen positiven Symptomen kommt.
Die Häufigkeit psychotischer Episoden im weiteren Verlauf der Krankheit variiert erheblich, von null bis zu mehreren im Jahr. Die größte Dichte scheinen diese Rückfälle im ersten Jahr nach der Entlassung aus der Behandlung der ersten Episode zu haben. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein Teil dieser frühen Rückfälle noch Bestandteile der ersten Episode sind, die meist nur unterdrückt wurden. Danach werden die Episoden seltener, und im Alter nimmt ihre Dynamik etwas ab, vermutlich weil nun die gesamte Gefühls-, Antriebs- und Triebdynamik in ruhigern Bahnen verläuft.
Im so genannten freien Intervall können alle Symptome verschwinden. Oft bleiben aber die negativen und unspezifischen Symptome in unterschiedlichem Umfang bestehen.
Die negativen Symptome sind der stabilste Bestandteil der schizophrenen Symptome. Ein hohes Maß an Negativsymptomatik im Frühverlauf der Krankheit kehrt mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Langzeitverlauf wieder.
Akute und chronische Schizophrenie
Akute Schizophrenie
Kennzeichnend für eine akute psychotische Störung ist, wie der Name sagt, der plötzliche Beginn des Leidens. Das ist auch der Punkt, der die meiste Verwirrung auslöst. Innerhalb von zwei Wochen oder weniger, manchmal sogar innerhalb von ein bis zwei Tagen bzw. wenigen Stunden wird ein bis dahin unauffälliger Mensch psychotisch, d.
h. geisteskrank. In manchen Fällen mag sich das eher still und heimlich abspielen und von den trotzdem zunehmend besorgten bis verwirrten Angehörigen auch halbwegs verheimlicht werden können. Manchmal bricht dieses Leiden aber so abrupt und heftig aus, dass nicht nur Partner und engere Familie, sondern auch Nachbarschaft, Freundeskreis, Arbeitskollegen unter anderem regelrecht aufgeschreckt werden.
Chronische Schizophrenie
Von einem chronischen Verlauf spricht der Mediziner, wenn sich der Patient immer mehr von der Familie und Freunden isoliert, sich um nichts mehr kümmern möchte und jegliches Interesse an der Ausbildung, der Arbeit oder den Hobbys verliert. Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Ambivalenz, Gefühlsänderungen, Drogenmissbrauch und Interesse an okkulten Themen können auch Teil des Krankheitsbildes sein.
Die positiven Symptome
Die Schizophrenie, wie sie heute verstanden wird, ist nach charakteristischen Symptomen, die auch als Diagnosekriterien dienen, zunächst als Psychose definiert. Als solche äußert sie sich in Veränderungen der inneren und äußeren Wahrnehmung, der emotionalen und kognitiven Kommunikation und häufig auch in Veränderungen des Ausdrucks und des Verhaltens. In fast allen Fällen der Krankheit ist auch das Denken gestört, im Sinne von ungewöhnlichen Denkinhalten und irrationaler Überzeugungen, die als Wahn bezeichnet werden, oder im Sinne subjektiver Störungen des Denkvorganges, wie etwa das Abreißen der Gedanken. Erleben, Denken und Fühlen der Kranken in der Psychose erscheint anderen Menschen manchmal verwirrend oder chaotisch, häufig unzugänglich und dem unerfahrenen Beobachter oft als unnachvollziehbar. Das sind auch die Gründe, warum Außenstehende viele Kranke als verrückt empfinden.
Die Kernsymptome der psychotischen Episode, meist Verfolgungswahn und Sinnestäuschungen, am häufigsten akustische Halluzinationen und Denkstörungen, werden als positive Symptome bezeichnet.
Sie werden dem gesunden Erleben als etwas Neues hinzugefügt. Ihnen werden die negativen Symptome gegenübergestellt.
Bei den Halluzinationen kann man in akustische und visuelle Halluzinationen unterscheiden. Akustische Halluzinationen treten meist als Stimmenhören, der häufigsten Form von Sinnestäuschungen in der Krankheit, auf. Sie können aber auch in Form von Musik, Geräuschen, einfachen Tönen, unklaren menschlichen Äußerungen, einzelnen Worten, kurzen Sätzen oder auch, und dann sich sie charakteristisch für die Krankheit, als Kommentare zum eigenen Handeln, Verhalten und Denken oder als Konversation untereinander im Sinne von Rede und Gegenrede, auftreten. Meist ist das Stimmenhören mit negativen Inhalten verbunden: Anklagen, Beschimpfungen und entwertende Kommentare treten hier auf.
Viele Kranke berichten aber auch über gute Stimmen, die sie trösten, beschützen oder ermutigen.
Besonders unangenehm und mitunter auch mit Risiken verbunden sind befehlende Stimmen, die den Kranken auffordern, bestimmte Handlungen zu verrichten. Hier sind ganz besonders Stimmen, die Selbstschädigung oder Selbsttötung befehlen, mit Sorgfalt zu beachten, denn bei ihnen ist das Risiko, selbstzerstörerische Handlungen auszuführen groß.
Manche Kranke hören auch ihre eigenen Gedanken als akustische Wahrnehmung, so, als wären sie laut gesprochen. Dieses Phänomen bezeichnet man als Gedankenlautwerden. Es unterschiedet sich vom Stimmenhören, dadurch, dass der Ursprung der Gedanken aus dem eigenen Ich stammen.
Im Gegensatz zu den akustischen Halluzinationen sind die visuellen Halluzinationen deutlich seltener. Sie treten meist im Zusammenhang mit akustischen Halluzinationen auf. Geruchs- und Geschmackshalluzinationen sind häufig in wahnhaftes Erleben integriert, beispielsweise wenn mit einem Vergiftungswahn zusammen giftige Gase im Raum oder scharfer Geschmack in Speisen wahrgenommen werden. Dadurch wird deutlich, dass Wahn eine führende Rolle im Erleben Schizophrener und in der Symptomatik der Krankheit spielt.
