Währungsunion und euroeinführung
1. Einleitung
Fast täglich hört und liest man in den Medien über die uns bevorstehende
Europäische Währungsunion, wobei man aber kaum eine
klare und für den Normalbürger verständliche Zusammenfassung
der wichtigsten Fakten und Argumente von einer neutralen
Stelle bekommt. Entsprechend sieht der Informationsstand
der Bevölkerung aus: Obwohl Bundesbankpräsident Tietmeyer
wiederholt in Interviews betont: Wir haben die
Pflicht, Chancen und Risiken der Währungsunion dem Bürger
gleichermaßen darzustellen.(Nr. 6, S.294) sehen
sich nach einer Studie im Auftrag der Südwestdeutschen
Genossenschaftszentralbank des Allenbacher Instituts
für Demoskopie über 70% der Deutschen mangelhaft über
die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) informiert
(SZ v.
2.12.95). Zerspalten sind auch die Meinungen
der Wirtschaft dazu: Während BDI-Präsident Henkel meint
die deutsche Wirtschaft wünscht eine gemeinsame
Europawährung (Nr. 6, S.296), hält laut einer
Umfrage des Deutschen Industrie- und Handeltags bei
25000 Unternehmen nur jedes Dritte die Währungsunion
überhaupt für wünschenswert (SZ v.
21.11.95). Und auch
die Wirtschaftsexperten sind zerstritten: Während Prof.
Hankel Milliardenverluste und Millionen von Arbeitslosen
(Nr. 6, S.
296) prognostiziert und auch Grüger als Präsident
der Sparerschutzgemeinschaft davor warnt, daß die Risiken
der Eurowährung ... unvertretbar höher [sind] als deren
Vorteile (SZ v. 11.10.
95), warnen Bundesfinanzminister
Waigel und Ex-Bundeskanzler Schmidt schon allein vor
einem Verschieben des Starttermins (SZ v. 30.12.95).
Dieser erschreckende Informationsmangel der Bevölkerung in einer so weitreichenden
Angelegenheit, den ich auch bei vielen meiner Freunde
und Bekannten festgestellt habe, hat mich neugierig
gemacht und mich zu meinem Entschluß geführt, die Währungsunion
im Rahmen meiner Facharbeit im LK WR genauer zu untersuchen.
2.
Der Zeitplan
Am 14. November 1995 stellte der Präsident des Europäischen Währungsinstituts
(EWI), Baron Alexandre Lamfalussy den voraussichtlichen
Zeitplan zum Übergang zu einer einheitlichen Währung
nach den Vorstellungen des EWI vor:
Am 1. Juli 1990 begann mit dem freien Kapitalverkehr innerhalb der Europäischen
Union (EU) die 1. Stufe zur Vollendung der WWU nach
dem Vertrag von Maastricht. Seit 1. Januar 1994 läuft
die 2.
Stufe, zu deren Beginn auch das EWI seine Arbeit
aufnahm. Anfang 1998 wird von den Staats- und Regierungschefs
der EU-Länder nach den Wirtschaftsdaten von 1996 und
1997 festgestellt, welche Länder an der Währungsunion
teilnehmen. Außerdem wird im Laufe des Jahres 1998 die
Europäische Zentralbank EZB, die aus dem EWI hervorgehen
wird, eingerichtet; ihr Aufbau wird ungefähr ein Jahr
in Anspruch nehmen. Spätestens Anfang 1999 beginnt dann
die dritte und letzte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion
WWU: Die Umrechnungskurse der Währungen der teilnehmenden
Staaten untereinander und zum Euro, der einheitlichen
Währung, werden unwiderruflich festgelegt. Die EZB beginnt
ihre Arbeit und betreibt in dem Europäischen System
der Zentralbanken zusammen mit den Zentralbanken der
teilnehmenden Staaten supranationale Geldpolitik mit
der Einheitswährung. Den Banken, Unternehmern, Bürgern
und dem Staat steht es frei, in der neuen Währung zu
rechnen; die nationalen Gelder bleiben weiterhin gesetzliches
Zahlungsmittel.
Anfang 2002 werden die seit 1999 hergestellten
Banknoten und Münzen ausgegeben, und der öffentliche
Bereich stellt alle seine Geldgeschäfte wie Steuern,
Renten und Bezüge im öffentlichen Dienst und um. Die
nationalen Banknoten und Münzen werden vom 1. Januar
2002 an bis 30. Juni 2002 umgetauscht. Im Juli 2002
verlieren dann die nationalen Währungen ihre Gültigkeit.
