Tertiärisierung: Ursachen, Folgen, Metropolisierung
Definition „Tertiärisierung“:
Unter Tertiärisierung versteht man eine Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes hin zum Dienstleistungssektor, sowohl im Bereich der Wertschöpfung als auch im Bereich der Beschäftigung. Dieser intersektorale bzw. sozioökonomische Strukturwandel ist in den Städten ausgeprägter als in der Gesamtwirtschaft und betrifft neben den personenbezogenen Dienstleistungen insbesondere die produktionsorientierten Dienstleistungen (z.B. Planung, Konstruktion, Marketing etc.), sowie Finanzdienstleistungen, Informationsverarbeitung und -vermittlung, Knowledge-based industries und letztlich auch den gesamten Kultur- und Tourismusbereich.
Als Ausgangspunkt dieses Strukturwandels wird der Anfang des 20. Jahrhunderts angesehen. Im großen Stil wird die Expansion des tertiären Sektors jedoch erst seit den 50er Jahren in den USA bzw. in den 60er Jahren in West-Europa zunehmend sichtbar.
Theoretische Grundlage der Tertiärisierung ist die „Drei-Sektoren-Theorie“ nach J. Fourastié [„Le grand Espoir du XXme siècle“, „Die große Hoffnung des 20.
Jahrhunderts“ ,1949 bzw. 1954]:
Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Einteilung der Produktionsstruktur in drei Sektoren:
in einen primären Sektor der Produktgewinnung (insbesondere Landwirtschaft, auch Forstwirtschaft und Fischerei);
in einen sekundären Sektor der Produktverarbeitung (Industrie und Handwerk, meist einschließlich Bergbau und Baugewerbe) und
in einen tertiären Sektor der Dienstleistungen (Handel, Verkehr, Kommunikation, Verwaltung, Bildung, Wissenschaft, Beratung, Sozial- und Gesundheitswesen unter anderem).
Fourastiés Theorie besagt, dass sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit in allen Gesellschaften zunächst vom primären auf den sekundären Sektor und anschließend vom sekundären auf den tertiären Sektor verlagert, oder mit anderen stark vereinfachenden Worten: Agrargesellschaften werden zu Industriegesellschaften und Industriegesellschaften zu Dienstleistungsgesellschaften. Die Schwerpunktverlagerung hin zum tertiären Sektor ist - wie auch die vorherigen Entwicklungen - mit wichtigen Veränderungen in der Sozialstruktur, im Schichtgefüge und in den Lebens- und Arbeitsbedingungen verknüpft.
Indikatoren für den Strukturwandel:
Anteil der drei Sektoren an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung (am Bruttosozialprodukt)
Verteilung der Erwerbstätigen auf die drei Sektoren
Ursachen des Strukturwandels:
Primär ökonomischer Ursachenkomplex:
Produktivitätsfortschritte in der Agrarproduktion und Güterherstellung setzen Arbeitskräfte frei, die in den Dienstleistungssektor verlagert werden. à Dienstleistungssektor dient als Auffangbecken für die „überflüssig“ gewordenen Arbeitskräfte dienen, weil dort die Rationalisierung und die Produktivitätszuwächse zumindest teilweise stärkeren Einschränkungen unterliegen.
Des weiteren expandiert dieser Sektor nachfragebedingt.
Anstieg der Realeinkommen aufgrund des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses erhöht die private Nachfrage nach Industriegütern und später nach Dienstleistungen.
Steigende Nachfrage nach Wirtschaftsdiensten aus dem Unternehmensbereich durch Externalisierung (Auslagerung) und Intensivierung (Mehreinsatz) produktionsnaher Dienste.
Soziologischer Ursachenkomplex
Soziologische Ursachen hängen insbesondere mit der wachsenden Komplexität sozialer und ökonomischer Systeme zusammen. Mit der zunehmenden Kompliziertheit der Gesellschaft steigt ihr Bedarf an Regelung, Vermittlung und Steuerung; sie erfordert ein Mehr an Planung, Abstimmung und Kontrolle sowie ein Mehr an Kompetenzen und Ausbildung.
Weitere Ursachen
Stärkere Nachfrage nach Freizeitangeboten durch sinkende Arbeitszeiten
Höherer Bedarf an Unterhaltung und Versorgung durch die Alterung der Bevölkerung
Vermehrte Nachfrage nach Reparatur- und Wartungsdiensten durch die Technisierung des Alltags
Folgen des intersektoralen Strukturwandels:
Räumliche Folgen:
Agrarische Zivilisation:
-In folge der Flächengebundenheit der Agrarproduktion und der begrenzten Tragfähigkeit der Agrarräume verhältnismäßig dünne, gleichmäßige Bevölkerungsverteilung.
-Die Städte als Standorte der sekundären und tertiären Funktionen sind relativ klein und tendenziell gleichmäßig im Raum verteilt.
Industrielle Zivilisation:
-Bildung von Industrieagglomerationen (rohstoff-, arbeits- bzw. absatzorientiert; vgl. A. Weber) mit zwei Grundtypen: (1) rohstofforientierte ‚Reviere‘ sowie (2) arbeits- und absatzorientierte Industriestädte.
-Entsiedlung der Landgebiete und Land-Stadt-Migrationen(Wanderungen); später zunehmendes Wachstum von tertiärwirtschaftlich geprägten Städten.
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