Übergang von der plan- zur marktwirtschaft
Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft Zur Jahrhundertwende lebten zwei Fünftel der Weltbevölkerung unter einer Ideologie, die es ausschließlich dem Staat vorbehielt, Eigentümer von Produktionsmitteln zu sein. Lenin verbot sofort in einem seiner ersten Dekrete (“Über das Land”) privaten Landbesitz, aber in Osteuropa führten dann die Regierungen nach 1945 eine durchgreifende Landreform gegen die “Landlosigkeit” durch. Später wurde jedoch in allen diesen Staaten außer Polen und Jugoslawien das formale Eigentums- oder Fruchtgenußrecht durch staatlich dominierte Kooperativen oder Kommunen überlagert.
Die Eigentumsrechte blieben global während der folgenden Jahrzehnte relativ stabil. Ende der 70er Jahre begann weltweit eine Globalisierung des Marktes, die durch die verbesserte Datenverarbeitung und der Geschwindigkeit der Telekommunikation unterstützt wurde. Die UdSSR und ihre östlichen Verbündeten blieben allerdings davon abgeschnitten.
Ihr Staatsmonopolismus und ihr Protektionismus
[Protektionísmus: eine Außen]wirtschaftspolitik, die dem Schutz der Binnenwirtschaft vor ausländ. Konkurrenten dient. Maßnahmen: Zölle, Kontingentierung, Devisenbewirtschaftung, Einfuhrbeschränkungen und -verbote.]
wirkten hemmend. Die Produktivität ging generell zurück seit die Sowjetführung die 1965 begonnene vorsichtige Dezentralisierung wieder zurücknahm.
Die nachgewiesene verminderte ökonomische Performance im Vergleich zu Unternehmen im Westen allein hätte nicht gereicht, die kommunistischen Staaten zur Wiederherstellung des Privateigentums zu bewegen, aber er untergrub das Vertrauen in die zentrale Planung.
Unzählige, aber beschränkte Reformen wurden von Mitte der sechziger Jahre bis zum Umsturz 1989 versucht. Das Scheitern der Reformen und ein Internationaler “Duesenberry-Effekt” (zu versuchen mit den Nachbarn Schritt zu halten; hier: mit dem Konsum im Westen) waren dabei wichtige Faktoren. Notwendige Voraussetzungen waren politische Bedingungen, von denen die Wahl Gorbatschows 1985 die wichtigste war. Doch erst im Frühjahr 1987 weitete Gorbatschow die Politik der Perestroika [Perestroika [russ. piri'strcjka; ›Umbau‹], von M.S.
Gorbatschow nach seinem Amtsantritt als GenSekr. der KPdSU eingeleitete ›Umgestaltung‹ des gesellschaftl., v.)a. wirtschaftl. Gefüges der UdSSR.
Ideologisch gesehen sollte die P. ein ›neues Denken‹ fördern und im Sinne einer stärkeren Demokratisierung ›stalinist.‹ Strukturen abbauen. Orthodox kommunist. Kräfte suchten dies u.)a.
mit dem Putsch vom 19.8. 1991 zu verhindern.]
auch auf die Regierung des Landes aus - mit den Konsequenzen, die wir heute sehen. Zumindest die gesetzlichen Bestimmungen zur Privatisierung sind bereits geschaffen.
Planwirtschaft - Ziel ohne Weg
Planung ist ein Wesensmerkmal jeder fortgeschrittenen Industriegesellschaft.
Auch die auf dezentralen Entscheidungen basierende Marktwirtschaft funktioniert nicht ohne Plan; die Tatsache der Planung selbst ist daher kein bedeutsames Entscheidungsmerkmal für verschiedene Wirtschaftssysteme, sondern der Unterschied findet sich nur in der Art der Planung. In Marktwirtschaften gibt es allerdings keine umfassende und verbindliche Planung der einzelwirtschaftlichen Aktivitäten durch eine zentrale Institution. Die Planung erfolgt vielmehr dezentral, das heißt, Haushalte und Unternehmen, Konsumenten und Produzenten können ihr wirtschaftliches Verhalten weitgehend in eigener Verantwortung planen. Die notwendige Koordination erfolgt nicht vorher in einem vorgefaßten Plan, sondern nachher über das Marktregulativ. Privateigentum an den Produktionsmitteln bedeutet unter anderem auch private Planungsmacht mit dem Markt als letztem Informations- und Koordinationssystem.
