Theorien über aggression
Theorien über Entstehung von Aggression
Wortbedeutung: lat. aggressio - Angriff
Definition von Aggression bzw. Aggressivität:
Aggression wird in der Psychologie als physisches oder verbales Verhalten mit der Absicht zu verletzen oder zu zerstören verstanden.
Die Verhaltensforschung unterscheidet zwischen Aggression und Aggressivität
Aggression bedeutet Angriff auf ein anderes Lebewesen, Aggressivität ist die Bereitschaft zu kämpfen.
Die Diskussion über menschliche Aggressivität wird von Kontoversen beherrscht, die es sinnvoll erscheinen lassen bekannte Standpunkte über die Aggression darzustellen.
Aggression als angeborene Verhaltensweise
Diese Ansicht läßt sich sehr treffend mit einer Redewendung aus dem Essay Leviathan von Hobbes beschreiben: homo homini lupus est (der Mensch ist des Menschen Wolf)
Obwohl in diesem Zitat der Wolf zu Unrecht verleumdet wird, entspricht diese Redewendung der ziemlich weit verbreiteten Ansicht, die den Menschen als ein instinktiv aggressives Tier betrachtet.
Tiefenpsychologischer Standpunkt
Einer der ersten psychologischen Vertreter dieser Auffassung war Sigmund Freud, der auch die Weiterentwicklung zu einem umfangreichen theoretischen Konstrukt vollzog.
Er war der Ansicht, dass der Mensch von Geburt an zwei gegensätzlichen Trieben ausgesetzt sei: einem Lebenstrieb (Eros), der dem Menschen zu seinem Fortleben dient, und einem Todestrieb (Thanatos), der auf eine Selbstzerstörung des Individuums zielt.
Freud glaubte, dass sich der Todestrieb oft nach außen gegen die Umwelt in Form von Aggression gegen andere umkehrt.
Nach Freud wird im Körper konstant Energie für den Todestrieb erzeugt.
Kann diese Energie nicht in kleinen Mengen und in sozial akzeptabler Weise entladen werden, so wird sie akkumuliert und eventuell eine Abreaktion in einer extremen und sozial nicht mehr akzeptablen Form finden.
Dies bedeutet, dass sich eine äußerst aggressive oder gewalttätige Person folgendermaßen beschreiben läßt: sie entwickelt viel aggressive Energie und ist unfähig diese Energie in geeigneter Form und kleinen Mengen abzureagieren.
Freud hat diese Energie mit Wasser verglichen, das sich in einem Behälter sammelt, bis es schließlich zum Überlaufen in Form einer Aggression kommt.
Es gibt auch einige sichere Wege des Energieabbaus, einschließlich Katharsis (gr. Reinigung oder Läuterung), wobei Emotionen in ihrer vollen Intensität durch Schreien, mit Wörtern oder in anderer symbolischer Bedeutung ausgedrückt werden.
Ethologischer Standpunkt
Besonders Konrad Lorenz zählte zu den Anhängern der Theorie der angeborenen Aggression. Vor dem Hintergrund seiner Tierstudien ist er der Ansicht, dass Aggression eine spontane, angeborene Kampfbereitschaft darstellt, die für das Überleben des Organismus entscheidend ist.
Unter den verschiedenen Spezies ist aber Aggression zwischen Vertretern derselben Art in der Regel nur selten mit tatsächlicher Verletzung oder sogar Tod verbunden, da ein Tier meistens Beschwichtigungen oder Unterwerfung signalisiert.
Laut Lorenz hat der Mensch diese Hemmung weitgehend verloren, sich den Instinkt der Aggression aber bewahrt, und ist somit zum Mörder geworden.
Lorenz versucht Gemeinsamkeiten humaner und animalischer Aggression herauszustellen, doch gibt es offensichtlich eine Reihe grundsätzlicher Unterschiede.
Erstens sind aufgrund des Gedächtnisses und der Fähigkeit zum vernünftigen Abwägen die Handlungen des Menschen häufig kein Produkt der augenblicklichen Situation, sondern der Erinnerung oder gedanklicher Vorstellungen;
Zweitens kann der Mensch infolge seines Vermögens, Werkzeuge herzustellen und vorauszuplanen, in voller Absicht unbegrenzt und wirksam Verletzungen herbeiführen, ohne dass ein Gefühl der Aggressivität aufkommt oder eine persönliche Interaktion mit seien Opfern vorausgeht.
Aggression als erworbener Trieb
Fast 20 Jahre nachdem Freud die Existenz eines Todestriebes postuliert hat wurde von einer Gruppe akademischer Psychologen der Yale-Universität eine alternative Sichtweise der Aggression vorgestellt, die sog. Frustrations-Aggressions-Hypothese (Dollard, Miller).