Die Abbildung 1 im Anhang veranschaulicht noch einmal
den Fahrplan.
Diese relativ lange Übergangsfrist von 1999 bis 2002, in der niemand gezwungen,
aber auch nicht abgehalten wird, die Eurowährung zu
benutzen, soll die Übergangsprobleme bei Bürgern und
Unternehmen möglichst gering halten. Speziell in Deutschland
hatten kleine Banken und die Sparkassen große Sorgen
geäußert, daß ein für sie verheerender Wettbewerbsvorteil
der Großbanken entstehen könnte, wenn in diesem
Zeitraum die Einlagen zwar in DM lauten, die Geldpolitik
aber in der Eurowährung stattfindet (SZ v. 15.11.95).
Also wird es nach EWI-Vorstellung real so aussehen,
daß die meisten Finanzmärkte schon früh mit der Einheitswährung
arbeiten werden, während der öffentliche Bereich wie
auch die Bürger und Banken im Kundenverkehr erst am
Ende des dreijährigen Übergangsprozesses auf die neue
Währung umstellen werden (SZ v.
15.11.95).
3. Die Konvergenzkriterien
Der Wert einer Währung, deren Außenwert und Stabilität ist ein zentrales
Anliegen der Volkswirtschaft, da es von fast unübersehbar
vielen Faktoren wie Wirtschaftskraft des Landes, Beschäftigungsniveau,
Fiskal- und Haushaltspolitik der Regierung, Geldpolitik
der Zentralbank, deren Status und deren Instrumente,
Zinsniveau, Konjunktur, Export und Import abhängt und
somit nur schwer und kompliziert kontrollierbar ist.
Von der Währung ist jedoch die gesamte Wirtschaft abhängig.
Die Europäische Währungsunion soll aber eine Stabilitätsgemeinschaft
werden, damit die stabilitätsgewohnte Wirtschaft nicht
belastet wird, sondern in vollem Umfang von den Vorteilen
einer einheitlichen Währung profitieren kann. Um dies
zu gewährleisten, haben die Vertreter der Regierungen
einige Mindestanforderungen an die Staaten gestellt.
Diese Konvergenzkriterien müssen erfüllt werden, damit
der Staat an der Währungsunion teilnehmen darf. Sie
sind im Vertrag von Maastricht und im Protokoll
über die Konvergenzkriterien nach Art.109 j des Vertrags
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgehalten
und werden hier von mir nun sinngemäß zusammengefaßt:
Preisstabilität
Der Mitgliedsstaat muß eine anhaltende Preisstabilität damit aufweisen,
daß seine Inflationsrate im Jahr vor der Prüfung nicht
mehr als anderthalb Prozentpunkte dem Maximalwert liegt.
Dieser berechnet sich über das arithmetische Mittel
der Inflationsrate jener (höchstens drei) Mitgliedsstaaten,
die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis
erzielt haben.
Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes
(auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung
der unterschiedlichen Definitionen) in den einzelnen
Mitgliedsstaaten gemessen.
Teilnahme am EWS
Der Mitgliedsstaat muß die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen
Währungssystems EWS vorgesehenen normalen Bandbreiten
zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung
ohne starke Spannungen eingehalten haben. Im besonderen
darf der bilaterale Leitkurs der Währung gegenüber einer
Währung eines anderen Mitgliedstaates während dieser
beiden Jahre nicht von sich aus abgewertet haben.
Konvergenz der Zinssätze
Im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung darf in dem Mitgliedsland der
durchschnittliche nominale Zinssatz nicht um mehr als
zwei Prozentpunkte über dem entsprechendem Maximalsatz
liegen. Der Maximalsatz berechnet sich wiederum aus
dem arithmetischen Mittel jener (höchstens drei)
Mitgliedsstaaten, die auf dem Gebiet der Preisstabilität
das beste Ergebnis erzielt haben. (Achtung: Nicht das
arithmetische Mittel der drei Staaten mit dem niedrigsten
Zinssatz, sondern das Mittel der drei in der Zinspolitik
erfolgreichsten Staaten!)
Staatshaushaltsdefizit:
Das Land darf in dem zur Prüfung stehendem Zeitraum nicht mit seinem geplanten
oder tatsächlichen Haushaltsdefizit über den Referenzwert
von 3% im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt
zu Marktpreisen liegen.
Schuldenstand:
Der öffentliche Schuldenstand des Landes darf nicht den Referenzwert von
60% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen
überschreiten.