Als Wahn wird eine falsche Überzeugung bezeichnet, die durch keinerlei reale Erfahrung gestützt wird. Die häufigsten Wahninhalte sind die Überzeugung, beobachtet, verfolgt, schlecht gemacht, geschädigt oder gar mit dem Tode bedroht zu werden.
Diesen Wahn, wehrlos von anderen Menschen Schlechtes zu erfahren, bezeichnet man als paranoiden Wahn. Nicht selten wird im Laufe der Krankheit ein paranoider Wahn zu einem durchkonstruierten Wahngebäude ausgebaut. Man spricht dann von einem systematisierten Wahn. Als bedrohende Macht im Zentrum eines systematisierten Wahns wird häufig eine Sache gesehen, die auch im normalen Leben mit Misstrauen beäugt wird, wie zum Beispiel Sekten, oder undurchschaubare mächtige Organisationen.
Verfolgungswahn ist bei der Schizophrenie und hier besonders in den psychotischen Episoden häufig, aber er kommt auch außerhalb dieser Krankheit vor. Eine besondere Form ist der Eifersuchtswahn, eine dem Erleben nicht ganz fremde Form des paranoiden Erlebens.
Ebenfalls außerhalb der Schizophrenie trifft man immer wieder auf Beziehungswahn, der dadurch charakterisiert ist, dass der Kranke Sachverhalte, die er beobachtet, in unmittelbarer Beziehung zu sich selbst erlebt, obwohl sie mit ihm nichts zu tun haben.
Eine höhere Spezifität für die Schizophrenie weist der Wahn auf, von außen kontrolliert zu werden, das Erlebnis, die eigenen Gedanken werden von äußeren Mächten beeinflusst oder gar hervorgerufen. Gerade der Wahn, eigene Gedanken gemacht oder durch den Einfluss fremder Mächte entzogen zu bekommen, das Erlebnis der Gedankenübertragung zu anderen Menschen sind außerhalb schizophrener Erkrankungen relativ selten.
Personen, die an einem paranoiden Wahn leiden, vor allem, wenn sie sich mit dem Tod bedroht und an fremde Mächte ausgeliefert fühlen, leiden oft an Furcht und Angst und können aus diesem emotionalen Hintergrund heraus auch ungewöhnliche oder gefährliche Handlungen begehen.
Der Inhalt von Wahn kann, wenn auch deutlich seltenerer, durchaus positiv sein. Das einfachste Beispiel ist der Liebeswahn, die Überzeugung von einem Menschen geliebt zu werden, der seinerseits keinerlei Neigung dazu hat.
Nicht selten erleben sich Kranke mit paranoiden Wahnideen zu Höherem berufen und mit überirdischen Kräften ausgestattet. Man spricht dann vom Größenwahn. Manche Kranke sind überzeugt, ihre Gedanken anderen Menschen eingeben zu können oder auch andere Menschen durch die überirdische Macht ihrer Gedanken in ihren Handlungen lenken zu können.
Negative Symptome
Sie werden im Vergleich mit gesunden Personen als Defizite von Verhalten und Erleben angesehen. Häufig ist die Verminderung von Bewegung, Mimik und Sprache, Antrieb, Initiative und Kreativität, Denken und Gefühlsintensität.
Jedoch sind die negativen Symptome nicht spezifisch für die Schizophrenie.
Sie können auch bei anderen psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen auftreten. Zum Beispiel bei Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen, schizoaffektiven Erkrankungen, organischen Psychosyndromen, …
Weiters kann man die negativen Symptome in primäre und sekundäre negative Symptome unterteilen. Diese Bezeichnung hat zwei unterschiedliche Bedeutungen, eine theoretische und eine semantische. Die theoretische Bedeutung versteht unter primären Symptomen die Grundstörung der Krankheit und unter sekundären Symptomen die durch Reaktion der Persönlichkeit hervorgebrachte Folgeerscheinung der Grundstörung. Ein gutes Beispiel ist Eugen Bleuers Schizophrenietheorie. Er nahm an, dass die Primärstörung der Schizophrenie eine Assoziationsstörung sei, die als Reaktion der Persönlichkeit auf das gestörte Erleben erst die Sekundärstörung, etwa Halluzinationen oder Wahn, verursachte.
Die zweite, also die semantische Bedeutung von Primär- und Sekundärsymptomen ist durch die zeitliche Aufeinanderfolge definiert. Sekundärsymptome folgen den primären, ohne das ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden vorhanden sein müsste.
Als primär negative Symptome der Schizophrenie bezeichnet man diejenigen Symptome die nicht ableitbar sind von:
-anderen psychopathologischen Symptomen
-psychologischen Faktoren
-pharmakologischen Wirkungen
-situativen Faktoren
Als sekundär werden negative Symptome der Schizophrenie bezeichnet, wenn sie ableitbar sind von:
-anderen psychopathologischen Symptomen
-psychologischen Faktoren
-pharmakologischen Wirkungen
-situativen Faktoren
Sekundär negative Symptome sind Depressionen, psychische Abwehr, Überstimulation, Unterstimulation, …
Das häufigste negative Symptom sind die Denkstörungen. Der übliche Unterschied zwischen inhaltlichen und formalen Denkstörungen bringt zum Ausdruck, dass sowohl die Semantik als auch die formale und grammatische Gestalt von Denken und Sprechen erheblich vom Alltagsverständnis und von Sprachregeln abweichen können. Charakteristische Denkstörungen sind wahnhafter Natur, beispielsweise die Überzeugung, dass die eigenen Gedanken von äußeren Mächten gelenkt, weggenommen, abgehört, eingegeben oder wiederholt werden. Man spricht von Gedankenbeeinflussung, Gedankenausbreitung und Gedankenecho.
Kennzeichen inhaltlicher Denkstörungen sind verschrobenes, verstiegenes Denken und private Denksysteme, die als eine Art Geheimsprache dienen. Geheimsprache und verschrobenes Denken gewähren bei einem hoch verletzbaren Selbstbewusstsein und bei erhöhter Empfindsamkeit Distanz und Schutz im Umgang mit anderen Menschen.