Demnach ist Aggression ein Trieb, der als Reaktion auf Frustration erworben wird.
Frustration wurde definiert als der Zustand, der eintritt, wenn eine zielgerichtete Handlung unterbrochen wird. Die Intensität der Frustration wird von der Motivationstärke wesentlich bestimmt.
Eine Zunahme der Frustration zieht stärkere aggressive Reaktion nach sich.
Es wurde aber bald deutlich, dass nicht jedem aggressiven Akt eine Frustration vorausgeht und nicht jede Frustration in Aggression mündet.
Die ursprüngliche Aggressions-Frustrations-Hypothese wurde als dahingehend revidiert, dass jede Frustration eine zwar einen Anreiz zur Aggression darstellt, aber auch zu schwach sein kann um tatsächlich aggressives Verhalten auszulösen.
Man stimmt zwar mit Freud dahingehend überein, dass der aggressive Trieb eine Steigerung erfährt, wenn er sich nicht Ausdruck verleihen kann (wenn die Frustration andauert), sahen aber die Ursprünge aggressiven Verhaltens in externalen Faktoren (akkumulierte Frustrationserfahrungen) und nicht so sehr internalen Faktoren (Aggressionstrieb).
Nimmt ein Kind beispielsweise Süßigkeiten wahr, die es wegen des Verbots der Mutter gar nicht essen darf, so ist es stark geneigt, ihr gegenüber aggressiv zu werden. Eine solche Aggression ist möglicherweise wegen drohender Bestrafung gehemmt. Nach der Frustration-Aggressions-Theorie wird das Kind die Aggression von der ursprünglichen Aggressionsquelle weg auf ein anderes Objekt verschieben.
Diese Tendenz, seinen Haßgefühlen Luft zu machen an einem ungefährlichen Zielobjekt, demonstriert das Beispiel des Mannes, der von seinem Chef heruntergeputzt wird, dann zu Hause seine Frau anschreit, die wiederum ihr Kind schlägt, das zuguterletzt seinen Zorn am Hund ausläßt.
Aggression als sozial erlernte Verhaltensweise
Eine weitere Möglichkeit, die Frage nach der Ursache von Aggression zu beantworten, ist die Annahme, dass Aggression gleich vielen anderen Verhaltensweisen erlernt wird; sie ist nicht auf irgendeinen Instinkt oder Trieb zurückzuführen, sondern das Ergebnis von Normen, Belohnugen, Bestrafungen und Modellen, denen das Individuum ausgesetzt war.
Nach diesem Erklärungsansatz des sozialen Lernens kann Aggression das Resultat aversiver und/oder antizipierter Vorteile oder Anzeize sein.
Jede Art aversiver Erfahungen (nicht nur Frustration) erzeugt einen allgemeinen emotionalen Erregungszustand. Diese Erregung kann verschiedene Verhaltensweisen nach sich ziehen, abhängig davon, wie das Individuum gelernt hat, mit Belastung umzugehen.
Unter erregten Menschen reagieren einige aggressiv, einige mit Rückzug, einige wenden sich an andere um Hilfe, einige engagieren sich für eine kognitive Lösung von Problemen.
Genauso wie anderes Verhalten kann Aggression auch ohne emotionale Erregung auftreten, wenn das Individuum glaubt, damit eine erwünschtes Ziel zu erreichen (beispielsweise wenn ein Kind ein jüngeres schlägt, um Spielzeug zu bekommen).
persönliche Einschätzung: Wie für sozialwissenschaftliche Betrachtungen immanent, gibt es keine einheitliche Theorie über die Entstehung von Aggression.
Jede neue Theorie über Aggression leuchtet Aspekte aus, die vorhergehende Theorien nicht betrachtet oder in eine bestimmte Richtung unzureichend betrachtet hat.
So stellt sich für mich nicht die Frage, welche Theorie ich generell favorisiere, ich sehe die tatsächliche Entstehung von Aggression als eine Synthese aller Theorien über die Entstehung von Aggression.
Trotzdem ist jede Theorie als Modell für eine bestimmte Wirklichkeit oder Betrachtungsebene besonders geeignet.
Wenn man die Entstehung von Aggression in einem Rahmen betrachten will, der über den menschlichen hinausreicht, so wird der verhaltenswissenschaftliche Ansatz eher zielführend sein als die Frustrations- Aggressions Hypothese. Diese scheint mir jedoch besonders im Rahmen der pädagogischen Psychologie geeignet zu sein, um beispielsweise, die Entstehung von Aggression bei Schülern erklären zu können.
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