Der Rat der EU, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs
tagt, wird voraussichtlich Anfang 1998 unter Berücksichtigung
dieser Konvergenzkriterien nach den Wirtschaftsdaten
von 1996 und 1997 und unter Beratung verschiedener Expertenteams
feststellen, welchen Mitgliedsstaaten die notwendigen
Voraussetzungen für eine Teilnahme an der WWU erfüllen.
Welche Staaten momentan die Kriterien erfüllen zeigen
die Abbildungen 4 und 5 im Anhang auf.
Ein weiteres Kriterium, das oft vergessen wird ist, daß jedes Land außerdem
sicherstellen muß, daß bis spätestens zum Zeitpunkt
der Errichtung des ESZB (voraussichtlich 1.1.99) seine
innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der
Satzung seiner Zentralbank mit diesem Vertrag [Vertrag
über die Europäische Union] und dieser Satzung im Einklang
stehen.
(Nr. 1, Art. 108 und Nr. 2, Art. 14).
Dazu gehört unter anderem auch, daß die Länder eine
unabhängige Notenbank haben (Nr.
1, Art. 107 und Nr.
2, Art. 7)
4. Das Europäische Währungsinstitut
Das Europäische Währungsinstitut EWI nahm am 1. Januar 1994 mit Beginn der
2.
Stufe der WWU seine Arbeit auf und wird voraussichtlich
am 1. Januar 1999 mit Beginn der 3. Stufe in die Europäische
Zentralbank EZB übergehen, welche dann zu einem Großteil
die Aufgaben der nationalen Notenbanken supranational
weiter betreibt.
Das EWI besitzt Rechtspersönlichkeit (Nr. 1, Art. 109 f, Abs.
1) und wird
von einem Rat aus den Präsidenten der nationalen Zentralbanken
und dem EWI-Präsidenten, der von den Staats- und Regierungschefs
der Länder ernannt wird, geleitet (Nr. 3, Art. 9). Es
soll zu einem möglichst reibungslosen Übergang zur 3.
Stufe beitragen, indem es die Geldpolitiken der Länder
mit dem Ziel der Preisstabilität koordiniert,
Vorarbeit zur Schaffung des ESZB und der EZB leistet
und die Entwicklung des ECU (inzwischen Euro) überwacht
(Nr. 3, Art.
2). Dabei ist es absolut unabhängig (Nr.
3, Art. 8). So hat das EWI am 14. November 1995 seinen
Bericht Der Übergang zur einheitlichen Währung
mit seinem Vorschlag zum weiteren Verfahren in der 3.
Stufe veröffentlicht (vgl. Kapitel 2: Der Zeitplan).
Und am 23. November äußerte es sich in seinem Bericht
Fortschritte auf dem Weg zur Konvergenz
beunruhigt über die schlechten Ergebnisse der Länder
und stellte fast allen Staaten das Urteil nicht
ausreichend aus (SZ v.23.11.
95), worauf ich in
Kapitel 9 noch genauer eingehen werde.
5. Das Europäische System der Zentralbanken
Das Europäische System der Zentralbanken ESZB setzt sich aus den Zentralbanken
der Mitgliedsstaaten und der EZB zusammen, die voraussichtlich
ab 1999 zusammen die Geldpolitik in der WWU betreiben.
Das ESZB wird vom EZB-Rat geleitet (Nr. 2, Art. 8).
Die EZB besitzt ebenfalls Rechtspersönlichkeit (Nr. 1, Art. 106, Abs. 2)
und wird ab Anfang 1998, nachdem die an der Währungsunion
teilnehmenden Länder feststehen, aufgebaut. Das Beschlußorgan
ist der EZB-Rat, der sich aus den Präsidenten der nationalen
Zentralbanken und dem Direktorium des EZB zusammensetzt
(Nr. 2, Art.
11). Das Direktorium des EZB wiederum besteht
aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren
Mitgliedern, die alle vom EU-Rat der Staats- und Regierungschefs
auf 8 Jahre ohne Möglichkeit der Wiederwahl ernannt
werden (Nr. 1, Art. 109, Abs. 2a).
Primär ist es Aufgabe des ESZB, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen
und auszuführen, aber auch Devisengeschäfte nach dem
Art.
109 des Vertrages zu tätigen, die offiziellen Währungsreserven
der Mitgliedsstaaten zu halten und zu verwalten sowie
das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu
fördern (Nr. 2, Art. 3). Der EZB-Rat hat außerdem das
ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb
der Gemeinschaft zu genehmigen (Nr. 1, Abs. 105a, Abs.
1).
