Probleme der gewerkschaften
Probleme der Gewerkschaften
Mitgliederkrise
Die Gewerkschaften in Deutschland leiden unter dem anhaltenden Mitgliederschwund der letzten Jahre. So zählten z.B. die DGB-Gewerkschaften 1991 noch 11,8 Millionen Mitglieder, Ende 2002 waren es nur noch 7,7 Millionen. Einige Prognostiker geben den Gewerkschaften, schreibt man die Mitgliederverluste der letzten 10 Jahre fort, noch eine Lebensdauer von etwa 15-20 Jahren, bis sie zu einem reinen Lobbyverband unter anderen verkümmert sind.
Die Gewerkschaften organisieren zu wenig Frauen, Jugendliche und Angestellte sowie hoch qualifizierte Beschäftigte aus expandierenden Zukunftsbranchen.
Diese Defizite gefährden die Zukunftsfähigkeit der Gewerkschaften und ihre gesellschaftspolitische Bedeutung als Vertreter der Interessen aller Beschäftigten.
Der Strukturwandel kann sich aus mehreren Gründen negativ auf den Organisierungsgrad der Gewerkschaften auswirken:
- Durch den Niedergang einst wichtiger Bereiche, wie Textil und Bekleidung, wurden auch die zuständigen Gewerkschaften veraltet.
- An die Stele des "klassenbewussten Arbeiters" treten qualifizierte und besser verdienende Arbeiter mit Aufstiegschancen und -wünschen, die sich von den Gewerkschaften nicht repräsentiert fühlen.
- Die Zunahme des Durchschnittalters, da es erfahrungsgemäß schwieriger ist verhältnismäßig ältere Menschen für eine Mitgliedschaft zu begeistern, als jüngere.
Finanzierungsprobleme
Gewerkschaften finanzieren sich hauptsächlich über Mitgliederbeiträge. Die Mitgliederkrise hat also direkte Auswirkungen auf ihre Finanzlage.
Trotz des kurzfristigen Mitgliederbooms durch die Wiedervereinigung, der kurzzeitig Geld in die Kassen brachte, stiegen die Gesamtkosten langfristig gesehen durch die Ausdehnung in den Osten. Zwei weitere Punkte beeinflussen die finanzielle Situation der Gewerkschaften negativ: Zum einen hat die Entwicklung der Durchschnittsbeiträge nicht mit den Tariferhöhungen Schritt gehalten, da die meisten Mitglieder arbeitslos oder in Rente sind und somit nur reduzierte Beiträge zahlen. Zum anderen erschwert der Trend zur Verkleinerung von Betrieben und Entstehung kleinerer Unternehmen die Mitgliederrekrutierung.
Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis: Schrumpfende Einnahmen erfordern die Wegrationalisierung von Beratungspersonal, was wiederum zu erschwerten Bedingungen bei der Werbung von neuen Mitgliedern führt und viele auch zum Austritt aus der Gewerkschaft verleitet.
Streik als Lösung?
Das Problem, dass verbesserte Arbeitsbedingungen den Ertrag schmälern, sollte jedem bekannt sein. Lässt sich der nicht durch höhere Umsätze steigern, bleibt nur noch die Kostensenkung.
Diese aber wird nur durch den Einsatz von Maschinen oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer erreicht. Jede unter dem Druck von Gewerkschaften erzwungene Lohnerhöhung kostet also einer Vielzahl von Arbeitnehmern den Arbeitsplatz.
Das Problem zeigte sich sehr deutlich beim Tarifabschluss im öffentlichen Dienst Anfang 2003. Mit insgesamt 4,4% Lohnerhöhung war dieser Streik angesichts des überschuldeten, finanziell kaum noch handlungsfähigen Staates, ökonomischer Aberwitz, erzwungen durch massive Streikdrohungen und Warnstreiks zu Lasten aller Bürger.
Schon 1950 erkannte der Staatsrechtler Joseph H. Kaiser in Streiks ein staatsrechtliches Problem, in denen nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer und -geber zum Austrag kommen, sondern auch spezifische Interessen von Organisationen und Eigeninteresse der Gewerkschaftsbürokratie.
Viele Funktionsträger großer Gewerkschaften stellen sich als Politiker im Dienste des kleinen Mannes oder sogar der Allgemeinheit dar und verfolgen doch nur die Interessen ihrer eigenen Gruppe. Flächentarife werden aus Prinzip selbst dann starr verteidigt, wenn Unternehmen zugrunde gehen.
Wie der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst 2003 zu Lasten der Allgemeinheit zeigt, reichen die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts nicht aus, besonders weil sich viele der rechtlichen Gegebenheiten grundlegend geändert haben.
Arbeitskampf muss nicht durch Streik gelöst werden. Im modernen Staat gibt es geeignetere Mittel zur Lösung von Konflikten, z.B.
den ordentlichen Rechtsweg oder die Schaffung eines dem Bundesverfassungsgericht ähnlichen Gerichts. Das erste Volkszählungsgesetz 1983 wurde auch nicht durch Boykott außer Kraft gesetzt, sondern durch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts.
Deutschland braucht starke Gewerkschaften als Gegengewicht gegen die Unternehmerseite und als Ordnungsfaktor.
Noch bestimmt die reine Ausübung von Macht zu sehr das Bewusstsein der Führungspersonen in den Gewerkschaften. Dienstleistung und Offenheit wäre das Schlüsselwort, statt der viel gepriesenen Geschlossenheit. Die Aufgabe der Zukunft ist nicht Konfrontation, sondern die Suche nach gemeinsamen Werten.
Nur wenn die Gewerkschaften ihren Gesichtskreis öffnen und die Zukunft aller Mitmenschen in ihr Denken einbeziehen, werden sie wieder attraktiv. Andernfalls wird sich der Abwärtstrend in den Mitgliederzahlen fortsetzen, was die Gewerkschaften in die Bedeutungslosigkeit drücken würde.
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