Bei formalen Denkstörungen sind der Denkprozess selbst und das semantische Prinzip des sinnvollen sukzessiven Ablaufs, „der rote Faden“, die Logik und auch die Grammatik beeinträchtigt. Die einfachste Form formaler Denkstörung ist das so genannte Abreißen der Gedanken. Diese Form der Denkstörung kann zu Sprechpausen führen. Der Kranke hat dann oft Schwierigkeiten, sich an den abgebrochenen Gedanken zu erinnern.
Schwere Störungen des Denkprozesses führen zu einer Lockerung des Sinnzusammenhangs. Eine Form dieser Denkstörung ist die Gedankenflucht, bei der viele neue Einfälle vom ursprünglichen Ziel ablenken, so dass der rote Faden verloren geht.
Bei schweren Störungsmustern kommt es zum Verlust des logischen und schließlich auch des grammatikalischen Zusammenhangs. Das Denken ist inkohärent, was zu einer erheblichen Erschwerung der sprachlichen Verständigung führt. Geht der grammatische Zusammenhang verloren, dann spricht man von Zerfahrenheit. Das bedeutet, dass die Sprache keinen nachvollziehbaren Zusammenhang mehr hat.
Schizophrene Sprachstörungen sind häufig von Wortneubildungen, so genannten Neologismen geprägt, die entweder aus sinnlosen Silben oder aber aus nicht zusammenpassenden Wortelementen zusammengesetzt sind.
Eine Form der Denkstörung ist die Verarmung der Sprache, die so genannte Alogie. Dabei ist aber zwischen Verarmung der Sprachproduktion und der Verarmung an Inhalt zu unterscheiden. Bei der erstgenannten Störung ist eine erhebliche Verminderung sprachlicher Äußerungen, bis hin zu Mutismus, das heißt zur Sprachlosigkeit, zu registrieren. Das zweite Störungsmuster, die Verarmung an Sprachinhalt, ist durch den Mangel an substantiellem Gehalt sprachlicher Äußerung bei mitunter normaler Sprachproduktion und Sprachflüssigkeit gekennzeichnet. Der Sprachinhalt erscheint dann als extrem oberflächlich und wird im Extremfall zum leeren Gerede.
Ein anderes Symptom ist die Apathie. Mit Apathie ist der Mangel an Energie, die Antriebslosigkeit oder die Antriebsminderung, aber darüber hinaus auch die Interesselosigkeit und die Abschwächung des Willens gemeint.
Mit der Affektverflachung ist eine Verarmung der Affekte, also eine Einbuße von Stimmung, Befindlichkeit, Zumutesein usw. gemeint. Ganz besonders eine immer flacher werdende Modulationsfähigkeit der Affekte, also die Variationsmöglichkeit der Gemüts-Reaktionen je nach Stimmung bzw. äußeren Gegebenheiten.
Der Betroffene kann auf die Ereignisse in seinem Umfeld nicht mehr gefühlsmäßig adäquat reagieren. Er wirkt uninteressiert, unbeteiligt, gleichgültig, gelangweilt und oberflächlich.
Natürlich spürt er dies, aber kann nichts dagegen tun. Ein gesunder Mensch kann nicht erfassen, was es heißt, emotional nicht mehr adäquat reagieren zu können.
Erlebte und beobachtete Symptome
Die Unterscheidung von spezifischen, charakteristischen und unspezifischen Phänomenen kennzeichnet den Charakter von Symptomen einer Krankheit.
Spezifisch sind Phänomene dann, wenn sie ausschließlich bei einer bestimmten und nicht bei anderen Krankheiten auftreten.
Aber nicht alle krankhaften Phänomene der Schizophrenie sind für sich allein schizophreniespezifisch, das heißt sie kommen auch bei anderen Psychosen und teilweise auch bei leichteren seelischen Erkrankungen vor. Selbst einige Kernsymptome wie Sinnestäuschungen und Wahn finden sich bei Menschen, die keine weiteren Zeichen psychische Krankheit aufweisen.
Charakteristische Phänomene zeichnen eine Krankheit besonders aus, das heißt sie finden sich häufig bei dieser Krankheit. Die charakteristischen Phänomene der akuten Schizophrenie sind in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: Wahn, Halluzinationen, Dankstörungen und mentale Desorganisation. Charakteristische Phänomene der chronischen Schizophrenie sind Initiativ- und Antriebsverlust, Verminderung der emotionalen Erlebnisfähigkeit oder der soziale Rückzug.
Unspezifische Symptome sind solche, die bei mehreren Krankheiten auftreten.
Sie leisten deshalb keinen Beitrag zur Erkennung und zur Diagnose einer Krankheit.
Bei der Darstellung der Symptomatik ist zu bedenken, dass die Schizophrenie eine unregelmäßig verlaufende Erkrankung ist. Psychotische Episoden mit zahlreichen positiven Symptomen wechseln mit freien Intervallen ohne Symptomatik oder mit Phasen überwiegender negativer und unspezifischer Symptome ab.
Eine Besonderheit psychischer Erkrankungen besteht darin, dass sich krankhafte Veränderungen häufig nur im Erleben des Betroffenen abspielen und von außen nicht beobachtbar sind. Das gilt für Bedrücktheit, Sinnestäuschung und Wahn, die zur ersten Kategorie zählen. Sie werden von der Umwelt des Kranken nicht wahrgenommen.
Die zweite Kategorie von Merkmalen sind die beobachtbaren Symptome. Zu diesen zählen außer Verhaltensauffälligkeiten, etwa Leistungsabfall, sozialer Rückzug, Scheu, Selbstvernachlässigung, Unruhe und Gespanntheit auch Defizite normaler Funktionen, wie Denk- und Sprachstörungen, Wahrnehmungs- und Gedächtnismangel, Verarmung von Sprachproduktion, Antrieb und Gefühlsintensität.
Ein beobachtbares Phänomen von großer Bedeutung ist die Bewusstseinslage. Sie wird nach zwei Dimensionen beurteilt, einmal nach der Dimension Wachheit mit den Abstufungen wach, benommen, schläfrig und Koma, und zum anderen nach der Fähigkeit, sich in der jeweiligen Situation und nach Ort und Zeit zu orientieren. Die Bewusstseinsstörungen zählen aber nicht zu den typischen Symptomen der Schizophrenie.