6. Die Europäische Zentralbank
Die EZB hat in ihrer Funktion, das ESZB zu leiten, als vorderrangiges Ziel,
die Stabilität der Einheitswährung zu gewährleisten;
nur soweit dieses Ziel nicht beeinträchtigt wird, unterstützt
sie noch nach Möglichkeit die allgemeine Wirtschaftspolitik
(Nr. 2, Art. 2). Auch die EZB ist absolut unabhängig:
Weder die EZB noch die nationalen Zentralbanken
noch Mitglieder ihrer Beschlußorgane [darf] Weisungen
von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen
oder anderer Stellen einholen oder entgegennehmen.
(Nr.
2, Art. 7) Diese Unabhängigkeit und die vorderrangige
Verpflichtung zur Preisstabilität ist Bedingung, daß
die Bundesrepublik Deutschland überhaupt an einer Währungsunion
teilnehmen darf, in der die Bundesbank ihre Aufgaben
und Befugnisse an eine Europäische Zentralbank übertragen
kann (Art. 88 GG). Sitz der EZB wird Frankfurt am Main
sein.
Die EZB wird bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit ein Kapital von 5 Mrd.
ECU
zur Verfügung haben (Nr. 2, Art. 28), und kann zusätzlich
mit Währungsreserven bis zu 50 Mrd. ECU ausgestattet
werden (Nr. 2, Art. 30).
Die Beratungen über die Instrumente der EZB sind schon fortgeschritten:
Nach Angaben des niederländischen Notenbankpräsidenten
Duisenberg (SZ v. 9.11.95) wird es einen Lombard- und
Diskontsatz geben, außerdem ist die Einführung einer
Mindestreserve sehr wahrscheinlich. Außerdem soll
es eine Orientierung an der Geldmenge und nicht direkt
an der Inflationsrate geben. Die geldpolitische Steuerung
soll über Offenmarktpapiere erfolgen (SZ v.
9.11.95).
Bundesbankpräsident Tietmeyer meinte dagegen in einem
SZ-Interview vom 28. Dezember, daß es trotzdem noch
einige strittige Punkte gäbe, so zum Beispiel die Mindestreservepolitik,
die es zwar in einigen Ländern Europas nicht gibt, die
aber schon der EZB als Instrument zugesichert wurde
(Nr. 2, Art.
19). Prof. Hankel befürchtet aber, daß
die EZB, obwohl sie vom Aufbau der Deutschen Bundesbank
sehr ähnlich ist, mehr Probleme in ihrer Geldpolitik
haben wird, denn sie genießt keinen Vertrauensvorschuß
wie die Bundesbank(Nr. 13, S. 42)
Ein weiteres noch zu lösendes Problem ist der noch ungeklärte rechtliche
Status der europäischen und nationalen Währungen in
der Übergangszeit ab 99 (SZ 19.1.
96).
Weitere Probleme treten momentan beim Zeitplan zum Umbau des EWI zum EZB
bzw. zum Aufbau des EZB auf. Da sich die 15 Länder darauf
geeinigt haben, die möglichst aktuellen Wirtschaftsdaten
von 1997 zur Prüfung der Konvergenzkriterien zu benützen,
wird diese Prüfung und damit die Festlegung der teilnehmenden
Staaten wahrscheinlich erst im Frühjahr 98 erfolgen.
Da die EZB am 1. Januar 1999 mit Beginn der 3.
Stufe
einsatzbereit sein muß, wird ihr die von allen Finanzministern
der EU als notwendig angesehene einjährige Vorbereitungszeit
nicht zur Verfügung stehen. Selbst wenn es den Regierungen
gelingt, geeignete Leute für die Besetzung des EZB-Direktoriums
rechtzeitig zu verpflichten, wird der zeitliche Rahmen
sehr knapp bemessen sein, so ein Vertreter
der Bundesbank in der SZ v. 19.1.96.
7.
Der Euro
Am 15. Dezember einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf
der Gipfelkonferenz in Madrid einstimmig auf den Namen
Euro für die gemeinsame europäische Währung.
Diesen Euro unterscheidet aber bis auf den Namen nichts
von der bisherigen Einheit ECU. Der Wert und die Zusammensetzung
aus den verschiedenen Währungen der Länder ist identisch.
Vorteile des neuen Namen sind, daß er in ganz Europa
gleich geschrieben und nahezu gleich ausgesprochen wird.
Der Hauptgrund dürfte aber meiner Meinung nach ein psychologischer
Trick an der Bevölkerung sein: Man kann an den Euro
je nach Belieben noch Franken, Schilling oder Mark anhängen,
was den Normalbürger beruhigen würde, da er seine
Mark ja scheinbar nicht verliert: Aus seiner geliebten
Deutschen Mark würde eine Europäische Mark werden.