Anders liegen die Verhältnisse in der zentralgelenkten Planwirtschaft (“Kommandowirtschaft”).
Diese ist grundsätzlich zunächst durch einen “Primat der Politik über die Ökonomie” gekennzeichnet. Das bedeutet weniger eine Dominanz des Politischen in der Wirtschaft, sondern, im Grunde genommen, eine Verschmelzung von Politik und Wirtschaft. “Wirtschaftspolitik” erhält damit grundsätzlich eine andere Dimension. Wirtschaftliche Tätigkeit wird als politische Tätigkeit verstanden. Da der “reale Sozialismus” de facto gleichzeitig auch mit dem Einparteiensystem verbunden ist, wird die Partei zur alles bestimmenden Instanz auch in der Ökonomie.
Die politische Machthierachie setzt sich aus dem Partei- und Staatsapparat zusammen, wobei die Partei die Führungsrolle in Wirtschaft und Gesellschaft übernimmt.
Die Staatsmacht fungiert als Hauptinstrument der politischen Führung, ihr kommt die Aufgabe zu, die politischen und ökonomischen Weisungen in konkrete Handlungsprogramme umzusetzen. Zwischen Partei- und Staatsapparat besteht eine enge personelle Verflechtung.
Produktion und Verbrauch werden also durch “imperative Planung” der zentralen politischen Instanzen festgelegt. Die zentralgelenkte Planwirtschaft ist daher durch die Dominanz politisch besetzter bürokratischer Institutionen charakterisiert. Privateigentum an den Produktionsmitteln ist im Prinzip untersagt und wird höchstens in Ausnahmefällen zugelassen. Wirtschaftliche Vorgänge wie die Festlegung der Preise und die Nutzung und der koordinative Einsatz der Produktionsfaktoren sind an staatliche Genehmigungen und Kontrolle gebunden.
Der freie Handel ist ebenfalls prinzipiell untersagt. Die volkswirtschaftliche Planung erfolgt über eine zentrale und hierarchisch durchorganisierte Planungsbürokratie, die von der Parteispitze und der personell häufig nahezu identen Regierung eingesetzt wird. Diese entwickeln einen Fünfjahresplan zur längerfristigen Orientierung und darauf aufbauend dann verbindliche Einjahrespläne.
Der Fünfjahresplan ist das wichtigste Instrument der staatlichen Wirtschaftspolitik. Er bestimmt in quantitativer [mengenmäßig] Form das Wachstum des Nationaleinkommens und dessen Struktur, untergliedert nach Sektoren, Branchen und Regionen. Ferner legt er die Entwicklung makroökonomischer [Ma|kro|öko|no|mie [auch: makro.
..; gr.-nlat.] die; -: Betrachtung wirtschaftlicher Größen, die sich auf die Volkswirtschaft als Ganzes beziehen (Wirtsch.); Ggs.
Mikroökonomie.]Strukturen und Niveaugrößen fest, wie z.B. das Verhältnis von Konsumenten und Akkumulation [die fortschreitende Ansammlung von Produktionsmitteln.], die Steigerungsraten des Preisniveaus, usw. Die Jahresplanug bestimmt die praktischen operativen Aufgaben der Wirtschaftslenkung.
Sie ist der Fünfjahresplanung untergeordnet und soll zur Realisierung der dort formulierten Ziele beitragen.
Die gesamtwirtschaftlichen Beschlüsse der Parteiführung über Wirtschaftswachstum, Investitionen, Konsum usw. werden also im Jahresplan sehr detailliert ausgearbeitet und an die Betriebe als Vorgabe weitergegeben; diese melden hierauf ihre Produktionskapazität und den Bedarf an Arbeitskräften, Investitionsmitteln und Rohstoffen an. Diese werden nun zu einem Gesamtplan zusammengefaßt, der von der Parteiführung anschließend gesetzlich beschlossen und über die Ministerien an die Betreibe weitergegeben wird. In diesem Anhäufen und Abbauen großer wirtschaftlicher Datenmengen liegt bereits eines der großen Probleme der Planwirtschaft begründet. Denn in einem arbeitsteilig organisierten komplexen Industriesystem gehen Tausende Daten in jeden einzelnen Produktionsprozeß ein, das heißt aber, daß in einer entwickelten Industriegesellschaft die zentrale Planung Milliarden derartiger Daten richtig einplanen müßte.