Eine dritte Ebene von Merkmalen ist körperlicher Natur.
Hierzu zählen durch eine körperliche Untersuchung feststellbare Befunde, wie leichte Störungen der Feinmotorik und der Koordination, die den Eindruck eines unbeholfenen Bewegungsablaufs beim Gang oder bei anderen Bewegungsformen vermitteln. Sie sind weder spezifisch noch charakteristisch für die Schizophrenie, sonder eher ein Hinweis auf eine leichte Hirnentwicklungsstörung zu interpretieren.
Die Formen der Schizophrenie
Die verschiedenen Formen, so genannte Subtypen, der Schizophrenie sind je nach Hauptmerkmalen, die sie kennzeichnen, auf vielerlei Weise klassifiziert worden. In der Praxis gibt es jedoch auch Mischformen, die sich nicht sauber in irgendein Schema einordnen lassen.
Der paranoide Typus
Patienten, die an der paranoiden Form der Schizophrenie leiden, stellen die größte Gruppe dar. Vom Beginn der Krankheit an sind sie misstrauisch und neigen zu einer Fehldeutung von Dingen und Ereignissen in einer für sie selbst herabsetzenden Weise.
Der paranoide Schizophrene externalisiert sofort sein vorherrschendes Gefühl in Bezug auf sich selbst und nimmt es als negative Wertung wahr, die andere von ihm haben. Der Patient kann sich zum Beispiel als unbeholfen und lächerlich minderwertig empfinden und es entsteht der Eindruck, dass ihn die anderen auslachen. Dieser Eindruck wird aber bald zur Gewissheit. Er ist überzeugt, dass sie ihn für schlecht und einen Taugenichts halten.
Das Phänomen der Bedeutungsausbreitung ist beim paranoiden Typus der Schizophrenie häufig. Eine bestimmte Bedeutung wird vielen Dingen zugeschrieben, weil die Umwelt so uminterpretiert wird, dass sie den Grundgedanken des Patienten entspricht.
Der Patient behauptet nicht nur, dass ihn andere wegen der Eigenschaften, die er an sich selber nicht mag, beschuldigen, sondern er schreibt schließlich andern die Charakterzüge zu, die er bei sich selber nicht akzeptieren kann.
Wahnvorstellungen sind bei diesem Typus häufiger als bei anderen. Es kann sich um Verfolgungswahn oder Größenwahn handeln, um Hypochondrie oder die Idee, verwandelt, angeklagt, beeinflusst, vergiftet oder zum Opfer von Experimenten gemacht zu werden. In einer großen Anzahl von Fällen werden die Wahnvorstellungen systematisiert. Das bedeutet, dass der Patient Zufälle nicht einfach akzeptiert, sonder sie logisch in Einklang mit seinem übrigen Leben zu erklären versucht.
Der hebephrene Typus
Es ist schwierig einen Hebephrenen von einem Paranoiker zu unterschieden.
Viele Symptome, die beim paranoiden Typus auftreten, sind auch beim hebephrenen Typus zu finden, aber hier erscheinen sie in einer fortgeschritteneren Form und in einer weniger organisierten Struktur. Der größte Unterschied gegenüber dem paranoiden Typus ist, das der Hebephrene verwirrter und weniger fähig ist, normal zu funktionieren.
Die Stimmung kann leicht depressiv sein und häufig ist sie durch Apathie und Zurückgezogenheit gekennzeichnet.
Obwohl Hebephrene logisch denken können, ist ihr Denken weitaus häufiger unzusammenhängend, abschweifend und konfus. Wie das beim paranoiden Typus oft der Fall ist, legt der Patient hier keinen Wert darauf, zu demonstrieren, dass seine Ideen richtig sind. Er hat kein Bedürfnis, sich gegen Angriffe anderer zu verteidigen.
Ebenso wie der Paranoide glaubt er manchmal, dass er verfolgt wird, aber er scheint nicht verbittert darüber. Häufiger als der paranoide Schizophrene hat er größenwahnhafte, absurde und unlogische Wahnvorstellungen und die Wahnideen des Hebephrenen sind im Allgemeinen auch realitätsferner. Sie beziehen sich häufig auf den Körper, der als verletzt oder beeinträchtigt angesehen wird. Der Patient glaubt, sein Gehirn sei geschmolzen oder sein Herz habe die Stellung verändert.
Der katatone Typus
Der katatone Typus ist heute weitaus seltener als früher. Nach einer gewissen Periode der Erregung, die in vielen Fällen sogar fehlen kann und die durch unruhiges, scheinbar zielloses Verhalten gekennzeichnet ist, wird der Patient langsamer und erreicht früher oder später einen Zustand der völligen Passivität, Zurückgezogenheit und fast totaler Unbeweglichkeit.
In den typischsten Fällen gleicht er einer Statue. Tatsächlich nimmt er standbildhafte Stellungen ein, in denen er stunden- und tagelang verharrt, oder solange, bis ihn jemand anderer bewegt. Der Patient scheint völlig abgehoben von der Welt. Man kann ihm die bestürzendsten Nachrichten mitteilen, zum Beispiel, dass ein ihm nahe stehender Mensch verstorben ist, und er wird nicht einmal mit der Wimper zucken.
Diese Distanziertheit beschränkt sich jedoch nur auf die Oberfläche. Innerlich tobt in dem Patienten ein Vulkan der Gefühle.
Obwohl Patienten teilnahmslos auf das zu reagieren scheinen, was ihnen mitgeteilt wird, und ihr Gesicht keinerlei Gefühlsregung zeigt, sind viele nach dem Ende der katatonen Episode imstande, genau zu wiederholen, was sie gehört haben. So zeigen sie, dass sie durchaus im Kontakt mit der Welt geblieben sind, aber auf diesen Kontakt nicht mit äußerem Verhalten reagieren konnten.