Außerdem
hat der ECU europaweit ein schlechtes Image, vor allem
auch in Deutschland, wo sein Kurs zur D-Mark in den
letzten drei bis vier Jahren um 10% gefallen ist! 1992
lag sein Kurs bei 2,05 DM, momentan liegt er bei ca.
1,84 DM (Stand: 27. Januar 1996).
Außerdem ist der ECU (bzw. jetzt der Euro) Bezugsgröße im Europäischen Währungssystem
EWS, das seit 1979 besteht und ein System von festen,
starren Wechselkursen ist. Die Währungen dürfen untereinander
nur in bestimmten Bandbreiten schwanken, ansonsten besteht
Interventionspflicht für die europäischen Zentralbanken.
Nur in Ausnahmefällen soll eine Währung auf- oder abgewertet
und auf einen neuen Wechselkurs im EWS festgesetzt werden.
Nach den heftigen Devisenmarktturbulenzen in den Jahren
1992 und 1993 wurden im August 1993 die Margen von ±2,25%
bzw. ±6% auf ±15% erweitert. Seitdem haben sich die
am Wechselkursverbund beteiligten Währungen relativ
stabil in dieser an sich sehr großzügigen Bandbreite
gehalten (Nr. 10, S. 98).
Abbildung 4 im Anhang zeigt
die Entwicklung der Kurse im EWS bis März 1995 auf.
8. Allgemeine Vor- und Nachteile
Die Währungsunion bringt sowohl den Bürgern als auch den Unternehmen
und der Wirtschaft Vor- und Nachteile:
Der Bürger muß sich zuerst einmal an sein neues Zahlungsmittel gewöhnen,
ihn erreicht aber durch den stärker zusammenwachsenden
Binnenmarkt ein breiteres Angebot von Waren und Dienstleistungen
und er kann durch den direkt möglichen Preisvergleich
auch Angebote aus dem Ausland besser nutzten. Auch werden
unter Umständen die Preise unter dem größeren internationalen
Konkurrenzdruck niedriger. Dies gilt genauso für
die Finanzdienstleistungen der Bank. Ein weiterer Vorteil,
vor allem für Vielreisende ist, daß es keine Umtauschgebühren
und Wechselkursschwankungen mehr gibt und der Bürger
auch nicht mehr in der Fremdwährung umdenken muß.
Für die Unternehmen bilden sich noch mehr Vorteile heraus, nachdem sie die
kostspielige Umstellung des Rechnungswesens und der
computergestützten Buchhaltung hinter sich gebracht
haben. Durch die einheitliche Währung können Gebühren
für Geldtransaktionen gespart und Wechselkursrisiken,
die schon mal leicht den gesamten Gewinn eines Auslandsprojekts
zunichte machen konnten, vermieden werden. Es können
sich durch den größeren Finanzbinnenmarkt bessere Finanzierungsmöglichkeiten
eröffnen; neue Märkte können erschlossen werden, wodurch
größere Absatzschancen entstehen. Und dadurch steigen
bei den konkurrenzfähigen Unternehmen die Gewinne. Außerdem
wird durch den Euro die Markttransparenz in Europa erhöht.
Doch genau diese größere Markttransparenz kann für einige
durch die jetzige Marktsituation begünstigte Unternehmen
als ein Schuß nach hinten losgehen, wenn sie der ausländischen
Konkurrenz nicht standhalten können.
Volkswirtschaftlich
gesehen wird die Marktwirtschaft dadurch noch freier,
weil sie transparenter wird. Wie die Vor- und Nachteile
für das einzelne Unternehmen aussieht, ist sehr stark
branchenabhängig: Für exportabhängige oder international
tätige Großunternehmen und Banken werden die Vorteile
klar überwiegen, da sie zum Beispiel lohnintensive Produktionen
in Niedriglohnländer verschieben können. Binnenunternehmen
wie Einzelhandel und Bauwirtschaft werden dagegen wenig
von diesen Vorteilen und hauptsächlich Nachteile wie
Umstellung der Buchhaltung zu spüren bekommen wird.
Politisch gesehen trägt die WWU natürlich enorm zum weiteren Zusammenwachsen
Europas bei. Im Gegenzug müssen aber die teilnehmenden
Staaten ihre Finanzpolitik, und damit auch ihre Fiskal-
und Haushaltspolitik sehr diszipliniert und auch unter
der Koordination mit den anderen Ländern betreiben.
Und das ist ganz klar ein nicht unerheblicher Verlust
nationalstaatlicher Souveränität.