Das übersteigt aber die Kapazität bisheriger Instrumentarien bei weitem, so daß sich immer wieder Planungsfehler und logistische Probleme einstellen, wie das Fehlen von Ressourcen am richtigen Ort zur richtigen Zeit, die vielfach schwerwiegende Folgen haben.
Zusammenfassend kann man die zentralgelenkte Planwirtschaft durch folgende Merkmale kennzeichnen:
Es gibt eine Priorität der Politik über die Ökonomie. Daraus folgt:
Eine politische Besetzung der Führungspositionen in der Wirtschaft und eine
bürokrtatisch-Hierarchische Organisation der volkswirtschaftlichen Produktion.
Die zentrale Planung von Produktion und Konsumtion erfolgt auf ein Jahr bzw. fünf Jahre und verlangt
ein öffentliches Eigentum an den Produktionsmitteln.
“Marktwirtschaftliches” Handeln findet höchstens in Randbereichen der Ökonomie (Kleinbetriebe in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsbereich) statt.
Durch die schlechte Versorgungslage nach dem Krieg konnte erst Lenins Nachfolger Stalin 1928 den ersten Fünfjahresplan einführen; die Schwerpunkte lagen auf der forcierung der Schwerindustrie und der zwangsweisen Kollektivierung der Landwirtschaft.
Ausgehend von einem äußerst niedrigem Niveau, erzielte die junge Sowjetunion in der Zwischenkriegszeit vergleichsweise gute Wirtschaftsdaten; das Land war weitgehend vom internationalen Kapitalmarkt und Welthandelssystem abgeschnitten, was dazu führte, daß sie auch der Niedergang in der Weltwirtschaft in den dreißiger Jahren kaum betraf. Für viele schien daher das größte Experiment des Jahrhunderts erfolgreich. Durch den Sieg der UdSSR im 2. Weltkrieg kam es zu einer Ausdehnung des Systems auf die von ihnen abhängigen Länder Mittel- und Südosteuropas. Auch wurde sie zu einem Vorbild der Entwicklungsländer wie der VR China.
Das System der zentralen Planwirtschaft hat in allen Ländern zu einer mangelnden betrieblichen Effizienz geführt. Das Hauptinteresse der Unternehmen besteht nicht an Gewinn oder Umsatz, sondern an der Planerfüllung bzw. Überfüllung. Die Nichterfüllung des Plans wird als Vergehen bestraft. Die verantwortliche Unternehmensleitung muß zudem mit dem Entzug der privilegierten Position und mit der Gefährdung des wirtschaftlichen und politischen Aufstiegs rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß die Direktoren versuchen, leicht erfüllbare Planungsauflagen zu bekommen.
Dieser Widerspruch zwischen betrieblichem und gesellschaftlichem Interesse ist in der zentralen Marktwirtschaft systemimmanent [sy|stem|im|ma|nent: a) einem System innewohnend, in den Rahmen eines Systems (3, 4) gehörend; b) sich [im Denken u. Handeln] innerhalb der Grenzen eines Systems (4) bewegend; angepaßt.]
und beginnt bereits in der Phase der Planerstellung. Die Betriebe wissen, daß ihre Informationen die Grundlage für die zentrale Planung bildet. Die zentralen Behörden sind auf diese Informationen angewiesen, da sie selbst die betrieblichen Verhältnisse nicht ausreichend überblicken können. Die leitenden Direktoren sind daher darauf aus, nur solche Informationen weiterzugeben, die “weiche”, das heißt leicht erfüllbare Planauflagen garantieren.
Aufgrund der Soll-Ist Logik besteht kein großes Interesse an Innovation und Rationalisierung, da ja nicht produziert wird um Gewinn zu erzielen. Die Leistung wird also nicht vom Konsumenten bewertet sondern von den übergeordneten Organen. Seit den sechziger Jahren wurden die Planwirtschaften zunehmend anhängig vom Technologietransfer aus den westlichen Industrieländern. Der Konsument wird mit dem Produkt immer weniger zufriedengestellt und da er auf kein Konkurrenzprodukt umsteigen kann und auch sonst jede Meinungsäußerung verboten ist, bildet sich ein nicht ungefährliches Krisenpotential. Die Furcht vor der Ausweitung einer Versorgungskrise zur politischen Krise war auch der Auslöser für partielle Reformen des Wirtschaftssystem, die aber immer schon in den Anfängen steckenblieben.
