Marc behl / mikromechanische aktoren
Mikromechanik: Aktoren Die Mikromechanik nimmt an Bedeutung zu. Nach der Miniaturisierung in der Elektronik wendet sich die Forschung verstärkt der Entwicklung mikromechanischer Strukturen zu. Während für mikromechanische Sensoren bereits verschiedenste Anwendungen bestehen, beispielsweise in der Fahrzeugtechnik als Beschleunigungssensoren für das ABS, bestenen für mikromechanische Aktoren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Medizintechnik. So ist es etwa denkbar, ferngesteuerte, kleine Roboter durch die Blutbahnen des Menschen zu schicken, um dort kleine Operationen vornehmen zu lassen.
Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über den Aufbau und einige Anwendungsmöglichkeiten von mikromechanischen Aktoren.
Inhaltsübersicht 1.
Allgemeines 2. Mikromechanische Schalter 3. Lichtmodulatoren und Anzeigeelemente 4. Mikromechanische Ventile 5. Mikromechanische Pumpen 6. Mikromotoren 7.
Mikroturbinen 8. Analysesysteme 9. Vakuum-Mikroelektronik 10. Strukturen in Datenausgabegeräten
I. Aktoren
1. Allgemeines
Unter Aktoren versteht man Bauteile, die den umgekehrten Weg wie die Sensoren gehen, also ein elektrisches (oder optisches) Signal in eine physikalische Größe wie Kraft, Drehmoment oder Dimensionsänderung umwandeln.
Dazu können folgende Wandlereffekte eingesetzt werden:
Elektrostatische Kräfte. Dabei ändert eine mikromechanische Struktur als bewegliche Elektrode ihre Position gegenüber einer festen Gegenelektrode.
Piezoelektrische Kräfte. Bei Anlegen eines elektrischen Feldes wird eine mechanische Dickenänderung und somit eine Auslenkung erzielt.
Thermomechanische Kräfte. Sandwichstrukturen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten verformen sich bei Zuführung von thermischer Energie.
Shape-Memory-Alloys (SMA's). Legierungen mit Formgedächtnis, die bei bestimmten Temperaturen ihre ursprüngliche Form wieder annehmen (z.B. für Schalter).
Anhand dieser Effekte sollen nun einige Aktoren vorgestellt werden.
2.
Mikromechanische Schalter
Bei den mikromechanischen Schaltern bilden freistehende metalisierte Zungen aus Siliziumdioxid die bewegliche Elektroden, die durch Anlegen einer Steuerspannung abgelenkt werden und der Kontakt zur festen Elektrode hergestellt wird. Hierbei gibt es verschiedene Ausführungsformen, einmal die Nieder-stromausführung für Ströme im µA-Bereich (Strom fließt direkt über die Zungenoberfläche) und dann noch die "Hochstromausführung" bei dem ein entsprechend aufgelegter Kontaktbügel die Verbindung für den Strom darstellt. Diese Version kann Ströme bis 1A(!!!) schalten.
Die entscheidenden Merkmale mikro-mechanischer Schalter sind schnelle Schaltzeiten (10-100µs), großes Ein-Aus-Widerstandsverhältnis ("echter" Schalter im Gegensatz zum Halbleiterbauteilen) und geringe Steuerleistung (Betätigungsspan-nung jedoch ca. 20V für typische Abmessungen). Die kleinen Abmessungen ermöglichen die Integration der Schalter auf dem Substrat der Steuerelektronik.
3. Lichtmodulatoren und Anzeigeelemente
Eine häufig verwendete Variante der Lichtmodulatoren sind die Mikroblenden. Hierbei handelt es sich um asymetrisch gelagerte Blenden, die durch Anlegen einer Spannung aus ihrer horizontalen in eine vertikale Lage gedreht werden können . Je nach Ausführungsform kann entweder die Blende hell und der Hintergrund dunkel sein oder umgekehrt, so daß man bei anlegen einer Spannung einen Wechsel von hell nach dunkel erkennen kann. Ordnet man nun genügend dieser Blenden neben- und übereinander an, so kann diese Struktur als Anzeige verwendet werden. Das Bild links zeigt einen Punkt des Rasters einer Anzeige bestehend aus fünf Blenden.
Die herrausragenden Eigenschaften dieser Anzeige ist der äußerst geringe Energieverbrauch von 1 nJ/cm2 pro Zyklus, sowie die lange Lebens-dauer der Stege (>109 Schaltzyklen), die kurze Ansprechzeit (2ms), der große Temperatur-bereich (-150° bis +150°) und die niedrige Steuer-spannung von 10V sowie ein großes Kontrastverhältnis.