(Nr. 7, S. 31 f; SZ
v. 21.11.95 und Nr.
11)
9. Schwachstellen
im Vertragswerk und Kritik
Nun ist dieses gesamte Projekt einer einheitlichen Währung in Europa sehr
umstritten, sei es aus Angst um das Ersparte, um den
deutschen Wohlstand oder nur aus Informationsmangel.
Auf alle Fälle ist es nicht so einfach wie Dr. Weber
vom Verband der deutschen Banken es dem Bürger verkaufen
will: Es handelt sich lediglich um eine Umstellung
der Währungseinheit, die Kaufkraft bleibt voll er halten
und auch sonst ändert sich nichts.(Nr. 11) Ich
befürchte, daß wenn die Banken die eigentlich der Regierung
zustehende Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren,
übernehmen, der Bürger unzureichend über die Risiken
der WWU aufgeklärt wird, und die Banken allein zu ihrem
Vorteil handeln und dem kleinen Mann auch mal das eine
oder andere verschweigen.
Die Fakten sprechen
alle für die Währungsunion, sagt Wessel, Präsident
des Verbandes der deutschen Banken, Diese wollen
wir vermitteln. Nur so lassen sich viele unbegründete
Vorbehalte und Sorgen der Bürger ausräumen.(SZ
v. 18.12.95) Sollte dies aber in der Art und Weise von
Dr.
Weber geschehen, so wird diese Aufklärung nicht
objektiv sein. Denn so unbegründet sind diese Ängste
der Bevölkerung bestimmt nicht, denn sonst hätten die
Wirtschafts- und Währungsexperten nicht diese heftigen
Meinungsverschiedenheiten, die sich auch in grundsätzlichen
Dingen bestehen.
Zu beginnen wäre bei den Konvergenzkriterien: Ich möchte nicht wie SZ-Kommentator
Wilfried Münster behaupten, daß die Qualifikationskriterien
einfach nicht passen(SZ v. 9.9.95) oder mich Hans
Dietrich Barbiers Meinung, Die Kriterien sind
willkürlich(Nr.
12) anschließen. Ich denke, daß
man mit den Konvergenzkriterien schon im Groben zwischen
den Staaten, die sich für eine Währungsunion eignen
oder nicht, selektieren kann. Aber zu prüfen,
ob ein hoher Grad dauerhafter Konvergenz erfüllt ist,(Nr.
1; Art.109j) sind sie meiner Meinung nach eben nicht
geeignet. In einigen Fällen sind die Kriterien zu locker,
und in anderen zu hart: So gibt es währungspolitisch
gesehen gar keinen Grund, Belgien von der Währungsunion
auszusperren, da der Belgische Franc mindestens so stabil
ist wie der Französische, wie die Abbildungen 3, 4 und
5 im Anhang zeigen.
Gemäß den Kriterien aber hat das
Königreich keine Chance, da seine öffentliche Schuld
mehr als doppelt so hoch ist wie erlaubt. Es ist aber
- zumindest politisch kaum vorstellbar, Europas Hauptstadt
Brüssel aus der WWU auszugrenzen. Für Belgien aber eine
Ausnahme zu machen würde bedeuten, daß man auch Länder
mit instabilen Währungen wie Italien, Spanien, Griechenland
, Portugal und andere mit aufnehmen müßte. Zum Fall
Belgien bleiben also viele Fragen ungeklärt (SZ v. 9.9.
95)
Des weiteren fehlt nach Ansicht der Bonner Arbeitsgruppe, die Maastricht
II-Konferenz vorbereitet, ein wichtiges Kriterium,
der ich mich nur anschließen kann: In den Maastricht-vertrag
müßten Bestimmungen eingefügt werden, durch die ein
hohes Beschäftigungsniveau sichergestellt wird.(Zwischenbericht
der Arbeitsgruppe zur Maastricht II-Konferenz vom 5.9.95;
aus SZ v. 6.9.
95) Die Arbeitslosenquote als ein weiteres
Kriterium würde dafür sorgen, daß wirklich nur von der
Wirtschaftsstruktur ähnliche Staaten einen gemeinsamen
Währungsraum bilden. Die Arbeitslosenquote in Europa
liegt im Durchschnitt bei 11%; die geringste Quote hat
Luxemburg mit 3,9%, die höchste Spanien mit 22% (SZ
v. 8.9.95).
Einer der größten volkswirtschaftlichen Fehler im Vertragswerk besteht darin,
daß diese Konvergenzkriterien quasi nur als Momentaufnahme
im Jahr 1998 überprüft werden und dann die teilnehmenden
Staaten auf Dauer feststehen.