Wenn sich der Patient nicht bewegt, so nicht deshalb, weil er gelähmt ist oder mit seinem Bewegungsapparat etwas nicht stimmt. Was gestört ist, ist seine Fähigkeit zu wollen, seinen Gliedmaßen zu befehlen, sich in einer Weise zu bewegen, die für eine bestimmte Handlung erforderlich ist.
Manchmal ist der Patient sehr gehorsam, weil er dem Willen von jemand anderem gehorcht. Das nennt man auch suggestibel.
Ein Arzt kann zum Beispiel den Körper des Patienten in die ausgefallensten Stellungen bringen, und der Patient wird stundenlang in dieser Position bleiben. Das ist das Phänomen der wachsartigen Biegsamkeit.
Im Gegensatz zu dieser Suggestibilität steht der Negativismus. Wenn man den Patienten beispielsweise auffordert aufzustehen, lehnt er sich im Stuhl zurück und bleibt sitzen. Er tut also genau das Gegenteil des von ihm verlangten.
Wahnideen und Halluzinationen sind in vielen Fällen vorhanden.
Solange sich der Zustand aber nicht gebessert hat, kann sich der Patient jedoch nicht dem Arzt mitteilen. Oft betreffen diese Wahnvorstellungen und Halluzinationen den Kosmos, zum Beispielt „Die Welt wird zerstört“. Der Patient ist auch manchmal imstande Antworten auf Fragen zu geben, jedoch sind diese Antworten einsilbig, wie ja oder nein.
Zur Katatonie neigen Menschen, die in ihrem früheren Leben kein Vertrauen zu ihren eigenen Handlungen und zu ihrer Fähigkeit entwickeln, eine Wahl oder Entscheidung zu treffen. Diese Menschen haben sich in ihrer Kindheit daran gewöhnt, den Anordnungen ihrer Eltern zu folgen, und sie übten nicht ausreichend ihre Fähigkeit, ihren freien Willen zu gebrauchen. Wenn sie dann anfingen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, sind sie entschlussunfähig und von Zweifel geplagt.
Oft leidet der spätere Patient dann an Schuldgefühlen, wenn er seine Wünsche in die Tat umsetzt, weil er denkt, dass er eine falsche Entscheidung treffen könnte. Trotz dieser Handicaps ist der Patient imstande, mit den schwierigsten Situationen fertig zu werden, aber früher oder später sieht er sich mit einer Krise konfrontiert, die ihm unüberwindbar scheint. Oft bekämpft er seine Angst, indem er zu Zwängen und Obsessionen Zuflucht nimmt. Aber es gelingt ihm nicht, seiner Angst auf diese Weise Herr zu werden, und er entgleitet nach und nach in die katatone Unbeweglichkeit, den so genannten katatonen Stupor. Stupor ist die Bezeichnung für einen Zustand der Erstarrung bzw. Betäubung.
Bei diesem Zustand fehlt jegliche Form der körperlichen oder psychischen Aktivität. Der Betroffene ist wach und bei klarem Bewusstsein, zeigt aber keinerlei Reaktionsbereitschaft bei dem Versuch, mit ihm in Kontakt zu treten.
Stupor ist gekennzeichnet durch ein starres Gesicht, einen ausdruckslosen Blick und eine emotionslose Mimik. Außerdem spricht der Betroffene nicht und bewegt sich nicht.
Weitere Symptome im katatonen Typus sind die katatone Rigidität, die katatonen Haltungstereotypien und die katatone Erregung.
Bei der katatonen Rigidität behält der Patient stundenlang eine starre, aufrechte Haltung bei und wehrt sich mit Widerstand gegen eine Änderung seiner Haltung durch andere Personen.
Im Gegensatz zu den katatonen Haltungstereotypien, in denen der Patient für lange Zeit bizarre und verdrehte Haltungen einnimmt, steht die katatone Erregung. Hier bewegt sich der Patient aufgeregt umher und rudert mit Armen und Beinen.
Der einfache Typus
Die einfache Schizophrenie, die Schizophrenia simplex, ist die seltenste Form von Schizophrenie.
Im Gegensatz zu den anderen Formen tritt die einfache Schizophrenie fast nie plötzlich oder in dramatischer Weise auf. Sie entwickelt sich vielmehr allmählich und schleichend. Menschen die an der einfachen Schizophrenie erkranken könne inaktiv werden und versuchen, den Radius ihres Lebens einzuengen.
Man hat den Eindruck, dass der Patient ohne einen Funken Ergeiz und in allem langsam ist. Das Leben ist trübselig und ohne Interesse und Herausforderung für ihn. Weil er sich fast in jeder Beziehung sträubt, am Leben teilzunehmen, entwickelt er sich emotional oder intellektuell nicht weiter. Der Patient hat möglicherweise Schwierigkeiten in der Schule oder im Beruf und äußert den Wunsch, von Dingen, die für ihn aufregend sein müssten, fernbleiben zu dürfen.
Bei der einfachen Schizophrenie gibt es keine Wahnideen und Halluzinationen oder Anzeichen unlogischen Denkens. Es hat im Gegenteil den Anschein, als ob der Patient es vorzieht, gar nicht zu denken und seinen Verstand so gut wie gar nicht zu verwenden.
Er vermeidet abstraktes Denken und beschränkt seine Konversationen auf einige unkomplizierte Lieblingsthemen.
Die Wahl der Behandlung
Wenn der Arzt den Patienten zum ersten Mal sieht, muss er zunächst entscheiden, ob dieser sofort in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss oder in der Praxis behandelt werden kann. Ausgehend von seiner Beurteilung des Zustandes, in dem sich der Patient bei der ersten Untersuchung befindet, und von den Informationen, die er von Verwandten oder Freunden erhält, muss er sich ein Urteil über die Situation bilden. Manchmal ist mehr als ein Besuch notwendig, um zu einer Entscheidung zu gelangen.