Marktwirtschaft - Weg oder Ziel?
In den vierziger Jahren schrieb der Ökonom Friedrich August von Hayek ein Buch mit dem Titel “Der Weg in die Knechtschaft” , in dem er darauf hinwies, daß in der Wirtschaft jede Staatsintervention eine Störung des Marktgleichgewichts nach sich zieht und zwangsläufig weitere Interventionen zur Folge haben.
Ist einmal der “Sündenfall” getan, so gibt es seiner Meinung nach kaum mehr einen Weg zurück, und am Ende stehen der alles dominierende Staat und die Ausschaltung der Marktkräfte. Die Länder Ost- und Ostmitteleuropas versuchen heute diesen Weg in die umgekehrte Richtung zu gehen, indem sie die Kommandowirtschaft zentraler staatlicher Planung durch den Übergang zur Marktwirtschaft zu ersetzten beabsichtigen.
Die politischen Veränderungen sind in einer “friedlichen Revolution” relativ schnell vor sich gegangen; die wirtschaftlichen Probleme, die mehr als 40 bzw. 70 Jahre Planwirtschaft hinterlassen haben, halten aber weiter an. Eine rasche Lösung im Sinne eines Übergangs zur Marktwirtschaft wird aber nicht friktionsfrei ablaufen. Vielmehr ist zu befürchten, daß der dabei zugrunde zu legende Zeithorizont bisher viel zu optimistisch eingeschätzt wurde.
Die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik sind in solchen Situationen zunächst auf die Lösung elementarer Probleme eingeengt, nämlich auf:
die Sicherung der wirtschaftlichen Souveränität,
die Bereitstellung der notwendigen rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen,
die Bewältigung der Versorgungsprobleme und Rekonstruktion der Infrastruktur,
entsprechende Ordnungsmaßnahmen auf dem Währungssektor und
die Erneuerung des Produktionsapparates.
Probleme der “Übergangswirtschaft”
Zunächst stellt sich bei derartigen dramatischen Veränderungen das Problem der Stabilisierung nach außen und innen d.h. zur politischen Stabilisierung müssen zuerst die alten Machthaber entfernt werden, was aber nicht bedeuten muß, daß alle politischen und wirtschaftlichen Funktionäre des alten Systems aus ihrer Position entfernt werden müssen. Man muß sogar, um chaotische Zustände zu vermeiden “Minderbelastete” in den mittleren und unteren Ebenen zu übernehmen, weil diese als einzige über das nötige Managementwissen verfügen.
Um das Vertrauen der ausländischen Kreditgeber wiederherzustellen, werden zumindest teilweise die Rechte der ehemaliger Eigentümer anerkannt, deren Besitz damals einer zwangsweisen Enteignung zugeführt wurde.
Die Währungsfrage - ein Schlüssel zur Bewältigung des Übergangs
Die Beibehaltung einer teilweisen Bewirtschaftung erscheint zumindest für eine Übergangsperiode notwendig, sonst droht der Abfluß von Waren ins Ausland und das Entstehen von Versorgungsengpässen im Inland. Die Erhöhung der Produktion und Produktivität (selbst um den Preis einer vorübergehenden Erhöhung der Arbeitslosigkeit) muß aber das Ziel sein, gemeinsam mit realistischen Preisen, da sonst schwarze und graue Märkte und geringe Ablieferungsdisziplin der Produzenten die Folge sein werden. Der notwendige Subventionsabbau bei Lebensmitteln, Mieten, Energie etc. muß aber durch Lohn- und andere Beihilfen zunächst abgefangen werden, und diese Subventionen können wohl erst allmählich, mit dem tatsächlichen Wirksamwerden der Marktmechanismen wieder abgebaut werden. In der schwierigen Übergangssituation muß ein Sozialnetz für die notwendige Umstrukturierung erst geknüpft werden. Vor einer Preisfreigabe muß aber auch erst ein wirkungsvoller Konkurenzmechanismus geschaffen sein.
Zur Verbesserung der Wirtschaftsleistung erscheint vor allem der Aufbau der Infrastruktur unverzichtbar, etwa die Erneuerung des minderwertigen Telefonsystems, der Straßen und Eisenbahnen.