Ab diesem Zeitpunkt sind
die Konvergenzkriterien dann in keiner Weise mehr relevant.
Also genau zu dem Zeitpunkt, wo eine vernünftige, ausgeglichene
und disziplinierte Wirtschafts-, Fiskal- und Haushaltspolitik
unverzichtbar wäre, gibt es nach dem Vertrag von
Maastricht für die teilnehmenden Staaten keine Vorschriften
(Prof. Hankel und Barbier in Nr. 12). Nach der
Qualifikation für den Währungsclub gelten keine Regeln
mehr. So kann beispielsweise jedes Land seine Staatsschuld
auf Kosten der anderen in die Höhe treiben.
Auch wenn
die gemeinsame Währung gegenüber Drittländern fällt
und fällt, drohen dem Schuldenmacher keinerlei Sanktionen.
(Nr. 13, S. 43) Das hat zwischenzeitlich auch Bundesfinanzminister
Waigel (CSU) erkannt, weswegen er einen Stabilitätspakt,
der den Maastrichtvertrag ergänzen soll, initiiert hat.
Diese von vielen Experten, darunter auch Bundesbankpräsident
Tietmeyer (SZ v. 23.
11.95) befürwortete und auch von
anderen Staaten wie Frankreich (SZ v. 14.11.95) begrüßte
Ergänzung soll aber erst in den nächsten Monaten inhaltlich
ausgehandelt und unterzeichnet werden. Damit sollen
die Länder verpflichtet werden, auch nach 1999 eine
für alle an der WWU teilnehmenden Staaten akzeptable
Finanzpolitik zu betreiben.
So soll nach Waigels Plänen
in normalen wirtschaftlichen Zeiten die maximale Neuverschuldung
bei 1% des Bruttoinlandprodukts liegen und nur in schwierigen
Zeiten bis zu 3% vom Bruttoinlandprodukts ansteigen.
Wenn Teilnehmer gegen diesen Stabilitätspakt verstoßen,
sollen sie 0,25% ihres Bruttosozialproduktes bei der
EZB hinterlegen (SZ v. 16.12.95). Fraglich ist meiner
Meinung nach nur, ob sich ein Land dadurch vom Aufnehmen
neuer Schulden abbringen läßt.
Auf die Frage, was man
dann gegen diese Länder unternehmen kann, weiß auch
EWI-Präsident Lamfalussy noch keine Antwort (SZ v. 26.10.95)
Als Strafe scheint diese Regelung nicht allzu eingreifend
zu sein. Auch sollte man daran denken, daß diese bei
der EZB hinterlegten 0,25% des Bruttosozialprodukts
wohl auch in den meisten Fällen durch Schulden finanziert
werden.
Ein weiterer Gefahrenpunkt ist die Auslegung des Vertragtextes: Wenn das
öffentliche Defizit .
.. erheblich und laufend
zurückgegangen ist ... oder der Referenzwert nur vorübergehend
überschritten wird (Nr.
1; Art. 104c; Abs. 2a)
oder das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands
... hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug
dem Referenzwert nähert (Nr.
1; Art. 104c; Abs.
2b), so kann der Staat trotzdem an der WWU teilnehmen.
Eine nähere Begriffsbestimmung der Wörter hinreichend,
erheblich oder rasch genug liefert der Vertrag
jedoch nicht. Je nach Interpretation können die Kriterien
so weit aufgeweicht werden, daß eine Stabilitätsunion
nicht mehr garantiert wäre. Das hätte zur Folge, daß
die Bundesrepublik Deutschland nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
nicht mehr an der Währungsunion teilnehmen darf (BVerfG,
Zweiter Senat: 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92).
Hier
besteht also auch noch erheblicher Klärungsbedarf und
noch jede Menge politischer Sprengstoff, da die volkswirtschaftlichen
Rahmenbedingungen noch nicht verbindlich vorliegen,
politische Entscheidungen fehlen und unter Umständen
rechtliche Streitigkeiten vor Gericht mit ungewissen
Ergebnissen ausgetragen werden.
Ein weiteres Manko ist der Zeitraum, in dem die Einhaltung der Konvergenzkriterien
geprüft wird. Die Staaten müssen lediglich 1997 die
erforderlichen Kriterien eingehalten haben und seit
1996 die Bandbreiten im EWS (die zur Zeit bei großzügigen
±15% liegen) einhalten. Dieser Zeitraum ist meineserachtens
viel zu kurz, um sicher sagen zu könne, welche Staaten
sich zur Teilnahme eignen, zumal die Kriterien wie bereits
ausgeführt auch nicht gerade ideal gewählt sind.