Früher wurden fast alle Patienten, die Symptome von Schizophrenie aufwiesen, stationär behandelt. Heute wird ein Patient nur dann hospitalisiert, wenn keine bessere Behandlungsmöglichkeit außerhalb des Krankenhauses zur Verfügung steht, wenn die Versetzung in die Gegend eines Krankenhauses notwendig ist oder wenn die außerhalb eines Krankenhauses verfügbaren Behandlungsformen als nicht ausreichend angesehen werden, um die Symptome auf ein Maß zu reduzieren, das mit einem normalen Leben in der Gesellschaft vereinbar ist.
Die zwei Hauptbehandlungsformen der Schizophrenie sind die Psychotherapie, die Soziotherapie und die Behandlung mit Arzneimittel. Psychotherapie und medikamentöse Behandlung werden heute im Allgemeinen von den meisten Therapeuten gleichzeitig verabreicht. Die gleichzeitige Anwendung von Psychotherapie und medikamentöser Therapie bietet die Möglichkeit, einerseits die psychologische Grundlage der Erkrankung abzubauen und andererseits durch biochemische Mittel die Stärke der Symptome zu verringern.
Psychotherapie
Unter Psychotherapie versteht man die Behandlung von Krankheiten oder Störungen durch eine gezielte Beeinflussung der Psyche des Betroffenen. Dabei kommt es weniger darauf an, ob die Störungen körperlich oder "seelisch" ausgelöst sind. Wichtig ist, dass eine seelische Störung vorliegt, die behandelt werden kann, oder dass eine Behandlung der Psyche die zu Grunde liegende Erkrankung beeinflusst.
Obwohl viele verschiedene Formen der Psychotherapie zur Verfügung stehen, zum Beispiel Verhaltenstherapie oder Hypnose, wird in der Behandlung von Schizophrenie meist eine psychodynamische Therapie verwendet. In der, auf den Schizophrenen zugeschnittene psychodynamische Psychotherapie werden nicht vier oder fünf Sitzungen wöchentlich erfordert, sondern es wird ein Behandlungsplan, der sich nach den Bedürfnissen des Patienten richtet, erstellt.
Unter Psychodynamik versteht man das Studium psychischer Kräfte, Ereignisse, die in früheren Lebensabschnitten stattfanden, die Art und Weise, wir der Patient sie deutete und die jeweilige Konstellation dieser Ereignisse und ihre zeitliche Abfolge. Dies sind Faktoren oder psychische Kräfte, die zu bestimmenden Resultaten führen.
Die erste Aufgabe des Psychotherapeuten, der einen schizophrenen Patienten behandelt, besteht darin, Informationen über den Patienten und dessen Vorgeschichte einzuholen. In seinem ersten Kontakt mit dem Patienten ist es jedoch sein Ziel, diesen Kontakt zu erreichen, dass heißt, eine persönliche Beziehung zu diesem herzustellten, die so normal wie möglich ist.
Der Therapeut muss versuchen, den Patienten davon zu überzeugen, dass er dazu da ist, ihm dabei zu helfen, viele Dinge, insbesondere die Schwierigkeiten, die er in letzter Zeit hatte, zu verstehen. Erst wenn eine solche Beziehung hergestellt worden ist, kann der Therapeut an den Hauptkomplex der Symptomatik herangehen, und erst dann wird der Patient dem Therapeuten gestatten, eine Korrektur vorzuschlagen oder ihm eine andere Deutung für das anzubieten, was in seinem Leben geschieht. Mit anderen Worten, in diesem fortgeschrittenem Stadium der Behandlung, muss der Therapeut das zu ändern versuchen, was allen anderen als Produkt der Phantasie des Patienten erscheint. Das Ziel des Therapeuten in diesem Stadium ist auch, die Bedeutungen der Symptome zu verstehen wenn diese auftreten.
Soziotherapie
Soziotherapie umfasst rehabilitative und unterstützende Maßnahmen für die Alltagsbewältigung und Arbeit. Wenn keine vollständige Gesundung erreicht werden kann, bedarf es umfassender Betreuungsangebote.
Dazu gehören neben Behandlung, Betreuung und Rehabilitation auch beschütztes Wohnen, Betätigung und Arbeit sowie Teilhaben am gesellschaftlichen Leben. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, den Betroffenen in seinen Fertigkeiten, sein Leben zu gestalten, gezielt zu fördern. Konkret kann dies etwa bedeuten, spezielle berufsfördernde Maßnahmen einzuleiten oder Betreuung durch sozial-psychiatrische Dienste mit entsprechenden Angeboten zur Gestaltung der Tagesstruktur und sozialer Anbindung.
Zentrales Anliegen bei dieser Behandlung ist es, vorhandene soziale Fähigkeiten des Patienten zu fördern bzw. die Verstärkung sozialer Defizite zu verhindern. Dabei sollte die Förderung in kleinen Schritten erfolgen, so können zum Beispiel in der Arbeitstherapie die Anforderungen bezüglich Arbeitszeit, Intensität und Komplexität der Arbeit abgestuft oder gesteigert werden.
Je nach individuellen Fähigkeiten kann der Patient nach einem vollstationären Aufenthalt teilstationär behandelt werden, wie zum Beispiel in Tageskliniken und später in größerer Selbständigkeit beispielsweise in einer therapeutischen Wohngemeinschaft leben da die Gefahr von Rückfällen groß ist, wenn der Kranke auf Ablehnung, kränkende Bemerkungen oder den Verlust des Arbeitsplatzes stößt, empfehlen sich diese Wohngemeinschaften, weil sie noch eine gewisse Versorgung anbieten.
Wichtig bei der Behandlung von Schizophrenie ist es, dass die Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut funktioniert. Der Therapeut muss in dem Patienten Vertrauen wecken und ihn mit Respekt behandeln. Wichtig ist auch, dass die verschiedenen Therapiemaßnahmen und ihre Kombination individuell an die Symptomlage, Fähigkeiten und Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden.
Familiäre Unterstützung Viele schizophrene Personen leben im Familienverband. Es ist daher unbedingt notwendig, dass die Familie ein entsprechendes Verständnis der Störung und der damit verbundenen Probleme besitzt.