Im Geldwesen ist das Fernziel ohne Zweifel die Konvertibilität der Währung, denn ohne solche kann man auch weder ausländische Investoren anlocken noch zur Ausbildung eines Systems freier Finanzmärkte gelangen. Die Schaffung einer vom Staat unabhängigen Zentralbank und von eigenständigen Banken, also eines dualen Bankensystems, ist dazu nur ein erster Schritt. Das Ziel der Entwicklung echter Finanzmärkte ist aber eher als mittelfristige Zielvorgabe zu sehen und wird nach Ansicht etwa der internationalen Finanzberatungsfirma Morgan Stanley in Osteuropa zwischen fünf bis fünfzehn Jahren dauern.
Bisher wurde der Außenhandel in den “Ostblockländern” weitgehend über die staatliche Außenhandelsorganisation abgewickelt, die alle finanziellen Transaktionen abwickelte. Dieses staatliche Außenhandelsmonopol schirmte die inländischen Produktionsbetriebe von den internationalen Märkten ab.
Die Abkoppelung vom Weltmarkt führte aber zur Strukturkonservierung und Unterkapitalisierung der Betriebe.
Der Zeitfaktor
In diesem Zusammenhang ist nach der Belastbarkeit und Veränderungsbereitschaft der Betroffenen, die Frage, ob die Bevölkerung bereit sein wird, jene erheblichen Belastungen und Einschränkungen auf sich zu nehmen, die der Wegfall von subventionierten “Preisen”, von Arbeitsplatzsicherheit, von mietergeschützten Wohnungen, von landwirtschaftlichen Kooperativen mit Naturalvergünstigungen und Urlaubsgarantie usw. mit sich bringen werde. Eine Diskrepanz entsteht nicht zuletzt dadurch, daß durch die Macht der heutigen grenzüberschreitenden Telekommunikation Erwartungshaltungen erzeugt werden, die in absehbarer Zeit wohl nicht einzulösen sein werden. Die Veränderungen wurden ja nicht zuletzt durch diese Tendenz der vernetzten “Informationsgesellschaft”, des “global village” erzwungen. Der Konsumbedarf wird aber noch lange nicht zu befriedigen sein, so daß Wirtschaftsflüchtlinge auch weiterhin wohl nicht zu vermeiden sein werden.
Ein wichtiger Faktor ist jedenfalls die Zeit. Auch hier wird es fünf bis sieben Jahre dauern , bis die unmittelbare wirtschaftliche Rekonstruktionsphase abgeschlossen war. Weit länger wird es jedenfalls dort dauern, wo all diese Voraussetzungen nach Jahrzehnten eines totalitären Kollektivismus [Kol|lek|ti|vis|mus [...wÐß.
..] der; -: 1. Anschauung, die mit Nachdruck den Vorrang des gesellschaftlichen Ganzen vor dem Individuum betont u. letzterem jedes Eigenrecht abspricht. 2.
kollektive Wirtschaftslenkung mit Vergesellschaftung des Privateigentums.]und Staatsmonopolismus nicht mehr vorhanden sind, so daß man sich bewußt sein muß, daß die Sanierung - selbst wenn sie erfolgreich verlaufen sollte, was aber durchaus nicht sicher ist - wohl erst nach fünf bis zehn Jahren eine fühlbare Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtlage bringen wird.
Die Rolle der Banken als Finanziers und Berater
Banken können heute ohne permanente, schöpferische Innovation vor Ort (Financial Engineering) im Wettbewerb nicht mehr bestehen.
5 Fälle zur wirtschaftlichen Entwicklung von der Plan- zur Marktwirtschaft:
Einführung neuer, vorher unbekannter Güter oder Produktionsqualitäten,
Einführung neuer Produktionsmethoden,
Erschließung neuer Absatzmärkte,
Durchführung einer Neuorganisation,
Eroberung neuer Bezugsquellen.
Durch die Unbeständigkeit ist daher die unternehmerische Lernfähigkeit der Banken herausgefordert. Probleme ergeben sich oft aus der besonders hartnäckigen Umsetzung der strukturellen Reformen wie Privatisierungen der Staatsbetriebe, Schaffung neuer Institutionen und Rechtsnormen sowie Aufbau eines leistungsfähigen Finanzsektors.
Dabei zeigte sich, daß die zu reformierenden Wirtschaften nicht im erwarteten Ausmaß auf die neuen Liberalisierungsanreize reagierten.