Wie auch Abbildung 5 im Anhang zeigt, hat 1993 kein einziges Land alle Kriterien
erfüllt. 1994 haben Deutschland und Luxemburg die Kriterien
geschafft, 1995 wäre Deutschland aber schon wieder wegen
seines Haushaltsdefizits von 3,6% zum Bruttoinlandprodukt
durchgefallen.
(SZ v. 12.1.96) Besonders interessant
ist auch der Fall Großbritannien: Obwohl der Vertrag
zur Europäischen Union verlangt, daß alle Länder bis
spätestens 1999 eine unabhängige Zentralbank haben müssen,
wird dort die Zinspolitik noch immer vom Unterhaus betrieben.
Die Experten sehen aufgrund dieser Ergebnisse folgende zwei Modelle für
die Währungsunion:
Da fast kein Land den Anforderungen entspricht,
werden sie weich ausgelegt; es gäbe eine größere Teilnehmerzahl
auch mit Ländern stabilitätschwacher Währungen, und
die Währung wäre nicht so stabil, wie es sich die Staaten
mit stabilen Währungen wünschen würden. Dieses Modell
ist aber eher unwahrscheinlich, da viele Persönlichkeiten
wie der Vorsitztende der Fünf Wirtschaftsweisen
Prof.
Hax (SZ v. 2.12.95) und der bayerische Ministerpräsident
Stoiber (SZ v. 4.11.
95, erste Seite) aus Politik und
Wirtschaft sehr auf die Stabilität achten und dafür
auch den Zeitplan verschieben würden. Auch dürfte die
Bundesrepublik Deutschland nach dem Verfassungsgerichtsurteil
nicht an einer Währungsunion teilnehmen, in der die
Kriterien nicht absolut sind (Prof. Hankel in
Nr. 12)
Die Kriterien werden hart ausgelegt, es gibt
nur wenige Teilnehmer und die Währung wird stabil. Die
große Frage wäre dann, ob die nichtteilnehmenden Länder
dann ihre jetzige Stabilitätspolitik aufgeben, keine
weiteren Anstrengungen zur Einhaltung der Konvergenzkriterien
betreiben, die Zügel der Wirtschaft schleifen lassen,
sich abspalten und damit die Differenzen zwischen ihnen
und den teilnehmenden Staaten immer größer werden, was
genau das Gegenteil des eigentlichen Ziels, das Zusammenwachsen
in Europa, wäre. Oder wird die WWU für die Outsider,
sofern sie gut funktioniert, eine Magnetwirkung ausstrahlen,
die bewirkt, daß sie sich weiter bemühen, vielleicht
ein reformiertes EWS bilden und bald mit in die EWU
aufgenommen werden.
Wie sich das entwickeln wird, ist
nach der Meinung von Hans Dietmar Barbier hochspekulativ
und von niemanden vorherzusagen. (Nr. 12)
10. Meinungen von Experten und Parteien
Im folgenden möchte ich Meinungen von anerkannten Wirtschafts- und Währungsexperten
darlegen und die Standpunkte der wichtigsten Parteien
gegenüberstellen:
Prof. Hankel, Publizist, ehemaliger Präsident
der Hessischen Landesbank, Berater der Weltbank und
der EU sowie Honorarprofessor für Währungspolitik Frankfurt/Main,
vertritt die Meinung, daß homogene Wirtschaftsstrukturen
Grundvoraussetzung für eine Währungsunion ist. Das hätte
der Anschluß der Ex-DDR an den Westdeutschen Währungsraum
gezeigt: Es entstanden dieselben Preise, die Kosten
waren jedoch unterschiedlich; die Folge war, daß die
ostdeutsche Wirtschaft in Konkurs ging, da sie in DM
gerechnet nicht mithalten konnte.
Aus seiner Sicht sind
die nötigen Voraussetzungen für eine Währungsunion noch
nicht gegeben, der Zeitpunkt ist viel zu früh gewählt
und das Risiko ist zu hoch, da man sich einen Fehlschlag
nicht leisten kann. Die Strukturen, Mentalitäten und
Sozialsysteme sind noch zu unterschiedlich und das gesamte
Projekt ist noch zu unsicher und unausgereift; zu viele
Dinge laufen noch auf der Glauben-Schiene.
So haben zum Beispiel die Zentralbanken aus aller Welt
insgesamt ca. eine Billion DM Währungsreserven, die
sie unter Umständen nicht bereit sind
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