Innerhalb psychiatrischer Rehabilitations-Programmen bildet die Stressreduktion auf familiärer Ebene einen unerlässlichen Ansatzpunkt, der Patient sollte die Familie nicht als Belastung, sondern als Unterstützung sehen. Die Familie selbst bedarf vielfach auch entsprechender Hilfe und Unterstützung.
Eine wichtige Ergänzung stellen Selbsthilfegruppen dar. Gerade wegen der dauerhaften Unterstützung bilden Personen von Selbsthilfegruppen, zumeinst Familienmitglieder von Patienten oder ehemalige Patienten, einen bedeutsamen Faktor der Unterstützung.
Angehörige sind von der psychotischen Erkrankung eines Familienmitgliedes mitbetroffen. Das Leiden des Erkrankten verändert auch ihr Leben.
Früher wurden Angehörige selten in die Behandlung miteinbezogen. Sie wurden als störend empfunden, als eine Belastung zwischen Arzt und Patient. Heute ist jedoch eine Schizophreniebehandlung ohne die Einbeziehung von Angehörigen nicht mehr denkbar.
Ein entspanntes emotionales Verhältnis in der Familie begünstigt den verlauf schizophrener Psychosen. Familienmitglieder, die Probleme haben, sich mit der Krankheit zurechtzufinden, haben die Möglichkeit, sich in einer Angehörigen-Selbsthilfegruppe beraten zu lassen.
Medikamentöse Therapie
Der Schwerpunkt dieser Therapie liegt auf der Behandlung mit Psychopharmaka, um die quälenden Wahnsymptome zu dämpfen.
Die Nebenwirkungen der Medikamente sind oft sehr ausgeprägt. Auch deshalb sollten akut erkrankte Patienten im Krankhaus behandelt werden. In der Klinik können dann alle therapeutischen Möglichkeiten optimal kombiniert werden.
Die medikamentöse Therapie bietet eine Reihe von Vorteilen, wenn sie zusammen mit Psychotherapie eingesetzt wird. Sie ruft ein Gefühl der Distanz zwischen dem Patienten und seinen Symptomen hervor. Der Patient ist weniger mit dem beschäftigt, was ihn verstört, findet leichter Kontakt zum Therapeuten und ist imstande, ihm zuzuhören und die Bedeutung seiner Worte in Erinnerung zu behalten.
In akuten Fällen, gekennzeichnet durch extreme Unruhe und Zusammenhanglosigkeit, kann sich der Patient nicht auf den Therapeuten konzentrieren oder auch nur seine Gegenwart beachten, es ist nicht möglich, eine Beziehung zu ihm herzustellen, wenn der Schizophrene nicht durch Medikamente beruhigt wird.
In manchen Fällen macht das Nachlassen der Symptome die Einweisung in ein Krakenhaus überflüssig. Der Patient kann weiterhin seiner Arbeit nachgehen und auf ambulanter Basis, dass heißt in der Praxis des Therapeuten, psychotherapeutisch behandelt werden. Jedoch sollten bei einer gleichzeitig durchgeführten Psychotherapie keine massiven Dosen an Medikamenten verabreicht werden, damit der Patient nicht unempfänglich für persönliche Ansprache wird.
In Fällen, in denen Psychotherapie nicht oder nur in minimalem Umfang zur Verfügung steht, ist die medikamentöse Therapie dennoch nützlich und bewirkt bei einem großen Teil der Fälle ein Verschwinden der Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Der Patient hat einen besseren Kontakt zur Welt und ist eher imstande, für sich selbst zu sorgen und seine persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen.
Nach dem Verschwinden der Symptome sollte die medikamentöse Therapie nicht abgebrochen werden, sondern zumindest noch mehrere Monate lang in abnehmenden Dosierungen fortgesetzt werden. Es ist Aufgabe des Arztes, durch periodische Versuche festzustellen, wann die Dosen zu verringern bzw. die Medikamente ganz abzusetzen sind. Am besten ist es, die Behandlung fortzuführen, bis der Psychiater glaubt, dass die Gefahr von Rückfällen erheblich gesunken ist.
Neuroleptika: Sie dämpfen die Hirntätigkeit und dadurch können Wahnerscheinungen, Ängst und Unruhe zum Verschwinden gebracht werden. Ziel der Behandlung mit Neuroleptika ist es, die Stoffwechselstörungen des Gehirns zu normalisieren und in dem Patienten wieder Interesse für seine Umwelt, Familie und Freunde zu wecken und wieder am Leben teilnehmen zu können.
Neuroleptika sind relativ ungefährlich und es ist nahezu unmöglich damit Selbstmord zu begehen. Sie wirken zwar beruhigend aber nicht euphorisierend und man kann auch nicht davon abhängig werden, dennoch besteht nach dem Abklingen der akuten Einnahme ein hohes Wiedererkrankungsrisiko. Ohne die weitere Einnahme von Medikamenten erleiden 70 bis 80% aller Patienten im ersten Jahr nach der Entlassung einen Rückfall. Im Gegensatz dazu erleiden nur 15% von denen einen Rückfall, die regelmäßig Neuroleptika einnehmen.
Die verschiedenen Neuroleptika werden unterschiedlich dosiert gegeben, je nachdem, unter welchen Symptomen der Patient gerade leidet, ob ein akuter Schub bekämpft werden muss oder eine Wiedererkrankung verhindert werden soll. Es wird üblicherweise mit einer niedrigen Dosierung begonnen, die unter Beachtung der individuellen Sensibilität für Nebenwirkungen gesteigert wird, bis befriedigende antipsychotische Effekte erreicht werden.
Bei akuten psychotischen Zuständen wird sofort mit der vollen Dosis begonnen. Wird nach vier bis sechs Monaten kein befriedigender Effekt erreicht, sollte auf ein anderes neuroleptisches Medikament umgestellt werden. Ist die akute Symptomatik abgeklungen, wird die neuroleptische Therapie mindestens sechs Monate weitergeführt. Kommt es trotzdem zu wiederholten Rückfällen, werden wesentlich niedriger dosierte Neuroleptika zur Vorbeugung als Langzeittherapie eingesetzt.