Hier muß es nun zu Taten oder zur Selbsthilfe kommen. Planwirtschaftliche Strukturen müssen durch flexiblere marktwirtschaftliche Mechanismen ersetzt werden. Die ersten Versuche mit marktwirtschaftlichen Elementen in der Planwirtschaft haben gezeigt, daß ein langgestreckter aber schmerzloser Systemübergang nicht möglich ist.
Der Aufbruch ist eine Herausforderung sowohl für die im Übergang befindlichen Staaten als auch für die Banken. Auf beiden Seiten wird ein Überdenken bisheriger Positionen notwendig.
Nach einer Studie des Conference Board, einer Forschungsstelle der amerikanischen Industrie, brauchen die ehemaligen Ostblockländer noch bis zu 20 Jahren, bis sie den Anschluß an den westlichen Lebensstandard erreicht haben.
Man darf sich vor dem vom Conference Board prognostizierten jährlichen Kapital- und Investitionsbedarf der ehemaligen Ostblockländer von rund 70 Milliarden Dollar nicht abschrecken lassen. Es muß aber auch erwähnt werden, daß eine finanzielle Hilfe dieses Ausmaßes sicher nicht selbstlos ist. Erhofft werden neue Märkte.
Der Internationale Währungsfond schätzte allein für 1991 den anfallenden Außenfinanzierungsbedarf Ost- und Mitteleuropas auf rund 20 Milliarden Dollar. Davon wurden etwa 2 Drittel aus multilateralen Quellen gespeist:
Dies sind nur einige Beispiele für die Finanzierung des Ostens.
Die Weltbank hat im Jahr 1991 den sechs Zentral- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds rund 5 Milliarden Dollar in Form von Beistandskrediten und rund 2 Milliarden Dollar in Form von Energiekostenzuschüssen beigesteuert.
Die Europäische Investitionsbank wird den derzeitigen Kreditrahmen von 14 Milliarden Schilling für die Finanzierung von Entwicklungsvorhaben zur Verbesserung der Infrastruktur in Osteuropa innerhalb der nächsten drei Jahre verdoppeln.
Bruttoverschuldung Osteuropas Im Juni 1991 (geschätzt)
Gesamt
168 Mrd. US-$
UdSSR
65 Mrd. US-$
Polen
46 Mrd. US-$
Ungarn
20 Mrd.
US-$
Bulgarien
11 Mrd. US-$
CSFR
9 Mrd. US-$
Zitat Schumpeter:
[Schumpeter, Joseph Alois, *)Triesch (Südmähr. Gebiet) 8.2. 1883, †)Taconic (Conn.
) 8.1. 1950, österr.- amerikan. Nationalökonom. Prof.
in Graz und Bonn, seit 1932 an der Harvard University. S. entwickelte als einer der Wegbereiter der Ökonometrie in seiner ›Theorie der wirtschaftl. Entwicklung‹ (1912) ein geschlossenes Modell der kapitalist. Dynamik, das er zu einer umfassenden sozialwiss. Interpretation wirtschaftl.
Entwicklung ausbaute.]“Der Bankier eröffnet dem Unternehmer den Zutritt zu den Produktionsmitteln der Volkswirtschaft. Wie der Unternehmer König, so ist der Bankier oberster Aufseher des Marktes.”
Auch westliche Banken, die systembedingt Gewinne erwirtschaften müssen, sind somit herausgefordert, ihren Beitrag zur Umgestaltung der Planwirtschaften einzubringen. In der Vergangenheit erfolgte ein nicht unbeträchtlicher Teil der Auslandsfinanzierung der heutigen Reformländer durch Bankkredite, meist in syndizierter (in einem Syndikat zusammengefaßt) Form.
Seit dem Ausbruch der internationalen Verschuldungskrise ist sichtbar geworden, daß diese Art der Finanzierung für Banken problematisch ist.
Sie ist losgelöst von konkreten Geschäftsfällen, und es gibt keine Möglichkeit der Einflußnahme auf die Verwendung der Mittel.
Im Sinne einer Aufgabenteilung erwarten die Bankinstitute vor allem von den westlichen Regierungen sowie den multilateralen Finanzierungsinstituten, die externen Finanzierungsmittel für die sich reformierenden östlichen Länder aufzubringen. Als bankkreditfähiges Geschäft wird daher im wesentlichen das Projektfinanzierungsgeschäft angesehen, wobei die Projektfinanzierung stark vom Engagement westlicher Industrieunternehmen abhängt.
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