Ein System zum Ablenken und Positionieren von Lichtstrahlen stellt dieser thermo-mechanische Aktor dar. Ein Widerstand heizt an der gewünschten Biegestelle die Si-Zunge und die darüberliegende Goldschicht. Durch den unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Materialien wird die Zunge nach unten ausgelenkt. Mit einer Steuerleistung von 250mW können Auslenkungenum bis zu 100 µm erzielt werden.
Eine weitere Möglichkeit ergibt sich mit einem Silizium-Drehspiegel.
Hierbei ist ein Spiegel aus Si an zwei Torisionsbalken aufgehängt und kann durch Anlegen einer Spannung verstellt werden. Der Spiegel kann bei Resonanzfrequenz von 15 kHz max. Winkelauslenkungen von ±1° bei einer angelegten Spannung von 400V erreichen.
4. Mikromechanische Ventile
Mikromechanische Ventile spielen bei der Realisierung von Mikrosystemen eine wichtige Rolle. Es gibt aktive und passive Ventile.
Das Bild oben zeigt die Anordnung und den Aufbau eines aktiven (steuerbaren) Ventils. Der Ventildeckel ist an zwei Spiralarmen aufgehängt und kann elektrostatisch ausgelenkt werden und verschließt dann die darunterliegende Ätzgrube.
Bei diesem Aufbau kann das Medium in einer Richtung ungehindert fließen während es in der anderen Richtung sich selbst den Durchfluß sperrt indem die Zunge durch das Medium selbst auf den Einlaß gedrückt wird. Bei Fluß gegen die dargestellte Flußrichtung wird die Zunge durch das einströmende Medium gegen die untere Wand gedrückt und verschließt den Einlaß.
5. Mikromechanische Pumpen
Nimmt man nun zwei passive Mikroventile und zusätzlich eine piezoelektrische Scheibe als Pumpmechanismuß so erhält man eine Mikropumpe mit dem Aufbau ähnlich einem Blasebalg: Wird die Membran durch anlegen einer Spannung an die piezoelektrische Scheibe so verformt daß das Volumen in der Kammer kleiner wird, so wird die Flüssigkeit durch Ventil V2 zum Auslaß gepreßt.
Bei Wegfall der Spannung nimmt die Membran ihre ursprüngliche Form an das Volumen der Kammer vergrößert sich wieder, V2 schließt und über V1 wird Flüssigkeit angesaugt. Die Pumprate beträgt einige µl/min.
6. Mikromotoren
Es gibt in der Feinwerktechnik Motoren mit 3mm Durchmesser und 11mm Länge in denen das Getriebe bereits integriert ist. Diese Motoren finden Anwendung in der Mikrorobotertechnik (Einbau in Greifer) und bei Mini-Analysegeräten (0.3 mNm; 0,5 min-1; 1:44 untersetzung; Zahnradgröße 0,5 mm).
Um eine weitere Miniaturisierung zu erreichen bedarf es der Mikromechanik, und es ergibt sich die am meisten faszinierende Anwendung der Mikromechanik, der Mikromotor. Jedoch muß hier gleich angemerkt werden, daß diese Technik eine völlig neue Art der Mikromechanik darstellt. Es handelt sich dabei um Mikrostrukturen, die Translations- oder Rotationsbewegungen ausführen. Diese relativ neue Technik ist noch völlig unausgereift. Dies zeigen die Daten des Mikromotors (links): er hat im Experiment bei 200V eine Umdrehungszahl von 150 Upm (theoret. 134*103 Upm) bei einer Lebensdauer von 1 Minute, was nur für labortechnische Auswertung interesant ist.
Es ist anscheinend für Strukturen der hier verwendeten Größe (Rotor ø 120 µm, Luftspalt 2µm) für das dynamische Verhalten wichtig, die Reibungs- und Verschmutzungseffekte stärker in Betracht zu ziehen als bei Strukturen der Feinwerktechnik. Der Motor wird durch kleine Partikel zwischen Rotor und Achse beschädigt.
7. Mikroturbinen
Das Bild zeigt eine Mikroturbine, die durch Gase oder Flüssigkeiten angetrieben wird. Da eine normale Schmierung nicht möglich ist, werden Luftgleitlager verwendet. Bei dieser Ausführung ist eine Glasfaser zur Drehzahlmessung integriert.
