Kommentar
KOMMENTAR
STUDIENGEBÜHREN
Es ist nicht das erste Mal, daß Studenten im Rahmen von Sparmaßnahmen zur Kasse gebeten werden. Zwei Sparpakete gab es in Österreich in den letzten zehn Jahren, und beide Male brachten sie eine finanzielle Verschlechterung für die Studenten. Auch wenn das Ziel das Budgetloch zu stopfen, allen klar ist, so wird man sich die Mittel noch genauer ansehen müssen. Nulldefizit bedeutet vor allem höhere Defizite für die Haushaltskassen von uns Bürgern. Der Zangengriff der finanziellen Belastungswelle, in den uns die Regierung nimmt, erschreckt, provoziert Pessimismus, Zukunftsangst, Trotz und Widerstand. Es macht keinen Unterschied, ob man dem Steuerzahler, der jetzt schon belastet ist mit einer der höchsten Abgabenquoten in Europa, Geld wegnimmt, indem man Gebühren und Steuern erhöht, oder ob man ihn für bisher kostenlose, aber lebensnotwendige soziale Leistungen bezahlen läßt.
Seit sich die österreichische Regierung, allen voran Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer, plötzlich und unerwartet zur Einführung von Studiengebühren ab dem Wintersemester 2001/02 in der Höhe von 5000 Schilling pro Semester entschlossen hat, steigt in den Reihen der Studenten und auch der Professoren das Unbehagen über diesen Regierungsplan. Kritisiert wird vor allem, daß es sich nicht um Strukturmaßnahmen, sondern um eine Geldbeschaffungsaktion für den Bundeshaushalt handle. Applaus kommt hingegen von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, die in den Studiengebühren eine sinnvolle Maßnahme sehen. Für die ÖH ist die Studiengebühr jedoch rechtswidrig. Sie sei ein „Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention“. Österreich habe sich 1978 per internationalem Pakt verpflichtet, keine Studiengebühren einzuführen.
Und auch laut einer Umfrage der Arbeiterkammer lehnen 62 % der Österreicher die Einführung der von Unterrichtsministerin Gehrer sogenannten „sozialverträglichen Studienbeiträge“ vehement ab. Es sei nicht gerechtfertigt, die Studiengebühren pauschal und für alle einzuführen, es gäbe schließlich nicht „den Studierenden“ schlechthin. Unterschiedliche Phasen des Studiums, verschiedene Hintergründe, Studienrichtungen und familiäre Situationen zwingen die Studenten vielfältige Lebens- und Wohnmodelle anzunehmen und vor allem auf verschiedene Weise finanziell über die Runden zu kommen. Daß neben dem Studium gearbeitet werden muß, gilt für 2/3 der Studenten Österreichs. Studierjahre sind keine „Herrenjahre“. Bis 1992 war die Welt der Studierenden aus heutiger Sicht noch weitgehend in Ordnung.
Seither müssen Studenten für den ersten Studienabschnitt einen Prüfungserfolg von acht Semesterstunden nachweisen, um Familienbeihilfe zu beziehen. Damit sank die Zahl der Beihilfenbezieher von 110.000 auf 90.000 1997 wurde festgelegt, daß die Studienzeit nicht unbegründet um mehr als ein Semester pro Abschnitt überschritten werden darf. Die Zahl der Beihilfenbezieher sank auf 75.000.
Ebenfalls gestrichen wurde die Heimfahrtbeihilfe für auswärtige Studenten und die Studentenfreifahrt für öffentliche Verkehrsmittel. Außerdem darf man seit 1997 nur mehr in den ersten beiden Semestern die Studienrichtung wechseln, um nicht Sozialleistungen zu verlieren.
Nun gibt es also klare Ansagen, was jeder Student zu zahlen hat, aber nur sehr nebulöse Ankündigungen, wie das sozial verträglich gemacht werden soll. Eine Abfederung soll laut Unterrichtsministerin Gehrer durch eine Reform und einen Ausbau des staatlichen Stipendienwesens erfolgen: mehr Anspruchsberechtigte, Senkung der Bemessungsgrundlage und Berücksichtigung der Kinderanzahl einer Familie. Daß die Universitäten durch die Einführung der Stipendien zu mehr Geld kommen ist jedoch Augenauswischerei. Es wird keine zusätzlichen Mittel auf den Unis geben.
Was an Budget gekürzt wird, kommt als Studiengebühr wieder zurück. Außerdem müssen sowohl die Erhöhung der Stipendien als auch die Kreditvergabe an Studierende finanziert werden. So geht etwa die Hälfte der Studieneinnahmen direkt wieder für Bedürftige hinaus. Zu berücksichtigen sind also die Verwaltungskosten, das Budgetdefizit und die Universitäten, denen eine Milliarde Schilling versprochen wurde. Gehrer wolle sie „unter genauer Bewertung der schwerpunktmäßigen Investitionen“ von einer Kommission verteilen lassen. So werde die Qualität des Studiums etwa durch den Ankauf neuer Computer verbessert.
Ließen sich nicht auch ohne Studiengebühr Reformen durchführen? Es geht doch darum, für die Studenten ein besseres Betreuungssystem zu entwickeln, und dies kann nicht durch Studienabgaben erzwungen werden. Statt dessen sollten die Studienpläne reformiert werden, das Bakkalaureat sei lukrativer zu gestalten. Den Platz einer Studiengebühr nehme ein Bildungsscheck ein. Erst bei Überschreitung der Studierzeit solle ein Betrag eingefordert werden.
Große Zweifel gibt es besonders an Ministerin Gehrers Versprechen, daß niemand aus finanziellen Gründen an der Absolvierung eines Studiums gehindert werden solle. Doch private Finanzierung höherer Bildung läßt vor allem die Kinder einkommensschwacher Familien leer ausgehen.
Studieren sollte keine Frage des sozialen Status sein.
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