Die häufigsten Nebenwirkungen der Neuroleptika betreffen die Beweglichkeit des Patienten. Schon in den ersten Behandlungstagen können Reizerscheinungen wie Zungen- oder Blickkrämpfe auftreten, die sich jedoch durch die Verabreichung von bestimmten Arzneimitteln unterbrechen lassen.
Nach Wochen der Behandlung kann sich eine verminderte Beweglichkeit ausprägen, die einem Parkinsonsyndrom ähnelt. Sollte so ein Zustand auftreten, muss man eventuell die Dosis reduzieren oder ein anderes Neuroleptikum wählen. Es kann auch eine körperliche Unruhe auftreten, der man am besten mit einer Dosisreduktion oder der Gabe von Betarezeptorenblockern begegnet. All diese Nebenwirkungen verschwinden wieder, wenn das Medikament ausreichend vermindert oder abgesetzt werden kann. Es können jedoch nach langer Einnahme von Neuroleptika auch Spätdsykinesien, das sind späte Bewegungsstörungen, auftreten, die sich zum Beispiel in unwillkürlichen Bewegungen von Mund, Zunge oder Extremitäten äußern können. Diese können über längere Zeit, manchmal auch auf Dauer bestehen bleiben.
Sollten solche Störungen auftreten, wird ein vorsichtiges, aber nicht abruptes Absetzen des Neuroleptikums empfohlen.
Auch psychische Nebenwirkungen können auftreten. Dazu zählen Müdigkeit, Antriebsmangel, Einengung der Gefühle und des Denkens und Misslaunigkeit. Eine Abgrenzung zu den Symptomen der behandelten Krankheit kann schwer fallen, und manchmal wird auch den Neuroleptika zu schnell die "Schuld" für ungewünschte psychische Zustände gegeben. Jedoch muss man diese Nebenwirkungen schnell erkennen und zum Beispiel, wenn möglich, mit einer Verminderung der Dosis oder einem Wechsel des Medikamentes reagieren. Dies ist umso wichtiger, da die Betroffenen unter diesen "von außen" häufig nur schwer beurteilbaren Nebenwirkungen subjektiv deutlich leiden können.
Geht man nicht ausreichend auf sie ein, fühlen sie sich im Stich gelassen und setzen die für sie wichtigen Medikamente vielleicht ganz ab. Neuroleptika verschlechtern auch die Reaktionsfähigkeit und damit zum Beispiel die Fähigkeit, Auto zu fahren. Extrem selten kann eine lebensgefährliche Komplikation, das so genannte "maligne neuroleptische Syndrom" auftreten. Es ist gekennzeichnet durch Fieber, Bewusstseinsstörungen, Muskelstarre und Veränderungen der Körperregulation und des Stoffwechsels.
Andere mögliche Nebenwirkungen wie Verstopfung, Speichelfluss oder auch Mundtrockenheit, Blutdrucksenkung, Blasenentleerungsstörungen, Milchfluss, Allergien und die seltenen Blutbildstörungen kommen nur selten vor.
Früher ging man davon aus, dass Schizophrenie eine organische Krankheit sei, dies bedeutete für den Patienten eine körperliche Behandlung.
Insulinschockbehandlung
Die Insulinschockbehandlung wurde vor 30 bis 40 Jahren mit großer Euphorie in der Psychiatrie angewendet. Diese Behandlung besteht in der täglichen Erzeugung einer durch künstliche Senkung des Blutzuckerspiegels verursachte Ohnmacht, dass durch injizierte Insulingaben erzielt wird. Der Patient wird durch die Zufuhr von Glukose (Traubenzucker) intravenös oder mittels Magensonde nach 20 bis 30 Minuten wieder geweckt. Diese Behandlung wird 2 bis 3 Monate lang durchgeführt. Komplikationen entstehen hier vor allem durch falsche Dosierung des Insulins bzw. der Glukose.
Die Folge der falschen Dosierung kann sein, dass der Patient aus dem Koma nicht wieder zu erwecken ist. Die Mortalität beträgt l - 1,5%. Obwohl diese Art der Behandlung heute wegen des hohen Mortalitätsrisikos kaum noch angewandt wird, empfiehlt Bleuer die Insulinschockbehandlung, wenn weder Psychopharmaka noch Elektroschocks die erwünschte Wirkung zeigen. Weiterhin befürwortet er die Behandlung bei Kranken, "bei denen die Hoffnung auf Wiedererlangung der vollen geistigen Kräfte besteht, besonders bei Intellektuellen.“
Dieses würde bedeuten, dass intelligente Patienten, "bei den es sich lohnt" die geistigen Fähigkeiten intakt zu halten ohne weiteres einem erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt werden. Und bei den unintelligenten Patienten ist durch die "Insulinkur" nicht nur ein hohes Mortalitätsrisiko vorhanden, sondern es wird auch ein Gedächtnisverlust in Kauf genommen.
Ebenso wichtig zu erwähnen ist, dass die Chance einer Remission nach einer "Insulinkur" nur um 10% höher ist als bei Nicht-Behandlung. Man hat also jahrelang Schizophrene einem immerhin erheblichen Todesrisiko durch eine Therapie ausgesetzt, die nur geringfügig häufiger zu Remissionen führte als bei Nicht-Anwendung dieser Therapie - wobei eine Remission ja auch keine Heilung darstellt, denn auf sie kann immer ein weiterer Schub erfolgen.
Elektroschockbehandlung
Bei der Elektroschockbehandlung wird durch die elektrische Durchflutung der Hirnzellen, also durch Ströme von 400-800 mA in 60-130 Volt, welche 0,1 - 0,6 Sekunden lang zwischen zwei an den Schläfen angelegten Elektroden durch den Kopf geleitet werden, ein künstlicher Krampfanfall ("Heilkrampf") ausgelöst. Dieser Krampfanfall ist teilweise so heftig, dass durch übermäßig starke Muskelkontraktion die eigenen Knochen brechen. Deshalb werden dem Patienten vor der Elektroschockbehandlung Muskelrelaxantien verabreicht, die die Konvulsionen erheblich mindern. Dennoch kann es zu Atemb
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