Die von den Zähnen reflektierten Lichtimpulse können auf einfache Weise gezählt werden.
Die Turbine kann nach nur 6 Umdrehungen auf die Drehzahl von 2000 U/min beschleunigt werden. Es sind bereits Gesamtdrehzahlen von über 100 Millionen erreichbar.
8. Analysesysteme
Diese Systeme werden vor allem in der chemischen und biologischen Analytik eingesetzt. Da diese Systeme in der Herstellung sehr komplex sind soll hier nur ein Blutanalysesystem zur in vitro Bestimmung des pH-Wertes vorgestellt werden.
Das Bild zeigt die Mikrozelle eines Blutanalysators. Er besteht im Wesentlichen aus einem Pyrexblättchen und einem Siliziumchip die durch Anodisches Bonden miteinander verbunden werden. Die wichtigsten Komponenten der Mikrozelle sind 4 Kanäle (Einlaß für die Elektrolytlösung, für die Kalibrierlösung, für die Blutprobe und ein Auslaßkanal), drei Ventile, die Sensorkammer und ein ionensensiver Feldeffekttransitor. Das Volumen der Sensorkammer beträgt 50 nl, das Gesamte Probenvolumen 10 µl.
Das interesanteste Teil des Analysators ist das Mikroventil zum schließen der Kanäle. Der Verschluß besteht aus einer Silikonkautschukfolie die mit einem Glaszylinder auf die Öffnung gedrückt wird und diese verschließt.
Die Bewegung erfolgt mittels einer Spule aus SMA (Shape-Memory-Alloy) die im Ruhezustand durch eine Feder komprimiert wird. Wird Strom (1 A) durch die Spule geschickt erwärmt sie sich und geht in ihre ursprüngliche Form zurück, komprimiert die Feder und verschließt den Kanal. Diese Form eines Ventils ist in der Lage bis zu 1mm Hub zu verrichten. Nachteilig jedoch ist die große Zeitkonstante von einigen Sekunden, die zum Heizen des SMA benötigt wird.
9. Vakuum-Mikroelektronik
Aufgrund der Fortschritte in der Halbleiterelektronik wurden Elektronenröhren immer stärker verdrängt.
Die Mikromechanik jedoch biedet völlig neue Möglichkeiten der Vakuumelektronik, da sie die Herstellung miniaturisierter Feldemissionskathoden ermöglicht. Als Feldemmissionkathoden eignen sich besonders Metalspitzen mit kleinem Krümmungsradius an denen sich schon bei kleinen Spannungen große Feldstärken ausbilden. Es ist dadurch möglich die erforderliche Spannung auf einen Wert von 100 V zu senken. Das Bild zeigt eine miniaturisierte Triode:
Die Vorteile gegenüber der Halbleiterelektronik ergeben sich aus der Tatsache des Transports der Elektronen im Vakuum. Der Temperaturbereich ist uneigeschränkt nutzbar und es besteht eine sehr gute Resistenz gegenüber elektromagnetischer Stöhrstrahlung und Teilchenstrahlung. Es ergeben sich kurze Transitzeiten zwischen Kathode und Anode unterhalb von 1 ps aufgrund des kurzen Abstandes.
10. Düsen für Tintenstrahldrucker
Bei den immer beliebter werdenden Tintenstrahldruckern ergibt sich ein Anwendungsbereich, in dem bereits heute die Mikromechanik weite Verbreitung findet: Durch kleine Druckerzeuger in Form Piezoelektrischer Biegeelemente werden in einem Flüssigkeitssysten Druckstöße erzeugt, die aus feinen Düsen Tintentröpfchen herausschleudern. Durch Kaskadierung solcher Düsen erhält man einen Druckkopf ähnlich einem Nadeldrucker, der sich von diesem jedoch durch Präzision und Druckgeschwindigkeit deutlich unterscheidet. Hierbei ist die Qualität der Düsenaustrittsöfnung von entscheidender Bedeutung, da sich schon Winkelabweichungen von 1° im Schriftbild bemerkbar machen.
Dies erreicht man durch die spezielle Düsengeometrie mit einem dünnwandigen und scharfkantigen Tubus, der die Benetzung der Düsenumgebung verhindert.
Literaturverzeichnis:
S.
Büttgenbach, Mikromechanik, Stuttgart, Teubner, 1991
A. Heuberger (Hrsg.), Mikromechanik, Heidelberg, Springer, 1989
Menz, P. Bley, Mikrosystemtechnik für Ingenieure, Weinheim, VCH, 1993
©Marc Behl 1993
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